Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte aufgrund Nähe zur “Reichsbürgerbewegung”

Aktenzeichen  M 7 K 17.1354

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11933
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 1, Abs. 2
BayVwVfG Art. 47
BJagdG § 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 18 S. 1
StAG § 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Waff (Anschluss an BayVGH BeckRS 2017, 128941 u.a.). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Bescheid vom 8. März 2017 in seiner zuletzt gültigen Fassung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in eigenen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Bescheidsaufhebung (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Die Nr. 1 des Bescheids vom 8. März 2017 ist rechtmäßig, wobei der Widerruf in eine Rücknahme der Waffenbesitzkarte des Klägers umzudeuten ist.
1.1.1 Der nach § 45 Abs. 2 WaffG verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte ist gemäß Art. 47 BayVwVfG in eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 WaffG umzudeuten, weil die Tatsachen, aus welchen sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers ableiten (vgl. dazu 1.1.2), nicht nachträglich eingetreten (so § 45 Abs. 2 WaffG), sondern nachträglich bekannt geworden sind (so § 45 Abs. 1 WaffG).
Nach Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 14.1.2019 – 21 CS 18.701 – juris Rn. 24 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris Rn. 41 ff.). So verhält es sich vorliegend. Ein Widerruf nach § 45 Abs. 2 wie auch eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 WaffG haben das identische Ziel, dem Betroffenen die waffenrechtliche Erlaubnis zu entziehen. Der vom Landratsamt angenommene Widerrufsgrund der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ist zugleich auch ein Grund für die Rücknahme der Waffenbesitzkarte, denn eine solche ist nach § 45 Abs. 1 WaffG ebenso zwingend auszusprechen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Die Ausschlussgründe des Art. 47 Abs. 2 und 3 BayVwVfG liegen nicht vor, im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die Möglichkeit einer Umdeutung erörtert (Art. 47 Abs. 4 BayVwVfG). Auch aus Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ergibt sich nichts anderes, weil dieser auf eine waffenrechtliche Rücknahme ohnehin nicht analog anwendbar ist (vgl. weiterführend Papsthart in Steindorf/Heinrich/Papsthart, WaffG, 10. Aufl. 2015, § 45 Rn. 1) und die Jahresfrist im Übrigen ohne weiteres gewahrt ist.
1.1.2 Die so als Rücknahme zu verstehende Nr. 1 des Bescheids vom 17. März 2016 ist rechtmäßig. Denn durch die Einlassungen des Klägers im Rahmen seines Austausches mit dem Landratsamts wurde nachträglich bekannt, dass er bereits zum Zeitpunkt der Erteilung seines waffenrechtlichen Erlaubnis (Waffenbesitzkarte) unzuverlässig war, so dass ihm diese zu versagen gewesen wäre (vgl. § 45 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 a.a.O; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf stRspr des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 71).
Im konkreten Fall rechtfertigen die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, eine Annahme bzw. Prognose, dass der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG beschriebenes Verhalten zeigen wird und somit nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Der Kläger hat vorliegend durch sein Verhalten Tatsachen geschaffen, die die Annahme rechtfertigen, dass er der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht.
Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris).
Der Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes (S. 90) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als organisatorisch und ideologisch äußerst heterogen, zersplittert und vielschichtig. Sie besteht überwiegend aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung, aber auch aus Kleinst- und Kleingruppen, virtuellen Netzwerken und überregional agierenden Personenzusammenschlüssen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 (S. 170 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 171 ff.). Es besteht die Besorgnis, dass die Betroffenen – mitunter massive – Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 93).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Im Hinblick auf den Kläger liegen Tatsachen vor, die – auch wenn sich der Kläger selbst nicht unmittelbar der Reichsbürgerbewegung zugehörig fühlt – jedenfalls die Annahme rechtfertigen, dass er die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet und sich so die Ideologie der sog. Reichsbürger als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau bzw. -würdigung der vom Kläger getätigten Äußerungen gegenüber dem Landratsamt wie auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung.
So hat der Kläger zwar am 31. Januar 2014 bzw. 5. Februar 2014 (Eingang beim Landratsamt) zunächst einen an sich „unauffälligen“, sprich ohne reichsbürgertypische Angaben enthaltenden Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt. Nach dessen Erhalt Ende Februar 2014 begann der Kläger allerdings – insoweit wiederum reichsbürgertypisch – mehrfach bzw. vehement und auf verschiedenen Wegen (Telefonate, Gespräche, E-Mails) die Übersendung eines EStA-Registerauszuges (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StAG) sowie eine Ausstellung nach RuStAG 1913 einzufordern. Damit hat der Kläger eindeutig nach außen gegenüber einer Behörde zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises an sich ging, sondern dass er ideologische, für Reichsbürger typische Ziele verfolgt. Reichsbürger sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Aus ihrer Sicht bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichs Angehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sog. „gelber Schein“) zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit unter Berufung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913, das in seiner ursprünglichen Fassung erstmals 1913 erlassen, inzwischen aber vielfach novelliert wurde (Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 175). In dieses Bild passt auch die Einlassung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass er sich auf das RuStAG 1913 bezogen habe, weil er keine Staatsangehörigkeit nach 1937 hätte haben wollen. Auch dies folgt offensichtlich einer gängigen, in vielen einschlägigen reichbürgertypischen/-nahen Internetauftritten und auch sonstigen Dokumenten bzw. Einlassungen zu findenden (gerichtsbekannten) Argumentation. Demnach hätten die „Nazis“ mittels der „Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934“ eine deutsche Staatsangehörigkeit „erfunden“, die man als „Nazistaatsangehörigkeit“ nicht haben wolle.
Dass der Kläger diese Überzeugung bzw. Ideologie für sich als verbindlich erachtet und auch vertreten hat, unterstreichen sowohl die vom Kläger geschilderten Umstände seiner „Kenntnis-/Überzeugnisbildung“ als auch der lange Zeitraum, in welchen der Kläger wiederholt und nachdrücklich diese Ideologie (u.a.) gegenüber dem Landratsamt zum Ausdruck gebracht hat. Laut insoweit glaubhafter Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist er am 18. Januar 2014 im Zusammenhang mit einer Demonstration in Berlin mit diesem Gedankengut in Berührung gekommen. Nachdem er zunächst noch einen Antrag ohne auffällige Angaben gestellt hatte, begann er ab Februar 2014, sich mit dem Gedankengut auseinanderzusetzen und es zu verinnerlichen, indem er sich entsprechender Quellen bediente (erworbenes Buch, Besuch eines einschlägigen Vortrags). Gleichzeitig begann er, seine gewonnene Überzeugung gegenüber dem Landratsamt zu vertreten, indem er jedenfalls bis Januar 2015 weiterhin unmittelbar die Ausstellung eine Staatsangehörigkeitsausweises nach RuStAG 1913 gegenüber dem Landratsamt thematisierte (vgl. E-Mail vom 15.1.2015). Aber auch die anschließend bis Ende 2016 und damit bis kurz vor seiner Anhörung versandten E-Mails unterstreichen den Eindruck, dass der Kläger auch weiterhin reichsbürgertypisches Gedankengut verinnerlicht hat. Denn auch die Auffassung, dass gesetzlich keine Pflicht zur Anmeldung des Kraftfahrzeugs bestehe (E-Mail vom 10.12.2015) und die Furcht vor einer Entfremdung durch Migration (E-Mails vom 23.2.2015 und 23.5.2015) oder einem „Verlust der Bodenrechte“ (E-Mail vom 12.12.2016) sind gerichtsbekannte und wiederum den einschlägigen Internetauftritten zu entnehmende, für Reichsbürger typische und gängige Motivationslagen bzw. Argumentationsmuster.
Dass der Kläger demgegenüber, wie sein Bevollmächtigter vorträgt, bezüglich des RuStaG einem schlichten Irrtum (Nichtkenntnis der späteren Novellierungen/“Namensänderung“) unterlegen ist, hat der Kläger bereits selbst durch seine Einlassungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung widerlegt. Wenig plausibel ist auch die Rechtfertigung des Klägers (insbesondere) zur E-Mail bzgl. der Kfz-Zulassungspflicht. Weder aus deren Wortlaut, noch aus dem der übrigen E-Mails ist auch nur ansatzweise erkennbar, dass es sich insoweit um „Scherze“ des Klägers gehandelt haben solle. Im Gegenteil sprechen die vom Kläger selbst hinzugefügten Anmerkungen dafür, dass er das jeweils weitergeleitete Thema sehr ernst nahm. Auch der im Rahmen der Stellungnahme vom 14. Februar 2017 enthaltene Hinweis, dass der Kläger „aufgrund seiner Rechtstreue und seinem sonstigen Sozialverhalten“ nicht waffenrechtlich unzuverlässig sein könne, vermag die eben dargelegte gerichtliche Einschätzung des Klägers nicht zu relativieren. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17). Gleiches gilt hinsichtlich des Vortrags des Klägers, dass er nicht mit den Reichsbürgern sympathisiere oder keinen Kontakt zu solchen pflege. Aufgrund der Einlassungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist dies ohnehin zweifelhaft, da er sich ja jedenfalls durch Herrn P … H … mehrfach hat beraten lassen. Unabhängig davon ist es aber ohnehin nicht entscheidungserheblich, ob sich der Kläger selbst als dem „Reichsbürger“-Spektrum zugehörig betrachtet (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Ebenso wenig ist eine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ im Fall des Klägers festzustellen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des im vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53). Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar. Sowohl im Rahmen der Stellungnahme vom 14. Februar 2017 als auch in der Klagebegründung wird geltend gemacht, dass der Kläger bestreite, Reichsbürger zu sein. Auffällig ist zudem, dass der Kläger die Weiterleitung diverser E-Mails an das Landratsamt erst beendet hat, als er zum beabsichtigten Widerruf seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse angehört wurde. Es liegt daher nahe, dass der Kläger seine Einstellung nicht aufgrund einer eigenen Motivation bzw. Einsicht geändert, sondern verfahrenstaktisch agiert hat.
1.2 Vor diesem Hintergrund ist auch die in Nr. 3 des Bescheids vom 8. März 2017 verfügte Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins nach §§ 18 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 BJagdG rechtmäßig, weil die Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen Tataschen erst nach dessen Erteilung bekanntgeworden sind (vgl. 1.1). Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Nrn. 4, 5 und 8 des Bescheids ausgesprochenen Nebenverfügungen sind weder ersichtlich noch vorgetragen; insoweit wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf dessen Gründe Bezug genommen.
2. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 und dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die zunächst angefochtenen und später aufgehobenen Nrn. 2 und 6 des Bescheids waren für den Kläger von nachrangiger und daher zu vernachlässigender Bedeutung, zumal sie auch keine Auswirkung auf die Höhe des Streitwerts hatten; insoweit hat sich auch eine formale Erledigterklärung erübrigt.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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