Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 ZB 15.10191

Datum:
1.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 42603
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHZV § 50

 

Leitsatz

1. Die Curricularnormwerte, die sich an der maximalen Auslastung der Hochschulen orientieren, sind abstrakte Normwerte, die aus vielen konkreten Studienplänen abgeleitet wurden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Studienbewerber haben keinen Anspruch auf Unterschreitung des festgesetzten Curricularnormwerts und damit auf eine Erhöhung der Ausbildungskapazität (Anzahl der Studienplätze) zu Lasten der an eine ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden zu stellenden Anforderungen, weil die Curricularnormwerte im Interesse einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen den Ausbildungsaufwand des jeweiligen Studiengangs abstrahieren und für die Kapazitätsberechnungen der einzelnen Hochschulen verbindlich sind. (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Berechnung der Aufnahmekapazität und die gerichtliche Prüfung der Kapazitätsberechnung kommt es bei Vorgabe eines Curricularnormwerts – anders als bei der normativen Vorgabe lediglich einer „Bandbreite“ möglichen Ausbildungsaufwands eines Studiengangs – auf die von der jeweiligen Hochschule gewählte studiengangspezifische Organisation der Ausbildung nicht an. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Entscheidung über die Aufteilung des Curricularnormwerts auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten trifft die Universität ausschließlich im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 14.10041 2015-04-07 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der …-Universität W. (Universität) nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2010/2011. Sie macht geltend, die Universität habe ihre Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 7. April 2015 abgewiesen, weil alle Studienplätze für Studienanfänger im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) im Wintersemester 2010/2011 vergeben worden und „freie“ (noch zu besetzende) Studienplätze an der Universität nicht vorhanden gewesen seien.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Außerdem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. VwGO). Der Curriculareigenanteil der Lehreinheit Medizin Vorklinik sei überhöht, weil der Lehreinheit vorklinische Wahlfächer zu Unrecht zugeordnet worden seien. Die Kapazitätsberechnung sei außerdem fehlerhaft, weil für Seminare die angenommene Teilnehmerzahl von 20 zu niedrig sei. Dem Bundesgesetzgeber fehle für die entsprechende Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 5 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO), wonach die Zahl der jeweils an einem Seminar teilnehmenden Studierenden 20 nicht überschreiten dürfe, die Gesetzgebungskompetenz. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Klägerin vom 9. Juni 2015 und 21. September 2015 verwiesen.
Der Beklagte tritt dem klägerischen Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des erstinstanzlichen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Die streitgegenständliche Kapazitätsberechnung der Universität wird wesentlich durch den Curricularnormwert (§ 50 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K], in der seinerzeit geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 15.4.2011 [GVBl S. 213]) bestimmt.
Der Curricularnormwert für den Studiengang Humanmedizin (vorklinischer Teil) ist nach der Anlage 7 zu § 50 HZV mit dem Wert 2,42 festgesetzt. Der Curricularnormwert bestimmt den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HZV). Bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität sind die in Anlage 7 aufgeführten Curricularnormwerte anzuwenden (§ 50 Abs. 1 Satz 2 HZV). Zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten wird der Curricularnormwert auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen). Die Angaben für die beteiligten Lehreinheiten sind aufeinander abzustimmen (§ 50 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HZV).
Die Curricularnormwerte, die sich an der maximalen Auslastung der Hochschulen orientieren, sind abstrakte Normwerte, die aus vielen konkreten Studienplänen abgeleitet wurden (vgl. Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl. 2003, § 13 Kapazitätsverordnung Rn. 2 ff.). Sie abstrahieren im Interesse einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen den Ausbildungsaufwand des jeweiligen Studiengangs und sind für die Kapazitätsberechnungen der einzelnen Hochschulen verbindlich. Die Studienbewerber haben deshalb keinen Anspruch auf Unterschreitung des festgesetzten Curricularnormwerts und damit auf eine Erhöhung der Ausbildungskapazität (Anzahl der Studienplätze) zulasten der an eine ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden zu stellenden Anforderungen. Für die Berechnung der Aufnahmekapazität und die gerichtliche Prüfung der Kapazitätsberechnung kommt es daher bei Vorgabe eines Curricularnormwerts – anders als bei der normativen Vorgabe lediglich einer „Bandbreite“ möglichen Ausbildungsaufwands eines Studiengangs – auf die von der jeweiligen Hochschule gewählte studiengangspezifische Organisation der Ausbildung nicht an (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.6.2012 – 7 CE 12.10025 u. a. – juris Rn. 12 f.). Damit kommt es auch weder auf die tatsächliche Gruppengröße bei Vorlesungen oder Seminaren an der Universität noch darauf an, welche „Betreuungsleistungen“ die Universität im Einzelnen erbringt. Solange die Universität den Curricularnormwert für den Studiengang Medizin (Vorklinik) in der Summe nicht überschreitet, ist ihre Aufteilung des Curricularnormwerts auf die an der Ausbildung der Studierenden beteiligten Lehreinheiten gerichtlich nicht zu beanstanden.
Die Universität hat – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – in der streitgegenständlichen Kapazitätsberechnung (für das Wintersemester 2010/2011 und das Sommersemester 2011) den nach der Anlage 7 zu § 50 Abs. 1 Satz 2 HZV festgelegten Curricularnormwert für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (2,42) auf die am vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt und in der Summe nicht überschritten (beteiligte Lehreinheiten sind: Biologie mit einem Curricularanteil von 0,1200, Chemie mit einem Curricularanteil von 0,1400, Physik mit einem Curricularanteil von 0,1353, Medizin Vorklinik mit einem Curricular(eigen)anteil von 1,6463, Klinisch-theoretische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,2283 und Klinisch-praktische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,1450). Zu einer weiteren Verringerung des Curriculareigenanteils der Lehreinheit Medizin Vorklinik ist die Universität nicht verpflichtet (vgl. auch BayVGH, B.v. 10.1.2012 – 7 ZB 11.783 – juris Rn. 10 ff. m.w.N).
a) Dies gilt auch in Bezug auf die in die Kapazitätsberechnung eingestellte Aufteilung der Curricularanteile für die vorklinischen Wahlfächer. Die Universität hat drei vorklinische Wahlfächer (Physiologie, Biochemie und Anatomie) jeweils mit einem Curricularanteil von 0,0033 der Lehreinheit Medizin Vorklinik und insgesamt vier weitere vorklinische Wahlfächer (ebenfalls jeweils mit einem Curricularanteil von 0,0033) den beiden anderen Lehreinheiten Klinisch-theoretische Medizin und Klinisch-praktische Medizin zugeordnet. Die Entscheidung über die Aufteilung des Curricularnormwerts auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten trifft die Universität ausschließlich im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit. Die Universität hat bei der Beteiligung anderer Lehreinheiten zwar zu berücksichtigen, dass der für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin festgelegte Curricularnormwert in der Summe der auf die beteiligten Lehreinheiten entfallenden Curricularanteile (§ 50 Abs. 4 HZV) nicht überschritten wird. Im Rahmen des geltenden Curricularnormwerts ist die Universität in der Gestaltung von Lehre und Studium jedoch frei. Es steht der Klägerin deshalb auch nicht zu, im Hinblick auf die Beteiligung anderer Lehreinheiten ihr Ermessen an die Stelle des Organisationsermessens der Universität zu setzen und eine Erhöhung der Ausbildungskapazität für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin zulasten der Ausbildungskapazität anderer Lehreinheiten zu fordern.
b) Für die gerichtliche Entscheidung ist ferner der Einwand der Klägerin unerheblich, es fehle dem Bundesgesetzgeber für die Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 5 ÄAppO, wonach die Zahl der jeweils an einem Seminar teilnehmenden Studierenden 20 nicht überschreiten dürfe, an der Gesetzgebungskompetenz. Auch ohne eine solche Regelung stünde es der Universität frei, in der Kapazitätsberechnung für von ihr angebotene Seminare von einer Teilnehmerzahl von 20 Studierenden auszugehen, solange sie bei ihrer Berechnung des Ausbildungsaufwands für den einzelnen Studierenden den festgesetzten Curricularnormwert nicht überschreitet. Soweit sich die Klägerin mit ihrem Einwand gegen die Festsetzung des Curricularnormwerts selbst wenden will, ist ihr Einwand nicht hinreichend substantiiert. Denn es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik), ohne Schaden zu nehmen, auch bei Festsetzung eines niedrigeren Curricularnormwerts möglich wäre (vgl. auch BayVGH, B.v. 7.8.2015 – 7 CE 15.10137 u. a. – juris).
2. Die Rechtssache hat nach alledem keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die von der Klägerin angesprochenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der Streitwertentscheidung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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