Verwaltungsrecht

Zulässigkeit der Feststellungsklage, Abgrenzung Verwaltungsakt, schlicht hoheitliches Handeln, Auslegung der Satzung eines berufsständischen Versorgungswerks

Aktenzeichen  21 B 21.1629

Datum:
7.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1984
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 2 S. 1
BayVwVfG Art. 35 S. 1
VersoG Art. 28 S. 1, 30 Abs. 3

 

Leitsatz

§ 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vom 6. Dezember 1996 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 51/52) in der Fassung der 15. Änderungssatzung vom 22. November 2017 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 48) ist dahingehend auszulegen, dass eine freiwillige Mitgliedschaft durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung nur dann beendet wird, wenn der Betroffene im Rahmen derselben die Möglichkeit hat, (auch) Ansprüche auf Versorgung wegen des Alters zu erwerben.

Verfahrensgang

M 12 K 19.2005 2019-11-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. November 2019 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nicht durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen mit Ablauf des 30. Dezember 2018 beendet wurde.
II. Die Kosten des Verfahrens hat in beiden Rechtszügen die Beklagte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO.
1. Die zulässige Berufung ist auch begründet.
a) Die Klage auf Feststellung des Fortbestands der freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 30. Dezember 2018 hinaus ist zulässig.
Dem steht nicht die Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
Ausweislich ihrer Klage- und Berufungsanträge und der hierzu jeweils vorgebrachten Begründung war das Begehren der Klägerin bereits in erster Instanz und ist es auch in zweiter Instanz allein auf den Fortbestand ihrer freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten über den 30. Dezember 2018 hinaus gerichtet (§ 88 bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 88 VwGO). Diesem Rechtsschutzziel entspricht der mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2021 klarstellend präzisierte Antrag auf Feststellung des Fortbestands ihrer freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten über den 30. Dezember 2018 hinaus. Mit einer Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO gegen den „Bescheid“ der Beklagten vom 25. März 2019 über die Beendigung der Mitgliedschaft sowie den weiteren „Bescheid“ vom 4. April 2019 kann es mangels Statthaftigkeit nicht in zulässiger Weise verfolgt werden. Insofern steht der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO verankerte Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage ihrer Zulässigkeit vorliegend nicht entgegen.
Das Schreiben vom 25. März 2019, in dem die Beklagte der Klägerin mitteilte, dass ihre seit 22. September 1994 bestehende freiwillige Mitgliedschaft kraft Satzung mit Ablauf des 30. Dezember 2018 geendet habe, ist bei objektiver Würdigung der konkreten Umstände (entsprechend §§ 133, 157 BGB) kein (feststellender) Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG bzw. § 35 Satz 1 VwVfG, sondern lediglich eine Auskunft ohne Regelungscharakter. Die Klägerin hatte am 17. Februar 2019 zur Vorlage bei der Beigeladenen allein um eine „Bestätigung“ der aus ihrer Sicht fortbestehenden freiwilligen Mitgliedschaft und damit um eine insoweit positive Auskunft gebeten. § 41 der Satzung der Beklagten in der insoweit maßgeblichen Fassung der 16. Änderungssatzung vom 21. November 2018 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 49 und Nr. 50) – Satzung 2019 – bestimmt unter der Überschrift: „Auskunftspflichten“ in Abs. 1 Satz 1 unter anderem, dass diese den Mitgliedern Auskunft über deren Mitgliedschaftsverhältnis erteilt. Demgegenüber regelt § 42 der Satzung unter der Überschrift „Verwaltungsakte der Versorgungsanstalt“ in Abs. 1, dass die Beklagte ihre öffentlich-rechtlichen Geldforderungen durch Leistungsbescheid geltend macht und ihre öffentlich-rechtlichen Leistungen durch Bescheid festsetzt. Mithin räumt die Satzung der Beklagten nach ihrem Wortlaut die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten zur Festsetzung der genannten Geldforderungen und Leistungen ein. Dem entspricht es, dass die Beklagte zur Festsetzung der Beitragspflichten der Klägerin unter dem 25. März 2019 einen ausdrücklich so bezeichneten Beitragsbescheid erlassen hat, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen ist, während sie demgegenüber die Auskunft bezüglich der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin in einem formlosen Schreiben erteilte, dem der Beitragsbescheid als Anlage beigefügt war. Damit war bei objektiver Würdigung auch für die Klägerin erkennbar, dass es sich bei der Äußerung bezüglich des Endes ihrer Mitgliedschaft lediglich um eine schlicht hoheitliche Wissenserklärung der Beklagten handelte.
Aus denselben Erwägungen ist das Schreiben der Beklagten vom 4. April 2019, in dem sie auf Bitte der Klägerin um nochmalige Prüfung erneut die aus ihrer Sicht bestehende Rechtslage darlegte, ebenfalls kein Verwaltungsakt.
b) Die Klage auf Feststellung des Fortbestands der freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 30. Dezember 2018 hinaus ist auch begründet. Die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten wurde nicht durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen mit Ablauf des 30. Dezember 2018 beendet.
aa) Die vorliegend in Streit stehende Frage der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten mit Ablauf des 30. Dezember 2018 beurteilt sich nach Art. 30 Abs. 3 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen i.d.F.d. Bek. vom 16.6.2008 (GVB. S. 371) – VersoG – i.V.m. § 47f Satz 2, § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung der Beklagten vom 6. Dezember 1996 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 51/52) in der Fassung der 15. Änderungssatzung vom 22. November 2017 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 48) – im Folgenden: Satzung 2018 – i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung der Beklagten vom 6. Dezember 1996 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 51/52) in der Fassung der Sechsten Änderungssatzung vom 28. Dezember 2005 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 1/2006) – im Folgenden: Satzung 2006.
bb) Gemäß § 30 Abs. 3 VersoG können ausgeschiedene Pflichtmitglieder nach Maßgabe der Satzung freiwillige Mitglieder bleiben. Nach § 47f Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 endet eine – wie hier – bis zum 31. Dezember 2005 begründete freiwillige Mitgliedschaft, wenn eine Mitgliedschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung 2006, d.h. eine Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet wird.
cc) Die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete nicht dadurch, dass sie infolge des Wegfalls der Eintrittsaltersgrenze am 31. Dezember 2018 die konstitutiven Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 der zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen für eine Pflichtmitgliedschaft bei dieser erfüllte. Denn hierdurch wurde keine Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 47f Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 begründet. Dies folgt aus einer historischen und teleologischen Auslegung der Regelung unter Berücksichtigung der Aufgabe der Beklagten. Danach wird eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung nur dann beendet, wenn der Betroffene im Rahmen derselben grundsätzlich (auch) Ansprüche auf Versorgung wegen des Alters erwerben kann (aaa). Das war bei einer am 31. Dezember 2018 beginnenden Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen unabhängig von ihrem Verhalten und Willen von vornherein unmöglich (bbb).
aaa) Der Regelungsinhalt des § 47f der Satzung 2018 wurde erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in die Satzung der Beklagten aufgenommen (vgl. § 47e der Satzung 2006). Mit der Satzung 2006 wurde das sog. Lokalitätsprinzip gestärkt (vgl. § 15 der Satzung 2005 und § 15 der Satzung 2006; vgl. zum Lokalitätsprinzip BayVGH, B.v. 15.8.2011 – 21 ZB 10.1314 – juris Rn. 5; B.v. 12.3.2021 – 21 ZB 19.1002 – juris Rn. 17; BayVerfGH, B.v. 30.8.2017 – Vf. VII-7-15 – juris Rn. 110). Die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten knüpft seither allein an die Zugehörigkeit zu einer der zuständigen Berufskammern in Bayern an. Gleichzeitig wurde u.a. die Möglichkeit der freiwilligen Mitgliedschaft, die nicht die Zugehörigkeit zu einer Berufskammer in Bayern voraussetzt und insofern insgesamt gerade nicht dem Lokalitätsprinzip entspricht, eingeschränkt. In § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2006 wurde geregelt, dass eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht nur – wie bis dahin (vgl. § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2005) – durch die Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft, sondern auch durch die Begründung einer Pflicht-Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung endet. § 47e Satz 1 der Satzung 2006 (= § 47f Satz 1 der Satzung 2018) statuierte jedenfalls insofern eine „echte“ Übergangsregelung für freiwillige Alt-Mitgliedschaften, als er den Fortbestand derjenigen freiwilligen Mitgliedschaften nach den „alten“, bis 31. Dezember 2005 geltenden Regeln vorsah, die nach den „neuen“, ab 1. Januar 2006 geltenden Regelungen nicht mehr hätten begründet werden können. Zugleich wurde durch § 47e Satz 2 der Satzung 2006 (= § 47f Satz 2 der Satzung 2018) klargestellt, dass auch auf eine vor dem 1. Januar 2006 begründete freiwillige Mitgliedschaft im Fall der (Neu-)Begründung einer freiwilligen oder einer Pflicht-Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung 2006 die (aktuelle) Beendigungsregel des § 17 Abs. 3 (Nr. 4) der Satzung 2006 (= § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018) zur Anwendung kommt. Die Beendigung von freiwilligen, gerade nicht dem Lokalitätsprinzip entsprechenden Mitgliedschaften gemäß § 17 Abs. 3 der Satzung 2006 bzw. 2018 dient einerseits einer stetigen Stärkung des Lokalitätsprinzips im tatsächlichen Mitgliederbestand der Beklagten. Andererseits will die Regelung des § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2006 bzw. 2018, die eine Beendigung einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten nur durch die Begründung einer Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung – und nicht einfach ad hoc und ohne Weiteres – vorsieht, verhindern, dass ein (bislang) freiwilliges Mitglied der Beklagten ohne sein Zutun und unabhängig von seinem Willen gänzlich aus dem System der berufsständischen Versorgung herausfällt bzw. aus diesem ausgeschlossen wird (vgl. Klageerwiderung der Beklagten vom 19.6.2019, Seite 2 und 4). Es soll gerade weiterhin im System der berufsständischen Versorgung „aufgefangen“ werden bzw. dort verbleiben können, auch wenn dadurch die verbesserte Umsetzung des Lokalitätsprinzips im Mitgliederbestand der Beklagten zumindest verzögert wird. Die Beklagte bezeichnet § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2006 und 2018 insofern als Auffangregelung bzw. -tatbestand (vgl. Klageerwiderung der Beklagten vom 19.6.2019, Seite 2 und 4).
Weiter ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass eine Pflichtmitgliedschaft bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung – jedenfalls bei voller, d.h. grundsätzlich den Erwerb von Anwartschaften und damit auch Ansprüchen auf Altersversorgung einkalkulierender Beitragspflicht, wie sie bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen klassischerweise besteht – verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn in deren Rahmen auch tatsächlich Ansprüche auf Versorgungsleistungen im Fall des Alters erworben werden können. Die Möglichkeit des Erwerbs von Anwartschaften bzw. Ansprüchen auf Versorgung wegen des Alters bildet grundsätzlich das zentrale Gegenstück zu einer mit der Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung verbundenen, den Erwerb von Anwartschaften bzw. Ansprüchen auf Altersversorgung einkalkulierenden Beitragspflicht. Ohne die tatsächliche Möglichkeit des Erwerbs von Anwartschaften bzw. Ansprüchen auf Versorgung wegen des Alters vermag eine mit einer solchen Beitragspflicht verbundene Pflichtmitgliedschaft einen wesentlichen der sie grundsätzlich rechtfertigenden Zwecke – nämlich die wirtschaftliche Absicherung im Fall des Alters – nicht zu erfüllen. Entgegen dem Sinn und Zweck der Pflichtmitgliedschaft, der gerade auch in der Absicherung im Fall des Alters besteht, fehlt ein zentraler Versorgungsbaustein (vgl. BVerfG, B.v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52 – juris Rn. 55; BVerwG, U.v. 5.12.2000 – 1 C 11.00 – juris Rn. 16; BayVerfGH, E.v. 8.10.1987 – Vf. 8-VII-86 – NJW 1988, 550 (550 f.); OVG Lüneburg, U.v. 20.7.2006 – 8 LC 11.05 – juris Rn. 67). Dementsprechend ist es gemäß Art. 28 Satz 1 VersoG Aufgabe der Versorgungsanstalten im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 VersoG und damit auch der Beklagten (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VersoG), Versorgung u.a. im Fall des Alters zu gewähren. Dieses Verständnis einer Pflichtmitgliedschaft legte unausgesprochen, weil selbstverständlich, auch die Beklagte der Neufassung des § 17 Abs. 3 Nr. 4 in ihrer Satzung 2006, d.h. der darin neu vorgesehenen Beendigung einer freiwilligen Mitgliedschaft (auch) durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung, zugrunde. Denn nur, wenn aufgrund der neu begründeten Pflichtmitgliedschaft in einer anderen Versorgungseinrichtung – wie bei der Beklagten – grundsätzlich Anwartschaften und letztlich Ansprüche auf Versorgung im Fall des Alters erworben werden können, ist entsprechend der Intention von § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2006 sichergestellt, dass das bislang freiwillige Mitglied der Beklagten durch die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft nicht zu einem wesentlichen Teil – nämlich in Bezug auf den zentralen Versorgungsbaustein der Altersversorgung – aus dem System der berufsständischen Versorgung herausfällt.
Vor diesem Hintergrund ist § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2006 und daher auch § 47f Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 aufgrund historischer und teleologischer Auslegung unter Berücksichtigung der Aufgabe der Beklagten dahingehend auszulegen, dass eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung nur dann beendet wird, wenn der Betroffene im Rahmen derselben grundsätzlich (auch) Ansprüche auf Versorgung wegen des Alters erwerben kann.
bbb) Gemessen hieran wurde, obwohl sie die konstitutiven Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen gemäß § 6 Abs. 1 der ab 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen erfüllte, am 31. Dezember 2018 keine (Pflicht-)Mitgliedschaft der Klägerin bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne von § 47f Satz 2 und § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung 2006 begründet. Folglich endete die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten auch nicht gemäß § 47f Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 mit Ablauf des 30. Dezember 2018 durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen am 31. Dezember 2018. Denn für die Klägerin war es aufgrund der Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen durch deren ab 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzte Satzung unabhängig von ihrem Verhalten und ihrem Willen von vornherein ausgeschlossen, im Rahmen einer am 31. Dezember 2018 begründeten Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen Ansprüche auf Versorgung wegen des Alters zu erwerben – obgleich für sie eine uneingeschränkte, den Erwerb von Anwartschaften bzw. Ansprüchen auf Altersversorgung einkalkulierende Beitragspflicht bestanden hätte.
(1) Die Länder dürfen zwar im Rahmen ihrer hierfür bestehenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 30, 70 ff. GG (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1961 – 1 BvR 203/53 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 29.1.1991 – 1 C 11.89 – juris Rn. 16 m.w.N.) die Ausgestaltung der berufsständischen Versorgung regeln. Dabei besteht auch keine rechtliche Verpflichtung, die vom jeweiligen Landesgesetzgeber vorgesehenen oder im Rahmen von Ermächtigungen zum Erlass untergesetzlicher Normen ermöglichten Versorgungssysteme und/oder -einrichtungen mit anderen Versorgungssystemen und/oder -einrichtungen abzustimmen (vgl. VGH BW, B.v. 4.5.1990 – 9 S 1324.88 – juris Rn. 24; VG Ansbach, U.v. 24.6.2008 – AN 4 K 06.03836 – juris Rn. 40). Daher sind die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen einschließlich der Normen im materiellen Sinne grundsätzlich autonom, d.h. unabhängig von der Ausgestaltung der berufsständischen Versorgung in anderen (Bundes-)Ländern und – im Rahmen der ggf. vom Landesgesetzgeber eingeräumten Befugnis zum Erlass untergesetzlicher Normen durch die berufsständischen Versorgungseinrichtungen selbst – unabhängig von der Ausgestaltung der berufsständischen Versorgung in anderen Versorgungseinrichtungen auch desselben (Bundes-)Landes auszulegen. Anderes gilt nur, soweit – wie hier – auf Regelungen anderer (Bundes-)Länder bzw. anderer Versorgungseinrichtungen Bezug genommen oder verwiesen wird.
(2) Mit dem Begriff „Begründung einer Mitgliedschaft“ in einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung 2006 bzw. 2018 nehmen § 47f Satz 2 und § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 entgegen der Auffassung der Beklagten insoweit auf Regelungen bzw. darauf beruhende Rechtsakte anderer (Bundes-)Länder bzw. anderer Versorgungseinrichtungen Bezug, als (nur) diese die (konstitutiven) Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in anderen Versorgungseinrichtungen beinhalten bzw. darstellen und deren Ausgestaltung regeln können. Ohne wirksame Regelung der Mitgliedschaft bei einer anderen Versorgungseinrichtung unmittelbar kraft Gesetzes (im formellen oder materiellen Sinne) bzw. ohne wirksamen anderweitigen, für die Mitgliedschaft bei einem anderen Versorgungswerk konstitutiven Rechtsakt, z.B. in Form eines nach den für das andere Versorgungswerk geltenden Regelungen erforderlichen (Aufnahme-)Verwaltungsakts, kann eine Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung 2006 nicht gemäß § 47f Satz 2 und § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 (wirksam) begründet werden. Die Beklagte kann mangels entsprechender (Rechtsetzungs-)Kompetenz die (konstitutiven) Voraussetzungen für die Begründung einer Mitgliedschaft bei einer anderen Versorgungseinrichtung ebenso wenig wie deren Ausgestaltung selbst regeln. Dass damit die für andere berufsständische Versorgungswerke geltenden Regelungen – wie die bis 30. Dezember 2018 geltende Satzung der Beigeladenen und die dort vorgesehene Eintrittsaltersgrenze sehr anschaulich machen – durchaus der vom Lokalitätsprinzip geprägten Vorstellung der Beklagten vom „Vorrang der Mitgliedschaft im [aus ihrer Sicht] zuständigen Versorgungswerk“ zuwiderlaufen können, ist unvermeidbare Folge der Bezugnahme von § 47f Satz 2 und § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 auf für andere Versorgungseinrichtungen geltende Regelungen.
(3) Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 53 Abs. 4 Buchst. a Satz 1 der zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen hätte die am … April 1955 geborene Klägerin die für einen Anspruch auf Altersrente bei der Beigeladenen geltende Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres, also mit Ablauf des 27. April 2020, erreicht. Zudem sieht § 53 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 der zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 der bis 30. Dezember 2018 geltenden Fassung der Satzung der Beigeladenen vorgezogene Altersrente in geminderter Höhe vor Erreichen der Regelaltersgrenze, frühestens vom vollendeten 62. Lebensjahr an, vor. Allerdings sind gemäß § 53 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 der zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 7 der bis 30. Dezember 2018 geltenden Fassung der Satzung der Beigeladenen eine mindestens fünfjährige Mitgliedschaft und die Zahlung von Beiträgen für mindestens 60 Monate (sog. Wartezeit) Voraussetzung für die Gewährung jeglicher Altersrente. Diese Regelung kann aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts nicht einschränkend ausgelegt werden. Zwar besteht die Möglichkeit des Aufschubs des Rentenbezugs bis längstens zur Vollendung des 68. Lebensjahrs und können während einer solchen Aufschubzeit weitere Beiträge geleistet werden (§ 53 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 der zum 31.12.2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 4 und 5 der bis 30. Dezember 2018 geltenden Fassung der Satzung der Beigeladenen). Da die Klägerin jedoch bereits am … April 2023 und damit vor Ablauf der bis 30. Dezember 2023 laufenden 60monatigen Wartezeit das 68. Lebensjahr vollenden wird, war es für die Klägerin infolge der Wartezeitregelung und ihres Eintrittsalters – sowie mangels Möglichkeit der Überleitung der an die Beklagte geleisteten Beiträge (vgl. § 21 Abs. 3 und 4 der zum 31.12.2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen, § 26 der Satzung 2018) – dennoch von vornherein und unabhängig von ihrem Verhalten ausgeschlossen, aufgrund der für sie ab 31. Dezember 2018 erstmals in § 6 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen vorgesehenen Pflichtmitgliedschaft mit entsprechender voller Beitragspflicht (§ 24 der zum 31.12.2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen) Anwartschaften und damit auch Ansprüche auf Altersrente bei der Beigeladenen zu erwerben.
(4) Die in § 21 Abs. 1 Satz 1 der zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen vorgesehene teilweise Beitragsrückerstattung ändert daran nichts. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 der zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzten Satzung der Beigeladenen sind zwar auf Antrag 60 v.H. der bisher geleisteten Beiträge mit Ausnahme von Beitragsteilen, die auf gesetzlichen Zahlungen beruhen, zu erstatten, wenn die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen erlischt, ohne dass das bisherige Mitglied das Recht zur freiwilligen Mitgliedschaft in Anspruch nehmen will, sofern die Wartezeit nach § 12 Abs. 4 der Satzung (= § 12 Abs. 1 Satz 7 der bis 30. Dezember 2018 geltenden Fassung der Satzung der Beigeladenen) noch nicht erfüllt ist. Dieser erst nach dem Erlöschen der Mitgliedschaft bei der Beigeladenen entstehende und insofern vom Zufall abhängige Anspruch auf teilweise Beitragsrückerstattung hat jedoch unabhängig von der Höhe der Rückerstattung keinen Einfluss darauf, dass für die Klägerin bereits zum vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Erfüllung der konstitutiven Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen (und auch während des gesamten möglichen Bestands derselben) der Erwerb von Anwartschaften und Ansprüchen auf Versorgungsleistungen wegen des Alters aufgrund dieser Pflichtmitgliedschaft ausgeschlossen war.
(5) Schließlich ist es für die Frage der Begründung einer Mitgliedschaft in einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung i.S.v. § 47f Satz 2 und § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2006 und 2018 entgegen dem Beklagtenvorbringen ohne Relevanz, ob die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung als Pflichtmitglied oder freiwilliges Mitglied Altersrentenanwartschaften und insofern auch einen Anspruch auf Rente wegen des Alters im Sinne von § 34 SGB VI hätte erwerben können und/oder dies ggf. noch immer kann. Auch dies ändert nichts daran, dass dies im Rahmen einer am 31. Dezember 2018 beginnenden Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen von vornherein und auch bei uneingeschränkter Beitragsleistung nicht möglich war. Das Bestehen anderweitiger Altersversorgungsmöglichkeiten, etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung oder mittels privater Vorsorgemaßnahmen, hat insoweit keine Bedeutung.
Nach alledem endete die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nicht gemäß § 47f Satz 2, § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 4 der Satzung 2006 mit Ablauf des 30. Dezember 2018 durch die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen, weshalb die auf diese Feststellung gerichtete Klage auch in der Sache Erfolg hat.
dd) Nach dem Dargelegten kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die zum 31. Dezember 2018 in Kraft gesetzte Fassung der Satzung der Beigeladenen mit höherrangigem Recht, insbesondere Verfassungsrecht, vereinbar ist und sie insofern die konstitutiven Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen unmittelbar kraft Satzungsrechts überhaupt wirksam zu regeln vermag. Ebenso kann dahinstehen, ob die der Klägerin von der Beigeladenen mit Bescheid vom 5. Juli 2019 erteilte Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft wirksam ist und zudem auf den 31. Dezember 2018 zurückwirkt und die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen (auch) deshalb als nicht begründet im Sinne von § 47f Satz 2 und § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung 2018 anzusehen ist.
Lediglich klarstellend wird daher darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Wirksamkeit der Begründung einer Mitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung unmittelbar kraft für diese geltenden Satzungsrechts dessen Rechtmäßigkeit voraussetzt, die daher im Rahmen eines Streits der vorliegenden Art grundsätzlich inzident zu prüfen ist (UA S. 21 ff.).
2. Über die Anträge auf Aufhebung des „Bescheids“ der Beklagten vom 25. März 2019 über die Beendigung der Mitgliedschaft sowie des weiteren „Bescheids“ vom 4. April 2019 muss nicht entschieden werden. Ihnen kommt nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel der Klägerin neben dem Antrag auf Feststellung des Fortbestands ihrer freiwilligen Mitgliedschaft bei der der Beklagen über den 30. Dezember 2018 hinaus keine eigenständige Bedeutung zu.
Auch über den von Anfang an erkennbar nicht dem klägerischen Begehren entsprechenden Antrag auf Aufhebung des Beitragsbescheids vom 25. März 2019 ist nicht zu entscheiden. An ihm wurde mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2021 in klarstellender Präzisierung nicht mehr festgehalten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt und sich insoweit auch keinem Kostenrisiko unterworfen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Es entspricht daher billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. VwGO
5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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