Verwaltungsrecht

Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs bei der Prüfung einer Auswahlentscheidung im Rahmen der angestrebten Verbeamtung von Tarifbeschäftigten

Aktenzeichen  6 C 21.1279

Datum:
7.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16403
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 126 Abs. 1
GVG § 17a Abs. 3, Abs. 4 S. 3
VwGO § 146

 

Leitsatz

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach allgemeiner Auffassung eröffnet für Ansprüche vorbeamtlicher Art aus einer der dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlagen. So sind Klagen auf Einstellung als Beamter oder gegen die Ablehnung einer solchen Einstellung – anders als Klagen auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Tarifbeschäftigter im öffentlichen Dienst – beamtenrechtlich und fallen in die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Anspruchsgrundlage ist das durch den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis begründete beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis. (Rn. 9 , 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 21.118 2021-04-16 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. April 2021 – AN 16 K 21.118 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) schrieb am 20. November 2018 für seine Tarifbeschäftigten des mittleren Dienstes in den Entgeltgruppen 5 bis E 9a Verbeamtungsstellen in der Laufbahn des mittleren Dienstes im Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 6 BBesO aus (Verbeamtungsaktion 2018). Zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung erstellte es für die sich bewerbenden Tarifbeschäftigten „dienstliche Beurteilungen“ als „Anlassbeurteilung“ wegen „Verbeamtung“ nach Maßgabe von Nr. 2.2 der Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des BMI (ohne Bundespolizei). In das weitere Auswahlverfahren wurden nur die einbezogen, die mit mindesten der Gesamtnote 7 (auf einer Skala von 1 bis 9) beurteilt wurden.
Die Klägerin, die sich als Tarifbeschäftigte in der Entgeltgruppe 6 TVöD (Bund) um eine dieser Verbeamtungsstellen beworben hat, erzielte in der – zweiten – Anlassbeurteilung vom 28. Juli 2020 für den Beurteilungszeitraum vom 18. November 2017 bis 31. Dezember 2018 – erneut – eine Gesamtnote von 6 Punkten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2020 zurück.
Die Klägerin hat am 18. Januar 2021 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben mit dem Antrag, die dienstliche Beurteilung vom 28. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts von einer neuerlichen dienstlichen Beurteilung nach Maßgabe der Beurteilungsrichtlinie BMI vom 7. April 2017 abzusehen, hilfsweise eine neue Beurteilung zu erstellen. Neben inhaltlichen Einwänden gegen die Beurteilung hat sie die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gerügt.
Das Verwaltungsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 16. April 2021 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 19.12.2019 – 6 C 19.2409) – den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für zulässig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie eine Verweisung der Rechtssache an das Arbeitsgericht Nürnberg anstrebt. Es gehe um eine Klage zur Wahrung ihrer Rechte als Tarifbeschäftigte, die nicht nach Maßgabe eines nicht vorhandenen Statusamtes beamtenrechtlich beurteilt werden wolle. Vorbeamtenrechtliche Rechte im Zusammenhang mit einer dienstlichen Beurteilung gebe es nicht. Mit der Verweisung an die Arbeitsgerichtsbarkeit solle erreicht werden, dass das dafür zuständige Gericht die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung von Tarifbeschäftigten in schulmäßiger und handwerklicher Art prüfe, angefangen bei der Frage, ob das Vertragsverhältnis der Klägerin zum Bundesamt es zulasse, diese nach beamtenrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 146 f. VwGO). Allerdings bestehen Zweifel, ob ihr ein rechtlich geschütztes Interesse darauf zustehen kann, die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs zu rügen. Denn sie selbst hat diesen Rechtsweg beschritten und wäre nicht gehindert gewesen, ihre Klage unmittelbar bei dem ihrer Meinung nach zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. Der Senat geht gleichwohl von einem Rechtschutzinteresse aus, weil die dem Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2020 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:auf die Möglichkeit einer Klageerhebung beim Verwaltungsgericht verwiesen hat.
Die Beschwerde ist unbegründet. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, wird der Rechtsstreit durch § 126 Abs. 1 BBG den Verwaltungsgerichten zugewiesen.
Der Senat hat in einem gleichgelagerten Fall im Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 6 C 19.2409 – (juris) zur Begründung ausgeführt:
„Diese Vorschrift eröffnet den Verwaltungsrechtsweg für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis. Sie ist nach allgemeiner Auffassung auch anwendbar auf Ansprüche vorbeamtlicher Art aus einer der dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlagen (Battis, BBG, 5. Aufl. 2017, § 126 Rn. 12 m.w.N.). Maßgeblich ist die wahre Natur des Rechtsverhältnisses, nicht die vom Rechtsschutzsuchenden vorgenommene rechtliche Zuordnung (Plog/Wiedow, BBG, Stand November 2019, § 126 Rn. 12). So sind Klagen auf Einstellung als Beamter oder gegen die Ablehnung einer solchen Einstellung – anders als Klagen auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Tarifbeschäftigter im öffentlichen Dienst (BVerwG, B.v. 19.7.2917 – 2 A 9.16 – juris; vgl. auch BAG, U.v. 11.6.2013 – 9 AZR 668/11 – juris Rn. 14 ff.) – beamtenrechtlich und fallen in die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Anspruchsgrundlage ist das durch den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis begründete beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis (BVerwG, U.v. 25.10.2010 – 2 C 22.09 – BVerwGE 136, 140 Rn. 13). Der in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der Bestenauswahl vermittelt dabei jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 – BVerfGE 143, 22 Rn. 18; BVerwG, B.v. 21.12.2016 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168 Rn. 21; BayVGH, B.v. 23.4.2019 – juris Rn. 9).
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrem gegen die Anlassbeurteilung gerichteten Rechtsschutzbegehren einen solchen (vor-)beamtenrechtlichen Anspruch, für den der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Bei dem Streitgegenstand handelt sich nicht um eine „normale“ dienstliche Beurteilung der Antragstellerin als Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst im Rahmen des Arbeitsvertragsverhältnisses, für deren Prüfung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig wären (zur gerichtlichen Kontrolle solcher Beurteilungen etwa BAG, U.v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08 – BAGE 131, 367 ff.). Es handelt sich vielmehr um eine Anlassbeurteilung, die der Dienstherr ausschließlich im Rahmen des Auswahlverfahrens zur Besetzung der ausgeschriebenen Beamtenstellen im mittleren Dienst erstellt hat, nachdem die Antragstellerin sich um eine dieser Beamtenstellen beworben hatte. Als Grundlage für die Anlassbeurteilung hat der Dienstherr dementsprechend die Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich vom 7. April 2017 herangezogen, die nach Nr. 1.1. und 2.2 nur in dieser Fallkonstellation auf Tarifbeschäftigte Anwendung findet. Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist darauf gerichtet, dass die streitige Anlassbeurteilung bei der Auswahlentscheidung keine Berücksichtigung findet. Anspruchsgrundlage ist nicht das Arbeitsvertragsverhältnis als Tarifbeschäftigte, sondern das (vor-) beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis, das die Antragstellerin mit Einreichung ihrer Bewerbung um eine der ausgeschriebenen Beamtenstellen begründet hat.“
An dieser Rechtsprechung, der sich das Landesarbeitsgericht Nürnberg angeschlossen hat (LAG Nürnberg, B.v. 17.1.2020 – 8 Ta 150/19 – juris), hält der Senat fest. Die Einwände der Beschwerde können nicht überzeugen. Die streitige Anlassbeurteilung gründet im vorbeamtenrechtlichen Bewerbungsverhältnis, nicht im Arbeitsvertragsverhältnis. Ob sie im Auswahlverfahren zur Vergabe einer der von der Klägerin angestrebten Beamtenstellen vorausgesetzt werden darf und – wenn ja – ob sie rechtmäßig erstellt worden ist, betrifft die Begründetheit der Klage nicht den Rechtsweg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG liegen nicht vor.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG; vgl. BVerwG‚ B.v. 16.3.1994 – 4 B 223.93 – NVwZ 1994‚ 782).


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