Verwaltungsrecht

Zulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage gegen eine Abschiebungsanordnung nach Italien

Aktenzeichen  M 8 K 16.50294

Datum:
11.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 2, Abs. 3, § 34a Abs. 1 S. 1, S. 2
VO (EU) 604/2013 Art. 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Entscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 AsylG stellen belastende Verwaltungsakte dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (ebenso BVerwG BeckRS 2015, 55632). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage kann vom zuständigen Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG; vgl. Beschluss vom 11.11.2016) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Das Verfahren weist keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf; zudem ist der Sachverhalt geklärt (§ 84 Abs. 1 VwGO).
1. Die gegen den Bescheid des Bundesamts vom 25. April 2016 gerichtete Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG, § 84 Abs. 1 VwGO) in erheblichen Teilen bereits unzulässig. Ihr fehlt es an der Statthaftigkeit, soweit der Kläger eine materielle asylrechtliche Entscheidung der Beklagten in Gestalt der Feststellung seiner Asylberechtigung nach Art. 16a GG und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, hilfsweise der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 AsylG sowie weiter hilfsweise der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG begehrt.
Lehnt das Bundesamt auf der Grundlage von § 27a AsylG a. F. (mit Wirkung vom 6.8.2016 ersetzt durch § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. d. F. des Integrationsgesetzes vom 31.7.2016 – BGBl. I, S. 1939) die Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und/oder ordnet nach § 34a Abs. 1 Satz 1 oder 2 AsylG die Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier nach Italien – an, besteht die Besonderheit, dass das Bundesamt lediglich die Frage nach dem für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständigen Mitgliedstaat erwogen hat, sich aber mit der geltend gemachten politischen Verfolgung im Herkunftsstaat des Betroffenen und der Frage der Abschiebung dorthin inhaltlich noch nicht befasst hat. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin III-VO einerseits und die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens andererseits erfolgt in zwei unterschiedlichen, voneinander getrennten Verfahren. Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagert. Entscheidungen nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 34a Abs. 1 AsylG stellen belastende Verwaltungsakte dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt. Denn bei Stattgabe der isolierten Anfechtungsklage, d. h. im Falle einer gerichtlichen Aufhebung eines auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 AsylG ergangenen Bescheides und der hierauf gestützten Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG, ist das Asylverfahren wegen § 31 Abs. 2 und 3 AsylG kraft gesetzlicher Verpflichtung durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist deshalb gegen eine Feststellung nach § 29 Abs. 1 AsylG allein die Anfechtungsklage statthafte Klageart (vgl. zu § 27a AsylG a. F.: BVerwG, U. v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris Rn. 13 ff.).
2. Soweit die Klage in Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 25. April 2016 gerichtet ist, ist sie zwar zulässig, bleibt mangels Begründetheit in der allerdings ohne Erfolg.
Der streitbefangene Bescheid des BAMF vom 25. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG, § 84 Abs. 1 VwGO) nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG und § 117 Abs. 5 VwGO insoweit auf die Feststellungen und Begründung des streitbefangenen Bescheids sowie insbesondere auch auf die Gründe des Beschlusses des Gerichts vom 20. September 2016 im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, M 8 S 16.50293, Bezug genommen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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