Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte und Ungültigerklärung des Jagdscheins

Aktenzeichen  24 ZB 21.167

Datum:
21.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22543
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO liegt nur vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 19.204 2020-10-27 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 16.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und die Ungültigerklärung des Jagdscheins durch das zuständige Landratsamt mit Bescheid vom 31. Januar 2019.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2020 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2019 erweise sich als rechtmäßig, weil der Kläger im waffenrechtlichen Sinn unzuverlässig geworden sei. Es liege ein Fall der Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG in der Fassung vom 30. Juni 2017 vor. Der Kläger habe an zwei Veranstaltungen der Partei “Der Dritte Weg” teilgenommen. Damit liege eine Tatsache vor, die annehmen lasse, dass der Kläger zumindest zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses einzeln Bestrebungen unterstützt habe, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet haben. Es seien keine atypischen Umstände ersichtlich, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG zu widerlegen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, an der Richtigkeit des streitgegenständlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Zudem weiche das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab und beruhe auf dieser Abweichung.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
a) Das gilt zunächst für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
Insoweit führt die Zulassungsbegründung aus, der Kläger habe nach dem “Heldengedenken” an keiner weiteren Veranstaltung der Partei “Der Dritte Weg” teilgenommen, er kenne nicht einmal das Programm der Partei und habe diese Partei auch nicht gewählt. Weder bei der “Sonnwendfeier” noch beim “Heldengedenken” seien verfassungsfeindliche Ziele der Partei zum Ausdruck gekommen. Daher habe der Kläger nicht nach außen den Eindruck vermittelt, dass er hinter den Zielen der Vereinigung stehe. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung gehe von anderen Sachverhalten als dem zugrundeliegenden aus.
Damit wird die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts, der Kläger habe zumindest zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses einzeln Bestrebungen unterstützt, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet haben, und sei daher gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG in der Fassung vom 30. Juni 2017 als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat hierbei insbesondere auf die Außenwirkung der Veranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hat, als wichtiges Abgrenzungskriterium zur bloßen Mitgliedschaft oder passiven Teilnahme an Parteiveranstaltungen abgestellt. Unter Bezugnahme auf Erkenntnisse in den Verfassungsschutzberichten Bayern der letzten Jahre hat das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt, dass die Partei “Der Dritte Weg” als eine Partei einzustufen ist, die rechtsextremes Gedankengut vertritt, und dass die von dieser Partei regelmäßig organisierten Veranstaltungen der “Sonnwendfeier” und des “Heldengedenkens” nicht nur als reine Pflege von Brauchtum, sondern als öffentlichkeitswirksame Aktionen anzusehen sind. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen ist geeignet, nach außen hin die Bestrebungen der Partei zu unterstützen. Dass eine solche Außenwirkung bei den vom Kläger besuchten Veranstaltungen nicht vorlag, konnte der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht substantiiert in Frage stellen.
Der Kläger greift letztlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an, was auch im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich möglich ist (Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 124, Rn. 80). Das Gericht entscheidet gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Tatsachen- und Beweiswürdigung, der einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d. h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt nur vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (stRspr z.B. BayVGH, B.v. 14.12.2018 – 21 ZB 16.1678 – juris Rn. 20 m.w.N.). Derartige Fehler zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf; sie sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger beschränkt sich vielmehr darauf, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags darauf hinzuweisen, seiner Ansicht nach sei das Verwaltungsgericht zum falschen Ergebnis gekommen.
b) Die Berufung ist auch nicht aufgrund der vom Kläger behaupteten Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5). Dem genügt das Zulassungsvorbringen, das bereits keine divergierenden Rechtssätze gegenüberstellt, nicht. Der Kläger benennt zwar ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und führt hierzu unter Hinweis auf Literatur und (nicht divergenzfähige) Rechtsprechung aus, wann von verfassungsfeindlichen Bestrebungen auszugehen sei. Er hat aber nicht die angeblich divergierenden Rechtssätze aufgezeigt und gegenübergestellt, sondern lediglich erklärt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts widerspreche der von ihm angegebenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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