Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Mitgliedschaft, Verwaltungsgerichte, Waffenrechtliche Erlaubnis, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Maßgeblicher Zeitpunkt, Befähigung zum Richteramt, Rechtsmittelbelehrung, Widerrufsverfahren, Streitwertfestsetzung, Streitwertkatalog, vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils, Behördenakten, Behördenentscheidung, Umgang mit Behörden, mündlich Verhandlung, Waffenbesitzkarte, Kostenentscheidung, Verwaltungsverfahren, Prozeßbevollmächtigter

Aktenzeichen  AN 16 K 17.02004

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6136
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Bescheid des Landratsamtes … vom 23. August 2017 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der angefochtene Bescheid des Landratsamtes … vom 23. August 2017 erweist sich als formell rechtmäßig.
Das Landratsamt ist als Kreisverwaltungsbehörde sachlich (§ 48 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 1 BayAVWaffBeschR) und aufgrund des Umzugs des Klägers am 7. Dezember 2016 von … nach … auch örtlich (§ 49 Abs. 1 WaffG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG) für den Erlass des angefochtenen Bescheides zuständig. Zudem wurde der Kläger ordnungsgemäß nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört.
2. Der Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers ist auch materiell rechtmäßig.
Er stützt sich auf § 45 Abs. 2 WaffG. Hiernach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
a) Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine auf zutreffend ermittelte Tatsachen gestützte Prognose des zukünftig zu erwartenden Verhaltens des Betroffenen voraus (Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 18). An die Prognose dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Denn das Zuverlässigkeitserfordernis dient dem Zweck, die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das uneingeschränkte Vertrauen verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – NJW 2015, 1127). Ein Restrisiko braucht folglich nicht hingenommen zu werden (BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 Cs 13.1564 – juris Rn. 10). Die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit ist in Anlegung dieses Maßstabs nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – NJW 2015, 3594/3596).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das Verwaltungsgericht anschließt, sind Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, waffenrechtlich unzuverlässig (vgl. Beschlüsse des Senats v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – alle juris).
aa) Gemäß dem Verfassungsschutzbericht 2019 des Bundes (Seite 102 ff.) ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationanbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Diese Ablehnung ist das Ergebnis verschiedener ideologischer Positionen, die sich teilweise stark voneinander unterscheiden. Dennoch sind sie insgesamt dazu geeignet, Personen ein verschwörungstheoretisches Weltbild zu vermitteln, dessen Ergebnis die Ablehnung des Staates sein kann. Ein Großteil der Szene konzentriert sich auf Auseinandersetzungen mit Behörden und Ämtern. Staatliche Eingriffe werden generell als unrechtmäßig empfunden. Dabei kann jede staatliche Einmischung erhebliche Aggressionen bis hin zu Gefahrensituationen auslösen.
Nach dem Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2019 (Seite 196 ff.) sind Reichsbürger Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster und ein selbstdefiniertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Reichsbürgerideologie ist insgesamt geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung. Reichsbürger entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl typischer Aktivitäten, die zum Teil Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die gezielte Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung abzielen. In Einzelfällen kommt es dabei auch zu Gewaltandrohung beziehungsweise -anwendung gegenüber staatlichen Repräsentanten. Die sozialen Medien ermöglichen es zudem, innerhalb kurzer Zeit Unterstützer aus der Szene zu mobilisieren, um mit deren Hilfe behördliche Handlungen zu blockieren.
bb) Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) bis c) WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.1997 – 1 B 9/97 – juris), muss einer der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden.
c) Der Kläger lässt durch die vom Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 23. August 2017 angeführten Verhaltensweisen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung erkennen und hat dadurch berechtigte Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit geweckt, die er auch in der mündlichen Verhandlung nicht zu entkräften vermochte.
aa) Hat ein Waffenbesitzer Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die ihn als Reichsbürger und damit als waffenrechtlich unzuverlässig erscheinen lassen, ist es Aufgabe des erkennenden Gerichts zu prüfen, inwieweit die Einlassungen des Klägers im Einzelnen glaubhaft und geeignet sind, ihn als eine Person erscheinen zu lassen, die nicht die Ideologie der Reichsbürger als für sich verbindlich beansprucht (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 19). Lässt ein von außen wahrnehmbares Verhalten des Klägers nach den zugrunde gelegten Erkenntnissen eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung erkennen, so ist es Sache des Klägers, die von ihm selbst hervorgerufenen, berechtigten Zweifel im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu entkräften, zumal der Kläger an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken hat, insbesondere, da es sich bei einer inneren Einstellung bzw. Geisteshaltung um Umstände handelt, die in die „Sphäre“ des Klägers fallen (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 16). Das erkennende Gericht hat, insbesondere auch durch einen persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung, zu klären, inwieweit der Kläger einschlägige typische Verhaltensweisen erklären und entkräften kann. Insbesondere hat sich das Gericht einen Eindruck davon zu verschaffen, inwieweit diese Verhaltensweisen aufgeklärt oder eben auch verschleiert bzw. bagatellisiert werden (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 a.a.O.).
bb) Die für den Kläger negative Prognose im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit stützt sich auf folgende, eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung begründenden Tatsachen:
(1) Der Kläger war im Zeitraum von 8. Mai 2016 bis 21. September 2016 sowie am 19. und 20. Oktober 2016 Mitglied der Whatsapp-Gruppe „…“, deren Chatverläufe er dem Landratsamt … im Verwaltungsverfahren zum Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse zur Verfügung gestellt hat. Zahlreiche Mitglieder dieser Chatgruppe leisteten dort Beiträge, die inhaltlich der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sind. Im Einzelnen wird hinsichtlich der in dieser Gruppe kommunizierten Inhalte auf die vom Kläger in Vorlage gebrachten Chatverläufe und die Ausführungen des Landratsamtes … hierzu auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides vom 23. August 2017 Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Unter vielen Beiträgen sei lediglich exemplarisch genannt, dass etwa … am 11. Mai 2016 postete: „Die ersten Besucher und Zeugen des Staates …“; hierzu gratulierten ihm mehrere Mitglieder (Bl. 1 der Auszüge zur Whatsapp-Gruppe „…“). Am 20. Juni 2016 kam es zu einem Austausch über die Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland (Bl. 12 der Auszüge). Am 4. Juli 2016 fragte … an „Wer hätte morgen 10.00 in … Zeit mit da zu sein. Überfall von GV und Fa. Finanzamt“ (Bl. 16 der Auszüge). Als ein Mitglied auf Anrufe der „GEZ“ aufmerksam machte, entgegnete ein anderes Mitglied („…“): „Die wollen nur handelsrechtliche Verträge machen.“ (Bl. 97 der Auszüge). Die Ereignisse um die Mordtat des … kommentierten Mitglieder der Whatsapp-Gruppe am 19. Oktober 2016 unter anderem wie folgt: „Nachdem … niemandem etwas angetan hat und er nur gegen Bewaffnete Einbrecher einer Firma sich in Notwehr in seinem zu Hause verteidigt hat, werden sie jetzt massive Falschdarstellung betreiben…“ (Bl. 112 der Auszüge), „Schande über dieses Land und seine „beamten“…“ (Bl. 114 der Auszüge), „Na das erzähl mal bitte dem Innenminister mit Persilschein 129 Stgb.. Scheiss Faschistenpack!“ (Bl. 116 der Auszüge) und „Seit wann ist denn ein nur so genannter Haftrichter für einen souveränen lebendigen Mann zuständig?“ (Bl. 120 der Auszüge). Der Kläger selbst äußerte zwar kein derartiges Gedankengut, er war jedoch ein diszipliniertes Mitglied dieser Gruppe und hatte reges Interesse an einem dortigen Austausch. Dies zeigt sich an seinen regelmäßigen inhaltlichen Beiträgen mit zumeist militärischem Bezug, wie sie das Landratsamt … auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides vom 23. August 2017 aufführt, sowie daran, dass er mehrfach Gruppenmitglieder zur Schreibdisziplin anmahnte, wenn diese inhaltsleer chatteten. Am 12. August 2016 etwa postete der Kläger „ok… kurze frage von sinn und zweck hier in der gruppe. privatunterhalten oder infos oder alte nachrichten posten die nicht mehr aktuell sind? wenn ihr das als chatraum nutzen wollt verlass ich die gruppe, kein thema.“, „gegen ab und zu mal hab ich nix dagegen. aber wenn einige hier schon gar nicht mehr reinschaun weil nur noch müll gepostet wird ist das nicht sinn und zweck find ich.“ und „mach nen chatraum … gute idee. hier infos und den notrufkanal eben auch nur wenns angebracht is“ (Bl. 62, 63 der Auszüge). Am 3. September 2016 mahnte der Kläger „chattet bitte in eurer neuen gruppe“, „das ist eine info gruppe“ (Bl. 93, 94 der Auszüge). Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt mahnend einschritt, wenn reichsbürgertypisches Gedankengut geäußert wurde. Inhalte letzterer Art nahm der Kläger hin, wobei festzuhalten ist, dass der Kläger allein durch seine Mitgliedschaft in der Gruppe „…“ seine Nähe zu derartigen Inhalten gegenüber Dritten zum Ausdruck brachte. Sein Interesse galt insbesondere auch dem Fall … Letzterer ist Aktivist der Reichsbürgerbewegung und Gründer des Scheinstaates „…“. Er verletzte am 25. August 2016 im Rahmen einer Zwangsräumung seines Grundstücks einen Polizisten bei einem Schusswechsel schwer und wurde hierfür wegen versuchten Mordes verurteilt. Ein erster Räumungsversuch am Vortag war gescheitert, weil sich Dutzende Sympathisanten und Familienangehörige … auf dem Grundstück versammelt hatten, um die Maßnahme zu verhindern. Der Kläger erkundigte sich in der Gruppe „…“ am 25. August 2016: „ist noch jemand bis heute dort geblieben?“ (Bl. 81 der Auszüge). Die aktive Mitgliedschaft des Klägers in der Whatsapp-Gruppe „…“ über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg verdeutlicht eine ideologische Nähe des Klägers zur Reichsbürgerbewegung. Die Beiträge des Klägers zeigen, dass dieser die in der Gruppe veröffentlichten Inhalte aufmerksam verfolgte. Er fügte auch wiederholt weitere Mitglieder zu dieser Whatsapp-Gruppe hinzu. Seine Einlassung im Verwaltungsverfahren, dass es ihn nie wirklich interessiert habe, um was es anderen bei dem Ganzen wirklich gegangen sei und was bezweckt werden sollte, erweist sich vor dem Hintergrund zahlreicher eindeutig der Reichsbürgerbewegung zuzurechnenden Beiträge und dem Umstand, dass sich der Kläger etwa gerade auch für die Ereignisse um … am 25. August 2016 interessierte, als absolut lebensfremd und reine Schutzbehauptung. Seine Distanzierung von der Reichsbürgerbewegung mit der Begründung, er wisse nicht mal im Detail, um was es da wirklich gehe und sei auch nicht dahingehend aktiv gewesen, ist als nicht glaubhaft einzustufen. Schließlich hat der Kläger die Gruppe am 21. September 2016 zwar verlassen, nicht jedoch, um sich von der Gruppe und deren Inhalten zu distanzieren, sondern nach eigenen Angaben mangels ausreichender „Infos und Fakten“; „wichtige akute Dinge“ werde er im Notruf posten (Bl. 111 der Auszüge). Am 19. Oktober 2016, dem Tag der Ermordung eines SEK-Beamten durch … hat sich der Kläger jedoch wieder zu der Chatgruppe hinzufügen lassen und zur Tat des Herrn … geäußert, dass nur … wisse, wie es dazu gekommen sei (Bl. 120 der Auszüge). Der Kläger ist am 20. Oktober 2016 zwar wieder aus der Gruppe ausgetreten, ohne sich allerdings bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides glaubhaft von der Ideologie der Reichsbürgerbewegung zu distanzieren. Die Gruppe schien sich vielmehr nach dem Mord durch … aufzulösen.
(2) Weiter war der Kläger nach eigenen Angaben Mitglied in einer sogenannten Notrufgruppe. Auch hierbei handelt es sich um eine Whatsapp-Chatgruppe, deren Inhalte der Kläger jedoch nicht vorgelegt hat. Informationen zu dieser Chatgruppe sind allerdings über den Chatverlauf der Gruppe „…“ bekannt. Ausweislich deren Chatverlaufs erklärte der Kläger den Gruppenmitgliedern am 8. Juni 2016, wie man in Notfällen mittels Mobiltelefon seinen aktuellen Standort bekannt geben kann (Bl. 5 der Auszüge). Am 6. September 2016 fuhr der Kläger auf einen derartigen Notruf des … nach …, wobei aus dem Chatverlauf der Gruppe „…“ (Bl. 96 der Auszüge) deutlich wird, dass es den dem Hilferuf nachkommenden Gruppenmitgliedern um die Verhinderung einer staatlichen Maßnahme ging. Auf den Hinweis eines anderen Mitglieds, dass die Maßnahme durchgezogen werde, äußerte der Kläger: „natürlich werden sie das…stehen ja auch keine 200 menschen vorm tor und verhindern dass die transporter wegfahren können“. Diese Gruppe diente mithin erkennbar dem Zweck, innerhalb kurzer Zeit Unterstützer in hinreichender Zahl zu mobilisieren, um mit deren Hilfe behördliche Handlungen zu blockieren. Aktivitäten gegen staatliche Institutionen zu entfalten mit der Zielsetzung, Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung lahmzulegen, sind dabei zu den typischen Aktivitäten der Reichsbürgerbewegung zu rechnen. Auch als Mitglied einer derartigen Notrufgruppe hat sich der Kläger ideologisch in die Nähe der Reichsbürger begeben. Er unterstützte nicht nur mit seinem Beitrag zur Übermittlung von Standorten Aktivitäten, die der Störung bzw. Verhinderung staatlicher Maßnahmen dienen, sondern trat aktiv in derartiger Weise auf, indem er … zur Hilfe eilte. Der Kläger meinte zudem in der mündlichen Verhandlung, möglicherweise erst vor dem Eindruck einer polizeilichen Durchsuchung aus dieser Gruppe ausgetreten zu sein. An den genauen Zeitpunkt seines Austritts aus der Gruppe könne er sich nicht mehr erinnern. Eine glaubhafte Distanzierung des Klägers vom Gedankengut der Reichsbürgerbewegung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung kann hierin nicht gesehen werden.
cc) Der Kläger hat mit seinem aufgezeigten Verhalten, das auf eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung schließen lässt, berechtigte Zweifel im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit hervorgerufen, die er nicht zu entkräften vermochte. Denn er hat eine nachvollziehbare und plausible Erklärung für seine Mitgliedschaft in den genannten Whatsapp-Gruppen und sein in diesem Zusammenhang gezeigtes Verhalten vermissen lassen. Das Gericht hält die Erklärungsversuche des Klägers für Schutzbehauptungen und nicht glaubhaft.
Dass es sich bei der Whatsapp-Gruppe „…“ nach der Einlassung des Klägers um eine Informationsgruppe gehandelt haben soll, deren ausschließlicher Zweck weitergehenden Informationen zu allgemein zugänglichen Nachrichten dient, erweist sich vor dem Hintergrund der dort kommunizierten rechtsbürgertypischen Inhalte als unglaubhaft. Der Kläger hat auf das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen intelligenten und keineswegs unbedarften Eindruck gemacht. Deshalb erweist sich auch seine Einlassung, er habe die Ziele anderer Gruppenmitglieder nicht gekannt, als reine Schutzbehauptung. Ebenso verhält es sich mit seiner ausweichenden Erklärung, dass in der Gruppe derart viele Nachrichten geschrieben worden seien, die er als Berufstätiger gar nicht alle habe lesen können. Letztere Aussage steht zudem im Widerspruch zu der regelmäßigen Kommunikation, die der Kläger selbst aktiv in der Gruppe vornahm. Da der Kläger weiter angab, nur einige wenige Mitglieder dieser Chatgruppe persönlich zu kennen, ist das Gericht außerdem davon überzeugt, dass nicht allein persönliche Verbindungen dem Kläger Anlass für eine Mitgliedschaft in der Gruppe „…“ gaben, sondern vielmehr die dort kommunizierten reichsbürgertypischen Inhalte das verbindende Element für persönlich nicht bekannte Gruppenmitglieder darstellten. Auch der Kläger war aus ideologischen Motiven heraus Mitglied dieser Gruppe.
Ebenso verhält es sich mit der Mitgliedschaft des Klägers in der sogenannten „Notrufgruppe“. Seine Einlassung, er habe die Whatsapp-Gruppe deshalb für sinnvoll erachtet, weil beispielsweise seine Freundin nachts auf dem Weg nach Hause dort einen Notruf absetzen könne, erweist sich als absolut unglaubhaft. Zum einen erklärt sie nicht die Mitgliedschaft des Klägers selbst in dieser Gruppe, zum anderen erweist es sich als äußerst lebensfremd, dass sich der Kläger in Notfällen auf Mitglieder einer Chatgruppe verlässt, die er nach eigenen Angaben überwiegend nicht einmal persönlich kennt. Die in der „…“-Gruppe verschickten Nachrichten des Klägers verdeutlichen zudem, dass der Kläger sehr wohl wusste, dass die „Notrufgruppe“ dem Zweck diente, innerhalb kurzer Zeit Unterstützer in hinreichender Zahl zu mobilisieren, um mit deren Hilfe behördliche Handlungen zu blockieren. Aktivitäten gegen staatliche Institutionen zu entfalten mit der Zielsetzung, Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung lahmzulegen, sind gerade zu den typischen Aktivitäten der Reichsbürgerbewegung zu rechnen. Als der Kläger am 6. September 2016 einem Notruf des … folgend nach … gefahren ist, wusste er mithin, dass er insoweit selbst aktiv staatsfeindliches, reichsbürgertypisches Verhalten zeigt und unterstützt. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, … aus persönlichen Gründen zur Symbolisierung freundschaftlicher Verbundenheit zur Hilfe gekommen zu sein, vermag hieran nichts zu ändern. Auch dass der Kläger betonte, vor Ort weder Bildaufnahmen gefertigt noch Belehrungen oder ähnliches ausgesprochen zu haben, hilft nicht darüber hinweg, dass der Kläger nach eigenen Angaben für eine Dauer von 20 bis 30 Minuten vor Ort präsent war mit dem Ziel, eine staatliche Maßnahme zu verhindern oder jedenfalls zu behindern. Letzteres ist lediglich nicht gelungen, weil zu wenige Mitglieder der Notruf- und „…“-Gruppe vor Ort waren, wie der Kläger selbst in der Whatsapp-Gruppe „…“ festgehalten hat (Bl. 96 der Auszüge).
dd) Die gezeigten reichsbürgertypischen Verhaltensweisen, für die der Kläger keine überzeugende Erklärung hatte, gaben dem Landratsamt … zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zu Recht Anlass zu der Befürchtung, dass der Kläger die Regelungen des Waffengesetzes nicht durchwegs strikt befolgen werde. Der Einwand des Klägers, er sei bislang weder straf- noch waffenrechtlich negativ in Erscheinung getreten, zeige vielmehr soziales Engagement und rechne beruflich auch Polizeibehörden zu seinen Kunden, führt zu keiner anderen Bewertung. Eine langjährige Rechtstreue ohne insbesondere waffenrechtliche Verstöße gegen die Rechtsordnung führt nicht zu der Annahme, dass der Kläger nicht der Reichsbürgerbewegung nahesteht. Allein der Umstand, dass sich eine Person in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2020 – 24 ZB 19.1285 – juris Rn. 15). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, ist insoweit eine niedrigschwellige Prognose im Hinblick auf die jeweilige waffen- und sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit ausreichend. Zur Überzeugung des Gerichts stützen die vom Kläger gezeigten Verhaltensauffälligkeiten vorliegend die Annahme seiner Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten trifft das Gericht keine Entscheidung, da es davon ausgeht, dass der Beklagte vor Rechtskraft nicht vollstreckt.


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