Verwaltungsrecht

Widerruf der Approbation als Arzt

Aktenzeichen  21 CS 21.2087

Datum:
14.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30631
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 146
BayVwVfG Art. 28 Abs. 2, Art. 46

 

Leitsatz

1. Die Merkmale der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO iVm § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO sind jeweils eigenständige unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnen. Liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation iSv Art. 5 Abs. 2 S. 1 BÄO vor, ist dieser zwingend auszusprechen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unzuverlässig iSv § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO ist, wer aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Arzt ordnungsgemäß ausüben wird. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung eines Widerrufsbescheids iSv § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO ist die Frage, ob die im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung festgestellten Tatsachen die rechtlichen Kriterien der Unwürdigkeit bzw. Unzuverlässigkeit erfüllen, unabhängig davon, ob die Tatsachen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bereits festgestellt waren. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 S 19.5785 2021-07-23 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt und die Rückforderung seiner Approbationsurkunde gerichteten Klage.
Dem am … geborenen Antragsteller wurde am 3. Juli 2007 (Bl. 1189 BA) die ärztliche Approbation erteilt. Seit 1. September 2018 war er als Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie in seiner Privatpraxis am … in … tätig.
Am 17. und 25. April 2019 wurden die Praxisräume des Antragstellers, in denen auch ambulante Operationen durchgeführt wurden, aus Anlass von Patientenbeschwerden nach vorheriger Ankündigung durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München infektionshygienisch überprüft; an der zweiten Kontrolle war auch das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern beteiligt. Dabei wurden in der Praxis des Antragstellers bauliche Mängel, Umstände unzureichender Patientensicherheit, Verstöße gegen die Bayerische Medizinhygieneverordnung, schwerwiegende Hygienemängel und weitere hygienische Mängel festgestellt und dem Antragsteller zum Teil auch erläutert (Bl. 16 ff. BA).
Im Nachgang der Kontrollen legten das Gewerbeaufsichtsamt mit Schreiben vom 29. April 2019 (vgl. Bl. 55 BA) und das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München mit Schreiben vom 6. Mai 2019 (Bl. 16 ff. BA) dem Antragsteller die vorgefundenen Mängel bzw. die Notwendigkeit der Vornahme näher bezeichneter Maßnahmen dar. Gleichzeitig wurde dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, zum Erlass entsprechender förmlicher Anordnungen Stellung zu nehmen.
Diese Gelegenheit nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 6. August 2019 wahr (Bl. 1755 ff. BA).
Mit Schreiben vom 22. August 2019 erläuterte das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München u.a. nach wie vor bestehende Mängel des überarbeiteten Hygieneplans (Bl. 46 ff. BA) und kündigte eine Nachüberprüfung der Praxis des Antragstellers für den 25. September 2019 an. Dieser Termin wurde mangels Teilnahme des Antragstellers zur vereinbarten Zeit abgebrochen (vgl. Bl. 55, 1843 BA).
Am 1. Oktober 2019 erfolgten eine weitere angekündigte Praxisbegehung durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München und das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern sowie eine Durchsuchung der Räumlichkeiten durch die Polizei aufgrund eines strafgerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses vom 26. September 2019; zum damaligen Zeitpunkt hatten bereits zehn Patienten, die sich in Behandlung des Antragstellers befunden hatten, gegen ihn Strafantrag/ -anzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung gestellt (Bl. 55, 344 ff., 355 ff., 456 ff. BA). Das Gewerbeaufsichtsamt untersagte dem Antragsteller dabei mündlich mit sofortiger Wirkung die Anwendung von in der praxiseigenen Sterilgutaufbereitung aufbereiteten kritischen Medizinprodukten (Bl. 55 BA). Das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt ordnete an, dass ab sofort keine weiteren Eingriffe (der Kategorien A und B) im OP-Raum der Praxis durchgeführt werden dürften, und versiegelte den OP-Raum (vgl. Bl. 75 BA). Zudem untersagte es dem Antragsteller mündlich die weitere Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr (Bl. 85 BA). Aus Sicht der Ärzte des Referats für Gesundheit und Umwelt bestand aufgrund des Verhaltens des Antragstellers während der Kontrolle zudem der dringende Verdacht, dass er unter Drogeneinfluss gestanden habe (Bl. 82, 85, 137 BA).
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2019 bestätigte das Gewerbeaufsichtsamt seine mündliche Anordnung vom 1. Oktober 2019, d.h. das Verbot der Anwendung von in der praxiseigenen Sterilgutaufbereitung aufbereiteten kritischen Medizinprodukten, die steril zur Anwendung kommen sollen (Nr. 1), bis zur Verfügbarkeit geeigneter validierter Verfahren und der Gewährleistung von deren Erfolg (Nr. 2), und die Verpflichtung des Antragstellers, das Gewerbeaufsichtsamt mit Angabe eines Stichtags darüber zu informieren, wenn bzw. wann geplant ist, kritische Medizinprodukte, die in der eigenen Praxis aufbereitet wurden, wieder zu verwenden, und dem Gewerbeaufsichtsamt spätestens bis zum geplanten Stichtag die aktuellen Validierungsberichte zum Reinigungs- und Desinfektionsgerät, zum Sterilisator und zum Siegelnahtgerät in Kopie zukommen zu lassen (Nr. 3), ordnete die sofortige Vollziehbarkeit dieser Verfügungen an (Nr. 4) und drohte dem Antragsteller für den Fall der Nichteinhaltung der in den Nrn. 1 und 2 ausgesprochenen Verpflichtungen ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- Euro bzw. 1.000,- Euro an (Nr. 5) (Bl. 64 ff. BA).
Am 8. Oktober 2019 teilte der Antragsteller dem Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München telefonisch mit, dass seine Putzkraft am 3. Oktober 2019 versehentlich den OP-Raum betreten habe. Eine entsprechende eidesstattliche Versicherung der Putzkraft wurde vorgelegt (Bl. 956 BA). Daraufhin wurde der OP-Raum am 8. Oktober 2019 im Beisein des Antragstellers vom Referat für Gesundheit und Umwelt erneut versiegelt und der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er das Referat für Gesundheit und Umwelt verständigen müsse, wenn er beabsichtige, medizinische Geräte aus dem OP-Raum zu entwenden, und ihm sodann zeitnah der OP-Raum geöffnet würde (Bl. 953 BA). Am 16. Oktober 2019 teilte der Antragsteller dem Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München mit, dass er seinem Medizinproduktehändler den Monitor des Anästhesiegeräts zurückgegeben und deshalb am 16. Oktober 2019 das Siegel gebrochen habe (Bl. 959 BA).
Am 10. Oktober 2019 wurde beim Antragsteller auf der Grundlage eines strafgerichtlichen Beschlusses vom 4. Oktober 2019 (Bl. 448 ff., 465 ff. BA) eine Haar-, Blut- und Urinprobe genommen. Laut Vorausbericht von Prof. Dr. G., Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der LMU, vom 11. Oktober 2019 zeigte die Blut- bzw. Urinprobe positive Befunde für Opiate, Benzodiazepine und Buprenorphin sowie einen grenzwertigen Befund für Amphetamine (Bl. 116, 469 BA).
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2019 bestätigte das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München seine mündliche Anordnung vom 1. Oktober 2019, wonach der OP-Raum in der Praxis des Antragstellers zur Verhütung und Abwehr einer drohenden Gefahr versiegelt bleibt, bis näher bezeichnete Maßgaben umgesetzt, sichergestellt und ggf. erforderliche Unterlagen vorgelegt und vom Referat für Gesundheit und Umwelt überprüft wurden (Bl. 74 ff. BA). Außerdem wurde dem Antragsteller untersagt, in seiner Praxis Operationen der Kategorien A und B durchzuführen, und wurden näher bezeichnete Vorgaben als Voraussetzung für die Durchführung von Operationen der Kategorien A und B sowie u.a. hinsichtlich der Anwendung von Sedativa, von Analgosedierungen bzw. anderer Narkoseverfahren (insbesondere Durchführung ausschließlich in Zusammenarbeit mit fachlich qualifiziertem Personal (Facharztstandard Anästhesiologie) bzw. qualifiziertem Assistenzpersonal, keinesfalls in Personalunion mit dem Operateur) und des Hygienemanagements gemacht. Schließlich wurde der Antragsteller verpflichtet, näher bezeichnete Hygienemängel bzw. hygienische Beanstandungen zu beseitigen und näher genannte Vorgaben einzuhalten sowie Nachweise im Bereich der technischen Ausstattung vorzulegen. Soweit die Anordnungen nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, wurde ihr Sofortvollzug angeordnet (Bl. 93 BA). Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen M 26a K 19.5730 geführt wird. Über sie ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 erkundigte sich die für ärztliche Approbationen zuständige Stelle der Regierung von Oberbayern bei der Polizei nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsteller und dessen Hintergründen und bat um die Übermittlung bereits vorhandener Ermittlungsergebnisse (Bl. 71 BA).
Am 23. Oktober 2019 teilte die Staatsanwaltschaft München I der Regierung von Oberbayern telefonisch mit, dass bei der Polizei/Staatsanwaltschaft über 20 Beschwerden/Anzeigen eingegangen seien, die sich auf Körperverletzungshandlungen des Antragstellers im Rahmen seiner Behandlungen/OPs bezögen (Bl. 157 BA). Die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte (Az. … … …*) wurde der Regierung von Oberbayern am 24. Oktober 2019 zur Einsicht übersandt (Bl. 162 ff., 180 ff. BA). Diese enthält insbesondere die zum damaligen Zeitpunkt bereits gestellten Strafanzeigen und -anträge und Protokolle von im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bereits erfolgten Vernehmungen bzw. schriftliche Ausführungen von 16 (ehemaligen) Patientinnen des Antragstellers sowie einer früher beim Antragsteller tätigen Praxisangestellten.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 bestätigte das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München die am 1. Oktober 2019 mündlich verfügte Untersagung der weiteren Teilnahme des Antragstellers am Betäubungsmittelverkehr und ordnete deren sofortige Vollziehung an (Bl. 1075 ff. BA; Kontrollprotokoll Bl. 117 ff. BA). Zur Begründung wurde insbesondere auf Verstöße gegen eine Vielzahl betäubungsmittelsowie berufsrechtlicher Vorschriften bei der Verschreibung von Betäubungsmitteln, die fehlende Dokumentation und Nachweisführung sowie die Gefährdung der Patienten und den Missbrauch von Betäubungsmitteln durch den Antragsteller abgestellt. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Klage erhoben und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung derselben gestellt. Diese Verfahren werden unter den Aktenzeichen M 26b K 19.5963 und M 26b S 19.5964 geführt; über sie ist noch nicht entschieden.
Am 29. Oktober 2019 erfolgte eine unangemeldete Begehung der Praxis durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München, die Polizei und schließlich auch das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern (Bl. 911 ff., 918 ff., 1054 ff. BA). Dabei wurde eine Patientin vorgefunden, die nach einem am Vortag stattgefundenen operativen Eingriff unter Überwachung der Praxisangestellten K., einer Rechtsanwaltsfachangestellten, in der Praxis übernachtet hatte. Die Patientin und der Antragsteller bestätigten, dass er sie unter einer Dämmerschlafnarkose/Analgosedierung zusammen mit seiner Praxisangestellten M. in seiner Praxis, aber nicht im OP-Raum operiert habe. Die Praxisangestellte M. hat zwar eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten gemacht, diese jedoch nicht abgeschlossen. Der Antragsteller erklärte hierzu, dass Frau M. nichts anderes machen würde als während ihrer Ausbildung und dies daher schon in Ordnung sei. Rechtlich gesehen sei es insofern egal, ob Frau M. die Abschlussprüfung bestanden habe. Das Gewerbeaufsichtsamt stellte fest, dass die Operation am vorangegangenen Tag nach eigenen Angaben des Antragstellers mit Medizinprodukten durchgeführt worden sei, die bereits vor Durchführung einer Validierung in der Praxis aufbereitet worden seien (Bl. 1715 ff. BA).
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2019, einer Praxisangestellten des Antragstellers persönlich übergeben am 31. Oktober 2019 (Bl. 1183 BA), widerrief die Regierung von Oberbayern die Approbation des Antragstellers als Arzt (Nr. 1), verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,- Euro (Nr. 4) zur Rückgabe der Approbationsurkunde einschließlich sämtlicher in seinem Besitz befindlicher Ablichtungen (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 an (Nr. 3). Außerdem wurden dem Antragsteller die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 403,67 Euro auferlegt (Nr. 5) (Bl. 941 ff. BA). Zur Begründung des Approbationswiderrufs führte die Regierung von Oberbayern u.a. aus, dass der Antragsteller nicht die notwendige Gewähr dafür biete, dass er den Beruf als Arzt künftig den bestehenden Regelungen entsprechend ausübe. Dies ergebe sich aus den Darstellungen in den beim Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München, beim Gewerbeaufsichtsamt und der Polizei anhängigen Verwaltungs-, Ermittlungs- und Strafverfahren sowie aus den dringenden Hinweisen auf eine Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers. Von einer Anhörung habe gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz abgesehen werden können.
Mit Gutachten vom 6. Dezember 2019 erläuterte Prof. Dr. G., Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der LMU, die toxikologische Analyse der Urin- bzw. Blutprobe vom 10. Oktober 2019 ausführlich. Ebenso nahmen Prof. Dr. M. und Prof. Dr. S., forensische Toxikologen am Forensisch Toxikologischen Zentrum …, in ihrem forensisch-toxikologischen Gutachten vom 27. November 2019 zu der beim Antragsteller am 10. Oktober 2019 genommenen Haarprobe detailliert Stellung.
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 20. November 2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 30. Oktober 2019 aufzuheben (M 16 K 19.5784). Zugleich wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Zur Begründung führten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers neben Verfahrensfehlern aufgrund der unterlassenen Anhörung u.a. aus, dass der Antragsteller die Auflagen des Referats für Gesundheit und Umwelt sowie des Gewerbeaufsichtsamts erfüllt und insbesondere nicht gegen die Untersagungsanordnungen bezüglich Operationen der Kategorien A und B sowie der praxisinternen Sterilgutaufbereitung verstoßen habe. Außerdem sei mit dem Einsatz von Frau M. jedenfalls keine Patientengefährdung einhergegangen.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen. In der Antragserwiderung wurde u.a. das Absehen von einer Anhörung erläutert und hierzu ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der massiven Vorwürfe insbesondere aus dem in Rede stehenden Strafverfahren ein Zuwarten bis zu einer erfolgten Äußerung des Betroffenen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens in keiner Weise sachgerecht gewesen wäre und die Regierung aufgrund des zur Kenntnis gelangten mannigfaltigen und schweren Fehlverhaltens des Antragstellers zu keiner anderen Entscheidung bewogen hätte.
Das Verwaltungsgericht hat am 7. September 2020 im Klage- und Eilverfahren zur Sache mündlich verhandelt. Die Beteiligten verzichteten dabei auf weitere mündliche Verhandlung.
Mit Beschluss vom 1. Dezember 2020 bat das Verwaltungsgericht die Regierung von Oberbayern sowie das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München um Auskunft und Vorlage von Unterlagen zu Fragen hinsichtlich der Anzeige nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Bayerische Medizinhygieneverordnung, einzelner infektionshygienischer Anforderungen, der Sterilgutaufbereitung sowie der am 28. Oktober 2019 erfolgten Behandlung einer Patientin. Diese wurden mit Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 12. Januar 2021 und des Referats für Gesundheit und Umwelt vom 20. Januar 2021 beantwortet; die Bevollmächtigten des Antragstellers nahmen mit Schriftsatz vom 12. Februar 2021 hierzu Stellung.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2021 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ab. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass der verfügte Widerruf der Approbation des Antragstellers als Arzt offensichtlich rechtmäßig sei. Der Widerruf sei formell rechtmäßig ergangen. Von einer Anhörung des Antragstellers vor Erlass des Bescheids habe die Regierung von Oberbayern gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz absehen können, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig und eine Anhörung daher nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten gewesen sei. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses hätten auch die Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation des Antragstellers gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesärzteordnung vorgelegen. Die Regierung von Oberbayern sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür biete, dass er den Beruf des Arztes künftig ordnungsgemäß ausüben werde. Diese negative Prognose rechtfertige sich aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen im Hinblick auf die festgestellten Pflichtverstöße des Antragstellers in Bezug auf Hygiene, Infektionsprävention und Patientensicherheit, wobei erschwerend die aus dem Verhalten des Antragstellers ersichtliche Missachtung behördlicher Anordnungen, die zum Schutz der Patienten ergangen seien, hinzukomme. Unabhängig davon rechtfertige sich die negative Prognose hinsichtlich der Unzuverlässigkeit des Antragstellers selbstständig tragend auch aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Verstößen des Antragstellers gegen das Betäubungsmittelgesetz, wobei der im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bestehende Missbrauch von Medikamenten und Betäubungsmitteln durch den Antragsteller erschwerend hinzukomme. Auch die Vielzahl der von Patienten des Antragstellers gestellten Strafanträge wegen des Verdachts der Körperverletzung spreche indiziell gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers.
Der Beschluss vom 23. Juli 2021 wurde dem Antragsteller am 27. Juli 2021 zugestellt. Dagegen richtet sich seine am 6. August 2021 eingegangene Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angegriffene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, die vom Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Eilentscheidung vorgenommene Interessenabwägung zu korrigieren. Aus den in der Beschwerde dargelegten Gründen ergibt sich nicht, dass die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers zu treffende Abwägungsentscheidung zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat seine Klage gegen den Widerrufsbescheid vom 30. Oktober 2019 nicht deshalb offensichtlich Erfolg, weil er vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht angehört bzw. das Absehen von einer Anhörung im Bescheid (möglicherweise) nicht ausreichend begründet wurde (1.). Ebenso wenig ist eine Änderung oder Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 23. Juli 2021 geboten, weil sich die angegriffene Entscheidung auch auf dem Widerrufsbescheid vom 30. Oktober 2019 nicht zugrunde gelegte Tatsachen stützt (2.).
1. Der Antragsteller lässt rügen, der Widerrufsbescheid vom 30. Oktober 2019 sei schon deshalb offensichtlich rechtswidrig ist, weil er vor Bescheidserlass nicht angehört bzw. das Absehen von einer Anhörung jedenfalls nicht ausreichend begründet worden sei. Entscheidend komme hinzu, dass ein Verzicht auf eine Anhörung vor allem bei vorläufigen Regelungen, nicht aber ohne Weiteres auch bei abschließenden Entscheidungen zulässig sei. Insofern sei der Widerruf der Approbation ohne vorherige Anhörung jedenfalls unverhältnismäßig gewesen.
Dies vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG für einen Verzicht auf eine Anhörung des Antragstellers vor Erlass des angegriffenen Widerrufsbescheids vorlagen, das der Behörde in diesem Fall eröffnete Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde und der im Widerrufsbescheid allein unter Hinweis auf Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG begründete Verzicht auf eine vorherige Anhörung auch formell ordnungsgemäß erfolgte. Denn nach Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der – wie der streitgegenständliche Widerrufsbescheid – nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil der Verwaltungsakt unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, was vorliegend nach der gebotenen summarischen Prüfung der Fall ist. Eine andere Entscheidung als der verfügte Widerruf der Approbation des Antragstellers wäre zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids vom 30. Oktober 2019 rechtlich nicht zulässig gewesen, so dass der angegriffene Bescheid ungeachtet der geltend gemachten formellen Mangelhaftigkeit materiell richtig und insofern rechtlich alternativlos ist (vgl. hierzu Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 46 Rn. 25a; Schneider in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 46 Rn. 54).
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO ist die Approbation als Arzt zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist, sich also ein Arzt nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur (weiteren) Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Die Merkmale der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit sind jeweils eigenständige unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 28.3.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 21, 23; BayVGH, U.v. 28.4.2010 – 21 BV 09.1993 – juris Rn. 17). Liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO vor, ist dieser zwingend auszusprechen.
Unzuverlässig im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist, wer aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Arzt ordnungsgemäß ausüben wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12.95 – juris Rn. 25 m.w.N.; BayVGH, U.v. 28.3.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 21). „Unzuverlässigkeit“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist daher zu bejahen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12.95 – juris Rn. 25; B.v. 31.7.2019 – 3 B 7.18 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 28.3.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 21). Dem Begriff der Unzuverlässigkeit wohnt wegen seiner Zukunftsbezogenheit ein prognostisches Element inne. Es geht um die Beantwortung der Frage, ob der Arzt nach den gesamten Umständen des Falles willens und in der Lage sein wird, künftig die ärztlichen Berufspflichten zuverlässig zu erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 22.09 – juris Rn. 10; B.v. 27.10.2010 – 3 B 61.10 – juris Rn. 5; B.v. 31.7.2019 – 3 B 7.18 – juris Rn. 15). Bei der insofern anzustellenden Prognose ist auf die jeweilige Situation des Arztes im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (stRspr BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12.95 – juris Rn. 25; B.v. 28.4.1998 – 3 B 174.97 – juris Rn. 5; U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – juris Rn. 28; B.v. 31.7.2019 – 3 B 7.18 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 28.3.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 21, 23; U.v. 28.4.2010 – 21 BV 09.1993 – juris Rn. 17) sowie auf seinen vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen Berufspflichten manifest gewordenen Charakter abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12.95 – juris Rn. 25 m.w.N.; B.v. 27.10.2010 – 3 B 61.10 – juris Rn. 5). Ausschlaggebend für die Prognose ist eine Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12.95 – juris Rn. 25 m.w.N.; U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – juris Rn. 21; U.v. 28.4.2010 – 3 C 22.09 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 28.3.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 21). Für die Annahme der Unzuverlässigkeit eines Arztes muss aus seinem in der Vergangenheit liegenden Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden können, dass der Arzt auch in Zukunft den in § 1 BÄO zum Ausdruck kommenden Berufspflichten nicht mehr genügen werde, wobei für die Prognoseentscheidung die begründete Besorgnis genügt, der Arzt werde den genannten Pflichten und Anforderungen nicht mehr zuverlässig gerecht (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2010 – 21 BV 09.1993 – juris Rn. 17; OVG RhPf, U.v. 9.5.1989 – 6 A 124.88 – juris Rn. 37).
Auf der Grundlage dieser Maßgaben hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses schon allein und selbständig tragend dadurch gerechtfertigt gewesen sei, dass der Antragsteller beim Betrieb seiner Praxis gegen seine beruflichen Pflichten in Bezug auf Hygiene, Infektionsprävention und Patientensicherheit verstoßen habe, wobei erschwerend die aus seinem Verhalten ersichtliche Missachtung behördlicher Anordnungen, die zum Schutz der Patienten ergangen seien, hinzukomme (Rn. 35 des Beschlusses vom 23. Juli 2021). Die insofern für das Verwaltungsgericht maßgeblichen Pflichtverletzungen des Antragstellers hat es im Folgenden konkret dargelegt und näher erläutert (Rn. 37-55 des Beschlusses vom 23. Juli 2021). Diesen Feststellungen und Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu Pflichtverletzungen des Antragstellers in Form der Durchführung und Überwachung von Analgosedierungen ohne Einsatz von qualifiziertem Assistenzpersonal (Rn. 37 ff. des Beschlusses vom 23. Juli 2021), der mangelhaften Aufbereitung kritischer Medizinprodukte (Rn. 41 ff. des Beschlusses vom 23. Juli 2021) und der fehlenden Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Hygiene und Infektionsprävention in Einrichtungen für ambulantes Operieren (Rn. 45 ff. des Beschlusses vom 23. Juli 2021) sowie der Missachtung der vollziehbaren behördlichen Anordnung vom 17. Oktober 2019 betreffend die Durchführung von Analgosedierungen (Rn. 54 des Beschlusses vom 23. Juli 2021) und der behördlichen Versiegelung des OP-Raums (Rn. 55 des Beschlusses vom 23. Juli 2021) tritt die Beschwerde nicht entgegen.
Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers zur (weiteren) Ausübung des ärztlichen Berufs war zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids vom 30. Oktober 2019 nach summarischer Prüfung jedenfalls allein dadurch gerechtfertigt, dass der Antragsteller – wie vom Verwaltungsgericht festgestellt und von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen – beim Betrieb seiner Praxis gegen seine beruflichen Pflichten in Bezug auf Hygiene, Infektionsprävention und Patientensicherheit verstoßen hat, indem er bei der Durchführung und Überwachung von Analgosedierungen kein qualifiziertes Assistenzpersonal eingesetzt und damit den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unbeachtet gelassen hat sowie seiner Verpflichtung zur Gewährleistung der Voraussetzungen für die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Hygiene und Infektionsprävention in Einrichtungen für ambulantes Operieren nicht (vollständig) nachgekommen ist, wobei erschwerend die vom Verwaltungsgericht angenommene, aus dem Verhalten des Antragstellers ersichtliche Missachtung behördlicher Anordnungen, die zum Schutz der Patienten ergangen sind, hinzukommt. Allein aufgrund dieser Sachverhalte und des dabei vom Antragsteller gezeigten Verhaltens und Charakters bot er zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids nach summarischer Prüfung keine Gewähr, dass er den Beruf des Arztes künftig ordnungsgemäß ausüben und dabei insbesondere die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten beachten und erfüllen werde. Die festgestellten Verstöße des Antragstellers gegen unmittelbar berufsbezogene Pflichten betreffend Hygiene, Infektionsprävention und Patientensicherheit haben für die zu treffende Prognose erhebliches Gewicht, da die Pflichtwidrigkeit bis zum Erlass des Widerrufsbescheids während eines längeren Zeitraums und in mehrfacher Hinsicht bestand und zudem Pflichten betraf, die jedenfalls auch dem Schutz der Gesundheit von Patienten und damit Dritter dienen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die festgestellten Mängel und sonstigen Pflichtwidrigkeiten auch nach entsprechender Erläuterung zum Teil bereits bei der Praxisbegehung am 17. April 2019, jedenfalls aber mit Schreiben des Referats für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München vom 6. Mai 2019 und sogar noch nach sofort vollziehbarer förmlicher Anordnung der gebotenen Maßnahmen im Bescheid der Landeshauptstadt München vom 17. Oktober 2019 nicht bzw. jedenfalls nicht vollständig beseitigt bzw. abgestellt hat, sodass sich durch sein Verhalten nicht nur eine Sorglosigkeit hinsichtlich der damit verbundenen Risiken insbesondere auch für seine Patienten zeigt, sondern vielmehr eine ausgeprägte Uneinsichtigkeit und eine bewusste Nichtbeachtung im Hinblick auf diese berufsbezogenen Verpflichtungen. Die fehlende Akzeptanz des Antragstellers hinsichtlich der Geltung derselben auch für ihn wird im durchgehenden Bestreiten bzw. Leugnen der Notwendigkeit einer qualifizierten Assistenz bei der Durchführung von Analgosedierungen besonders deutlich und bestätigt sich zudem in der – trotz entsprechender Belehrung über das erlaubte und gebotene Vorgehen erfolgten – Missachtung der Versiegelung des OP-Raums seiner Praxis. Dieses Verhalten gerade im Hinblick auf Anforderungen, die für den Patientenschutz besondere Bedeutung haben, offenbart eine Haltung des Antragstellers, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids vom 30. Oktober 2019 die ernsthafte Besorgnis begründete, der Antragsteller werde seinen berufsspezifischen Pflichten und Anforderungen (auch) künftig nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund bestand, anders als der Antragsteller meint, für eine lediglich vorläufige Regelung kein (Spiel-) Raum.
2. Ferner lässt der Antragsteller vortragen, dass, wenn es für die Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens ankomme, sämtliche Erkenntnisse der Regierung von Oberbayern nach Erlass des Widerrufsbescheids vom 30. Oktober 2019 bei der vom Gericht vorgenommenen Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Das Verwaltungsgericht hätte nicht erst im Laufe des Gerichtsverfahrens gewonnene Erkenntnisse zur (weiteren) Begründung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers nachschieben dürfen; es hätte sich stattdessen auf die Überprüfung beschränken müssen, ob die der Regierung von Oberbayern zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Erkenntnisse prognostisch das Verdikt der Unzuverlässigkeit und damit den Widerruf der Approbation des Antragstellers gerechtfertigt haben.
Auch dieses Vorbringen gibt keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Juli 2021 zu ändern oder aufzuheben.
Dies ist zum einen bereits dadurch bedingt, dass sich dieses Beschwerdevorbringen nur gegen die Heranziehung (von Teilen) eines der beiden Sachverhaltskomplexe, auf die das Verwaltungsgericht die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO jeweils selbstständig tragend gestützt hat, sowie eines ohne Entscheidungserheblichkeit lediglich indiziell herangezogenen Sachverhaltskomplexes wendet. Ist die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, sind Beschwerdegründe jedoch hinsichtlich eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes darzulegen, um dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu genügen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22, § 124a Rn. 61). Das ist, wie unter 1. ausgeführt, nicht geschehen, soweit das Verwaltungsgericht die berufsrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers „selbständig tragend“ (vgl. Rn. 35 des Beschlusses vom 23. Juli 2021) auf Pflichtverstöße des Antragstellers in Bezug auf Hygiene, Infektionsprävention und Patientensicherheit, verstärkt durch die Missachtung behördlicher Anordnungen, die zum Schutz der Patienten ergangen sind, gestützt hat.
Zum anderen war das Verwaltungsgericht trotz der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Approbationswiderrufs gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht daran gehindert, seiner Entscheidung Erkenntnisse zugrunde zu legen, von denen die Regierung von Oberbayern im streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Oktober 2019 nicht ausgegangen ist bzw. die erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 30. Oktober 2019 zutage getreten sind. Denn Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung eines Widerrufsbescheids im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO ist die Frage, ob die im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung festgestellten Tatsachen die rechtlichen Kriterien der Unwürdigkeit bzw. Unzuverlässigkeit erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – juris Rn. 28) – unabhängig davon, ob die Tatsachen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bereits festgestellt waren. Ist maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO diejenige zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hat das Gericht den Sachverhalt bezogen auf diesen Zeitpunkt gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen zu ermitteln und auf dieser Grundlage zu würdigen, ob der Arzt im rechtlich entscheidenden Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig oder unzuverlässig war oder nicht (zum vergleichbaren Fall der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs vgl. BVerwG, U.v. 11.7.1985 – 7 C 33.83 – juris Rn. 10). Insofern durfte das Verwaltungsgericht bei der ihm ohne Einschränkungen obliegenden Beurteilung der (Un-)Zuverlässigkeit des Antragstellers von den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Tatsachen abweichen bzw. diese ergänzen und insoweit eine erstmalige Sachverhaltsbewertung vornehmen, solange es seine Entscheidung allein auf Tatsachen stützte, deren Vorliegen es für den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids festgestellt hat.
Dass bzw. inwieweit dies vorliegend nicht der Fall gewesen sein soll, ist nach dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich. Das toxikologische Gutachten vom 27. November 2019 und das rechtsmedizinische Gutachten vom 6. Dezember 2019 beziehen sich auf Haar-, Blut- und Urinproben des Antragstellers vom 10. Oktober 2019 und daher offensichtlich auf einen Substanzkonsum vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 30. Oktober 2019. Dasselbe gilt für die vom Verwaltungsgericht indiziell herangezogene Aufklärungspflichtverletzung, über die eine ehemalige Patientin bereits in ihrem Strafantrag vom 21. Januar 2019 berichtet hatte und hinsichtlich derer der Antragsteller einen auf den 11. Januar 2018 datierten Aufklärungsbogen vorgelegt hat. Soweit die Beschwerde rügt, dass die Regierung von Oberbayern von den „zahlreichen Strafanträge[n]“ erst im Laufe des Gerichtsverfahrens berichtet habe, wird schon übersehen, dass der Regierung von Oberbayern bereits am 24. Oktober 2019 die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte zu dem den Antragsteller betreffenden Ermittlungsverfahren (…) zur Einsicht übersandt worden ist und ihr daher schon zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids Strafanzeigen und -anträge und Protokolle von im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens bereits erfolgten Vernehmungen bzw. schriftliche Ausführungen von 16 (ehemaligen) Patientinnen des Antragstellers sowie einer ehemals bei ihm tätigen Praxisangestellten bekannt gewesen sind. Auf diese „zahlreiche[n] in jüngerer Vergangenheit eingegangene[n] Strafanzeigen und Berichte über fehlerhafte Behandlungen von Patientinnen“ (vgl. S. 3 des Bescheids vom 30. Oktober 2019) und die Darstellungen in dem (damals bereits) anhängigen Strafverfahren (Seite 5 des Bescheids vom 30. Oktober 2019) hat die Regierung in ihrem Bescheid vom 30. Oktober 2019 auch ausdrücklich Bezug genommen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nummern 16.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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