Verwaltungsrecht

Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis eines sog. “Reichsbürgers”

Aktenzeichen  M 7 S 18.596

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8132
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, sind waffenrechtlich unzuverlässig. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.125,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 6. Februar 2018 erhobenen Klage gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis (Waffenbesitzkarte Nr. 393/1975) und die dazu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Landratsamts G.-P. (im Folgenden: Landratsamt) vom 29. Januar 2018.
Der Antragsteller stellte am 14. August 2015 bei dem Landratsamt einen Antrag auf Ausstellung einer Staatsangehörigkeitsurkunde/Feststellung der Staatsangehörigkeit. Unter dem Punkt „ggf. frühere: (Staatsangehörigkeit)“ vermerkte der Antragsteller bezüglich seiner Person sowie seiner Ehefrau und seines Vaters jeweils „Abstammung nach RuStaG von 1913“. Bezüglich seines Vaters gab er zum Sterbeort „U.“ als „Land“ „Königreich B.“ an. Sonstige Angaben zu einem „Land“ waren in dem Formular nicht vorgesehen.
Nach einer Mitteilung der Wohnsitzgemeinde an das Landratsamt vom 8. November 2016 habe der Antragsteller von der dortigen Meldebehörde eine Bestätigung über seine Personalien sowie der „Bayerischen Staatsangehörigkeit“ haben wollen. Er habe von dort lediglich eine Bestätigung seiner Daten lt. Melderegister erhalten.
Das Polizeipräsidium O. Süd (im Folgenden: Polizeipräsidium) teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 5. April 2017 mit, dass nach polizeilicher Einschätzung bei dem Antragsteller eine Zugehörigkeit zur Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ bzw. Staatsleugnung oder Selbstverwaltung erkennbar sei.
Im Rahmen der Anhörung zum beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarte trug der Antragsteller mit Schreiben vom 17. Mai 2017 im Wesentlichen vor, er habe den „Staatsangehörigkeits-Ausweis“ nur beantragt, um seine Herkunft nachzuweisen. Es sei ihm gesagt worden, dass „es“ für eine Ahnenforschung gut sei und er somit seine Herkunft nachweisen könne. Außerdem habe er zu seinem ehemaligen Arbeitskollegen nach Kanada reisen wollen und angeblich bräuchte er dann auch diesen „Staatsangehörigkeits-Nachweis“. Es sei ihm bis heute nicht bekannt, dass man sich damit strafbar machen würde. Er habe ja auch den „ESTA Auszug“ vom Bundesverwaltungsamt bekommen. Wieso stelle ihm die Regierung dann diesen Schein aus. Er werde die Bundesrepublik Deutschland immer anerkennen und habe mit den sog. „Reichsbürgern“ nichts zu tun. Er bezahle seine Steuern und habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Er hätte nie die Absicht gehabt, die Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen. Er hoffe sehr, dass er mit dem Nachweis keine Schwierigkeiten bekommen werde. Ansonsten gebe er diesen Nachweis auch gerne zurück. Er wüsste nämlich nicht, für was er diesen „Schein“, außer der Ahnenforschung, noch benötigen könne. Zuvor hatte er am 15. Mai 2017 persönlich bei dem Landratsamt vorgesprochen. Nach einem hierzu gefertigten Vermerk des Landratsamts vom 31. Mai 2017 habe der Antragsteller bei der Vorsprache versichert, dass er nur Ahnenforschung habe betreiben wollen. Mit den Leuten, welche die „Existenz der BRD“ bestritten und diese ablehnten, habe er nichts zu tun und wolle auch nichts zu tun haben. Er akzeptiere die staatlichen Organe vollumfänglich.
Auf Nachfrage des Landratsamts mit Schreiben vom 19. Mai 2017, warum er bei der Frage der Staatsangehörigkeit auch das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz – RuStAG – von 1913 angegeben habe, teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 4. Juni 2017 mit, er habe sich beim Bundesverwaltungsamt erkundigt, wie er das Formular auszufüllen habe. Den Eintrag habe er dann vom Verwaltungsamt bekommen. Er gehe davon aus, wenn ihm das Bundesverwaltungsamt die Papiere ausstelle, dass diese dann richtig seien.
Das Polizeipräsidium äußerte sich auf Anfrage mit E-Mail vom 12. Juni 2017 gegenüber dem Landratsamt, dass unter Berücksichtigung der beiden Schreiben des Antragstellers das Votum vom 5. April 2017 uneingeschränkt aufrechterhalten werde. Der Antragsteller verwende in seinen Schreiben unbestimmte und nicht nachprüfbare Quellen, auf denen sein Handeln beruhe. Seine Äußerungen würden als klare Schutzbehauptung gewertet, zumal für eine Reise nach Kanada kein Staatsangehörigkeitsausweis gefordert sei. Selbst auf die dezidierte Frage hin, warum er sich in seinem Antrag auf den Stand des RuStAG des Jahres 1913 bezogen habe, habe er mit der Gegenfrage geantwortet, gegen welches Gesetz er verstoßen hätte. Eine Distanzierung bzw. die Geltendmachung eines Verbotsirrtums müsse in diesem Zusammenhang glaubhaft und nachdrücklich sein. Hierbei habe der Betroffene klar und umfänglich dazulegen, wie es zu den irritierenden Eintragungen gekommen sei und dabei „Ross“ wie „Reiter“ zu benennen. Pauschalierte Nennungen von Quellen und bloßen nicht substantiierten Behauptungen reichten dazu bei weitem nicht aus.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2018 widerrief das Landratsamt die für den Antragsteller ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. 393/1975 (Nr. 1). Weiter wurde der Antragsteller verpflichtet, die in seinem Besitz befindlichen – im Einzelnen aufgeführten – Waffen und Munition innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigen zu überlassen oder dauerhaft fachgerecht unbrauchbar machen zu lassen und dem Landratsamt hierüber einen Nachweis zu erbringen. Komme der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht fristgerecht nach, würden die Waffen und Munition sichergestellt (Nr. 2). Außerdem wurde der Antragsteller verpflichtet, die Waffenbesitzkarte Nr. 393/1975 innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben (Nr. 3). Für die Nummern 2 und 3 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 4). Für den Fall, dass der Verpflichtung in Nr. 3 nicht innerhalb der genannten Frist nachgekommen werde, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 Euro zur Zahlung fällig (Nr. 5). Es wurden dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt sowie Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 64,11 Euro festgesetzt (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, die Waffenbesitzkarte sei wegen fehlender Zuverlässigkeit zu widerrufen gewesen (§ 45 Abs. 2 Waffengesetz – WaffG – i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG). Aus dem Ergebnis der Stellungnahmen des Polizeipräsidiums gehe hervor, dass der Antragsteller eine für „Reichsbürger“ typische Verhaltensweise an den Tag lege. Nach Auskunft des Sachgebiets 54 – Personenstandswesen – sei für die Ahnenforschung kein Nachweis der Herkunft erforderlich. Auch werde für die Einreise nach Kanada keine Staatsangehörigkeitsurkunde benötigt. Hierfür reiche der Reisepass. Der Staatsangehörigkeitsausweis sei kein Reisedokument. Das Bundesverwaltungsamt stelle einen EStA-Auszug nur auf Antrag aus. Es sei bekannt, dass dieser regelmäßig von „Reichsbürgern“ beantragt werde, da im Register der Erwerbsgrund „Abstammung nach RuStAG“ vermerkt werde. Nach Auffassung des Polizeipräsidiums und der Regierung von O. habe sich der Antragsteller nicht ausreichend von der Reichsbürgerbewegung distanziert. Die Regierung von O. habe mit E-Mail vom 18. Dezember 2017 mitgeteilt, dass der Widerruf durchzuführen sei. Wer Bundes- und Landesgesetze generell nicht als für sich verbindlich anerkenne und sich deshalb auch nicht verpflichtet sehe, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen werde. Denn auch das Waffengesetz sei Teil der Rechtsordnung, die er nicht anerkenne. Als Zugehöriger zur Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ besitze der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts. Die sofortige Vollziehung sei nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Anordnungen zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis sowie zur Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und Munition dem Betroffenen bis zum Abschluss eines evtl. Verwaltungsgerichtsverfahrens belassen würde. Die Anordnung sei im Sinne der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten. Persönliche Interessen des Betroffenen hätten hier zurückzustehen. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei im vorliegenden Fall geeignet und notwendig, um die nötige Schutzwirkung entfalten zu können.
Gegen diesen Bescheid haben die Bevollmächtigten des Antragstellers am 6. Februar 2018 Klage (M 7 K 18.597) erhoben und am selben Tag Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Voraussetzungen für den Widerruf seien nicht gegeben. Der Antragsteller sei weder Mitglied der „Reichsbürgerbewegung“ noch sympathisiere er mit deren Gedankengut. Die Gründe, dass der Antragsteller einen Antrag auf Feststellung der Staatsangehörigkeit gestellt und als Geburtsort „Königreich Bayern“ angegeben habe, genügten nicht für die Annahme der Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“. Der Antragsteller sei seit mehr als 40 Jahren Jäger und Inhaber einer Waffenbesitzkarte. In der gesamten Zeit habe er sich weder in jagd- und waffenrechtlicher Hinsicht noch in einem sonstigen Bereich etwas zu Schulden kommen lassen. Vielmehr habe er sämtliche Vorschriften und Gesetze stets eingehalten. Zu betonen sei auch, dass der Antragsteller im Jahre 1935 geboren sei und die ersten Jahre seines Lebens im Nationalsozialismus habe aufwachsen müssen, er seither jede Form von Extremismus strikt ablehne und die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen, wie bereits von ihm mündlich betont, anerkenne. Von den sog. „Reichsbürgern“ habe der Antragsteller erst nach den tödlichen Schüssen am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd erfahren. Zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Feststellung der Staatsangehörigkeit habe der Antragsteller nichts von Reichsbürgern und deren Ideologie gewusst. Der Antragsteller habe zum damaligen Zeitpunkt den Antrag zum einen im Rahmen einer Ahnenforschung gestellt. Zum anderen sei er fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er einen entsprechenden Nachweis für den Besuch eines ehemaligen Arbeitskollegen in Kanada benötige. Ferner habe er sich bei dem Ausfüllen des Antrags auf Feststellung der Staatsangehörigkeit an die Angaben gehalten, die von offizieller Seite wiederholt selbst angegeben würden. Exemplarisch werde auf ein Merkblatt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wellington verwiesen. Dort heiße es ausdrücklich, dass das RuStAG in der jeweils geltenden Fassung weiterhin anzuwenden sei, wenn das staatsangehörigkeitsrechtliche Ereignis (z.B. die Geburt) vor dem 1. Januar 2000 stattgefunden habe. Für den Antragsteller sei es bis heute nicht nachvollziehbar, was er getan haben, was den Vorwurf der Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerszene“ rechtfertigen solle. Insbesondere vor dem Hintergrund seiner Jugend im Nationalsozialismus und seines seit Jahrzehnten untadeligen Verhaltens sei der Antragsteller durch die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe persönlich tief getroffen. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller seit geraumer Zeit von dem Antragsgegner für so zuverlässig gehalten werde, dass er die Erlaubnis zum Fangen und Erlegen von Haarraubwild in befriedeten Bezirken wiederholt erteilt bekommen habe. In der Rechtsprechung hätten sich in diesem Themenkomplex Grundsätze herausgebildet, die allesamt verlangten, dass der Widerruf einer Waffenbesitzkarte nur dann in Betracht komme, wenn von Seiten des Inhabers die Existenz der Bundesrepublik Deutschland offensiv abgelehnt werde. Hierzu werde auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 20. September 2016 (VG 3 K 305/16 – juris Rn 19) sowie auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Juni 2017 – M 7 S 17.1202 – juris Rn. 3 ff.) Bezug genommen. Nach diesen Grundsätzen sei der Widerruf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers rechtswidrig. Dem Antragsteller werde vorliegend ausschließlich ein (legaler) Antrag auf Feststellung der Staatsangehörigkeit vorgeworfen. Äußerungen, die darauf schließen ließen, dass er die Rechtsordnung ablehne oder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneine, habe der Antragsteller nicht getätigt. Zu den Charakteristika der Verhaltensweisen von „Reichsbürgern“ werde in dem Aufsatz von Caspar und Neubauer (in LKV 2017, 1) ausgeführt. Keine der genannten Verhaltensweisen habe der Antragsteller zu irgendeinem Zeitpunkt gezeigt. Vielmehr halte sich der Antragsteller seit Jahrzehnten an die Gesetze und Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland. Deren Existenz oder Legitimität habe er zu keiner Zeit in Zweifel gezogen. Ferner habe er sich sowohl mündlich als auch schriftlich wiederholt nachdrücklich und glaubhaft von jedweder Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ und deren Gedankengut distanziert. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller, sollte das Gericht bis zum Termin der Abgabe der Waffenbesitzkarte keine Entscheidung treffen können, sich an die vollziehbare Anordnung des verfahrensgegenständlichen Bescheids halten werde. Dies stehe für ihn außer Frage. Insofern werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Gera im Urteil vom 16. September 2015 (2 K 525/14 – beckRS 2016, 42908) Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29.01.2018 (Az. 51-1351) hinsichtlich Ziffer I.1 anzuordnen und hinsichtlich Ziffer I.2. und I.3. wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren M 7 K 18.597 abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt hierzu vor, Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig seien oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht hätten, seien waffen- und sprengstoffrechtlich unzuverlässig. Die im streitgegenständlichen Bescheid zusammengefassten und aus der Behördenakte ersichtlichen Verhaltensweisen und Einlassungen des Antragstellers – die sich typischerweise als solche der sog. „Reichsbürgerbewegung“ darstellten – rechtfertigten die auf Tatsachen gestützte Prognose seiner waffen- und sprengstoffrechtlichen Unzuverlässigkeit. Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises am 14. August 2015 unter Berufung auf eine „ggf. frühere Staatsangehörigkeit: Abstammung nach RuStAG 1913“ sowie unter Herleitung der festzustellenden deutschen Staatsangehörigkeit aus der Geburt von Vorfahren in Staaten, die wie das im Antrag genannte Königreich Bayern 1913 bestanden hätten und zum Deutschen Kaiserreich gehörten, in der Gegenwart aber nicht mehr als solche bestünden und die sich anschließende Beantragung von EStA-Registerauszügen habe der Antragsteller nach außen gegenüber einer Behörde zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises gehe, sondern dass er ideologisch für „Reichsbürger“ typische Ziele verfolge. Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhoffe sich dieser Personenkreis u.a. den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“. Vor diesem Hintergrund werde dann auch der Wunsch des Antragstellers verständlich, von seiner Wohnsitzgemeinde eine Bestätigung der „Bayerischen Staatsangehörigkeit“ zu erhalten. Es sei dabei nicht glaubhaft, dass die konkrete Art der Antragstellung so vom Bundesverwaltungsamt beraten worden sei. Auch enthalte das als Anlage 2 vorgelegte Merkblatt nur den Hinweis, dass das „seit 1914 geltende RuStAG“ auf Altfälle Anwendung finde, nicht aber die – typische – Diktion „RuStAG von 1913“ oder den Vorschlag/die Maßgabe, „hinsichtlich ggf. früherer Staatsangehörigkeiten auf eine „Abstammung nach RuStAG von 1913“ Bezug zu nehmen. Zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung habe der Antragsteller keine sich ernsthaft von dem Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ distanzierende Haltung erkennen lassen. Er habe allenfalls eine Begründung für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises an sich vorgebracht, nicht aber klar für eine ideologisch geprägte Antragstellung sprechende Umstände entkräften können. Diese Angaben sowie das Anerkenntnis der Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen seien daher als – im Übrigen vielfach vorkommende – Schutzbehauptung zu werten. Unabhängig von der fehlenden Eignung bzw. Notwendigkeit eines Staatsangehörigkeitsausweises für die angeführten Zwecke sei festzuhalten, dass der Antragsteller gerade keine Erklärung dafür geliefert habe, warum er auch einen Auszug aus dem EStA-Register beantragt habe. Dies sei für Reichsbürger typisch, da im Register ggf. der Erwerbszweck (Ru) StAG vermerkt werde und dies später verwendet werden solle. Zudem fehle jede Erklärung dazu, warum die Bestätigung einer „Bayerischen Staatsangehörigkeit“ bei der Wohnsitzgemeinde nachgesucht worden sei. Den Antragsteller entlaste auch nicht, dass er den Rechtsweg beschreite oder nicht durch ein von Regelverstößen geprägtes Verhalten seine Ablehnung der Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht habe. Gleiches gelte hinsichtlich der zugesagten Beachtung der Vorgaben aus dem streitgegenständlichen Bescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 7 K 18.597 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Hinsichtlich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis begehrt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO. Denn der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Waffengesetz – WaffG – kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Im Übrigen ist auf Grund der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist unbegründet, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarte Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Maßgeblich hierfür ist eine originäre Ermessensentscheidung des Gerichts über das kraft Gesetz bestehende Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage. Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache anhand einer summarischen Prüfung zu berücksichtigen. Ergibt diese, dass der Hauptsacherechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Ergibt diese, dass der angefochtene Verwaltungsakt voraussichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers, da an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes, der an schwerwiegenden Mängel leidet oder dessen sofortige Vollziehung eine unbillige Härte darstellen würde, von vornherein kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Ist dagegen der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Im vorliegenden Fall ergibt die summarische Prüfung, dass keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache angenommen werden kann. Es bestehen nach summarischer Prüfung keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis auf der Grundlage von § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG und § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Der Widerruf dürfte rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen subjektiven Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Falle des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d. h. hier des Bescheidserlasses (vgl. BVerwG, U. v. 16. Mai 2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35).
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarte (Nr. 393/1975) nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach)
§ 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die, gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare, Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt es eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14).
Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, sind waffenrechtlich unzuverlässig. Der Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundes (S. 90) definiert „Reichsbürger“ als eine organisatorisch wie ideologisch äußerst heterogene Szene, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 (S. 180 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. „Reichsbürger“ behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich „Reichsbürger“ auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die „Reichsbürgerbewegung“ wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die „Reichsbürgerideologie“ insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 185). Wer der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.; B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 14 ff.).
Die Tatsachen, die dem Gericht derzeit vorliegen und die im Rahmen des Eilverfahrens zu würdigen sind, dürften im Fall des Antragstellers die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigen . Die Verhaltensweisen und Einlassungen des Antragstellers legen in der Gesamtschau nahe, dass er der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie bindend zu eigen gemacht hat, auch wenn er bislang nicht darüber hinausgehend in Erscheinung getreten ist.
Reichsbürger sind davon überzeugt, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können. Als ersten Schritt zu ihrem vermeintlichen Austritt betrachten sie häufig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz – RuStAG – von 1913 (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 S. 184). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter ursprünglicher Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 hat der Antragsteller eindeutig nach außen gegenüber einer Behörde zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern dass er ideologische, für „Reichsbürger“ typische Ziele verfolgt. So ging es dem Antragsteller – zum Ausdruck gebracht durch seine Angaben im Antrag „Abstammung nach RuStAG von 1913“ – darum, eine Dokumentation zu erhalten, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung erworben hat. Hierfür spricht auch, dass der Antragsteller (auf Antrag) einen EStA-Auszug vom Bundesverwaltungsamt erhalten hat. So ist es ebenfalls eine „reichsbürgertypische“ Verhaltensweise, eine Eintragung in das EStA-Register und entsprechende EStA-Registerauszüge mit dem Inhalt „Erwerb der Staatsangehörigkeit nach § 4 RuStAG, Stand 1913“ zu erwirken (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Auch die Angabe des Landes „Königreich Bayern“ zum Sterbeort des Vaters legt „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Antragsteller nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.1.2018 a.a.O. Rn. 19). Zudem wandte sich der Antragsteller an die Meldebehörde der Wohnsitzgemeinde und begehrte von dort eine Bestätigung u.a. über seine „Bayerische Staatsangehörigkeit“.
Aus den Einlassungen des Antragstellers im Anhörungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren ergeben sich keine schlüssigen Anhaltspunkte dafür, weshalb der Antragsteller auf den Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit im Rechtssinne angewiesen wäre. Soweit der Antragsteller hierzu angegeben hat, er habe den Antrag nur gestellt, da ihm gesagt worden sei, dass es für eine Ahnenforschung gut sei, wenn er seine Herkunft nachweisen könne, erschließt sich nicht – und wurde im Übrigen auch im gerichtlichen Verfahren nicht weiter dargelegt – weshalb und inwieweit ein „Herkunftsnachweis“ (im Sinne einer festgestellten Staatsangehörigkeit) für eine Ahnenforschung relevant sein soll bzw. woher der Antragsteller diesen Hinweis erhalten hat. Auch soweit der Antragsteller geltend macht, er habe nach Kanada reisen wollen, wofür er angeblich den Staatsangehörigkeitsnachweis bräuchte, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Staatsangehörigkeitsausweis ist kein Identitätsnachweis im Sinne eines Identitätsdokuments (Reisepass, Personalausweis usw.). Er kann deshalb nicht für Reisen oder als Ausweisersatz verwendet werden, sondern dient ausschließlich dem zweifelsfreien Nachweis des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. § 30 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz – StAG). Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit der Staatsangehörigkeitsausweis dem Antragsteller, der im Besitz eines gültigen Reisepasses ist, bei Reisen, insbesondere auch bei einer Reise nach Kanada, von Nutzen wäre. Auch hierzu sind im Übrigen keine weiteren Angaben erfolgt. Daher ist davon auszugehen, dass es sich bei den Einlassungen um Schutzbehauptungen handelt, bzw. der Antragsteller seine tatsächlichen Beweggründe für die Antragstellung nicht offen legt. So ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller in dem Antrag unter „ggf. frühere: (Staatsangehörigkeit)“ jeweils „Abstammung nach RuStAG von 1913“ vermerkt hat, sowie weiterhin „Königreich Bayern“. Hierzu hat er selbst lediglich angegeben, dass er sich beim Bundesverwaltungsamt erkundigt habe, wie er das Formular auszufüllen habe. Weiterhin wurde im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, der Antragsteller habe sich bei dem Ausfüllen des Antrags auf Feststellung der Staatsangehörigkeit an die Angaben gehalten, die von offizieller Seite wiederholt selbst angegeben würden (unter Hinweis auf das Merkblatt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Wellington). Der Umstand, dass bei der Prüfung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit (hier: Erwerb durch Geburt) durch die jeweils zuständige Behörde weiterhin das RuStAG anzuwenden ist, erklärt aber nicht, weshalb die entsprechende Angabe durch den Antragsteller im Antragsformular erfolgt ist, zumal eine solche dort auch nicht vorgesehen ist. An der Stelle, an der der Antragsteller die Eintragung jeweils vorgenommen hat, war unzweifelhaft (nur) eine (ggf. vorhandene) frühere Staatangehörigkeit anzugeben, nicht ein Erwerbsgrund, da dieser im Formular anschließend ausdrücklich abgefragt wurde („erworben durch:“). Daher erscheint es auch nicht glaubhaft, dass die konkret getätigten Angaben auf einer Auskunft des Bundesverwaltungsamts beruhen sollen. Zur Angabe „Königreich Bayern“ sind gar keine Einlassungen von Seiten des Antragstellers erfolgt. Gleiches gilt hinsichtlich des weiteren Umstands, dass sich der Antragsteller an die Meldebehörde der Wohnsitzgemeinde gewandt und von dort eine Bestätigung u.a. über seine „Bayerische Staatsangehörigkeit“ begehrt hatte. Auch die Beweggründe hierfür werden daher nicht offen gelegt.
Zudem lässt sich auch keine glaubhafte Distanzierung des Antragstellers von der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ feststellen. Es bestehen keine hinreichenden Gründe, die diesbezüglichen Einschätzungen des Polizeipräsidiums sowie der Regierung von O. in Zweifel zu ziehen. Denn das Vorbringen des Antragstellers vermag keine glaubhafte, nachdrückliche Distanzierung zu begründen, auch wenn das Landratsamt, als Behörde vor Ort, die Einlassungen des Antragstellers zunächst als glaubhafte Distanzierung von der „Reichsbürgerbewegung“ einstufte. So hat der Antragsteller im Wesentlichen nur pauschale Gründe für sein Vorgehen dargelegt, um dieses zu rechtfertigen, und eine Verbindung mit den „Reichsbürgern“ oder deren Gedankengut von sich gewiesen. Ein Fehlverhalten hat er nicht eingeräumt. Auch hat er keine substantiierten, plausiblen Gründe für sein Vorgehen dargelegt.
Insgesamt rechtfertigt eine Gesamtschau der äußeren Umstände des Einzelfalls daher die Einschätzung, dass auf der Grundlage der Verhaltensweisen des Antragstellers, die sich typischerweise als solche der sog. „Reichsbürgerbewegung“ darstellen, die Prognose seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG gerechtfertigt ist. Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller ansonsten nicht negativ in Erscheinung getreten ist und ihm mit Bescheid des Landratsamts vom 15. Mai 2017 eine Erlaubnis zum Fangen und Erlegen von Haarraubwild in befriedeten Bezirken erteilt wurde. Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vollumfänglich der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Den Antragsteller entlastet auch nicht, dass er den Rechtsweg beschreitet oder den Verpflichtungen des Bescheids freiwillig Folge leistet (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339 – juris Rn. 20).
Darüber hinaus unterscheidet sich die Interessenabwägung in Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung von derjenigen, in denen eine behördliche Anordnung stattfindet. Denn während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich jedoch bereits der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzlichen Grundentscheidung abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BVR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 20). Der Antragsteller hat jedoch insoweit keine überzeugenden Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbundene Umstände hingewiesen hätten. Vielmehr dient der verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen, mithin dem Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO hinsichtlich der Verpflichtung zur Unbrauchbarmachung oder Überlassung der Waffen und Munition sowie der Anordnung der Sicherstellung in Nr. 2 des Bescheids und hinsichtlich der Verpflichtung zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis in Nr. 3 des Bescheids ist ebenfalls unbegründet. Denn die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist jeweils formell rechtmäßig und das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig, da sie insbesondere ordnungsgemäß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet wurde. An die Begründung sind dabei nämlich keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 80 Rn. 43). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Zuordnung des Antragstellers zur Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ und der daraus resultierenden Unzuverlässigkeit mit dem besonderen Schutzbedürfnis im Bereich des Waffenrechts bei festgestellter Unzuverlässigkeit gegenüber der Gemeinschaft begründet. Diese Begründung genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3)
Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts handelt.
Weiterhin überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit. Dies folgt daraus, dass sich sowohl die Verpflichtung zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisse als auch die Verpflichtung zur Unbrauchbarmachung oder Überlassung der Waffen und Munition im Rahmen der bei § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorzunehmenden originären Interessenabwägung des Gerichts anhand einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache als rechtmäßig erweisen.
Die Anordnung der Unbrauchbarmachung oder Überlassung der in der Waffenbesitzkarte Nr. 393/1975 eingetragenen Waffen sowie von Munition an einen Berechtigten beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Diese ist auch rechtmäßig, da entsprechend den obigen Ausführungen davon auszugehen ist, dass die Waffenbesitzkarte rechtmäßig widerrufen wurde. Die Anordnung der Sicherstellung wurde zutreffend auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG gestützt. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte beruht auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Gegen die Angemessenheit der hierfür gesetzten Fristen bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Auch im Hinblick auf die weiteren Verfügungen des Bescheids vom 25. Juli 2017 bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Des Weiteren ist im Fall des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, selbst wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist, auf Grund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich, welches das Aussetzungsinteresse überwiegt. Dieses besteht vorliegend in dem besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr. Durch die Folgeentscheidungen gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG und § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG wird gerade sichergestellt, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse tatsächlich umgesetzt wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17). Denn es besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, das mit dem Waffenbesitz verbundene erhebliche Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeglicher Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 21). Vorliegend ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht erkennbar, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das sofortige Vollzugsinteresse überwiegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 und Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben