Verwaltungsrecht

Wertermittlung – Flurbereinigungsplan

Aktenzeichen  13 A 17.2205

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37508
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 1, § 4, § 37, § 51, § 63 Abs. 1

 

Leitsatz

Da erst nach Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung und der Grundbuchberichtigung (§ 79 FlurbG) über die neuen Grundstücke problemlos verfügt werden kann, liegt es im Interesse der Gesamtheit der Beteiligten, den neuen Rechtszustand baldmöglichst eintreten zu lassen und die Eigentumsverhältnisse den Besitzverhältnissen anzupassen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Nach § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch ohne den nicht zur mündlichen Verhandlung erschienenen Kläger verhandelt und entschieden werden, da die Ladungen zum Termin einen entsprechenden Hinweis enthalten. Das Verlegungsgesuch des Klägers war abzulehnen, da er keine Gründe vorgebracht hat, die eine Aufhebung des Termins rechtfertigen würden. Die mündliche Verhandlung dient der Erörterung der von ihm aufgeworfenen Fragen. Diese Fragen waren gerade Anlass für die Durchführung der mündlichen Verhandlung und konnten keinesfalls ihre Aufhebung rechtfertigen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die vorzeitige Ausführungsanordnung des ALE vom 27. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 nicht in seinen Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Die Voraussetzungen des § 63 FlurbG lagen vor; Ermessensfehler der Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans sind nicht ersichtlich.
Nach § 63 Abs. 1 FlurbG kann die Ausführung des Flurbereinigungsplans vor seiner Unanfechtbarkeit angeordnet werden, wenn die Flurbereinigungsbehörde verbliebene Widersprüche gemäß § 60 Abs. 2 FlurbG der oberen Flurbereinigungsbehörde vorgelegt hat und aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden. Bei dieser im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidung sind unter sorgfältiger Prüfung aller Umstände die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkungen des Flurbereinigungsplans ergeben. Dabei sind die Zahl und die Bedeutung noch nicht entschiedener Widersprüche und die Möglichkeit, dass bei deren Erfolg eine Änderung des Flurbereinigungsplans erforderlich werden kann, in Betracht zu ziehen (BVerwG, B.v. 21.3.1978 – 5 CB 60.75 – RzF 11 zu § 63 Abs. 1 FlurbG; BayVGH, U.v. 15.1.2004 – 13 A 03.858 – juris). Dagegen ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob die einzelnen Beteiligten wertgleich abgefunden worden sind. Die vorzeitige Ausführungsanordnung bestimmt nur, wann der neue Rechtszustand eintritt. Wie dieser Rechtszustand aussieht, regelt allein der Flurbereinigungsplan (Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 63 Rn. 3). Lediglich schwerwiegende Bedenken gegen die Wertermittlung und die Abfindung, die einschneidende Auswirkungen auf den Flurbereinigungsplan befürchten lassen, können die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung in Frage stellen (BVerwG, B.v. 21.3.1978 a.a.O.). Im Übrigen können die Erfolgsaussichten nicht erledigter Widersprüche dabei keine Berücksichtigung finden. Gemessen an diesen Anforderungen ist eine Verletzung von Rechten des Klägers nicht zu erkennen.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der vorzeitigen Ausführungsanordnung waren die noch verbliebenen drei Widersprüche gegen die Wertermittlung und sechs Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan der oberen Flurbereinigungsbehörde vorgelegt, was auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird. Hinsichtlich der von ihm erhobenen Widersprüche erging der Widerspruchsbescheid am 1. August 2017. Darin wurde als Ausgleich ein Betrag von 461,33 € festgesetzt und der Widerspruch im Übrigen (Wertermittlung und Flurbereinigungsplan) zurückgewiesen. Die vom Kläger beim Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht – erhobenen (Untätigkeits-)Klagen gegen die Teilnehmergemeinschaft sind mittlerweile nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen beendet (siehe hierzu U.v. 6.12.2018 in den Verfahren 13 A 18.2319, 13 A 18.2320, 13 A 18.2321, 13 A 18.2322). Angesichts dessen sind auch keine gewichtigen Gründe gegen die Wertermittlung oder den Flurbereinigungsplan mehr vorgebracht, die einschneidende Auswirkungen befürchten ließen.
Als weitere Voraussetzung sieht § 63 Abs. 1 FlurbG vor, dass aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden. Damit soll verhindert werden, dass wenige, voraussichtlich unbegründete Widersprüche gegen die Abfindung den neuen Rechtszustand für alle Beteiligte verzögern. Denn die Mehrheit der zufriedenen Teilnehmer kann Schaden erleiden dadurch, dass z. B. Kreditinstitute die für Investitionen notwendigen Darlehen auf den alten, u. U. in der Natur durch die vorläufige Besitzeinweisung unkenntlich gewordenen Grundstücken nur ungern oder gar nicht sichern (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 63 Rn. 1 m.w.N.). Das gilt auch vorliegend. Der neue Rechtszustand ist darüber hinaus deswegen besonders dringlich, weil das Flurbereinigungsgesetz im Gegensatz zu § 76 BauGB keine Vorabregelung der Eigentums- und Besitzverhältnisse für Teilgebiete erlaubt. Nach Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung und der Grundbuchberichtigung (§ 79 FlurbG) kann über die neuen Grundstücke problemlos verfügt werden. Damit lag es im Interesse der Gesamtheit der Beteiligten, den neuen Rechtszustand baldmöglichst eintreten zu lassen und die Eigentumsverhältnisse den Besitzverhältnissen anzupassen. Zutreffend verweist der Widerspruchsbescheid weiter auf die hier gegebene verfahrensmäßige Verknüpfung von mehreren Flurbereinigungsverfahren, für die die Ausführung der zugehörigen Flurbereinigungspläne aufgrund von Forderungsüberweisungen zum selben Zeitpunkt erfolgen müsse. Ein Aufschub im hiesigen Verfahren hätte deshalb Auswirkungen auf sämtliche Verfahren mit insgesamt 2.685 beteiligten Personen.
Nachdem die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 FlurbG vorlagen, hat das ALE auch von dem ihm in dieser Bestimmung eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist klargestellt, dass dabei unter sorgfältiger Prüfung aller Umstände die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkung der Flurbereinigung ergeben. Wie bereits dargelegt, sind die Zahl und die Bedeutung noch nicht entschiedener Widersprüche und die Möglichkeit, dass bei deren Erfolg eine Änderung des Flurbereinigungsplans erforderlich werden kann, in Betracht zu ziehen (BVerwG, B.v. 21.3.1978 – 5 CB 60.75 – RzF 11 zu § 63 Abs. 1 FlurbG). Anhaltspunkte, dass die Vor- und Nachteile, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkungen des Flurbereinigungsplans ergeben, nicht durch Prüfung aller Umstände gegeneinander abgewogen wären, liegen nicht vor. Dabei ging das ALE zum einen zu Recht davon aus, dass die vom Kläger eingelegten Rechtsmittel keine gravierenden Auswirkungen auf den Flurbereinigungsplan befürchten ließen, insbesondere sich keine schwerwiegenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplans in seiner Gesamtheit aufdrängten. Zum anderen wurde dem Kläger – unabhängig davon, dass zwischenzeitlich Bestandskraft eingetreten ist – die Verfolgung seiner Rechte durch die vorzeitige Ausführungsanordnung nicht unmöglich gemacht, da im Rechtsmittelverfahren hinsichtlich des Flurbereinigungsplans etwa sich als notwendig erweisende Planänderungen trotz der vorzeitigen Ausführungsanordnung durchgeführt werden können (vgl. § 63 Abs. 1 FlurbG). Die Möglichkeit, dass aufgrund einer verbliebenen Klage der Flurbereinigungsplan hinsichtlich der Abfindung mehrerer Teilnehmer geändert werden muss, stellt keinen Anhaltspunkt für die Fehlerhaftigkeit des Plans insgesamt dar. Vielmehr sieht § 63 Abs. 2 FlurbG vor, dass eine Änderung des vorzeitig ausgeführten Flurbereinigungsplanes in rechtlicher Hinsicht auf den in der Ausführungsanordnung festgesetzten Zeitpunkt zurückwirkt (siehe hierzu auch BayVGH, U.v. 15.1.2004 – 13 A 03.858 – juris).
Keinen Bedenken begegnet auch, dass der Beklagte im Rahmen seines Ermessens das Interesse der übrigen Verfahrensteilnehmer an der baldmöglichen Ausführung des Flurbereinigungsplanes höher bewertete als das Interesse an einer unanfechtbaren Entscheidung über das Rechtsmittel der Kläger gegen den Flurbereinigungsplan. § 63 FlurbG soll gerade verhindern, dass Rechtsmittel gegen die Abfindung den neuen Rechtszustand für alle verzögern, da die Mehrheit der zufriedenen Teilnehmer dadurch Schaden erleiden kann. Soweit sich der Kläger gegen die vorzeitige Ausführungsanordnung wendet, betrifft sein Vortrag ausschließlich die bereits abgeschlossenen Verfahren zur Wertermittlung und zum Flurbereinigungsplan. Kern der Begründung ist, dass er eine vorzeitige Ausführungsanordnung nicht für zulässig erachtet, solange seine diesbezüglichen Widersprüche nicht „abgearbeitet“ seien. Über die Rechtmäßigkeit der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung und des Flurbereinigungsplanes bedarf es jedoch keiner Entscheidung mehr, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2018 mit Ausnahme des vorliegenden alle anhängigen Rechtsstreite für erledigt erklärt hat. Die Einwände des Klägers können daher die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 27. November 2007 nicht berühren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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