Verwaltungsrecht

Widerruf von Waffenbesitzkarten

Aktenzeichen  24 CS 20.297

Datum:
16.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6755
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 § 45 Abs. 2 S. 1 § 46 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
VwGO § 122 Abs. 2 S. 3, § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

Die Begriffe der „persönlichen Eignung“ i.S.d. § 6 WaffG einerseits und der „Zuverlässigkeit“ i.S.d. § 5 WaffG andererseits unterscheiden sich sowohl in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 S 19.1834 2020-01-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 13.375 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zweier Klagen gegen zwei Bescheide des Antragsgegners vom 24. Juli 2018 und vom 11. September 2018, die unter anderem die Sicherstellung seiner Waffen, Waffenbesitzkarten, und seines Jagdscheins, den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, die Einziehung seines Jagdscheins und ein gegen ihn gerichtetes Waffenbesitzverbot zum Gegenstand haben.
Das Verwaltungsgericht München hat den entsprechenden Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen mit Beschluss vom 17. Januar 2020 zum überwiegenden Teil abgelehnt. Verschiedene Vorfälle hätten in ihrer Gesamtschau gezeigt, dass es dem Antragsteller an der nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderlichen Zuverlässigkeit fehle.
Hiergegen richtet sich die am 7. Februar 2020 eingelegte Beschwerde. Der Antragsteller hat beantragt,
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17.01.2020, Az. M 7 S 19.1834 aufzuheben, soweit die Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen Az. M 7 K 18.3669 und M 7 K 18.4626 abgelehnt werden,
den Anträgen auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen Az. M 7 K 18.3669 und M 7 K 18.4626 vollumfänglich stattzugeben.
Er macht geltend, es bestehe keine Befürchtung dafür, dass durch ihn eine rechtsmissbräuchliche Verwendung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG stattfinden könne. Das Verwaltungsgericht habe einseitig die Darstellung in der Behördenakte zugrunde gelegt. Der angefochtene Beschluss lasse jede Befassung mit dem Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 im Verfahren M 7 K 18.4626 vermissen. Das Gutachten von Herrn Prof. Dr. H… vom 24. Januar 2018 (gemeint: 24. Oktober 2018) sei völlig unberücksichtigt geblieben.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und die sich vorliegend im Wesentlichen auf das erstinstanzlich Vorgebrachte und das vorgelegte Gutachten des Instituts für Rechtspsychologie, Prof. Dr. H…, vom 24. Oktober 2018 beziehen, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes auszuführen:
1.1 Der Bevollmächtigte des Antragstellers wendet ein, es bestehe keine Befürchtung dahingehend, dass eine rechtsmissbräuchliche Verwendung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nummer 2 a WaffG durch den Antragsteller stattfinden könne. Das Verwaltungsgericht habe bei seinen Überlegungen einseitig die Darstellung in der Behördenakte zugrunde gelegt. Unberücksichtigt geblieben sei der Vortrag des Antragstellers, diese Darstellung würde auf ungeprüften Anzeigeerstattungen beteiligter Neider und Feinde des Antragstellers beruhen. Diese hätten einer objektiven Überprüfung nicht standgehalten. Eine solche Überprüfung habe nicht stattgefunden. Der angefochtene Beschluss lasse jede Befassung mit dem Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 im Verfahren M 7 K 18.4626 vermissen, mit dem unter Angebot von Zeugenbeweis eine Richtigstellung der unzutreffenden Ausführungen der Behörde vorgenommen worden sei. Das Gutachten von Herrn Prof. Dr. H… vom 24. Januar 2018 (gemeint: 24. Oktober 2018) sei völlig unberücksichtigt geblieben. In diesem Gutachten heiße es auf Seite 11: „In der durchgeführten Begutachtung konnten die Bedenken der Behörde daher ausgeräumt werden. Eine persönliche Eignung zum Waffenbesitz im Sinne des Waffengesetzes kann somit festgestellt werden.“ Eine erhebliche Erregbarkeit eines Menschen würde nicht zu seiner Unzuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinne führen.
1.2 Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Prognose des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller besitze nicht mehr die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, in Frage zu stellen.
Das Verwaltungsgericht hat das schriftsätzliche Vorbringen des Antragstellers ausreichend gewürdigt, allerdings nicht mit dem vom Antragsteller gewünschten Ergebnis. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts besitzt der Antragsteller nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Maßgeblich für diese Beurteilung ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert. Die Tatsachen, die dem Gericht derzeit vorliegen würden und die im Rahmen des Eilverfahrens zu würdigen seien, würden Anlass zur Befürchtung geben, dass der Antragsteller künftig Schusswaffen auch missbräuchlich verwendet, sprich nicht nur dann, wenn es ihm die Rechtsordnung gestattet. Dabei führt das Gericht hinsichtlich des Bescheids vom 11. September 2018 aus: „Die vom Landratsamt dem Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalte bzw. Vorfälle lassen in einer Gesamtschau – selbst wenn sie sich den Einlassungen des Antragstellers folgend teilweise anders darstellen sollten als vom Landratsamt angenommen – den Rückschluss zu, dass der Antragsteller eine leicht erreg- bzw. reizbare Person ist, die zudem in dieser Erregung jähzornig und unbeherrscht agiert sowie zur Aggression oder zu Affekthandlungen neigt“ (BA S. 16).
Im Folgenden setzt sich das Verwaltungsgericht im Einzelnen mit den Vorfällen vom 16. Oktober 2016, 12. März 2018, 30. April 2018 und vom 14. Juli 2018 auseinander. Dabei geht es auch auf den schriftsätzlichen Vortrag des Antragstellers ein und begründet unter anderem auch seine Ansicht, warum es die polizeilichen Darstellungen für glaubhaft hält (BA S. 16 ff.).
Im Hinblick auf den Bescheid vom 24. Juli 2018 führt das Verwaltungsgericht aus, die dem Bescheid vom 11. September 2018 zugrunde gelegten Vorfälle würden die Einschätzung rechtfertigen, dass der Antragsteller seine Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet. Daher lägen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG vor (BA S. 20). Es bezieht sich dabei auf die unter dem Aspekt des streitgegenständlichen Widerrufs ausführlich gewürdigten tatsächlichen Vorfälle.
1.3 Entgegen den Ausführungen des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht auch das vom Antragsteller zitierte Gutachten des Instituts für Rechtspsychologie, Prof. Dr. H…, vom 24. Oktober 2018 in seiner Entscheidung berücksichtigt und festgestellt, dass es die Eignung des Antragstellers nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 (gemeint: § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2) und § 6 WaffG zum Gegenstand und damit keine relevante Aussagekraft bzgl. der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers habe (BA S. 19). Der streitgegenständliche Widerruf ist nicht auf eine in § 6 WaffG geregelte fehlende persönliche Eignung, sondern auf die in § 5 WaffG geregelte fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit gestützt. Die Begriffe der „persönlichen Eignung“ einerseits und der „Zuverlässigkeit“ andererseits unterscheiden sich sowohl in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen (OVG Lüneburg, B.v. 11.01.2020 – 11 ME 365/19 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das vorgelegte Gutachten kann daher die vom Antragsgegner getroffene und vom Verwaltungsgericht für richtig befundene Prognoseentscheidung, dass dem Antragsteller die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehle, nicht in Frage stellen.
Im Übrigen wurde das Gutachten nach Bescheidserlass vorgelegt und ist daher in diesem Rechtsstreit ohnehin nicht berücksichtigungsfähig (BVerwG, B.v. 21.12.2006 – 6 B 99.06 – juris).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben