Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 20.10009 u.a.

Datum:
7.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14842
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV aF § 43, 50 Abs. 1, Abs. 4
BayHZG Art. 4 Abs. 1 S. 6

 

Leitsatz

1. Eine faktische Überschreitung des normativ festgesetzten Curricularnormwerts führt im gerichtlichen Verfahren nicht zur proportionalen Kürzung von Eigen- und Fremdanteil, solange in die Kapazitätsberechnung kein über dieser Schwelle liegender Curricularwert eingeht und somit keine unzulässige kapazitätsverzehrende „Niveaupflege“ vorliegt. (Rn. 13 und 8 – 16)
2. Bilden Eigenleistungen der Vorklinik überpflichtgemäße Ausbildungsanstrengungen ab, werden diese aber nur im Rahmen des Curricularnormwerts bei der Kapazitätsberechnung in Ansatz gebracht, besteht kein Anspruch von Studienbewerbern auf die sog. Stauchung von Eigen- und Fremdanteil mit der Folge, dass durch die Reduzierung des Eigenanteils die Zahl der errechneten Studienplätze steigen würde. (Rn. 14 und 14 – 16)

Verfahrensgang

M 3 E L 18.10000 u.a. 2020-01-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen tragen jeweils die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für jedes Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2017/2018. Sie machen geltend, dass mit der in der Satzung der LMU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2017/2018 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 14. Juli 2017 festgesetzten Zahl von 870 Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht München hat die Anträge mit Beschlüssen vom 7. Januar 2020 abgelehnt. Es werde nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen, dass über die für das Wintersemester 2017/2018 kapazitätswirksam vergebenen 890 Studienplätze hinaus noch (mindestens) ein weiterer Studienplatz im Studiengang Humanmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stehe, der von den Antragstellerinnen in Anspruch genommen werden könnte.
Gegen diese Beschlüsse wenden sich die Antragstellerinnen mit den vorliegenden Beschwerden. Sie tragen im Wesentlichen vor, es fehle eine substantiierte Lehrnachfrageberechnung mit Aufsummierung der Curricularanteile. Seit mehreren Jahren sei im gerichtlichen Eilverfahren die von der LMU vorgenommene quantitative Aufstellung des für die Berechnung der Anzahl der Studienplätze maßgeblichen Curriculareigenanteils (CAp) nicht überprüft worden. Bei der Berechnung der einzelnen Curricularanteile (Eigen- und Fremdleistungen) seien zwingend sämtliche nach der Studienordnung und dem Studienplan vorgeschriebenen Fächer zu berücksichtigen, auch alle außerhalb der Lehreinheit erbrachten Lehrveranstaltungen im Rahmen des Wahlfachs. Nicht zulässig sei es, den Curricularwert für das Wahlfach nicht zu erfassen, um formal eine Einhaltung des Curricularnormwerts (CNW) zu erreichen. Es obliege dem Antragsgegner, darzulegen, in welchem Maße und in welcher Form die Wahlfächer als Eigen- oder Fremdleistung erbracht würden und entsprechend die Curricularanteile auszuweisen. Der vom Antragsgegner angegebene Wert von 0,0075 als Anteil der Vorklinik am Wahlfach sei nicht nachvollziehbar. Bei korrekter Berechnung der einzelnen Curricularanteile (Eigen- und Fremdanteil) unter besonderer Berücksichtigung des Wahlfachs, das zu 75% importiert werde, sei der Curricularnormwert jedenfalls überschritten und deshalb proportional zu stauchen. In der Folge ergäben sich 20 weitere Studienplätze. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 2. März 2020 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzte sich den Beschwerden und übersandte mit Schriftsatz vom 27. März 2020 die „CAp-Werte nach Prüfungs- und 3. Studienordnungsänderung vom 20. September 2017“.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), wird im Ergebnis nicht erkennbar, dass an der LMU über die im Wintersemester 2017/2018 tatsächlich besetzten Studienplätze hinaus noch ungenutzte Ausbildungskapazität im Studienfach Humanmedizin (Vorklinik) vorhanden war.
Ohne Erfolg machen die Antragstellerinnen geltend, der bei der Kapazitätsberechnung für den vorklinischen Studienabschnitt angesetzte Curricularnormwert von 2,42 sei nach der vom Bevollmächtigten vorgelegten Berechnung der Lehrnachfrage anhand des quantifizierten Studienplans vom 20. September 2017 und insbesondere bei gebotener Berücksichtigung des Wahlfachs überschritten und deshalb seien Eigen- und Fremdanteil proportional zu kürzen. Auch in Erwägung der Argumente, die die Antragstellerinnen vortragen lassen, bleibt der Senat bei seiner Rechtsprechung, dass eine Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird, und der Aufteilung auf die beteiligten Lehreinheiten über einen Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 27; B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 20).
a) Gemäß § 43 HZV (vom 18.6.2007 [GVBl. S. 401] in der hier einschlägigen Fassung der Verordnung vom 28.4.2018 [GVBl. S. 277] – HZV a.F.) wird die jährliche Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung unter Anwendung von Curricularnormwerten bestimmt. Der Curricularnormwert bestimmt den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HZV a.F.). Der Wert beschreibt mithin, welcher Aufwand betrieben werden muss, um eine den Vorgaben der Approbationsordnung für Ärzte entsprechende Ausbildung zu gewährleisten. Gleichzeitig begrenzt er den Aufwand, den die Hochschule kapazitätswirksam betreiben darf (vgl. NdsOVG, U.v. 25.6.2019 – 2 LC 655/17 – juris Rn. 50). Mit der Beschränkung des Betreuungsaufwands durch einen Curricularnormwert wird dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Zulassungsanspruch des einzelnen Studienbewerbers durch eine einheitliche Regelung Rechnung getragen und insofern die Lehrfreiheit beschränkt (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.1981 – 7 N 1.79 – juris Rn. 72 zum Curricularrichtwert). Dementsprechend haben nach Art. 4 Abs. 1 Satz 6 BayHZG die Normwerte eine gleichmäßige und erschöpfende Auslastung der Hochschulen zu gewährleisten; in diesem Rahmen sind die Hochschulen aber bei der Gestaltung von Studium und Lehre frei.
Nach § 50 Abs. 4 HZV a.F., Nr. I.1. der Anlage 5 zu § 43 HZV a.F. ist der Curricularnormwert zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten so aufzuteilen und darzustellen, dass die Summe der Curricularanteile eines Studiengangs in den an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten den Curricularnormwert ergibt. Für die Kapazitätsberechnung ist nicht der von der Universität betriebene tatsächliche Ausbildungsaufwand, sondern ausschließlich der hierfür geltende Curricularnormwert maßgebend (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 7 CE 18.10012 – juris Rn. 12). Nach § 50 Abs. 4 Satz 2 HZV a.F. sind die Angaben der beteiligten Lehreinheiten aufeinander abzustimmen. Bindende gesetzliche Vorgaben, wie der Curricularnormwert aufzuteilen ist, fehlen, ebenso Regelungen, wie der für die Zulassungszahl bedeutsame Curriculareigenanteil zu bestimmen ist. Die Hochschulen entscheiden unter Berücksichtigung der kapazitätsrechtlichen Bestimmungen eigenverantwortlich und im Rahmen des ihnen zustehenden Organisationsermessens, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studenten im jeweiligen Studiengang beteiligt sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.5.2014 – 7 CE 14.10034 – juris Rn. 33 m.w.N.). Wenn die Stellenzuordnung nach Anlage 6 zu § 45 Abs. 1 Satz 2 HZV a.F. die Möglichkeit vorsieht, den Unterricht in bestimmten Fächern von anderen Lehreinheiten als Dienstleistung erbringen zu lassen, dann gewährt sie selbst einen Spielraum für die Aufteilung (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.1981 – 7 N 1.79 – BVerwGE 64, 77 juris Rn. 82). Dies trägt dem System des Ausgleichs zwischen dem aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Gebot erschöpfender und gleichmäßiger Kapazitätsnutzung durch die Festlegung des Gesamtbetreuungsaufwands, das zu einer Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit führt, und der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit Rechnung (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.1981 – 7 N 1.79 – BVerwGE 64, 77 juris Rn. 72). Solange die Universität den Curricularnormwert für den Studiengang Medizin (Vorklinik) in der Summe nicht überschreitet, ist ihre Aufteilung des Curricularnormwerts auf die an der Ausbildung der Studierenden beteiligten Lehreinheiten gerichtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – Rn. 20; B.v. 1.2.2016 – 7 ZB 15.10191 – juris Rn. 10).
b) Diesen Vorgaben ist die LMU nachgekommen. Wie sich aus dem im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27. März 2020 über-sandten quantifizierten Studienplan ergibt, der anlässlich der Dritten Satzung zur Änderung der Prüfungs- und Studienordnung für den Studiengang Medizin vom 20. September 2017 erstellt wurde, ist der nach der Anlage 7 zu § 50 Abs. 1 Satz 2 HZV a.F. auf 2,42 festgelegte Curricularnormwert für den Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) auf die an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt und in der Summe nicht überschritten worden; er beträgt 2,41605. Die beteiligten Lehreinheiten sind Folgende: Naturwissenschaften mit einem Curricularanteil von 0,19052, Medizin Vorklinik incl. Anteil Wahlfach mit einem Curricularanteil von 1,93812, TU München mit einem Curricularanteil von 0,04138, Klinischpraktische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,19477 und Klinischtheoretische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,05126. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass eine Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird, und der Aufteilung auf die beteiligten Lehreinheiten über einen Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 27; B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 20).
c) Dass der Gestaltungsspielraum bei Festlegung des kapazitätsbestimmenden cur-ricularen Eigenanteils der Vorklinik auf 1,93812 überschritten wäre, der Antragsgegner etwa den Curricularnormwert manipulativ kapazitätsverknappend aufgeteilt oder bei der Bildung des Curriculareigenanteils anderweitig willkürlich oder missbräuchlich gehandelt hätte, wird mit den Beschwerden nicht dargetan. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerinnen, wonach der Antragsgegner bei der Berechnung des Curriculareigenanteils auf der Grundlage eines quantifizierten Studienplans die nach der Studienordnung gebotene, zu einer Überschreitung des Curricularnormwerts führende Berücksichtigung des Wahlfachs sowohl im Eigen- als auch im Fremdanteil unterlassen habe. Der Antragsgegner trägt hierzu plausibel vor, der Wahlfachanteil, der aus dem Bereich der Vorklinik erbracht würde, sei laut einer Modellrechnung, die für die Hauptsacheverfahren wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der LMU zum Wintersemester 2016/2017 beim Verwaltungsgericht München erstellt worden wäre, mit einem Wert von 0,0075 realitätsnah abgebildet und dem Curriculareigenanteil der Vorklinik zugeordnet worden.
Ungeachtet dessen kann im Ergebnis offenbleiben, ob der auf die Vorklinik als Eigenanteil entfallende Wert für das Wahlfach – wie der Antragsgegner vorträgt – dem angesetzten Wert entspricht oder ob – wie die Antragstellerinnen unter Berufung auf die Alternativberechnungen des Bevollmächtigten geltend machen – Lehrveranstaltungen nicht ihrem tatsächlichen Umfang entsprechend bei Eigen- und Fremdanteil miteinbezogen und insbesondere das Wahlfach dabei nicht angemessen berücksichtigt worden sind. Der darauf beruhende Vortrag, bei realitätsnaher Berechnung und Addition der einzelnen Curricularwerte sei der Curricularnormwert von 2,42 überschritten und die deshalb vorzunehmende proportionale Kürzung von Eigen- und Fremdanteil führe zu einem geringeren Eigenanteil und in der Konsequenz zu weiteren 20 freien Studienplätzen, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Senat sieht auch bei Zugrundelegung der Curricularanteilsberechnungen der Antragstellerinnen keine Veranlassung, eine proportionale Kürzung auch des Eigenanteils vorzunehmen. Eine proportionale Kürzung durch das Gericht ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann angebracht, wenn sich die Annahme aufdrängt, dass zu Lasten der jeweiligen Antragsteller Kapazitäten nicht ausgeschöpft worden sind. In Betracht kommt dies allein dann, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Überschreitung des Curricularnormwerts auf einem erhöhten Ansatz der Lehrnachfrage beruht und mithin der Curriculareigenanteil überhöht ist. Überschreitet der sich anhand einer realitätsnahen Berechnung aus der Addition der einzelnen Curricularanteile ergebende Curricularwert den nach Maßgabe der Hochschulzulassungsverordnung zwingend zugrunde zu legenden Curricularnormwert, obliegt es der Hochschule, unter Abwägung des Teilhabeanspruchs der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG sowie der Lehrfreiheit der Hochschule aus Art. 5 Abs. 3 GG die Beachtung des Curricularnormwerts zu gewährleisten (vgl. OVG NRW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37/19 – juris Rn. 7; NdsOVG, B.v. 11.4.2014 – 2 NB 20/14 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Die Hochschule kann – eine Verpflichtung dazu besteht nicht – durch anteilige Kürzung von Eigen- und Fremdanteil eine Rückführung auf den Curricularnormwert vornehmen. Die Art und Weise, wie kapazitätsrechtlich die Rückführung auf den Curricularnormwert erfolgt, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und unterfällt dem Gestaltungsspielraum der jeweiligen Hochschule (vgl. VGH BW, U.v. 20.11.2013 – NC 9 S 174/13 – juris Rn. 64; OVG NRW, B.v. 3.9.2013 – 13 C 52/13 – juris Rn. 21). Die Hochschule überschreitet ihren Gestaltungsspielraum erst, wenn sie die Rückführung auf den Normwert missbräuchlich oder willkürlich handhabt, etwa um die Zulassungszahl möglichst kleinzuhalten (vgl. OVG NRW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37/19 – juris Rn. 9). Anhaltspunkte dafür sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Einhaltung des Curricularnormwerts durch teilweise Nichtberücksichtigung von Eigenleistungen – hier des Wahlfachanteils – der Vorklinik im Rahmen der Berechnung der Curricularanteile liegt im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums und ist – jedenfalls für sich gesehen – kapazitätsgünstig (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 7 CE 18.10012 – juris Rn. 12; B.v. 27.8.2010 – 7 CE 10.10278 u.a. – juris Rn. 33). Eine mögliche faktische Überschreitung des normativ festgesetzten Curricularnormwerts von 2,42 ist irrelevant, solange in die Kapazitätsberechnung – wie hier – kein über dieser Schwelle liegender Curricularnormwert eingeht und somit keine unzulässige kapazitätsverzehrende „Niveaupflege“ vorliegt. Der Hochschule ist es nicht verboten, einen weitergehenden Ausbildungsaufwand zu betreiben. Sie kann diesen überobligatorischen Aufwand den Studienbewerbern lediglich nicht kapazitätsmindernd entgegenhalten, sondern muss ihre Berechnungen gleichwohl anhand des Curricularnormwerts vornehmen (vgl. NdsOVG, U.v. 25.6.2019 – 2 LC 655/17 – juris Rn. 50).
Bilden Eigenleistungen der Vorklinik überpflichtgemäße Ausbildungsanstrengungen ab, werden diese aber nur im Rahmen des Curricularnormwerts bei der Kapazitätsberechnung in Ansatz gebracht, besteht kein Anspruch von Studienbewerbern auf die sog. Stauchung von Eigen- und Fremdanteil mit der Folge, dass durch die Reduzierung des Eigenanteils die Zahl der errechneten Studienplätze steigen würde. Eine derartige Handhabung hätte die mit dem Curricularnormwert als bestimmende Größe für die Ermittlung der Lehrnachfrage nicht zu vereinbarende Konsequenz, dass durch die größere Anzahl von Studienplätzen die Lehrnachfrage erheblich steigen und das durch Anwendung des ursprünglich berechneten Curriculareigenanteils erreichte Gleichgewicht von Lehrangebot und Studienplätzen gestört würde. Im Ergebnis bedeutete dies eine Unterschreitung des für einen Studierenden durchschnittlich erforderlichen Aufwands, der für seine ordnungsgemäße Ausbildung aus dem Bereich der Vorklinik zu erbringen ist. Das fordert das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht.
d) Die von den Antragstellerinnen zitierte Rechtsprechung des Senats im Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 CE 11.10338 – (juris) lässt sich als Beleg für deren Auffassung, bei einer Überschreitung des Curricularnormwerts sei eine anteilige Kürzung („Stauchung“) von Eigen- und Fremdanteil vorzunehmen, nicht anführen. Bei der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fallgestaltung ergab sich nach Aufteilung des Curricularnormwerts auf die am Studiengang beteiligten Lehreinheiten durch die Hochschule (vgl. § 50 Abs. 4 Satz 1 HZV a.F.) in der Summe eine Überschreitung des Curricularnormwerts. Hierzu führte der Senat aus, „dass die (wenn auch geringfügige) Überschreitung des Curricularnormwerts durch eine (anteilig auch) den Curriculareigenanteil treffende Kürzung auf den geltenden Curricularnormwert von 2,42 zurückzuführen ist“. Hat die Hochschule den Curricularnormwert im Wege der Aufteilung auf die am Studiengang beteiligten Lehreinheiten in der Summe überschritten und macht sie diesen Wert zur Grundlage ihrer Berechnung der Anzahl der Studienplätze, ohne von dem ihr grundsätzlich zustehenden Gestaltungsspielraum zur Rückführung auf den normierten Wert Gebrauch zu machen, kann dieser durch das Gericht im Wege proportionaler Kürzung von Eigen- und Fremdanteil auf den Normwert zurückgeführt werden. Hat die Hochschule jedoch – wie hier – ihren Gestaltungsspielraum selbst genutzt und bei der Aufteilung des Curricular(norm) werts auf die am Studiengang beteiligten Lehreinheiten etwaige sich ergebende Überschreitungen kompensiert, sodass sich im Ergebnis keine Überschreitung des Curricularnormwerts ergibt, besteht weder das Recht noch die Pflicht des Gerichts, in den Gestaltungsspielraum der Hochschule einzugreifen, soweit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Eigenanteil überhöht festgesetzt worden ist.
e) Schließlich verhilft den Beschwerden auch der Verweis auf Pastor, NVwZ 2018, 119 nicht zum Erfolg. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Antragstellerinnen, aus dessen Ausführungen ergebe sich, dass das Gericht generell bei einer realitätsnahen Berechnung sich ergebende Überschreitungen des Curricularnormwerts durch Stauchung von Eigen- und Fremdanteil zu korrigieren habe. So führt Pastor unter Nr. 3 Folgendes aus: „…Dem ist entgegenzuhalten, dass der CNW – wie oben ausgeführt – einen Ausgleich verschiedener Grundrechtspositionen herstellt, die auch diejenige der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG einschließt, so dass die Überschreitung des CNW, die zu einer Verminderung der Ausbildungskapazität führt, die subjektiven Rechte der Studienbewerber ersichtlich berührt… Der CNW stellt den normativen, kapazitätsrechtlich verbindlichen Bezugspunkt für den gesamten Studiengang dar. Die Gestaltungsfreiheit der Hochschule besteht nur innerhalb der Grenzen dieses normierten Werts. Ergibt die Kapazitätsberechnung der Hochschule, dass der CNW überschritten ist, muss sie eine kapazitätsrechtliche ‚Rückführung‘ auf diesen Wert vornehmen. Dabei steht ihr zwar ein von Art. 5 Abs. 3 GG geschützter Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist nicht erst dann überschritten, wenn die Hochschule die ‚Rückführung‘ missbräuchlich oder willkürlich handhabt, sondern bereits dann, wenn eine solche ‚Rückführung‘ erst gar nicht stattfindet, d.h. die Kapazitätsberechnung auf der Grundlage eines Ausbildungsaufwandes für einen Studenten oder eine Studentin vorgenommen wird, der den festgesetzten CNW überschreitet…“. Ersichtlich liegt diesen Ausführungen die Fallkonstellation zugrunde, dass die Hochschule bei der Kapazitätsberechnung von einem über dem Curricularnormwert liegenden Wert ausgeht und damit eine nicht kapazitätserschöpfende geringere Anzahl von Studienplätzen ausweist. Nicht anders kann die Einschränkung verstanden werden, dass „die Überschreitung des CNW, die zu einer Verminderung der Ausbildungskapazität führt“, die subjektiven Rechte der Studienbewerber berührt. Erbringt die Hochschule jedoch – wie hier – Lehrleistungen in höherem Maße als der Curricularnormwert bestimmt, bringt sie jedoch bei der Berechnung der Kapazität nur den Curricularnormwert in Ansatz, besteht kein Anlass, eine anteilige Kürzung von Eigen- und Fremdanteil vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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