Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  7 ZB 15.10368

Datum:
1.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 42604
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 56

 

Leitsatz

Die Normierung des Grenzwerts für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität stellt einen Vorgang wertender Rechtsetzung dar, für den dem Normgeber auch im Bereich des Numerus clausus ein Gestaltungsspielraum offen steht.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 12.10086 2015-07-27 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im ersten Fachsemester an der …-Universität W. (Universität) nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2012/2013. Sie macht geltend, die Universität habe ihre Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 27. Juli 2015 abgewiesen, weil alle Studienplätze für Studienanfänger im Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2012/2013 vergeben wurden und keine weiteren Studienplätze vorhanden waren.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Außerdem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die drei klinischen Behandlungseinheiten der Abteilung für Parodontologie seien entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen. Auch sei fraglich, ob wegen der „Abspaltung des Universitätsklinikums von der Universität“ eine „neue Widmung“ der Behandlungseinheiten erforderlich gewesen sei. Die Klägerin rügt ferner den Grenzwert für die jährliche Aufnahmekapazität (0,67 klinische Behandlungseinheiten je Studierenden) als nicht mehr zeitgemäß sowie (ohne nähere Begründung) die Berechnung der Schwundquote.
Der Beklagte tritt dem klägerischen Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Zahnmedizin ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des erstinstanzlichen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
a) Die Universität geht in ihrer Kapazitätsberechnung zutreffend von den ihr für die Ausbildung der Studierenden im Studiengang Zahnmedizin zur Verfügung stehenden 57 klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde aus (§ 56 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K] in der seinerzeit geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 8.4.2013 [GVBl S. 238]). Bei den Behandlungseinheiten (= Behandlungsstühlen) handelt es sich um solche, die für die Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind und auch nach der Organisation der Universität diesen Zwecken dienen. Die Universität hat die drei klinischen Behandlungseinheiten in den Räumen der Abteilung für Parodontologie in die Kapazitätsberechnung zu Recht nicht einbezogen, weil diese Behandlungseinheiten nur für die Behandlung der für die studentische Ausbildung nicht geeigneten schweren Erkrankungsfälle verwendet werden. Die studentische Ausbildung in Bezug auf parodontologische Behandlungen findet an anderen klinischen Behandlungseinheiten statt, welche in die Kapazitätsberechnung einbezogen sind (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 19.11.2013 – 7 CE 13.10250 – juris Rn. 8 ff).
b) Die Universität setzt – wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat – auch zu Recht als Grenzwert für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität 0,67 klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierender oder Studierenden an (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HZV). Die nicht näher substantiierten Einwände der Klägerin gegen den seit Jahrzehnten in unveränderter Höhe rechtlich normierten Grenzwert sind nicht begründet.
Der Grenzwert beruht, ebenso wie die Beschränkung der in Betracht zu ziehenden Behandlungseinheiten auf solche der Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde, auf der sachverständigen Grundlage des im Jahr 1976 im Auftrag des damaligen Bundesministers für Bildung und Wissenschaft von der Projektgruppe Zahnmedizin an der …-Universität Marburg erstellten sogenannten „Mangel-Gutachtens“ („Marburger Analyse“), das sich grundlegend mit der „Analyse und Bewertung von Daten und Methoden zur Kapazitätsermittlung im Studiengang Zahnmedizin“ befasst (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 11.7.2011 – 7 CE 11.10126 u. a. – juris Rn. 10). Der Senat hat bereits in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 27. September 1982 – 7 B 81 B.1792 u. a. – ausgeführt, dass sich der Verordnungsgeber das Untersuchungsergebnis der Marburger Analyse in einer wertenden Entscheidung zu eigen gemacht und zur verbindlichen Norm erhoben hat. Die Normierung des Grenzwerts stellt daher einen Vorgang wertender Rechtsetzung dar, für den dem Normgeber auch im Bereich des Numerus clausus ein Gestaltungsspielraum offen steht. Hierbei kommt es entscheidend auf das Ergebnis an, nämlich die Tauglichkeit der Norm zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Kapazitäten. Der Senat hat ferner darauf hingewiesen, dass nach den damaligen Erkenntnissen der Umfang der praktischen Ausbildung der Zahnmediziner am Patienten – bedingt durch die begrenzte Ausstattung mit klinischen Behandlungseinheiten – so knapp bemessen ist, dass er keinesfalls weiter unterschritten werden darf.
Diese frühe Einschätzung des Senats hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Dezember 1984 – 7 C 85/82 – (BVerwGE 70, 346) bestätigt. Danach dürfen Einzelerwägungen der Marburger Analyse nicht isoliert betrachtet werden, weil das den Grenzwert erklärende „Ableitungsmodell“ der Marburger Analyse von den konkreten Ausstattungsverhältnissen der Einzelkliniken abstrahierende Modellannahmen zugrunde legt, die in ihrem Gesamtzusammenhang die teilweise widerstreitenden Interessen des klinischen Personals, der auszubildenden Studierenden und der Studienbewerber zum Ausgleich bringen. Dem Normgeber obliegt es zwar, die Grenzwertregelung unter Beobachtung zu halten und zu überprüfen, ob der Ausbildungsbetrieb, ohne Schaden zu nehmen, eine zulassungsgünstigere Ausgestaltung des Kapazitätsrechts gestattet. Er muss jedoch nicht darlegen, warum er bei gleichbleibenden Verhältnissen eine einmal getroffene Regelung nicht zulassungsgünstiger ändert. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt es daher nicht, den derzeit geltenden Grenzwert oder Einzelerwägungen der Marburger Analyse in Zweifel zu ziehen, solange nicht dargetan wird, dass die Ausbildung der Zahnmediziner, ohne Schaden zu nehmen, auch bei Annahme eines zulassungsgünstigeren Grenzwerts möglich wäre. Hierfür gibt es jedoch heute ebenso wie in der Vergangenheit keine Anhaltspunkte.
c) Ebenso gibt es entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Grund zur Annahme, dass sich die Anzahl der klinischen Behandlungseinheiten deshalb erhöhen könnte, weil es sich bei dem Universitätsklinikum um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts handelt oder dass die Berechnung der Schwundquote zulasten der Studienbewerber fehlerhaft sein könnte.
2. Die Rechtssache hat nach alledem keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die von der Klägerin angesprochenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der Streitwertentscheidung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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