Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  AN 11 K 20.30859

Datum:
1.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36475
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AsylG § 13 , § 14 Abs.2
RL 2013/32/EU Art. 3 Abs. 1
BVerwG Art. 18
VwGO § 67 Abs.1,  § 75 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die im Hinblick auf § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO wirksam erhobene Klage, mit der der Kläger aus dem Ausland im Wesentlichen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, ist bereits unzulässig.
Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) in Form der Untätigkeitsklage zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 75 Satz 2 VwGO.
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage ist damit, dass vor Erhebung der Klage ein Antrag bei der Behörde gestellt worden ist (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 75 Rn. 5; BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42.06 – BVerwGE 130, 39 ff., + juris Rn. 22 ff.). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, da der Kläger aus dem Ausland keinen wirksamen Asylantrag stellen konnte und die Beklagte über diesen deshalb keine Sachentscheidung treffen musste. Insofern geht die Kammer davon aus das es sich um einen sog. „Nicht-Asylantrag“ gehandelt hat (zur Begrifflichkeit und zum Meinungsstand vgl. Treiber in Fritz/Vormeier, GK-AsylG, § 13 Rn. 87 ff.; zu dieser Rechtsauffassung tendierend BayVGH, B.v. 1.7.2010 – 8 ZB 10.30124 – juris Rn. 3).
Dabei ist vorab festzuhalten, dass entgegen der vorgetragenen Auffassung des Klägers eine Asylantragstellung im oder aus dem Ausland nicht möglich ist. Denn es folgt aus dem Sinn und Zweck des Asylgrundrechts sowie des Flüchtlingsschutzes, einer Person Schutz zu gewähren, die ihr Herkunftsland im Zeitpunkt der Antragstellung aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, Art. 3 Abs. 1 RL 2013/32/EU), dass der entsprechende Anspruch erst mit dem Betreten des Bundesgebietes bzw. des Gebietes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Art. 18 GR-Charta) erworben wird (BVerwG, U.v. 26.6.1984 – 9 C 196.83 – BVerwG E 69,323, juris Rn. 10 ff.; Treiber in Fritz/Vormeier, GK-AsylG, § 13 Rn. 81 ff.). Denn ein asylrechtliches Schutzbegehren kann nur dann erfolgreich sein, wenn es innerhalb bzw. zumindest an den Grenzen des Bundesgebiets geltend gemacht wird, da nur dort die deutsche Hoheitsgewalt tatsächlich effektiv vor Verfolgung schützend zu tragen kommen kann, indem sie auf Zurückweisung des Ausländers an der deutschen Grenze verzichtet und dem Ausländer das Betreten des Territoriums gestattet oder indem sie auf seine Entfernung von diesem Territorium durch Auslieferung bzw. Abschiebung in den angeblich verfolgenden Herkunftsstaat verzichtet (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.3.2010 – AN 3 K 09.30159). Darüber hinausgehend wird bezüglich der vom Kläger aufgeworfenen rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Grundsatzfragen auf die ausführliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1984 in der Rechtssache 9 C 196.83 verwiesen (insbesondere Rn. 10 ff.).
Diese grundsätzlich abstrakten Begebenheiten greift auch das Asylgesetz einfachgesetzlich auf. Den Regelungen der §§ 14 ff. AsylG liegt erkennbar die Vorstellung von der Asylantragstellung im Bundesgebiet zu Grunde. Auch die in jüngerer Vergangenheit geführte politische Diskussion um die Möglichkeit der Asylantragstellung bei Auslandsvertretungen oder in Transitzentren, hat gezeigt, dass es sich bei der nach derzeitiger Rechtslage unmöglichen Asylantragstellung aus dem Ausland um eine bewusste migrationspolitische Entscheidung des Gesetzgebers handelt (vgl. dazu die Forderung der Evangelischen Allianz unter https://www.evangelisch.de/inhalte/151728/14-08-2018/evangelische-allianz-asylantrag-auch-botschaften-stellen (zuletzt abgerufen am 1.12.2020); vgl. auch Kluth, ZAR 2017, 105 ff.).
Strittig ist in der Literatur, anders als der Kläger meint, mithin nicht die Frage, wie ein aus dem Ausland gestellter Asylantrag zu bewerten ist, sondern vielmehr wie dieser konkret zu behandeln ist. Die Kammer teilt dabei – wie eingangs erwähnt – die Auffassung der Beklagten, dass dieser als sog. „Nicht-Asylantrag“ nicht zu behandeln und zu verbescheiden ist. Denn infolge einer Asylantragstellung aus dem Ausland können bereits zentrale Mitwirkungspflichten des Asylbewerbers (vgl. § 15 AsylG) nicht erfüllt werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2010 – 8 ZB 10.30124 – juris Rn. 3). Der Gebietskontakt muss darüber hinaus nicht nur eine Erfolgsvoraussetzung des Asylantrags, sondern bereits begriffliche Bedingung eines wirksamen Asylantrags sein. Denn die Entstehungsgeschichte und Systematik des Flüchtlingsrechts lassen keinen Zweifel daran, dass auch die Geltendmachung eines Schutzanspruches eine territoriale Verknüpfung voraussetzt. Wäre der Gesetzgeber von einer wirksamen Möglichkeit der Asylantragsstellung im bzw. aus dem Ausland ausgegangen, hätte es keiner Regelung über die Förmlichkeit der Antragstellung nach § 14 AsylG bedurft (vgl. zum Vorstehenden Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2020, § 33 AsylG Rn. 33 ff.).
Selbst wenn man mit der vom Kläger angesprochenen anderen Auffassung der Literatur (vgl. Treiber in Fritz/Vormeier, GK-AsylG, § 13 Rn. 88 m.w.N.) davon ausgehen würde, dass der aus dem Ausland gestellte Asylantrag als wirksamer Asylantrag zu behandeln wäre, hätte das Begehren des Klägers auch insoweit keinen Erfolg. Denn unabhängig von der Frage, ob ein vom Asylantrag (sog. Asylgesuch) nach § 13 AsylG abzugrenzender förmlicher Asylantrag im vorliegenden Fall nicht persönlich nach § 14 Abs. 1 AsylG gestellt werden musste, sondern auf Grund der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 2 AsylG schriftlich gestellt werden konnte, hätte die Beklagte das Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 32a Abs. 2 und § 33 Abs. 1 und 2 AsylG einstellen können (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 1.7.2010 – 8 ZB 10.30124 – juris Rn. 5). Mangels persönlicher Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet, die vorliegend auch in naher Zukunft nicht zu erwarten war und ist, konnte und kann dieser weder seine zentralen Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylG wahrnehmen noch beispielsweise zu der persönlichen Anhörung nach § 25 AsylG erscheinen. Eine Einstellung des Verfahrens hätte insoweit mittlerweile wegen unterbliebener bzw. nicht möglicher Einreise des Klägers erfolgen können mit der Folge, dass auch dann keine Entscheidung in der Sache getroffen worden wäre.
Lediglich klarstellend sei angemerkt, dass im vorliegenden Verfahren nicht zu klären ist, ob der Kläger gegebenenfalls einen Anspruch auf Erteilung eines nationalen sog. humanitären Visums zur Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland nach § 6 Abs. 3 AufenthG hat (einen grundsätzlichen Anspruch nach EU-Recht verneinend zuletzt EuGH, U.v. 7.3.2017 – C 638/16; vgl. zum Gesamtkomplex Kluth, ZAR 2017, 105/106).
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.


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