Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  7 CE 18.10050, 7 CE 18.10051, 7 CE 18.10052

Datum:
15.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26944
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHZV § 50
VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Der Curriculareigenanteil ist nicht zu hoch, wenn er in der Summe mit den Curricularanteilen der übrigen am Lehrangebot beteiligten Lehreinheiten den für den Studiengang maßgeblichen Curricularnormwert nicht übersteigt (vgl. zB BayVGH BeckRS 2017, 128093). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Festlegung des Curriculareigenanteils unterliegt der Organisationshoheit der Hochschule. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es besteht kein Anspruch auf Unterschreitung des festgesetzten Curricularnormwerts und damit auf eine Erhöhung der Ausbildungskapazität zu Lasten einer ordnungsgemäße Ausbildung. Die studiengangsspezifische Organisation der Ausbildung ist Sache der Hochschule (in stRspr vgl. zB BayVGH BeckRS 2017, 128093). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E Z 17.10348 2018-03-14 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im ersten Fachsemester an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Universität) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2017/2018.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat die Anträge jeweils mit Beschluss vom 14. März 2018 abgelehnt. Die Antragstellerinnen hätten nicht glaubhaft gemacht, dass an der Universität über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Zahnmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stünden.
Mit den Beschwerden verfolgen die Antragstellerinnen ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie machen geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft. Der Curriculareigenanteil (CAp) für den Studiengang Zahnmedizin von 6,2378 sei zu hoch angesetzt. Dessen Ermittlung durch Abzug der Fremdanteile vom Curricularnormwert (CNW) ohne Nachprüfung, ob dieser tatsächlich durch die aufgrund des Studienplans nachgefragten Studienleistungen ausgefüllt werde, beruhe auf der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Richtigerweise sei aber zwischen dem Curricularnormwert als gesetzter Norm und dem Curricularanteil als die Ausbildungswirklichkeit widerspiegelnde Rechengröße zu differenzieren. Das Kapazitätserschöpfungsgebot gebiete ungeachtet des Wortlauts der Erläuterung zum Curriculareigenanteil in Anlage 5 Abs. 3 HZV, dass dieser anhand der Hochschulwirklichkeit zu ermitteln bzw. ggf. der Curriculareigenanteil des Beispielstudienplans anzusetzen sei. Entsprechendes ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 1987 – 7 C 10.86 – (NVwZ 1989, 360). Da die Werte im Beispielstudienplan niedriger seien als der durch Subtraktion ermittelte Wert, blieben Kapazitäten ungenutzt. Konkret würde die entsprechende Berechnung zu jeweils einem zusätzlichen Studienplatz im Wintersemester 2017/2018 sowie im Sommersemester 2018 führen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Berechnungsunterlagen der Universität Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerinnen nicht.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Zahnmedizin ausgeschöpft hat und freie Studienplätze nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes anzumerken:
Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass der Curriculareigenanteil nicht als überhöht zu beanstanden ist, wenn er in der Summe mit den Curricularanteilen der übrigen am Lehrangebot beteiligten Lehreinheiten den für den Studiengang maßgeblichen Curricularnormwert nicht übersteigt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.09.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 17; B.v. 21.07.2017 – 7 CE 17.10096 u.a. – juris Rn. 8; B.v. 26.8.2014 – 7 CE 14.10084 u.a. – juris Rn. 12 ff.). Dies ist hier der Fall: Der von der Universität festgelegte Curriculareigenanteil in Höhe von 6,2378 ergibt zusammen mit den Curricularanteilen der übrigen am Lehrangebot beteiligten Lehreinheiten in Höhe von 1,5622 den Curricularnormwert für den Studiengang Zahnmedizin in Höhe von 7,8 (Anlage 7 zu § 50 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18. Juni 2007 [GVBl S. 401; BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. April 2017 [GVBl S. 96]). Die Universität hat die (zumindest) bereits im Vorjahr bestehende Erhöhung des Curriculareigenanteils im Schreiben vom 28. Mai 2018 plausibel damit erklärt, dass sich aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juli 2010 – 7 CE 10.10211 u.a. – (juris) der Anteil des Dienstleistungsexports der Vorklinik Humanmedizin für den Studiengang Zahnmedizin auf 0,7939 verringert und sich damit der Curriculareigenanteil entsprechend erhöht habe.
Auch unter Berücksichtigung der Argumente der Antragstellerinnen sieht der Senat keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Nicht geteilt wird die Auffassung, es sei zwischen dem Curricularnormwert als „gesetzter Norm“ und dem Curriculareigenanteil als die „Ausbildungswirklichkeit widerspiegelnder Rechengröße“ zu differenzieren. Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen ist weder eine Bemessung des Eigenanteils an der „Ausbildungswirklichkeit“ durch Erstellen einer Ausfüllberechnung erforderlich, noch dessen Feststellung mit der im Beispielstudienplan verwendeten Größe von 6,1482. Die Festlegung des Curriculareigenanteils unterliegt vielmehr der Organisationshoheit der Hochschule.
Die Curricularnormwerte, die sich an der maximalen Auslastung der Hochschulen orientieren, sind abstrakte Normwerte, die aus vielen konkreten Studienplänen abgeleitet wurden (vgl. Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl. 2003, § 13 Kapazitätsverordnung Rn. 2 ff.). Sie abstrahieren im Interesse einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen den Ausbildungsaufwand des jeweiligen Studiengangs und sind für die Kapazitätsberechnungen der einzelnen Hochschulen verbindlich. Die Studienbewerber haben deshalb auch keinen Anspruch auf Unterschreitung des festgesetzten Curricularnormwerts und damit auf eine Erhöhung der Ausbildungskapazität (Anzahl der Studienplätze) zu Lasten der an eine ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden zu stellenden Anforderungen. Für die Berechnung der Aufnahmekapazität und die gerichtliche Prüfung der Kapazitätsberechnung kommt es daher bei Vorgabe eines Curricularnormwerts – anders als bei der normativen Vorgabe lediglich einer „Bandbreite“ möglichen Ausbildungsaufwands eines Studiengangs – auf die von der jeweiligen Hochschule gewählte studiengangspezifische Organisation der Ausbildung nicht (mehr) an (in stRspr vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 19).
Zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten wird der Curricularnormwert auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen). Die Angaben für die beteiligten Lehreinheiten sind aufeinander abzustimmen (§ 50 Abs. 4 Satz 1 und 2 HZV). Im Rahmen des geltenden Curricularnormwerts ist die Universität in der Gestaltung von Lehre und Studium frei (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Sie entscheidet eigenverantwortlich und im Rahmen des ihr zustehenden Organisationsermessens, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studenten im jeweiligen Studiengang beteiligt sind (in stRspr vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28 9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 20 m.w.N.) Solange sie den Curricularnormwert in der Summe – wie hier – nicht überschreitet, ist ihre Aufteilung des Curricularnormwerts auf die an der Ausbildung der Studenten beteiligten Lehreinheiten vom Gericht nicht zu beanstanden.
Die vom Bevollmächtigten in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 1987 – 7 C 10.86 – (NVwZ 1989, 360) verhält sich zur Frage, welchen Anforderungen die Festsetzung des kapazitätsbestimmenden Eigenanteils genügen muss, nicht. Vielmehr befasst sie sich mit den Maßgaben zur Aufteilung eines (Gesamt-)Curricularnormwerts auf die Ausbildungsteile Klinik und Vorklinik. Im bayerischen Hochschulzulassungsrecht sind in Anlage 7 zu § 50 HZV jedoch (Teil-)Curricularnormwerte jeweils für Vorklinik und Klinik festgesetzt. Entsprechendes gilt für die Bezugnahme auf Pastor (Die Einhaltung des Curricularnormwerts im Studiengang Medizin als Problem im Kapazitätsprozess, NVwZ 2018, S. 119 ff.).
Soweit die Antragstellerinnen im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. Juni 2018 nunmehr auch die Höhe des der Kapazitätsberechnung der Universität zugrundgelegten Dienstleistungsexports aus dem Studiengang Humanmedizin in die Zahnmedizin in Frage stellen, muss dieser nachträgliche Sachvortrag schon wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 6 VwGO unberücksichtigt bleiben. Unabhängig davon hat die Universität mit Schriftsatz vom 20. Juli 2018 ausgeführt, dass die Curricularanteile für den Dienstleistungsexport unverändert geblieben seien und eine Neuberechnung erst mit der geplanten Verabschiedung einer neuen Prüfungs- und Studienordnung für die Zahnmedizin erfolgen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung in den erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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