Verwaltungsrecht

Wegen landesinterner Schutzmöglichkeit erfolgloses Schutzersuchen eines Afghanen

Aktenzeichen  Au 5 K 17.31397

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144756
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a Abs. 2
AsylG § 3, § 3b, § 3e, § 4,
AufenthG § 11, § 60 Abs. 5, Abs.7

 

Leitsatz

Einem gesunden jungen Mann ist auch ohne nennenswertes Vermögen und selbst wenn er nicht auf familiäre bzw. sonstige Kontakte zurückgreifen könnte, ein Ausweichen etwa nach Kabul zumutbar, da dort das Risiko, durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt und vernünftigerweise zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. (Rn. 19 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28. Februar 2017 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 Grundgesetz (GG) kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26 a AsylG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage I zu § 26 a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (BVerwG, U.v. 7.11.1995, Inf AuslR 1996, 152). Auf den genauen Reiseweg kommt es dabei nicht an.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG.
a) Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Hiervon ausgehend sind im Fall des Klägers die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung nicht gegeben, weil er auf eine landesinterne Fluchtalternative zu verweisen ist (§ 3e AsylG).
b) Der Kläger hat vorgetragen, dass er wegen seiner Tätigkeit als Lehrer für afghanische Polizeibeamte, die er für die deutsche Organisation GIZ ausgeübt habe, zweimal Drohbriefe der Taliban erhalten habe. Auch wenn man das Vorbringen des Klägers unter Berücksichtigung der von ihm im Laufe des Verfahrens vorgelegten Unterlagen als wahr unterstellt, und weiter unterstellen wollte, dass ihm wegen seiner Tätigkeit für die GIZ von vermeintlichen Verfolgern ein flüchtlingsrelevantes Merkmal zugedacht worden wäre (§ 3b Abs. 2 AsylG), kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht, weil dem Kläger eine inner-staatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 3e AsylG).
aa) Dem Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts ein Ausweichen vor den befürchteten Übergriffen durch die Taliban in eine der großen Städte Afghanistans, etwa nach Kabul, möglich. Dass der Kläger von den Taliban landesweit gesucht wird, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Der Kläger war nur etwa knapp ein Jahr für die Organisation GIZ tätig, sein am 1. August 2014 geschlossener Arbeitsvertrag lief regulär am 15. Juli 2015 aus. In dieser Zeit unterrichtete der Kläger in einer großen Kaserne in, in der Nähe seines Heimatortes, eine Klasse von afghanischen Polizeibeamten, denen er Lesen und Schreiben beibrachte. Der Wirkungskreis des Klägers war auf die Tätigkeit in der Kaserne beschränkt. Eine herausgehobene oder exponierte Stellung nahm der Kläger nicht ein. In der Kaserne gab es nach eigenen Angaben des Klägers neben den dort stationierten Polizisten viele weitere Beschäftigte. Der Kläger nahm im Gesamtbetrieb allenfalls eine untergeordnete Stellung ein. Im Juli 2015 beendete der Kläger die Tätigkeit mit dem Vertragsablauf. Eine konkrete Bedrohung dem Kläger persönlich gegenüber gab es während seiner Tätigkeit in der Kaserne nicht. Die beiden Drohbriefe, die der Kläger vorlegte, wurden nach seinen Angaben in der Moschee hinterlegt. Von dort habe der Imam sie an seinen Vater weitergegeben. Den ersten Drohbrief nahm der Kläger nach eigenen Angaben nicht ernst. Vielmehr führte er seine Tätigkeit weiter und pendelte auch weiterhin von seinem Heimatort zur Kaserne. Erst nach dem zweiten Drohbrief, den der Kläger nach seinen Angaben etwa fünf bis sechs Monate vor seiner Ausreise nach Afghanistan erhalten habe, habe er das Pendeln eingestellt und sei in der Kaserne geblieben. Selbst wenn nach diesem zweiten Drohbrief eine konkrete Gefährdungslage für den Kläger entstanden wäre, ist nicht ersichtlich, weshalb er nunmehr, mehr als zwei Jahre nach seiner Ausreise, noch landesweit von den Taliban gesucht werden sollte. Die Tätigkeit für die GIZ, die Anknüpfungspunkt der Bedrohungen war, hat der Kläger eingestellt. Eine exponierte Stellung, die ihn in besonderem Maße in das Visier der Taliban gerückt haben könnte, nahm der Kläger nicht ein. Vielmehr war er letztlich nur ein Mitarbeiter unter vielen in einer großen Kaserne, die allesamt in den Augen der Taliban zu den politischen Feinden zu rechnen waren. Den Kläger hob auch nicht die Tätigkeit für die GIZ besonders heraus. Angesichts der Größe der Kaserne war dem Kläger nicht bekannt, ob weitere Mitarbeiter der GIZ unmittelbar in der Kaserne tätig waren. Der Wirkungskreis der GIZ erstreckte sich aber nach Angaben des Klägers auch über andere Orte und Provinzen. Auch insoweit war der Kläger demnach nur ein Mitarbeiter unter vielen mit einem eng begrenzten Aufgabenbereich. Somit spricht nach Überzeugung des Gerichts alles dafür, dass die Einschüchterungsversuche mit Hilfe der Drohbriefe lokalen Anhängern der Taliban zuzuschreiben waren, die von der Tätigkeit des Klägers Kenntnis hatten und den Kläger zur Aufgabe zwin-gen wollten. Dies ist ihnen letztlich auch gelungen. Ein gesteigertes, über Jahre hinweg andauerndes, landesweites Interesse der Taliban am Kläger kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang beantragte Beweiserhebung war aus den im Beweisbeschluss genannten Gründen abzulehnen.
bb) Dem Kläger ist auch im Hinblick auf die Sicherheitslage ein Ausweichen etwa nach Kabul zumutbar. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – Rn. 9; BayVGH, B.v. 28.3.2017 – 13a ZB 17.30212 – Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 -13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.): Auch aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes und weiteren Quellen ergibt sich nicht, dass sich die Sicherheitslage in Kabul im Vergleich zur Einschätzung in den vorangegangenen Lageberichten wesentlich verschlechtert hätte (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016 – im Folgenden: Lagebericht, S. 4 mit Verweis auf UNAMA-Daten, S. 17 f.; Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28.07.2017, Nrn. 30 ff). Die Hauptgefährdung der afghanischen Zivilbevölkerung geht demnach von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus, die sich der Kontrolle der Zentralregierung entziehen und häufig ihre Macht missbrauchen. Neben medienwirksamen Anschlägen auf militärische wie zivile internationale Akteure wurden vermehrt Anschläge auf afghanische Sicherheitskräfte verübt mit gestiegenen Opferzahlen insbesondere unter Armeeangehörigen (ebenda S. 17). Die im Vergleich zum Jahr 2015 um etwa 4% gestiegenen Opferzahlen der Zivilbevölkerung von 1.601 toten und 3.565 verletzten Zivilisten resultieren vor allem aus improvisierten Sprengsätzen (ebenda S. 17). Angriffe auf Kindergärten und Schulen fanden landesweit mit Schwerpunkt im Süden und Osten des Landes statt (ebenda S. 18).
An aktuellen Daten listet die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) in ihrem Jahresbericht für 2016 (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2016 vom Februar 2017, https://unama.unmissions.org/protection-of-civilians-reports, S. 3) im Jahr 2016 weiter gestiegene Opferzahlen auf: Es handele sich um insgesamt 11.418 zivile Opfer, darunter 3.498 getötete und 7.920 verletzte Zivilisten. Seit dem Jahr 2009 habe der innerafghanische Konflikt zu 24.841 getöteten und 45.347 verletzten Zivilisten geführt. Der Anstieg der Opferzahlen im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr sei wesentlich auf Bodenkämpfe, danach auf improvisierte Sprengsätze und schließlich auf Selbstmordattentate sowie komplexe Anschläge zurückzuführen (ebenda S. 3). Die höchsten Opferzahlen seien im Süden und in der Zentralregion festzustellen; insbesondere ein Anstieg in der Stadt Kabul um 34% im Vergleich zum Jahr 2015 auf 2.348 zivile Opfer, darunter 534 getötete und 1.814 verletzte Zivilsten (ebenda S. 4). Hingegen seien die Opferzahlen in den nordöstlichen und östlichen Gebieten etwas zurückgegangen (ebenda S. 4 f.). Für 61% der Opfer seien regierungsfeindliche Gruppen verantwortlich; im Wesentlichen durch improvisierte Sprengsätze (ebenda S. 7); allerdings in steigendem Umfang auch durch Selbstmord- und komplexe Attentate (ebenda S. 8). Friedensgespräche mit den Taliban seien bislang erfolglos geblieben; das Friedensabkommen mit Hisb-e-Islami und Gulbuddin Hekmatjar enthalte eine weitgehende Amnestie und Schutz vor Strafverfolgung für von diesen begangene Kriegs- und andere Verbrechen (ebenda S. 11). Für das erste Vierteljahr 2017 listet die UNAMA in ihrem ersten Quartalsbericht für 2017 (UNAMA, First Quarter 2017 Civilian Casualty Data vom 27.4.2017, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/27_april_2017_unama_first_quart er_2017_civilian_casualty_data_english.pdf) folgende Opferzahlen auf: Es handele sich um insgesamt 2.181 zivile Opfer, darunter 715 getötete und 1.466 verletzte Zivilisten mit einem Anstieg um 4% gegenüber dem Vorjahreszeitraum; die Anzahl der bei Bodenkämpfen zu Schaden gekommenen Zivilisten sei allerdings um 19% gesunken, möglicherweise auch durch Ausweichbewegungen der Zivilbevölkerung aus hart umkämpften Gebieten. Die Opferzahlen seien wesentlich auf Bodenkämpfe, danach auf improvisierte Sprengsätze und schließlich auf Selbstmordattentate sowie komplexe Anschläge zurückzuführen. Die höchsten Opferzahlen auf Grund von Selbstmordattentaten sowie komplexen Anschlägen seien in der Provinz Kabul wegen der Anschläge in der Stadt Kabul zu verzeichnen, gefolgt von den Provinzen Helmand, Kandahar, Nangarhar und Uruzgan. Für 62% der Opfer seien regierungsfeindliche Gruppen verantwortlich; im Wesentlichen durch gezielte Angriffe, improvisierte Sprengsätze, Minen und in steigendem Umfang auch durch Selbstmord- und komplexe Attentate. Diese Datenlage zeigt also einerseits einen Anstieg der zivilen Opferzahlen und eine relative Verschlechterung der Sicherheitslage auch in Stadt und Provinz Kabul durch die Zunahme gezielter Anschläge (vgl. UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016).
Allerdings hat die Zunahme von Anschlägen nach Überzeugung des Gerichts nicht zu einer solchen Verschlechterung der Sicherheitslage in der Zentralregion und in Kabul geführt, dass vernünftigerweise nicht mehr erwartet werden könnte, dass ein Rückkehrer sich dort niederlässt. Die allgemeine Gefährdungslage dort erreicht weder eine Intensität, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nach den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an einen solchen Konflikt (vgl. vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 13a ZB 17.31217 – Rn. 4; BayVGH, B.v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 -Rn. 11) angenommen werden könnte. Ausgehend von einer Opferzahl von rund 11.500 zivilen Opfern im Jahr 2016 und einer Bevölkerungszahl in Afghanistan von mindestens 27 Mio. Menschen ist das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist noch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 -Rn. 9; BayVGH, B.v. 28.3.2017 – 13a ZB 17.30212 – Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.: Wahrscheinlichkeit weit unter 1:800) und besteht auch keine extreme Gefahrenlage (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 5 ff.).
Dies gilt auch für die Stadt Kabul mit einer von UNAMA mitgeteilten Opferzahl von 2.348 zivilen Opfern bei einer Einwohnerzahl in der Stadt Kabul von geschätzt 4,5 Mio. Menschen (vgl. Auswärtiges Amt, Länderinformationen Afghanistan, Schätzung 2011, www.ausaertigesamt.de, Abruf vom 7.6.2017). Soweit Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl sowie Presseberichte auf die Zunahme von Anschlägen in Kabul verweisen (vgl. UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016), folgen sie eigenen Maßstäben, nicht jenen der o.g. Rechtsprechung. Dass die Opferzahlen – bei anderer Zählweise – höher liegen können, wie teils eingewandt wird (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 82 mit Fn. 2), ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen. Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – NVwZ 2016, 308/312 Rn. 47 m.w.N.), ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Im Gegenteil liegen für Afghanistan mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor (dies räumt auch Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/74 ein), so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA weiterhin zu Grunde gelegt werden.
Auch der Ende Mai 2017 in der Nähe der Deutschen Botschaft verübte Selbstmordanschlag, der offenbar den ausländischen Vertretungen und ihren Helfern gegolten hat, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Ausländische Institutionen und ihre afghanischen Helfer sind wie bisher Ziel gezielter Anschläge. Trotz der hohen Opferzahl sind die von der Rechtsprechung an die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Schaden an Leib oder Leben gestellten Anforderungen nicht erfüllt (vgl. nur BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 7 m.w.N.). Daher erreicht die allgemeine Gefährdungslage in Kabul keine Intensität, dass Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative nicht mehr geeignet wäre (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 13a ZB 17.31217 – Rn. 4; BayVGH, B.v. 28.3.2017 -13a ZB 17.30212 – Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.). Daran wird auch im vorliegenden Fall festgehalten.
cc) Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann. Es ist vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger als gesunder junger Mann auch ohne nennenswertes Vermögen und selbst, wenn er nicht mehr auf familiäre bzw. sonstige Kontakte zurückgreifen könnte, seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann (BayVGH, B.v. 25.10.2017 -13a ZB 17.31217 – Rn. 4; BayVGH, B.v. 13.12.2016 – 13a ZB 16.30116 – Rn. 4, 6; BayVGH, B.v. 23.9.2013 – 13a ZB 13.30252 – juris Rn. 4).
Zwar wird darauf verwiesen, der Zugang zu Wohnung und Arbeit hänge maßgeblich von Netzwerken vor Ort ab (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/76 f., 78); allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die große Zahl der aus den Nachbarstaaten zurückkehrender Afghanen über solche verfügt (Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/75 spricht von über 1 Mio. Rückkehrern allein im Jahr 2016). Damit besteht die soziale Notwendigkeit, neue und von gewachsenen Strukturen unabhängige Netzwerke unter den Rückkehrern zu bilden. Dass dies dem Kläger verwehrt wäre, ist nicht ersichtlich. Er ist volljährig und arbeitsfähig, gehört zur Bevölkerungsmehrheit in Afghanistan und spricht eine der beiden Landessprachen spricht (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 13.12.2016 – 13a ZB 16.30116 – Rn. 4). Der Kläger hat eine hervorragende Schulbildung und bereits zwei Jahre gearbeitet. Unterhaltsverpflichtungen hat der Kläger nicht, die Verlobte des Klägers lebt bei ihrer Familie. Auch lebt die Großfamilie des Klägers noch in Afghanistan, so dass er auf familiären Rückhalt zurückgreifen kann. Im Übrigen sind unter Berücksichtigung der Auskunftslage insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position, die durchaus auch Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts eröffnet (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 13.5.2013 – 13a B 12.30052 – juris Rn. 12). Hinzu kommt, dass für freiwillige Rückkehrer ein Reintegrationsprogramm besteht, das Sachleistungen im Wert von bis zu 2.000 Euro gewährt, die die Wiedereingliederung erleichtern können (Bundesamt, Auskunft an VG Augsburg v. 12.8.2016).
Der in der mündlichen Verhandlung hierzu gestellte Beweisantrag Nr. 3 war abzulehnen, weil nicht substantiiert dargelegt wurde, inwieweit die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als die, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzesi. S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG drohe.
a) Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und Nr. 2 AsylG liegen nicht vor.
Dem Kläger droht weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe noch Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Auch die vorgetragene Furcht vor Übergriffen der Taliban rechtfertigt die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht. Der Kläger ist insoweit, wie bereits ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
b) Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Die Frage, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten im Sinn von Art. 1 Nr. 2 ZP II oder aber als anhaltende Kampfhandlungen bewaffneter Gruppen im Sinne von Art. 1 Nr. 1 ZP II zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil der Kläger bei einer Rückkehr keiner individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Es fehlt an einer Verdichtung allgemeiner Gefahren in der Person des Klägers, die Voraussetzung für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.10.2017 – 13a ZB 17.31217 – Rn. 4).
Im Übrigen ist der Kläger auch insoweit, wie ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Afghanistan befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es nicht. Obwohl die humanitären Verhältnisse insgesamt schlecht sind, geht das Gericht, wie bereits ausgeführt, davon aus, dass der Kläger jedenfalls in Kabul seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen. Persönliche Umstände, die eine kürzere Frist rechtfertigen könnten, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.
6. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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