Verwaltungsrecht

Widerruf von Waffenbesitzkarten und Ungültigkeitserklärung eines Jagdscheins – Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten

Aktenzeichen  21 CS 17.2506

Datum:
27.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16780
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 S 17.3929 2017-11-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins.
Der Antragsteller ist Inhaber zweier Waffenbesitzkarten (jeweils ausgestellt am 16.3.1976), in die drei Lang- und zwei Kurzwaffen eingetragen sind. Am 30. Mai 2016 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Jahresjagdschein (3 Jahre) aus.
Am 24. Mai 2017 wurde im Rahmen einer vorher angekündigten Waffenaufbewahrungskontrolle durch das Landratsamt Miesbach festgestellt, dass sich in dem in der Waffe steckenden Magazin der halbautomatischen Pistole Walther PPK (Hersteller-Nr. 222830) Patronen befanden, diese also unterladen war. Nach den Feststellungen des Landratsamts zeigte sich der Antragsteller hiervon nicht überrascht, sondern gab an, dass er sonst zeitaufwändig die Waffe laden müsse, wenn ein Einbrecher käme. Er sei sich eines Vergehens nicht bewusst erschienen, sondern habe auf die Rechtslage geschimpft.
Im Rahmen der Anhörung zu den waffen- und jagdrechtlichen Maßnahmen trug der Antragsteller vor, dass es sich um einen einmaligen Verstoß gehandelt habe. Er habe beim Einräumen des Waffenschranks plötzlich Besuch bekommen und daher die Waffe schnell einräumen müssen und dann vergessen, dass diese noch unterladen sei. Außerdem verwies er darauf, dass er seit 59 Jahren Jäger sei und es nie Beanstandungen gegeben habe. Die Bemerkung mit dem Einbrecher sei „flapsig“ gemeint gewesen und entspreche nicht seiner Auffassung in Bezug auf Waffenaufbewahrung.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2017 widerrief das Landratsamt Miesbach die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten (Nr. 1 des Bescheids). Zugleich wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 6) der Jagdschein für ungültig erklärt und eingezogen (Nr. 2). Zur Begründung verwies das Landratsamt darauf, dass der Antragsteller gegen § 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG (i.d.F.v. 17.07.2009) verstoßen habe. Aufgrund dieser schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit sei auf die jagd- und waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu schließen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG bzw. § 17 Abs. 3 Nr. 2 JagdG).
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid am 15. August 2017 Klage erhoben und am 22. August 2017 vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht München hat den Eilantrag mit Beschluss vom 27. November 2017 (M 7 S 17.3929) abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und macht sich diese zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend wird folgendes ausgeführt.
Die Beschwerde macht geltend, nach Nr. 5.2 der Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zur Änderung des Waffengesetzes zum 25. Juli 2009 (IMS vom 26.10.2009 – ID5-2131.67-21) begründe ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht in der Regel noch nicht den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Vorliegend seien keine Gründe gegeben, die eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigten. Im Gegenteil spreche für den Antragsteller die äußerst lange unbeanstandete Zeit als aktiver Jäger.
Das führt nicht weiter, weil der Antragsteller durch das Aufbewahren einer unterladenen Waffe in seinem Waffentresor gegen eine elementare und selbstverständliche Pflicht beim Umgang mit Waffen verstoßen hat. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ergab sich die Selbstverständlichkeit, dass die Verwahrung einer geladenen Waffe auch in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 (Stand Mai 1997) oder einem gleichwertigen Sicherheitsbehältnis nicht erlaubt war, aus grundlegenden Umgangs – und Vorsichtsmaßregeln und bedurfte keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (BVerwG, B. v. 3.3.2014 – 6 B 36/13s – juris Rn. 4 f). Insofern ist es ohne Belang, dass erst nach der Aufbewahrungskontrolle am 24. Mai 2017 mit der Gesetzesänderung zum 6. Juli 2017 in § 13 AWaffV – lediglich klarstellend – eine ausdrückliche Regelung erfolgt ist.
Die Pflichtverletzung des Antragstellers wiegt so schwer, dass sie auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Prognose rechtfertigt, der Antragsteller werde auch künftig mit Waffen nicht vorsichtig umgehen. An die von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geforderte Prognose dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Die Prognose hat sich an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Ausgehend hiervon bedarf es nicht des Nachweises, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht. Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird (vgl. BVerwG, U. v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17). Der Antragsteller hat mit dem von ihm gezeigten äußerst sorglosen Umgang mit Schusswaffen neue Tatsachen geschaffen, die nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass er künftig eine Verhaltensweise im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG an den Tag legen wird. Der Hinweis auf die lange unbeanstandete Zeit als Jäger ist damit unbehelflich.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Nrn. 50.2, 20.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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