Verwaltungsrecht

Widerruf der Gaststättenerlaubnis und Untersagung eines Gaststättengewerbes

Aktenzeichen  22 ZB 16.715

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46001
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG §§ 15 II, 35 I
GewO § 35 I
VwGO § 124a IV 4

 

Leitsatz

1. Für die bei einer Gewerbeuntersagung anzustellende Prognose der künftigen Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden ein Verschulden an seiner Situation trifft und welche Ursachen zu einer Überschuldung oder wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Widerruf einer Gaststättenerlaubnis ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 II GastG zwingend, sodass der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist. Gleiches gilt für die (nicht erweiterte) Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit nach § 31 GastG iVm § 35 I 1 GewO. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine unsubstantiierte, den Anforderungen gem. § 124a IV 4 VwGO nicht genügende Darlegung kann auch nicht durch den Verweis auf den erstinstanzlichen Vortrag angereichert oder aufgewertet werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 14.713 2016-02-24 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Gegen die Klägerin verfügte das Landratsamt Aschaffenburg mit Bescheid vom 26. Juni 2014 einen Widerruf ihrer Gaststättenerlaubnis und eine Untersagung des erlaubnisfreien Teils ihres Gaststättengewerbes wegen gaststätten- und gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit, die das Landratsamt aufgrund ungeordneter Vermögensverhältnisse, insbesondere erheblicher Steuerrückstände der Klägerin annahm.
Die Klägerin hat den Bescheid vom 26. Juni 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erfolglos angefochten; ihre Klage wurde mit Urteil vom 24. Februar 2016 abgewiesen.
Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt.
Der Beklagte hat sich noch nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Soweit mit dem Antrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden, ergeben sich solche Zweifel aus den Darlegungen der Klägerin nicht; im Übrigen genügt die Antragsbegründung schon nicht den Mindestanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 und 7a, m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.).
Vorliegend benennt die Klägerin in der Antragsbegründung weder einen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung und setzt sich auch nicht in konkreter Weise mit einem entscheidungstragenden Argument des Verwaltungsgerichts auseinander. Sie beschränkt sich darauf, geltend zu machen, die angefochtenen Entscheidungen gefährdeten ihre Existenz, ihre finanzielle Notlage sei durch eine Straßenbaumaßnahme der Gemeinde verursacht worden (zum Einen habe die Baumaßnahme den Zugang zu ihrer Gaststätte beeinträchtigt und zu Umsatzeinbußen geführt, zum Andern habe die Klägerin unerwartete Zahlungen für den Straßenbau leisten müssen), sie habe die Schulden gegenüber dem Finanzamt bereits durch Raten und laufenden Zahlungen verringert und im Lauf des Verfahrens nachgewiesen, dass sie zu einer erheblichen Minderung ihrer Verbindlichkeiten in der Lage und dass infolge der Umsatzsteigerungen und einer Neustrukturierung des Geschäftsbetriebs eine positive Zukunftsprognose gegeben sei, und sie habe ein fundiertes Sanierungskonzept vorgelegt. Mit diesem Vortrag werden durchgreifende ernstliche Zweifel daran, dass das angegriffene Urteil im Ergebnis richtig ist, aber nicht dargelegt.
Soweit die Klägerin sinngemäß geltend machen will, sie sei unverschuldet in die finanziellen Schwierigkeiten geraten (Folgen der Straßenbaumaßnahme), ist dem entgegen zu halten, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich für die anzustellende Prognose der künftigen Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit unerheblich ist, ob den Gewerbetreibenden ein Verschulden an seiner Situation trifft und welche Ursachen zu einer Überschuldung oder wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/4 m. w. N.; BayVGH, U. v. 27.1.2014 – 22 BV 13.260 – BayVBl 2014, 338). Aus welchen konkreten Gründen erstens ein Verschulden der Klägerin an ihrer eigenen finanziellen Notlage auszuschließen ist und weshalb zweitens hieraus – trotz der zahlreichen, vom Verwaltungsgericht angeführten Gegenargumente – die Prognose gezogen werden müsse, die Klägerin sei künftig gaststätten- und gewerberechtlich zuverlässig, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.
Der Hinweis der Klägerin auf die – in verschiedener Weise erreichte – Verringerung ihrer Schulden ist schon deswegen unbehelflich, weil es insoweit an Angaben fehlt, welche Maßnahmen sie im Einzelnen meint und ob diese vor oder nach dem vom Verwaltungsgericht (zutreffend) als maßgeblich angesehenen Beurteilungszeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. Urteilsabdruck – UA – S. 9 oben) gewesen sind. Davon abgesehen steht der diesbezüglich unsubstantiierte Vortrag der Klägerin im Widerspruch zu den ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts, das – um nur ein Beispiel zu nennen – auf mehr als einer Seite (UA, S. 10 unten bis S. 12 oben) dargelegt hat, welche Anforderungen an ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept gestellt werden und weshalb ein solches im Fall der Klägerin, selbst unter Berücksichtigung ihrer Bemühungen nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, nicht angenommen werden könne, zumal zwischenzeitliche Zahlungen der Klägerin nicht hätten verhindern können, dass ihre Steuerschulden von knapp 40.000 € bei Bescheidserlass auf ca. 52.000 € (zum 11.11.2015) angewachsen seien.
Dass die angefochtene, vom Verwaltungsgericht aber als rechtens angesehene Verfügung des Landratsamts ein erheblicher Eingriff in Grundrechte der Klägerin ist (wie die Klägerin ohne nähere Erläuterung auf S. 3 ihrer Antragsbegründung geltend macht), steht außer Frage; inwiefern der Eingriff dagegen rechtswidrig sein und das Urteil daher ernstlichen Zweifeln begegnen sollte, legt die Klägerin aber nicht dar.
Soweit die Klägerin geltend macht, der „Widerruf einer Gewerbeerlaubnis“ sei in einer „gerade finanziell angespannten Lage“ im Hinblick auf die hier vorgetragenen Umstände ermessensfehlerhaft, übersieht sie, dass der Widerruf der Gaststättenerlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 GastG zwingend und der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist; Gleiches gilt für die (nicht erweiterte) Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit nach § 31 GastG i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO.
2. Soweit die Klägerin „besondere Schwierigkeiten“ der Rechtssache geltend macht, legt sie mit keinem Wort dar, inwiefern die Rechtssache entweder in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) besonders schwierig sein soll. Die Darlegung besonderer rechtlicher Schwierigkeiten erfordert aber eine substanzielle Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung und den Hinweis, in welchem konkreten Punkt sie zweifelhaft ist (Happ in Eyermann, VwGO, a. a. O., § 124a Rn. 68 m. w. N.); um besondere tatsächliche Schwierigkeiten darzutun, muss der Rechtsmittelführer verdeutlichen, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich bzw. besonders schwer zu ermitteln ist, und dass die aufklärende Tätigkeit des Verwaltungsgerichts nicht ausreichte, um diese Schwierigkeiten zu bewältigen (Happ in Eyermann, a. a. O., § 124a Rn. 71 m. w. N.).
Ebenso verfährt sie in Bezug auf den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes müsste dargelegt werden, welche Rechtsfrage vorliegend erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 124 Rn. 35 bis 40 m. w. N.).
3. Für alle vorliegend von der Klägerin beanspruchten Zulassungsgründe gilt, dass der Hinweis (auf S. 1 unten der Antragsbegründung), diese Gründe ergäben sich im Einzelnen aus den vorgetragenen Umständen, Darlegungsmängel nicht kompensieren kann, auch wenn mit diesen „vorgetragenen Umständen“ die nachfolgende, etwas mehr als eine Seite lange und wenig substantiierte Antragsbegründung gemeint und mit einbezogen sein sollte. Denn der Verwaltungsgerichtshof braucht sich nicht aus einem „Gemenge“ das herauszusuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (Happ in Eyermann, a. a. O., § 124a Rn. 58 m. w. N.). Eine unsubstantiierte, den Anforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügende Darlegung kann auch nicht durch den Verweis auf den erstinstanzlichen Vortrag (vgl. Antragsbegründung S. 2 Mitte) angereichert oder aufgewertet werden. Denn die gebotene substanzielle Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung kann durch einen Vortrag, der zeitlich vor dieser Entscheidung erfolgt ist, schlechterdings nicht geleistet werden (BayVGH, B. v. 10.9.2013 – 22 ZB 13.1685 – juris, Rn. 5, m. w. N.). Nachdem vorliegend die zweimonatige Frist zur Begründung des Zulassungsantrags am Montag, 9. Mai 2016, abgelaufen ist, können Mängel in Bezug auf die erforderliche Darlegung auch nicht mehr behoben werden.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 1, § 47 GKG i. V. m. Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz); der Verwaltungsgerichtshof misst dem von der Gewerbeuntersagung betroffenen Teil des Gaststättengewerbes keine gesonderte, den Streitwert gemäß § 39 Abs. 1 GKG erhöhende Bedeutung bei.


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