Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte bei unsachgemäßer Verwendung der Waffe oder Munition

Aktenzeichen  M 7 K 17.1943

Datum:
6.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3560
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 45 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Für einen Jäger gehört es zu den grundlegenden Obliegenheiten, bei Fahrten mit dem Kraftfahrzeug ein Jagdgewehr selbst dann nicht schussbereit mitzuführen, wenn eine solche Fahrt (zB Pirschfahrt) Teil der Jagdausübung ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Vorab ist klarzustellen, dass das Gericht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2019 entscheiden konnte.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO war nach Auffassung des Gerichts nach Ausübung des diesbezüglich eröffneten Ermessens nicht veranlasst.
Die Entscheidung über eine in § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO vorgesehene Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen des Tatsachengerichts. Zwar kann sich dieses Ermessen, etwa durch die Verpflichtung des Gerichts nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, oder durch die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt umfassend aufzuklären, zu einer Rechtspflicht zur Wiedereröffnung verdichten. Nachgelassene oder nachgereichte Schriftsätze erzwingen jedoch nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2007 – 4 BN 22/07 – juris Rn. 3).
Dies ist hier nicht der Fall. Der Schriftsatz vom … Februar 2019 enthält letztendlich keinerlei neues, jedenfalls aber kein wesentliches neues Vorbringen. Der Klägerbevollmächtigte wiederholt darin – auch ausweislich des schriftsätzlichen Wortlauts („nochmals gebeten“) – lediglich seinen bisherigen Vortrag, dass der Kläger aus beruflichen Gründen in besonderer Weise auf Jagdschein und waffenrechtliche Erlaubnis angewiesen sei.
Das Schreiben des Klägers vom 19. Februar 2019 ging indessen erst bei der Kammer ein, als der Entscheidungstenor den Beteiligten bereits bekanntgegeben war und damit Bindungswirkung entfaltete (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 116 Rn. 14); im Übrigen handelt es sich auch insoweit nicht um wesentlich neues Vorbringen.
Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
1. Das Verfahren war einzustellen, soweit es die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Nrn. I.1, I.2 und II. des Bescheids vom 3. April 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Der in Nr. I.1 des Bescheids vom 3. April 2017 angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte ist rechtmäßig.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG hat die zuständige Behörde eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend also die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis ist u.a. zu versagen, wenn eine Person nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG i.V.m. § 5 WaffG.
Der Kläger ist waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Demnach stellt es u.a. einen absoluten Unzuverlässigkeitsgrund dar, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Hierzu ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen eine Prognose zu erstellen und der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris
Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf stRspr des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris, sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris). Bloße Vermutungen reichen hingegen nicht.
Aus den vorliegenden Tatsachen kann eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG abgeleitet werden.
Denn der Kläger hat gegen die elementare und selbstverständliche Pflicht eines Jägers verstoßen, Schusswaffen erst dann zu laden, wenn mit ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch im Rahmen der Jagdausübung zu rechnen ist, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 UVV Jagd (der norminterpretierend herangezogen werden kann, vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2014 – 21 CS 14.720 – juris Rn. 20). Im Fahrzeug ist die Waffe entladen zu führen, § 3 Abs. 3 Satz 1 UVV Jagd.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich der Kläger laut eigenem Vorbringen zum fraglichen Zeitpunkt in seinem Eigenjagdrevier bei der Jagdausübung befunden hat (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.5.2018 – 21 CS 18.72 – juris Rn. 22 ff.). Es trifft zwar zu, dass ein Jäger seine Jagdwaffe zur befugten Jagdausübung oder zum Jagdschutz im Revier schussbereit führen darf (§ 13 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 WaffG). Eine Waffe ist schussbereit im Sinn dieser Vorschrift, wenn sie geladen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn sich Munition im Patronenlager (fertig geladen) befindet. Zum anderen ist eine Waffe auch dann geladen (unterladen), wenn sie entspannt und gesichert ist, sich jedoch Munition im in die Waffe eingefügten Magazin befindet (Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG Abschnitt 2 Nr. 12; vgl. dazu Gade/Stoppa, WaffG, 1. Aufl. 2011, Anlage 1 Rn. 190).
Selbst wenn der Kläger seine Jagdwaffe nur teilgeladen (unterladen) transportiert haben sollte, hat er es jedenfalls am vorsichtigen Umgang mit seiner Schusswaffe fehlen lassen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Vorsichtig im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle zumutbaren Sicherungsmöglichkeiten ergriffen werden, um die von einer Waffe ausgehenden Gefahren für sich oder andere auszuschließen (OVG NW, B.v. 15.5.2013 – 20 A 419/11 – juris Rn. 40). Für einen Jäger gehört es deshalb zu den grundlegenden Obliegenheiten, bei Fahrten mit dem Kraftfahrzeug ein Jagdgewehr selbst dann nicht schussbereit mitzuführen, wenn eine solche Fahrt (z.B. Pirschfahrt) Teil der Jagdausübung ist. Denn der Transport eines geladenen Gewehrs im Kraftfahrzeug birgt stets eine erhöhte Gefahr für den Waffenbesitzer und für Dritte in sich, was insbesondere für Pirschfahrten gilt. Solche Fahrten führen häufig durch unwegsames Gelände, was ebenso wie die Mitnahme eines Jagdhundes die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich ein Schuss unbeabsichtigt löst (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 14.7.1993 – 19 CE 93.1849 – juris Rn. 29).
Im Übrigen sprechen für die – als Tatbestandsmerkmal und nicht Ermessensfrage vom Gericht unabhängig vom Bescheidsinhalt überprüfbare – waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers auch die Verwahrung seines Gewehrs im unterladenen Zustand sowie seine strafrechtliche Verurteilung (vgl. dazu jeweils VG München, B.v. 27.11.2017 – M 7 S 17.2625 – bisher nicht veröffentlicht). Dies braucht aber letztendlich nicht näher ausgeführt werden, da bereits § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG greift.
Der ausgesprochene Widerruf ist schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Der Vortrag des Klägers, dass er als selbstständiger Teichwirt insbesondere zur Erlegung des Kormorans den Jagdschein und die waffenrechtlichen Erlaubnisse dringend benötige und der angefochtene Bescheid deshalb zu einer Existenzgefährdung führen könne, ist nicht substantiiert belegt (vgl. auch BayVGH, B.v 16.5.2018 – 21 CS 18.72 – juris Rn. 29 f.). Das Argument, dass eine Bejagung durch Dritte ineffektiv sei, weil der Kläger im Falle der Sichtung eines Kormorans sofort in der Lage sein müsse, diesen zu schießen, überzeugt jedenfalls nicht. Der Kläger betreibt (schon laut eigenem Briefkopf) ein weiteres großes Teichgut in … (* …Landkreis … … …*). Es erschließt sich nicht bzw. ist in sich widersprüchlich, wenn einerseits (laut Kläger) eine effektive „Bekämpfung von Fischräubern“ nur durch ihn selbst, nicht aber durch Dritte bewerkstelligbar wäre, er andererseits aber schon geografisch bedingt nicht beide Fischzucht-Standorte gleichzeitig bejagen kann. Für das Vergrämen von Kormoranen bedarf es zudem ohnehin nicht zwingend einer Schusswaffe; ein Knall- oder Schreckschussgerät ist durchaus praxisüblich.
2.2 Vor diesem Hintergrund sind auch keine Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Nr. I.2 (soweit dieser überhaupt noch Regelungswirkung zukommt) und der Nr. II des Bescheids vom 3. April 2017 erkennbar oder vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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