Verwaltungsrecht

Widerruf einer waffen-, jagd- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  M 7 S 17.831

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158944
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
SprengG § 34 Abs. 1
BJagdG § 18, § 17

 

Leitsatz

Die einen Widerruf der Waffenbesitzkarte und Sprengstofferlaubnis rechtfertigende Unzuverlässigkeit ist gegeben, wenn eingekaufte Munition nicht so rasch wie möglich einer sicheren Verwahrung zugeführt, sondern im Rucksack über Stunden in einer Gaststätte bei Alkoholkonsum mitgeführt und Dritten gezeigt wird.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.375,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf seiner ihm vom Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) am … … 2014 und am … … 2016 erteilten Waffenbesitzkarten Nr. … und Nr. …, in die sechs Langwaffen und zwei Kurzwaffen eingetragen sind, der am … … 2015 erteilten Sprengstofferlaubnis Nr. … und des am … … 2015 erteilten kleinen Waffenscheins Nr. … sowie die Ungültigerklärung und Einziehung des ihm am … … 2014 erteilten Jagdscheins.
Durch Mitteilung der Polizeiinspektion … wurde der Waffenbehörde des Landratsamtes bekannt, dass der Antragsteller am … August 2016 um 4:00 Uhr von der Polizei kontrolliert wurde, als er einen Rucksack mit 60 Stück Munition Kaliber 300Win.Mag und seine Waffenbesitzkarte Nr. … sowie den Jagdschein mitführte. Er gab an, die Munition gekauft zu haben und anschließend in das Lokal … zum Alkoholtrinken gegangen zu sein. Dort habe er über sein Hobby, die Jagd, geredet und dabei auf Nachfrage die Munition auch einem Dritten gezeigt. Dieser verständigte die Polizei. Ein Atemalkoholtest beim Antragsteller um 4:25 Uhr ergab 0,98 mg/l (1,96 Promille).
Unter Bezugnahme auf diesen Vorfall hörte die Waffenbehörde den Antragsteller mit Schreiben vom 22. September 2016 wegen unsachgemäßen Umgangs mit Munition (§ 5 Abs. 1 Nr. 2b, § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG) zum Widerruf bzw. zur Ungültigerklärung seiner Waffenbesitzkarten an.
Nach Akteneinsicht nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom … Oktober 2016, das am 13. Oktober 2016 beim Landratsamt einging, dahingehend Stellung, dass der Antragsteller am … August 2016 ordnungsgemäß Munition gekauft und diese im Rucksack getragen habe. Von dem Rucksack habe er sich auch während des Aufenthalts in seinem Stammlokal nicht getrennt. Beim Gespräch mit seinem Bekannten, der ebenfalls einen Waffenschein besitze, habe er diesem die Munition gezeigt. Dabei habe er nie die Kontrolle über die Munition verloren. Ein Fehlverhalten liege nicht vor.
Mit Schreiben vom … Oktober 2016 an seinen Bevollmächtigten forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Hinweis auf die Kostentragung und die Folgen einer Weigerung bzw. nicht fristgerechten Beibringung auf, vor einer endgültigen Entscheidung über den Widerruf sämtlicher Erlaubnisse (Waffenbesitzkarten, kleiner Waffenschein, Jagdschein, Sprengstofferlaubnis) ein amts- oder fachärztliches Gutachten vorzulegen, und entgegnete unter Bezug auf das Anhörungsschreiben, dass bei einem Mitführen von Munition seit dem unbekannten Ende der Arbeitszeit bis zum Verlassen des Stammlokals um 4:00 Uhr morgens nicht von einem sorgsamen Umgang die Rede sein könne. Das Ergebnis des Atemalkoholtests lasse an der Eignung des Antragstellers zweifeln. Die Terminvereinbarung mit dem Gutachter sei dem Landratsamt bis zum 2. November 2016 mitzuteilen.
Mit weiterem Schreiben vom … Oktober 2016, das am 3. November 2016 beim Landratsamt einging, erklärte der Bevollmächtigte, dass keine verwertbare Blutalkoholmessung vorliege, der Antragsteller sich aber dennoch am … November 2016 ärztlich begutachten lassen werde.
Mit Schreiben vom 3. Januar 2017 an den Antragsteller persönlich forderte die Waffenbehörde ihn „letztmalig“ auf, das ärztliche Gutachten bis zum 19. Januar 2017 vorzulegen.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 widerrief das Landratsamt gestützt auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 WaffG die Waffenbesitzkarten des Antragstellers (Nr. 1) und verpflichtete ihn, seine Waffen spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides an einen Berechtigten zu überlassen und dies dem Landratsamt nachzuweisen oder sie beim Landratsamt zur Vernichtung abzugeben (Nr. 2). Ferner wurden der kleine Waffenschein (Nr. 3) und die Sprengstofferlaubnis gestützt auf § 34 Abs. 2 Satz 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 c SprengG widerrufen (Nr. 4), der Jagdschein gestützt auf § 18 Satz 1, § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG mit sofortiger Wirkung für ungültig erklärt und eingezogen (Nr. 5). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die in den Nummern 1, 3, 4 und 5 genannten Erlaubnisse im Original an das Landratsamt innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides zurückzugeben (Nr. 6) und für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung ein Zwangsgeld von 50,- EUR je Erlaubnis angedroht (Nr. 7). Schließlich wurde die sofortige Vollziehung der Nummer 2 des Bescheides angeordnet (Nr. 8). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe die Munition mit sich geführt und zudem einem Dritten gezeigt. Sie sei lediglich in einem Rucksack verpackt gewesen, was ein unvorsichtiger und unsachgemäßer Umgang mit Munition sei. Aufgrund des hohen Atemalkoholwerts sei ihm die Möglichkeit eingeräumt worden, bis zum 19. Januar 2017 ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten vorzulegen. Dem sei der Antragsteller nicht nachgekommen, weshalb vom Fehlen seiner persönlichen Eignung auszugehen sei. Die Anordnung unter Nummer 6 des Bescheides beruhe auf § 46 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 34 Abs. 1 SprengG. Die Zwangsgeldandrohung stütze sich auf Art. 18 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, Art. 31 VwZVG. Die Anordnung des Sofortvollzuges gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sei erforderlich, weil eine ordnungsgemäße Jagdausübung im besonderen öffentlichen Interesse liege und somit sichergestellt werden könne, dass der Antragsteller ohne Rücksicht auf ein etwaiges Klageverfahren die Jagd nicht mehr ausüben dürfe. Zudem handle es sich bei der Rückgabe des Jagdscheins um reversible Kosten. Bei Fehlen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit bestehe regelmäßig ein überwiegendes Interesse daran, Inhaber von Waffenbesitzkarten vom weiteren Umgang mit Schusswaffen auszuschließen. Der an den Bevollmächtigten am 24. Januar 2017 gegen Empfangsbekenntnis versandte Bescheid wurde ihm am 23. Februar 2017 nochmals gefaxt.
Am … März 2017 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage (M 7 K 17.830) erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamtes (Az. …) „Widerruf der waffen-, jagd- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse aufgrund fehlender persönlicher Eignung und fehlender Zuverlässigkeit“ aufzuheben, sowie beantragen,
die sofortige Vollziehbarkeit neben den Androhungen von Zwangsgeld aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, nach einer nächtlichen Polizeikontrolle des Antragstellers, bei der er sich ordnungsgemäß ausgewiesen, einen Alkoholtest aber abgelehnt habe, habe er das Schreiben des Landratsamtes vom 22. September 2016 und nachfolgend die Aufforderung zur Beibringung eines waffenrechtlichen Eignungsgutachtens erhalten. Dabei sei dem Antragsteller keine Frist zur Abgabe des Gutachtens gesetzt worden. Vor Ende der Weihnachtsferien habe er dann die Aufforderung erhalten, das Gutachten vorzulegen. Auf seinen Vortrag im Schreiben vom … Januar 2017 hin, dass keine Frist gesetzt worden sei, habe das Landratsamt nicht geantwortet. Deshalb sei auch dem Gutachter keine Frist zur Abfassung des Gutachtens gesetzt worden. Am 23. Februar 2017 sei dann ein Bescheid vom 24. Januar 2017 gefaxt worden. Aufgrund des Datums des Bescheides sei sofortige Klageerhebung geboten gewesen. Das Eignungsgutachten, das keine negativen Feststellungen enthalte, sei dem Bevollmächtigten am 28. Februar 2017 zugegangen. Der begutachtende Arzt sei urlaubs- und krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, dieses früher zu erstellen. In dem beigefügten nervenfachärztlichen Gutachten vom 28. Februar 2017 ist eine Alkoholerkrankung ausgeschlossen und festgestellt, dass kein chronischer Alkoholkonsum vorliegt. Der CD-T Wert mit 1,3% weise daraufhin, dass über längere Zeit hin weniger als 60 mg reiner Alkohol konsumiert worden sei. Auf psychischem Gebiet seien keine pathogenen Störungen festzustellen. Der Bevollmächtigte bemängelte, dass im Verwaltungsverfahren mehrere Sachbearbeiter tätig gewesen seien, keine ordentliche Beteiligung sowie ordnungsgemäße Zustellungen an den Bevollmächtigten erfolgt seien und dem Antragsteller keine angemessene Frist zur Beibringung des Gutachtens gesetzt worden sei. Der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen, indem er den Untersuchungstermin wahrgenommen habe, und habe ferner keine Verfehlung begangen, aus der sich seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ergeben könne. Ihm werde vorgeworfen, unzuverlässig zu sein, weil er nicht innerhalb einer nicht einhaltbaren Frist das Gutachten vorgelegt habe.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 21. März 2017 unter Schilderung des Akteninhalts, den Antrag abzulehnen, und führte ergänzend aus, aufgrund des nicht eingereichten fachpsychologischen Gutachtens habe das Landratsamt die waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen können (§ 45 Abs. 4 WaffG). Das geforderte Gutachten sei bis Ende Januar nicht vorgelegt und der Waffenbehörde auch nichts mitgeteilt worden, was die zeitliche Verzögerung gerechtfertigt habe. Daher habe auf die fehlende Eignung des Antragstellers geschlossen werden dürfen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Nach zweckentsprechender Auslegung (§§ 88, 122 VwGO) seines Antrages begehrt der Antragsteller gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage, soweit die streitgegenständlichen Verfügungen von Gesetzes wegen (§ 45 Abs. 5 WaffG, § 34 Abs. 5 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG, Art. 21a VwZVG) sofort vollziehbar sind, und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, soweit sie gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt worden sind. Die darüber hinaus beantragte Aufhebung der Vollziehbarkeitsanordnung ist im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorgesehen (vgl. BayVGH, B. v. 24. März 1999 – 10 CS 99.27 – juris Rn 20; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. Erg.lfg. Juni 2016, § 80 Rn 442 ff.). Die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung ist Gegenstand des Hauptsacheverfahrens, so dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes insofern allenfalls die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Betracht kommen könnte.
Der Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses nur zum Teil zulässig.
Soweit der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nummer 2 des Bescheides (Abgabe der Waffen) gerichtet ist, ist eine Entscheidung des Gerichts zu Gunsten des Antragstellers von vornherein nicht geeignet, irgendwelche günstigen Rechtswirkungen zu entfalten (vgl. Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. Erg.lfg. Juni 2016, Vorbem. § 40 Rn 94 ff.). Zwar ist die Verpflichtung des Antragstellers, seine Waffen an einen Berechtigten zu überlassen oder sie bei der Waffenbehörde unter Eigentumsverzicht zur Vernichtung abzugeben, rechtswidrig, weil das Gesetz (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 WaffG) dem Antragsteller ein zu befristendes Wahlrecht zwischen der dauerhaften Unbrauchbarmachung seiner Waffen und der Überlassung an einen Berechtigten einräumt. Er hat danach die Wahl, ob er selbst nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG tätig werden oder nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG den behördlichen Zugriff dulden will (vgl. VG Augsburg, B. v. 22. Dezember 2010 – Au 4 V 10.1968- juris Rn 17; VG Ansbach, U. v. 5. Dezember 2007 – AN 15 K 07.02213 – juris Rn 29; BVerwG, U. v. 30. April 1985 – 1 C 12/83 – juris Rn 62 ff. zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 1 und 2 WaffG a.F.). Die vom Antragsgegner zur Wahl gestellte Alternative findet im Gesetz hingegen keine Stütze. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt dennoch nicht in Betracht, da die Abgabe der Waffen spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides zu erfüllen ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer derartigen Verpflichtung offenkundig ins Leere läuft und somit wirkungslos ist.
Weiter kann die Waffenbehörde auch von der kraft Gesetzes (Art. 21a VwZVG) vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit der Zwangsgeldandrohung keinen Gebrauch machen, weil die in den Nummern 1, 3, 4 und 5 genannten Erlaubnisdokumente erst nach Eintritt der Bestandskraft zurückzugeben sind. Damit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch insoweit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Soweit der Antrag die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nummer 5 (Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins) und Nummer 6 des Bescheides (Anordnung der Rückgabe der Waffenbesitzkarten und des kleinen Waffenscheins gem. § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG, des Jagdscheins gem. § 18 Satz 1 BJagdG und der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis gem. Art. 52 Abs. 1 BayVwVfG innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides) zum Gegenstand hat, kommt der erhobenen Klage bereits gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, da von Gesetzes wegen kein Sofortvollzug vorgesehen ist und auch der Antragsgegner die sofortige Vollziehung nicht angeordnet hat.
Im Übrigen ist der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO unbegründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier sowohl von Gesetzes wegen als auch aufgrund behördlicher Anordnung – keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor, die sich in erster Linie am voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens orientiert. Je größer die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sind, desto schwerer wiegen grundsätzlich die privaten Interessen eines Antragstellers; je geringer die Wahrscheinlichkeit für sein Obsiegen ist, umso bedeutsamer werden in der Regel die öffentlichen Interessen sein. Können die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache auch summarisch nicht hinreichend sicher beurteilt werden, sind allein die widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und deren Ablehnung verbundenen Folgen zu gewichten. Dabei fällt im Waffen- und Sprengstoffrecht zugunsten des öffentlichen Interesses die vom Waffen- und Sprengstoffbesitz ausgehende erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit ins Gewicht, die unter anderem in den Regelungen der § 45 Abs. 5 WaffG, § 34 Abs. 5 SprengG ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. SächsOVG, B. v. 2. Mai 2011 – 3 B 128/10 – juris Rn 10).
Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Antrag abzulehnen, weil der Widerruf der Waffenbesitzkarten, des kleinen Waffenscheins und der Sprengstofferlaubnis rechtmäßig ist und den Antragsteller somit nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Formelle Mängel weist der angefochtene Bescheid nicht auf, auch wenn das Anhörungsschreiben vom 22. September 2016 sich zunächst nur auf den Widerruf der beiden Waffenbesitzkarten bezog. Allerdings geht aus dem nachfolgenden Schreiben der Waffenbehörde vom 12. Oktober 2016 klar hervor, dass der Antragsgegner beabsichtigte, sämtliche Erlaubnisse einschließlich des kleinen Waffenscheins, der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis und des Jagdscheins zu widerrufen bzw. für ungültig zu erklären. Der Antragsteller hatte bis zum Erlass des Bescheides am 24. Januar 2017 ausreichend Gelegenheit sich hierzu zu äußern und hat dies vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten auch getan. Im Übrigen könnten Anhörungsmängel gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden.
Dass die Waffenbehörde mit Schreiben vom 3. Januar 2017 vom Antragsteller persönlich die Vorlage des ärztlichen Gutachtens gefordert hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist zwar richtig, dass sich die Behörde gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG im Vertretungsfall an den Bevollmächtigten wenden soll. Sie kann sich gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG jedoch auch an den Beteiligten selbst wenden, soweit er wie hier (Beibringung eines Eignungsgutachtens gem. § 4 AWaffV, § 6 Abs. 2 WaffG) zur Mitwirkung verpflichtet ist. Die unterlassene Benachrichtigung des Bevollmächtigten hat vorliegend keine rechtliche Auswirkung, zumal es auf die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines Eignungsgutachtens, wie noch ausgeführt wird, nicht ankommt.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die beiden Waffenbesitzkarten und der sog. kleine Waffenschein (§ 10 Abs. 1, Abs. 4 Satz 4 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht (mehr) gegeben sind, unter anderem gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dann, wenn die Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers im Sinne von § 5 WaffG entfallen ist. Dasselbe gilt hinsichtlich der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG. Der im Sprengstoffgesetz nicht näher definierte Begriff der Zuverlässigkeit entspricht dem des Waffengesetzes (vgl. BayVGH, U. v. 10. Oktober 2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn 73 u. B. v. 20. Mai 2015 – 21 ZB 14.2236 – juris Rn 17). Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen. Dies würde im Übrigen – insoweit ist der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO allerdings bereits unzulässig – gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG auch im Jagdrecht gelten. Die Behörde ist nach § 18 Satz 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen, nach dessen Erteilung bekannt werden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist ein Jagdschein zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit (hier gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG) nicht besitzt.
Die Tatsache, dass der Antragsteller die von ihm am … August 2016 eingekaufte Munition nicht so rasch wie möglich einer sicheren Verwahrung im Sinne von § 36 WaffG zugeführt hat, sondern sie ohne unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer beabsichtigten Verwendung bzw. seinem jagdrechtlichen oder schießsportlichen Bedürfnis (vgl. OVG Nds., B. v. 22. März 2016 – 11 ME 35/16 – juris Rn 6 ff.) in einem Rucksack über etliche Stunden hinweg in eine Schank- und Speisewirtschaft mitgeführt hat, wo er nicht unerhebliche Mengen Alkohol genossen und dadurch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen riskiert hat (vgl. BVerwG, B. v. 22. Oktober 2014 – 6 C 30/13 – juris Rn 22), und sie dort auch noch einem Dritten gezeigt hat, rechtfertigt die Prognose, dass er mit Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen und sie nicht sorgfältig verwahren wird.
Dieser am restriktiven Gesetzeszweck zu orientierenden Prognose ist genügt, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen oder Munition besteht, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (BayVGH, B. v. 7. November 2007 – 21 ZB 07.2011 – juris Rn 7 u. B. v. 16. September 2008 – 21 ZB 08.655 – Rn 7; VGH BW, B. v. 3. August 2011 – 1 S 1391/11 – juris Rn 4). Der Mangel der Zuverlässigkeit setzt nicht etwa den Nachweis voraus, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen und Munition nicht sorgsam (verantwortungsbewusst) umgehen wird (BayVGH, aaO; VGH BW, aaO). Die auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellende und gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose hat sich am ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes (§ 1 Abs. 1 WaffG) zu orientieren (BayVGH, B. v. 16. September 2008 – 21 ZB 08.655 – juris Rn 7), nämlich die Allgemeinheit vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen und Munition zu bewahren (vgl. VGH BW, aaO, unter Hinweis auf BT-Drs. 14/7758 S. 51) und das mit jedem Waffen- und Munitionsbesitz verbundene Sicherheitsrisiko nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, U. v. 26. März 1996 – 1 C 12/95 – juris Rn 25 und B. v. 12. Oktober 1998 – 1 B 245.97 – juris Rn 5). Schon ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 2 Sätze 1 und 2 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten kann daher die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (BayVGH, B. v. 2. Oktober 2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn 14; VGH BW, B. v. 3. August 2011 – 1 S 1391/11 – juris Rn 4; NdsOVG, B. v. 19. April 2010 – 11 LA 389/09 – juris Rn 3).
Bei dem Verhalten des Antragstellers handelt es sich waffenrechtlich nicht um einen unbeachtlichen Bagatellverstoß oder so geringfügigen Verstoß, dass er den Widerruf der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse als unverhältnismäßig erscheinen ließe. Selbst leichtsinnige oder fahrlässige Verstöße gegen Aufbewahrungsvorschriften sind nicht nur dann als relevant für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu werten, wenn sie von besonderem Gewicht sind oder wenn weitere die Negativprognose stützende Anhaltspunkte hinzutreten (Sächs. OVG, B. v. 2. Mai 2011 – 3 B 128/10 – juris Rn 6). Bereits eine kurzfristige Nachlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen kann genügen, um diese Gegenstände in die Hände Nichtberechtigter gelangen zu lassen (vgl. VGH BW, B. v. 3. August 2011 – 1 S 1391/11 – juris Rn 6). Nicht erforderlich ist, dass eine konkrete Gefährdung im Sinne der Strafvorschriften der § 52a i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 19 WaffG eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 22. Oktober 2014 – 6 C 30/13 – juris Rn 22) kommt es nicht auf den individuellen Risikograd an, wie er sich unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat, sondern allein darauf, ob der in Rede stehende Umgang mit Waffen oder Munition typischerweise bei Menschen als riskant einzustufen ist. Dies war in Anbetracht der typischen alkoholbedingten Ausfallerscheinungen wie der Minderung von Reaktionsgeschwindigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit sowie Enthemmung hier der Fall.
Da der Widerruf gem. § 5 Abs. 1 WaffG und § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 3 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG bereits deshalb zwingend zu erfolgen hat, ist nicht mehr entscheidend, ob gem. § 45 Abs. 4 WaffG, § 4 Abs. 6 AWaffV auf das Vorliegen eines weiteren Widerrufsgrund bzw. von Tatsachen geschlossen werden darf, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller alkoholabhängig ist oder sonst aufgrund von in seiner Person liegenden Umständen mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren kann. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 WaffG, die diese Tatbestände normiert, ist in Fällen, in denen zum Gebrauch einer Schusswaffe unter Alkoholeinfluss oder wie hier im Hinblick auf den Umgang mit Munition zu den konkreten streitgegenständlichen Umständen kein weiteres Fehlverhalten hinzugetreten ist, nicht als lex specialis anzusehen. Mit anderen Worten sperrt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 WaffG die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG nicht (vgl. BVerwG, B. v. 22. Oktober 2014 – 6 C 30/13 – juris Rn 24 ff.).
Im Ergebnis war der Antrag daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1, 20.3, 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen (vgl. auch BayVGH, U. v. 12. August 2015 – 21 BV 14.2170 – juris Rn 36 zum kleinen Waffenschein (5.000,- EUR) und BayVGH, B. v. 24. Februar 2016 – 21 ZB 15.1949 – juris Rn 32 zur sprengstoffrechtlichen Erlaubnis (1.500,- EUR)).


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