Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei mehreren Verfolgerstaaten

Aktenzeichen  B 8 K 17.31115

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26781
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 26a, § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 1
AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2, § 59 Abs. 2
GG Art. 16a Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die gesetzliche Sperre für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG gilt nur, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, nicht aber in Fällen, in denen das Bundesamt sein Offensichtlichkeitsurteil auf § 30 Abs. 1 AsylG stützt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Rechtsschutzinteresse eines Klägers an der begehrten Feststellung zu § 3 AsylG iVm § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich eines Staates, als deren Staatsangehöriger er sich betrachtet, kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass sich die (negativen) Feststellungen zum internationalen Schutz im Bescheid des Bundesamtes nur auf einen anderen Staat beziehen und dem Kläger im Bescheid eine Abschiebung nur in einen Staat, nicht dagegen in einen anderen Staat angedroht werden kann (BVerwG BeckRS 2007, 27647 u. BeckRS 2005, 30326). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die rechtliche Beurteilung des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaates ist grds. unerheblich, ob der Ausländer dessen Staatsangehörigkeit besitzt. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter sowie für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG liegen offensichtlich nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 23.03.2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
I.
Im Hinblick auf den isolierten Anfechtungsantrag in Bezug auf die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes bestehen Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Insbesondere folgt dieses nicht aus der Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Denn die insoweit geregelte gesetzliche Sperre für die Erteilung von Aufenthaltstiteln gilt nur, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Hier stützte das Bundesamt sein Offensichtlichkeitsurteil jedoch auf § 30 Abs. 1 AsylG. Ein Rechtsschutzbedürfnis könnte sich daher allenfalls daraus ergeben, dass der Klage bei der Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet keine aufschiebende Wirkung zukommt und der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorliegend mit Beschluss vom 13.04.2017 abgelehnt wurde (B 2 S 17.31114), vgl. § 75 Abs. 1 AsylG. Bei sonstiger Ablehnung i.S.v. § 38 Abs. 1 AsylG würde die Klage jedoch aufschiebende Wirkung entfalten; auch würde die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage (nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens) betragen, während bei offensichtlicher Unbegründetheit dem Ausländer lediglich eine Ausreisefrist von einer Woche aufzuerlegen ist.
II.
Jedenfalls erweist sich die Klage aber als unbegründet.
1. Die Abweisung der Anträge auf Asylanerkennung sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 1 AsylG) ist nicht rechtswidrig.
a) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für internationalen Schutz offensichtlich nicht vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl 1997, 15; BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 27). Dieser Maßstab muss entsprechend auch für die behördliche Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 AsylG gelten. Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bestätigt werden kann.
b) Ein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) besteht für den Kläger nach § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht.
Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder auf Grund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.1995 – 9 C 73/95 – BVerwGE 100, 23). Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – DVBl 1996, 729) immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über einen sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann; es muss nicht geklärt werden, um welchen sicheren Drittstaat es sich dabei handelt. Da nach der derzeit geltenden Rechtslage (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG und Anlage I zu § 26 a AsylG) alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten (Anrainerstaaten) sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung auf Art. 16 a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im Einzelnen bekannt ist. Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheidet auch aus, wenn eine Einreise ohne Kontakt zu einem sicheren Drittstaat nicht nachgewiesen wird. Vorliegend hat der Kläger selbst erklärt über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein.
c) Weiterhin hat der Kläger offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 16.04.1985, Az.: 9 C 109.84). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U. v. 16.04.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.02.2013, Az.: 10 C 23/12; VG Augsburg, U. v. 11.07.2016, Az.: Au 5 K 16.30604).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einer solchen Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U. v. 27.08.2013, Az.: A 12 S 2023/11; Hess. VGH, U. v. 04.09.2014, Az.: 8 A 2434/11.A).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht verweist zunächst auf den in dieser Sache ergangenen Beschluss vom 13.04.2017 im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Az.: B 2 S 17.31114) und ferner auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dem Vortrag des Klägers lassen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er aus Äthiopien vorverfolgt ausgereist oder bei einer Rückkehr dorthin einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Der Kläger hat auf wiederholte Nachfrage angegeben, Äthiopien verlassen zu haben, um Kontakt zu seiner Mutter in Eritrea aufzunehmen. Da eine telefonische Verbindung nach Eritrea zur damaligen Zeit nicht hergestellt werden konnte, habe er sich zur Flucht entschlossen. Der Wunsch des Klägers Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen, begründet aber weder eine politische noch eine flüchtlingsrelevante Verfolgung, da dieser Umstand weder an politische noch an flüchtlingsrelevante Merkmale des Klägers anknüpft. Ein Schutzgrund im Sinne von § 30 Abs. 1 AsylG ist daher offensichtlich nicht gegeben. Eine in Äthiopien für den Kläger bestehende staatliche Verfolgung, eine Anknüpfung an Verfolgungsmerkmale oder sonst eine unmittelbar dem Staat zurechenbare Versagung von Schutz ist nicht erkennbar. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung des Klägers tatsächlich eritreischer Staatsangehöriger zu sein und in Äthiopien keine Papiere besessen zu haben.
Bei dem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt es sich, auch wenn mehrere Staaten als Verfolgerstaaten in Betracht kommen, grundsätzlich um einen unteilbaren Streitgegenstand, über den nur einheitlich entschieden werden kann. Denn der aus der Flüchtlingseigenschaft folgende Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 1 AufenthG kann nicht losgelöst von der Frage der Staatsangehörigkeit des Ausländers und der Schutzgewährung durch den Staat der Staatsangehörigkeit bzw. – bei Staatenlosen – durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts beurteilt werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 08.02.2005 – 1 C 29/30 – BverwGE 122, 376 – juris, Rn. 13). Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung entweder bejaht oder verneint werden kann. Daraus folgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG – nicht isoliert, bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat, geprüft und abgeschichtet werden kann. Vielmehr sind alle Staaten in die Prüfung einzubeziehen, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Stadium des asylrechtlichen Verfahrens sich der Betroffene auf die Staatsangehörigkeit eines Staates und eine ihm dort drohende politische Verfolgung beruft. Daraus folgt zugleich, dass ein Rechtsschutzinteresse eines Klägers an der begehrten Feststellung zu § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich eines Staates, als deren Staatsangehöriger er sich betrachtet, nicht mit dem Argument verneint werden kann, dass sich die (negativen) Feststellungen zu § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG im Bescheid des Bundesamtes nur auf einen anderen Staat beziehen und dem Kläger im Bescheid eine Abschiebung nur in einen Staat, nicht dagegen in einen anderen Staat angedroht werden kann (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 02.08.2007 – 10 C 13/07 u.a. – BVerwGE 129, 155 – juris, Rn. 9; U.v. 12.07.2005 – 1 C 22/04 – juris, Rn. 10; U.v. 08.02.2005 – 1 C 29/03 – BverwGE 122, 376 – juris, Rn. 15; VG München, B.v. 03.04.2012 – M 15 S 12.30156 – juris, Rn. 12; G.v. 23.06.2009 – M 11 K 09.50124 – juris, Rn. 17).
Der Kläger hat weder in Bezug auf Äthiopien noch in Bezug auf Eritrea politische Verfolgung geltend gemacht. Der Kläger gibt an, eritreischer Staatsangehöriger zu sein; hierfür hat er jedoch keinerlei Belege vorgelegt. Es ist aber grundsätzlich Sache des Asylantragstellers seine Staatsangehörigkeit in Bezug auf den behaupteten Verfolgerstaat glaubhaft zu machen. Vorliegend ist der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast schon nicht nachgekommen.
Aufgrund der Angaben des Klägers ist davon auszugehen, dass er in Äthiopien einen legalen Aufenthalt hatte bzw. sogar die äthiopische Staatsbürgerschaft beantragen kann.
Soweit der Kläger befürchtet im Falle einer Abschiebung nach Äthiopien mit einer Überstellung nach Eritrea rechnen zu müssen, ist dies nicht nachvollziehbar.
Wie das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, trifft es zwar, dass es im Grenzkonflikt zwischen Äthiopien und Eritrea zu zahlreichen Deportationen äthiopischer Staatsangehöriger eritreischer oder halberitreischer Abstammung gekommen ist, aktuell werden eritreische Flüchtlinge jedoch nicht mehr gegen ihren Willen zurückgeführt. Es sind auch keine anderen Formen von Diskriminierung zu befürchten (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 24.10.2014, Az.: 12 K 1874/13.A; VG München, Urteil vom 16.12.2012; Az.: M 12 K 12.30504; VG Bayreuth, Urteil vom 27.03.2012; Az.: B 3 K 11.30150; VG Regensburg, Urteil vom 17.11.2011, Az.: RO 7 K 11.30005; VG Kassel, Urteil vom 25.08.2011; G-Nr. 1 K 930/10.KS.A; VG Wiesbaden, Urteil vom 21.07.2010, Az.: 5 K 1381/09.WI.A; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Sigmaringen vom 16.06.2009). Sachkundige Beobachter weisen vielmehr darauf hin, dass sich die Situation für die in Äthiopien lebenden Personen eritreischer Herkunft deutlich verbessert habe und in der Praxis viele der vorherigen Einschränkungen im Hinblick auf Wohnsitznahme, Eigentum, Arbeitsaufnahme und Ausbildung nicht mehr bestehen. Im Hinblick auf die angespannte Lage im Nachbarland flüchten zahlreiche Eritreer nach Äthiopien, um sich der Unterdrückung im eigenen Land zu entziehen; sie sind in Äthiopien willkommen, weil dies propagandistisch gegen die eritreische Regierung ausgewertet werden kann. Äthiopien verfolgt eine Politik der offenen Tür und nimmt Flüchtlinge aus den Nachbarländern in der Regel ohne weitergehende Prüfung auf (vgl. Lagebericht Äthiopien des Auswärtigen Amtes vom 22.03.2018, S. 22).
Nach dem äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetz vom Dezember 2003 hat jede Person, von der mindestens ein Elternteil Äthiopier ist, Anspruch auf die äthiopische Staatsangehörigkeit. Im Januar 2004 erließ die äthiopische Regierung überdies eine Direktive zur Klarstellung des Rechtsstatus von Personen eritreischer Herkunft in Äthiopien („Directive Issued to determinde the Status of Eritrean Citizens residing in Ethiopia“). Danach können Eritreer, die ihren Wohnsitz ständig in Äthiopien hatten, sich entweder einbürgern lassen oder erhalten auf Wunsch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, wenn sie ihre (eritreische) Staatsangehörigkeit nicht aufgeben, gleichwohl aber in Äthiopien leben möchten. Sie können eine äthiopische Identitätskarte beantragen, auf der dann ihre eritreische Staatsangehörigkeit vermerkt wird, ebenso wie einen äthiopischen Fremdenpass. Das Verfahren läuft nach bisherigen Erkenntnissen problemlos (vgl. VG des Saarlandes, U.v. 23.03.2016 – 3 K 707/15; VG München, U.v. 11.04.2017 – M 12 K 16.33001 jeweils m.w.N.).
Nach dem vorgenannten Erlass der äthiopischen Einwanderungsbehörde zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende Eritreer sind zwar Personen, welche einen amtlichen, ihre eritreische Staatsangehörigkeit belegenden Ausweis besitzen, ausschließlich als Eritreer anzusehen. Der Betreffende kann jedoch als Äthiopier wiedereingebürgert werden. Wer sich nicht für die eritreische Staatsangehörigkeit entschieden hat, wird so angesehen, als ob er die äthiopische Staatsangehörigkeit gewählt hat und behält somit letztere bei. Wer danach als Eritreer anzusehen ist und sich in Äthiopien aufhält, hat sich bei der Zuwanderungsbehörde registrieren zu lassen. Solche Personen erhalten dann eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung sowie, falls sie keine Reisedokumente ihres Heimatlandes erlangen können, äthiopische Fremdenpässe (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 09.06.2016).
Eine politische Verfolgung des Klägers ergibt sich auch nicht aus der von Klägerseite geäußerten Befürchtung, dass dem Kläger die Rückkehr nach Äthiopien wegen seiner eritreischen Abstammung verweigert würde. Zwar könnte sich auch eine Einreiseverweigerung unter Umständen als politische Verfolgung wegen der Herkunft darstellen, wenn sie nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzt (vgl. BVerwG v. 12.02.1985, Az. 9 C 45.84; v. 30.04.1997, Az. 9 B 11/97). Dies gilt allerdings nur, wenn durch eine Einreisesperre die Absicht der Rückkehr nicht realisiert werden kann. Eine Wiedereinreiseverweigerung wäre auch dann asylrechtlich relevant, wenn sie für unabsehbare Zeit verhängt und dem Betroffenen auch der Schutz durch diplomatische oder konsularische Vertretungen nicht länger gewährt wird (BVerwG, DVBl. 1997, 912). Im Übrigen könnte die – wohl rein theoretische – Frage, ob dem Kläger die Rückkehr verweigert würde, nur dadurch geklärt werden, dass der Kläger tatsächlich einen derartigen Versuch der Rückkehr oder zumindest, entsprechende Pässe zu erlangen, unternimmt. Dies scheint bislang nicht geschehen zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine asyl- oder flüchtlingsrelevante Aussperrung bzw. Ausgrenzung aber grundsätzlich die Feststellung voraus, dass sich der Betroffene nachweislich ernsthaft und erfolglos um die Ausstellung von Reisedokumenten bemüht hat (BVerwG v. 26.10.2009, Az. 10 C 50.07). Auch finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass derartige Bemühungen im vorliegenden Fall von vornherein aussichtslos und daher unzumutbar wären.
Der Kläger befindet sich offensichtlich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG außerhalb Äthiopiens oder Eritreas. Der Kläger hat sich nach seinen Angaben 13 Jahre lang nicht in Eritrea aufgehalten und ist folglich dort nicht Opfer von Verfolgungshandlungen geworden. Der Umstand, dass der Kläger zuvor jahrelang in einem anderen Staat gelebt hat und dort vor der befürchteten Verfolgung durch den Staat seiner vorgeblichen Staatsangehörigkeit sicher war, kann für den Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling in der Bundesrepublik Deutschland nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Auch der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist vom Grundsatz der Subsidiarität des Konventionsschutzes sowohl im Verhältnis zum Schutz durch den Staat oder die Staaten der Staatsangehörigkeit des Betroffenen als auch im Verhältnis zum einmal erlangten Schutz in einem anderen (Dritt-)Staat geprägt. Er vermittelt grundsätzlich kein Recht auf freie Wahl des Zufluchtslandes und insbesondere kein Recht auf freie Wahl eines Zweit- oder Drittzufluchtlandes, sondern stellt insoweit lediglich sicher, dass der Flüchtling nicht in der Verfolgerstaat abgeschoben oder der Gefahr einer solchen Abschiebung in einen Drittstaat (Kettenabschiebung) ausgesetzt werden darf (Refoulement-Verbot). Hat der Flüchtling bereits ausreichende Sicherheit vor Verfolgung in einem anderen Staat gefunden, kann er – unbeschadet des in jedem Falle unbedingt zu beachtenden Verbots der Abschiebung in den Verfolgerstaat – darüber hinaus grundsätzlich nicht mehr seine Anerkennung als Flüchtling sowie das damit verbundene qualifizierte Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland (§ 25 Abs. 2 AufenthG) beanspruchen (BVerwG, U.v. 08.02.2005 – 1 C 29/03 – juris, Rn. 20). Daher kommt es auf den Vortrag des Klägers zu seinen exilpolitischen Aktivitäten in Deutschland sowie der befürchteten Einberufung zum Nationaldienst in Eritrea bereits nicht an.
Im Übrigen stellt die Einberufung zum Nationaldienst durch den eritreischen Staat schon keinen im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG beachtlichen Verfolgungsgrund dar. Die Pflicht zur Ableistung eines staatlichen Dienstes stellt keine staatliche Verfolgung i.S.d. §§ 3 ff. AsylG dar. Jeder souveräne Staat hat grundsätzlich das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- bzw. Militärdienst heranzuziehen. Es besteht (bislang) kein Grundrecht auf eine Wehr- bzw. Militärdienstverweigerung (vgl. Treiber in: GK-AufenthG, Stand: März 2016, § 60 Rn. 167 f.). Die Heranziehung zum Militärdienst unterfällt daher flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen. Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen (vgl. hierzu etwa VG Potsdam, U.v. 17.2.2016 – 6 K 1995/15.A -; VG München, U.v. 13.7.2016 – M 12 K 16.31184 -; VG Regensburg, U.v. 27.10.2016 – RN 2 K 16.31289 – VG Würzburg, U.v. 22.05.2017 – W 3 K 16.31747 – alle juris).
Auch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nichtstaatlichen Verfolgung bestehen hinsichtlich beider Staaten nicht. Solche wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich (§ 30 Abs. 1 AsylG) nicht vor.
2. Weiterhin besteht für den Kläger offensichtlich kein Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, §§ 4 Abs. 1, 30 Abs. 1 AsylG.
Ein Ausländer erhält subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG)
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffende Begründung in dem streitgegenständlichen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Soweit der Kläger die Befürchtung äußerte, im Falle einer Rückkehr nach Eritrea in den Militärdienst einberufen zu werden, gelten auch insoweit die unter Ziffer 1 genannten Erwägungen zur Subsidiarität eines Schutzes in der Bundesrepublik, da der Kläger bereits in Äthiopien vor befürchteten ernsthaften Schäden in Eritrea sicher ist. Dem Kläger wurde schon keine Abschiebung nach Eritrea angedroht. Der streitgegenständliche Bescheid spricht lediglich davon, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Information ohne Regelungsgehalt, die dem Adressaten der Androhung verdeutlicht, dass die Angabe eines oder mehrerer bestimmter Zielstaaten die Behörde nicht daran hindert, ihn in einen anderen Staat abzuschieben. Nach § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG soll der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist (vgl Pietzsch in: BeckOK Ausländerrecht, 18. Edition, § 34 AsylVfG, Rn. 31g). Ist der konkrete Zielstaat in der Abschiebungsandrohung nicht benannt, muss er dem Betroffenen nachträglich vor der Abschiebung in einer Weise mitgeteilt werden, dass dieser einen den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Rechtsschutz erlangen kann (vgl. BVerwGE 111, 343 [347] = NJW 2000, 3798 [3799]).
Soweit die Klägerbevollmächtigte im Hinblick auf eine Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht Schleswig (Beweisbeschluss vom 18.05.2018 – 3 A 365/17) eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens anregt, liegen bereits die Voraussetzungen des § 94 VwGO nicht vor. Denn demnach muss die im anderen Verfahren anstehende Entscheidung für die im anhängigen Verfahren zu treffende Entscheidung vorgreiflich sein, also ein Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung im anhängigen Verfahren abhängt (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 94, Rn. 4). Mit dem vorgenannten Beschluss des VG Schleswig soll über die Frage Beweis erhoben werden, ob männlichen Personen, die Eritrea bereits im Kleinkindalter verlassen haben, im Falle einer Rückkehr nach Eritrea eine Heranziehung zum Nationaldienst unter verschärften Bedingungen droht und welche Form der Bestrafung zu befürchten ist. Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn nach den o.g. Ausführungen zur Subsidiarität des internationalen Schutzes droht dem Kläger hier schon keine (zwangsweise) Rückkehr nach Eritrea.
Eine Gefahrenlage i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG ist auch bezüglich Äthiopiens offensichtlich nicht erkennbar.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.06.2010 – 10 C 10/09 – juris, Rn. 25).
Eine solche humanitäre Ausnahmesituation liegt im Falle des Klägers nicht vor. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien könnte er mit der Unterstützung seiner Tante rechnen, die sich auch in den Jahren vor seiner Ausreise aus Äthiopien als unterstützungswillig und -fähig erwiesen hat. Dass diese nicht bereit wäre, den Kläger erneut aufzunehmen, ist nicht greifbar. Auch geht der Kläger davon aus, dass seine Tante nach wie vor in dem ihm bekannten Ort lebt.
Da die Abschiebungsandrohung nur auf Äthiopien lautet, muss das Gericht keine anderen zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse für Eritrea prüfen. Sollte tatsächlich eine Abschiebung in „einen anderen aufnahmebereiten Staat“ durch Bescheid vorgesehen werden, kann der Kläger dagegen Rechtsschutz begehren. Auch die Problematik und Gefahr der Kettenabschiebung aus Äthiopien nach Eritrea sieht das Gericht angesichts der oben dargestellten Auskunftslage nicht.
4. Auch die gegenüber dem Kläger erlassene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Zweifeln (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG).
Die Abschiebungsandrohung nach Äthiopien erweist sich nicht schon deshalb als rechtswidrig, weil der Kläger geltend macht, er sei eritreischer Staatsangehöriger. Nach § 59 Abs. 2 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der gleichlautenden Norm des § 50 Abs. 2 AuslG a.F. festgestellt, dass der Wortlaut der Vorschrift keinen Hinweis auf einen rechtserheblichen Zusammenhang zwischen der Staatsangehörigkeit des Ausländers und dem Zielstaat gebe. Dies werde durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Demnach sei es – von Ausnahmefällen abgesehen – für die rechtliche Beurteilung des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaates grundsätzlich unerheblich, ob der Ausländer dessen Staatsangehörigkeit besitze. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Abschiebungsandrohung in Bezug auf die Bezeichnung des Zielstaats jedenfalls nicht bereits deshalb der Aufhebung unterliege, weil der Abschiebungserfolg nicht sicher vorhergesagt werden könne. Besteht – wie in der vorliegenden Sache – aufgrund der Beziehungen des Ausländers zum Zielstaat eine hinreichende Aussicht auf eine erfolgreiche Durchführung der Abschiebung, ist dem ausreisepflichtigen Ausländer zuzumuten, sich um eine Einreise (auch) in diesen Staat zu bemühen (vgl. BVerwG, B.v. 01.09.1998 – 1 B 41.98 – juris). Dementsprechend muss der Zielstaat nicht der Herkunftsstaat des Ausländers sein. Da die Behörde durch die Angabe des Zielstaates nicht verpflichtet ist, den Ausländer dorthin abzuschieben, kommt der Vorschrift bzw. der Bezeichnung des Zielstaates insoweit keine Bindungswirkung zu, sondern nur eine Ordnungsfunktion für das Verfahren. Der Adressat soll in der Lage sein, die aus seiner Sicht in Bezug auf diesen Staat bestehenden Abschiebungshindernisse geltend zu machen (vgl. Kluth in: BeckOK AuslR, § 59 AufenthG, Rn. 29).
5. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Die Klage ist nach alledem insgesamt abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.

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