Verwaltungsrecht

Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses wg. Abhilfebescheid, Maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidungsreife bei PKH

Aktenzeichen  19 C 21.1111

Datum:
24.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23022
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 118 Abs. 1 S. 1
VwGO § 166

 

Leitsatz

Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags. Sie tritt nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen und Anhörung der Gegenseite ein. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 K 20.11 2021-03-30 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, verfolgt mit der Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für seine Klage vom 3. Januar 2020 auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer in die Bundesrepublik Deutschland weiter. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 hatte die Beklagte diesen Antrag abgelehnt. Nach einer Änderung der Anordnung des Bundesministeriums des Innern (AO BMI) mit Wirkung zum 22. April 2020 erließ die Beklagte am 6. Oktober 2020 einen Abhilfebescheid, mit dem die Aufnahmezusage an den Kläger erteilt wurde. In einem Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 teilte der Klägerbevollmächtigte dem Verwaltungsgericht unter anderem mit, dass dem Klagebegehren inzwischen durch die Beklagte Genüge getan worden sei. Am 22. März 2021 reichte der Kläger die Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beim Verwaltungsgericht ein. Mit Beschluss vom 30. März 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit Erteilung der begehrten Aufnahmezusage am 6. Oktober 2020 das Rechtsschutzbedürfnis der Klage noch vor dem maßgeblichen Bewilligungszeitpunkt weggefallen sei.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags. Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1). Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags trat vorliegend erst nach der Übermittlung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers am 22. März 2021 ein.
Der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass die Klage Erfolgsaussicht habe. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, mit Erteilung der begehrten Aufnahmezusage sei das Rechtsschutzbedürfnis der Klage noch vor dem maßgeblichen Bewilligungszeitpunkt weggefallen, könne dem nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hätte begründen müssen, inwieweit aus der für die PKH-Entscheidung erforderlichen Ex-Ante-Sicht zum Zeitpunkt der Antragstellung bei vernünftiger Betrachtung keinerlei Erfolgsaussicht für den Antrag bestanden hätte.
Hieraus lässt sich eine hinreichende Erfolgsaussicht der am 3. Januar 2020 erhobenen Klage zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht ableiten. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist hier frühestens der 22. März 2021, da erst zu diesem Zeitpunkt die Prozesskostenhilfeunterlagen vollständig vorlagen. Wie der Klägerbevollmächtigte aber in seinem Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 bereits selbst ausgeführt hat, wurde dem Klagebegehren durch die Beklagte (erg.: durch den Erlass des Abhilfebescheids vom 6. Oktober 2020) inzwischen Genüge getan. Voraussetzung für die Zulässigkeit jeder Inanspruchnahme des Gerichts ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das dann nicht gegeben ist, wenn ein Kläger sein Ziel auf anderem Wege einfacher, schneller oder effizienter erreichen kann, wenn ein gerichtlicher Erfolg seine Rechtsstellung nicht verbessern würde oder wenn es ihm auf den Klageerfolg gar nicht ankommt (Eyermann, VwGO, vor §§ 40 ff. Rn. 11). Das Rechtsschutzbedürfnis ist in jeder Lage des Prozesses zu prüfen, da es auch während eines laufenden Streitverfahrens – wie hier – entfallen kann. Da durch den Erlass des Abhilfebescheids dem Klageantrag vollumfänglich entsprochen wurde, ist ab diesem Zeitpunkt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Kläger entfallen, die Klage somit unzulässig geworden. Damit ist auch eine mögliche Erfolgsaussicht der Klage im Sinne des Prozesskostenhilferechts bereits ab dem 6. Oktober 2020 und damit deutlich vor dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt entfallen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).


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