Verwaltungsrecht

Weigerung online Unterricht als Lehrer während Corona-Krise nach den Vorgaben abzuhalten, wiederholt herabsetzende Äußerungen über Vorgesetzten, Das Gericht darf nach § 88 VwGO in der Höhe nicht über die verhängte Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Disziplinarverfügung hinausgehen

Aktenzeichen  RO 10 A DB 20.2790

Datum:
18.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38202
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 8
BayDG Art. 58 III
VwGO § 88

 

Leitsatz

Ein Lehrer, der während der Corona-Krise entsprechende dienstliche Weisungen zum online Unterricht nicht befolgt, und zudem wiederholt konfliktträchtige, herabsetzende Kommunikation gegenüber Vorgesetzten an den Tag legt, begeht mindestens ein mittelschweres Dienstvergehen. Die Verhängung einer Geldbuße ist gerade auch im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Staates während einer Krisensituation hierfür nicht mehr angemessen und zu gering.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet, da die streitgegenständliche Disziplinarverfügung vom 12.10.2020 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, Art. 3 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG), § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte gegen den Kläger als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR verhängte.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verfügung sind weder vorgebracht noch erkennbar.
1. Das Gericht geht von den der Disziplinarverfügung zu Grunde gelegten und im Tatbestand unter III 1-4 geschilderten Sachverhalten aus. Deren Richtigkeit ergibt sich aus den vorgelegten Disziplinarakten. Einwände hiergegen wurden nicht erhoben.
2. Soweit dem Kläger eine Dienstpflichtverletzung zuzurechnen ist, hat er hierdurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 S. 1 BeamtStG begangen.
a) Der Kläger hat mit seinem Verhalten gegenüber den Schülern, § 34 S. 3 BeamtStG, sowie gegen § 2 Absatz 2 S. 1 und 2 LDO verletzt, indem er mit den Schülern durch Anschreien und Wortwahl einen Umgang pflegte, der mit dem Bildungund Erziehungsauftrag eines Lehrers objektiv nicht vereinbar ist. Dabei lässt die Kammer den Vorwurf unter III 1.2 außer Betracht, da hier eine objektive Dienstpflichtverletzung durch die Kammer nicht gesehen wird. Die „Drohung“ „hantig“ zu werden, wenn die entsprechenden konkreten Vorgaben der Lehrkräfte zum Schutz des Schüler bei einer Auslandsreise nicht eingehalten werden würden, ist nach Auffassung der Kammer von dem pädagogischen Auftrag von Lehrern und deren Fürsorgepflicht, von Schülern durch konkrete Vorgaben und auch dem deutlichen Hinweis bezüglich der Folgen einer Nichteinhaltung derselben Nachteile fernzuhalten, noch gedeckt. Die vom Kläger so eingeräumten Vorfälle unter III 1.1 und III 2 dagegen, überschreiten den vom Lehrauftrag gedeckten Rahmen aufgrund der persönlich herabwürdigende Komponente objektiv, wenn auch die vom Kläger geschilderten Rahmenumstände hinsichtlich des subjektiv vorzuhalten Unrechts die Vorwürfe isoliert betrachtet nicht als zwingend förmlich disziplinarrechtlich zu ahnden erscheinen lassen.
b) Hinsichtlich der Äußerungen welche unter III.3 dargestellt und durch den Akteninhalt dokumentiert sind hat, der Kläger ebenfalls gegen die Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, verstoßen.
Gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG muss das Verhalten von Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Ein Beamter ist verpflichtet, Vorgesetzten, Mitarbeitern und Beamten anderer Behörden taktvoll zu begegnen, Rücksicht auf ihre Belange zu nehmen und die Atmosphäre vertrauensvoller Zusammenarbeit im öffentlichen Dienst nicht ohne zwingenden Grund zu stören (vgl. VG Ansbach vom 10.05.2016 Az. AN 13b D 15.00139 m.w.N.). Er ist verpflichtet, sich bei Äußerungen über Vorgesetzte sowie über die Dienst- und Aufsichtsbehörde einer gewissen Zurückhaltung und Mäßigung zu befleißigen und alles zu unterlassen, das Dienstvorgesetzten schaden kann. Gegen die Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten kann sowohl durch die Form, als auch durch den Inhalt einer Äußerung oder eines sonstigen Verhaltens verstoßen werden. Diese Pflicht besteht nicht nur gegenüber Dritten, z. B. bei Lehrern gegenüber Eltern und Schülern, sondern auch innerdienstlich gegenüber Kolleginnen, Kollegen sowie Vorgesetzten.
Soweit der Kläger letztlich vorbringt, er hätte lediglich berechtigte eigene Interessen vertreten, bzw. seine Meinung kundgetan, was ihm grundsätzlich aus Beamten zustehe, kann dem nicht gefolgt werden. Die Kammer wiederholt hier die Ausführungen aus dem Urteil vom 04.05.2018 (Aktenzeichen RO 10 ADB 17.1819) gegenüber dem Kläger:
„Das Erheben einer Dienstaufsichtsbeschwerde stellt für sich genommen noch keine Dienstpflichtverletzung dar. Auch ist eine Kritik des Beamten gegenüber Dienstvorgesetzten grundsätzlich nicht dienstpflichtwidrig. Unter Umständen kann der Beamte sogar zu Kritik verpflichtet sein. Strittig ist somit nicht das Recht des Beamten zur Kritik, sondern wie weit er mit seiner Kritik gehen darf. Dies gilt insbesondere für kritische Äußerungen des Beamten zur Wahrung eigener Interessen im Rahmen eines zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn geführten Rechtsstreits oder in einem dienstaufsichtlichen oder disziplinarrechtlichen Verfahren. Meinungsäußerungen eines Beamten über ein ihn betreffendes dienstliches Verhalten, insbesondere die Kritik an Vorgesetzten, unterliegen nach Form und Inhalt der Mäßigungspflicht.
Das Recht des Beamten zur Wahrung seiner (berechtigten) dienstlichen und persönlichen Interessen geht zwar weiter als das allgemeine Recht zur Kritik im dienstlichen Bereich. In einer dienstlichen Auseinandersetzung kann hinsichtlich der Form und dem Inhalt kritischer Äußerungen eines Beamten eine weitere Toleranzgrenze gezogen werden als im üblichen Dienstbetrieb. Der Beamte ist grundsätzlich berechtigt, das zu seiner Rechtswahrung Erforderliche zu unternehmen, selbst wenn damit Kritik und Angriffe auf das Verhalten eines Vorgesetzten verbunden sind. Das Recht auf Wahrung eigener Belange und auf freie Meinungsäußerung findet aber auch innerhalb eines Rechtsstreits seine Schranke an der Pflicht, dem Vorgesetzten mit Achtung zu begegnen. Der Beamte hat Gehorsam und Zurückhaltung auch dann zu wahren, wenn er mit getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden ist. Das Recht zur Kritik endet, wo diese die gebotenen Grenzen rücksichtsvoller Achtung erheblich überschreitet, so wenn die Kritik nach Form und Inhalt überzogen ist, insbesondere über das zur Rechtswahrung erforderliche und vertretbare hinausgeht, etwa durch grobe Taktlosigkeit und unverhohlene Missachtung, durch herabsetzende und verächtliche Äußerungen und durch unnachprüfbare allgemeine Beschimpfungen.“
Indem der Kläger seinem Schulleiter in einer Vielzahl von Schreiben wiederholt arglistige Vorgehensweise ihm gegenüber, willkürliches Verhalten, ja sogar die Fälschung einer vom Kläger im System niedergelegten Notenliste (um dem Kläger dienstrechtlich zu schaden) unterstellte, ist diese Grenze der zulässigen Kritik weit überschritten. Im Vordergrund steht hier augenscheinlich das persönliche Abqualifizieren und Verächtlichmachen des Schulleiters aufgrund eines seit längerer Zeit bestehenden Grundkonfliktes zwischen Kläger und Schulleiter und der damit verbundenen Wahrnehmung des Klägers, dass sein Vorgesetzter ihm mit allen denkbaren und möglichen Mitteln Schaden zufügen, und ihn letztlich von der Schule vergraulen wolle.
Das Vertreten der eigenen Position, durchaus auch konträr zu der des Dienstherren, hätte in einer sachlichen und emotionsfreien Art und Weise geschehen können und müssen. Indem sich der Kläger vielfach in herabsetzende, und durch Tatsachen nicht untermauerte Unterstellungen und Mutmassungen ergeht und sich damit auch auf beleidigende Art geäußert hat, hat der die Grenzen einer sachlichen Argumentation und ist eines taktvollen Umgangs mit seinem Vorgesetzten deutlich überschritten.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine Meinung rechtfertigen wollte, weshalb er tatsächlich in arglistiger Weise von seinem Schulleiter behandelt bzw. verfolgt werde, ist dies im Rechtssinn für dieses Verfahren irrelevant, da auch eine „Wahrheit“ bzw. tatsächliche Gegebenheiten sachlich und taktvoll vorzubringen wären.
c) Durch den unter III. 4 dargestellten Sachverhalt, hat der Kläger gegen eine dienstliche Weisung verstoßen, und damit gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung sowie die Pflicht zur Ausführung dienstlicher Anordnungen nach § § 34 S. 1, 35 S. 2 BeamtStG. Der schriftlichen, förmlichen Dienstanweisung nach den Osterferien 2020 im Rahmen des home schoolings wegen der Coronapandemie bestimmte Medien und bestimmte Methodiken zur Überwachung der Arbeitsaufträge zu nutzen, kam der Kläger bewusst nicht nach. Soweit er in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass er der Weisung deshalb nicht nachgekommen sei, da ihm zuvor eine andere Verfahrensweise in einem Telefongespräch gestattet worden sei und er eine veränderte Sachlage zur Änderung der Vorgehensweise nicht erläutert bekommen habe, verkennt er, dass er entsprechende Weisungen des Dienstvorgesetzten auch auszuführen hat, wenn er selbst eine bessere Vorgehensweise für angebracht hält. Allein aus der Tatsache, dass ihm gegenüber die Vorgehensweise nicht schlüssig begründet wurde, lässt sich der vom Kläger erhobene Vorwurf bzw. seinem Empfinden, hierbei habe es sich um ein Produkt der Willkür gehandelt nicht ableiten. Der Kläger verkennt hierbei eindeutig den Umfang, in dem sich ein Beschäftigte in eine bestehende Organisation und Hierarchie einzugliedern hat. Gerade im Zusammenhang mit einem schwerwiegenden nationalen Ereignis wie der Corona Pandemie ist es unverzichtbar, dass staatliche Organisationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten funktionieren und den bestehenden Gefahren begegnen. Das ist Kernaufgabe der staatlichen Organisation und Gefahrenabwehr; eng verbunden damit ist auch das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Bürger in die Funktionsfähigkeit des Staates. Aufgrund ohnehin bestehender beschränkende Rahmenbedingungen und der damit verbundenen teilweisen länger dauernden Entscheidungsprozesse ist es auch in der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, dass sich möglichst schnell umzusetzende gefahrenabwehrende oder Nachteile verhindernde neue Vorgehensweisen dadurch verzögern, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes fachlich „anderer Meinung“ sind, und sich dadurch die Durchsetzung beschlossener Maßnahmen noch weiter verzögert. Soweit der Kläger an der Rechtmäßigkeit der Weisung Zweifel hat, steht es ihm frei hiergegen zu remonstrieren bzw. darauf hinzuweisen. Unabhängig davon hätte er-wie die Beklagte in der angegriffenen Verfügung zurecht ausführteauch rechtswidrige Weisungen zu befolgen soweit diese einen Bezug zu Dienstausübung des Beamten aufweist. Im Übrigen ist die Weisung des Schulleiters aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
3. Der Kläger hat durch seine konfliktträchtige Kommunikation und seine Weigerung einer förmlichen Weisung nachzukommen ein zumindest mittelschweres Dienstvergehen begangen. Die etwas leichter einzuschätzenden Äußerungen gegenüber den Schülern treten hierbei in den Hintergrund und runden das Dienstvergehen des Klägers allenfalls ab. Insgesamt wäre nach Auffassung der Kammer zumindest eine Kürzung der Dienstbezüge veranlasst gewesen. Die Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße hält die Kammer vor dem Hintergrund der einschlägigen Vorahndung des Klägers durch eine Geldbuße aufgrund unangemessenen Verhaltens gegenüber dem damaligen Schulleiter, und damit der wiederholten Dienstpflichtverletzung auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Klägers nicht mehr als angemessen an. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger gezeigt, dass er auf seiner Meinung beharrt, und sein Verhaltenauch wenn es objektiv als falsch eingestuft wird-rechtfertigt und erklärt. Selbstreflektiertes Verhalten scheint dem Kläger eher fremd zu sein. Bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Verfahren RO 10 A DB 17.1819 wurde durch den Kläger der Eindruck einer gewissen Unbelehrbarkeit vermittelt (vgl. Urteil vom 04.05.2018 Seite 16). Auch vor diesem Hintergrund wäre nach Auffassung der Kammer eine nachhaltigere disziplinarrechtlichen Maßnahme besser geeignet gewesen, den Kläger zur künftigen Pflichtenmahnung anzuhalten. Nachdem vorliegend eine Disziplinarverfügung angefochten wurde, ist es der Kammer jedoch verwehrt eine darüber hinausgehende disziplinarrechtlichen Ahndung auszusprechen. Zwar kommt dem Gericht gemäß Art. 58 Abs. 3 BayDG ein eigenes Ermessen zu. Allerdings ist es ihm im Hinblick auf § 88 VwGO verwehrt, eine strengere Maßnahme als die hier verfügte Geldbuße in Höhe von 1.500 € zu treffen. Milderungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Geldbuße kann gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayDG bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge auferlegt werden und bewegt sich mit 1.500 EUR deutlich unter dieser Höchstgrenze, und ist insoweit rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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