Verwaltungsrecht

Zum Inhalt der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII

Aktenzeichen  M 18 K 15.4469

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153530
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 45

 

Leitsatz

1 Mit der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII ist lediglich die Mindestpersonalbemessung zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl festzusetzen. Durch das festgelegte Mindestpersonal ist der Träger indes nicht gehindert, mehr Personal einzusetzen. (Rn. 23 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ebene der Entgeltverhandlungen mit den zuständigen Jugendhilfeträgern ist von der Ebene der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII strikt zu trennen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt 1/10, der Kläger trägt 9/10 der Kosten des Verfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Gründe

1. Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2017 im Hinblick auf den Klageantrag I. 1. Spiegelstrich im Schreiben des Klägers vom 21. Oktober 2015 übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärten, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO insoweit einzustellen.
2. Bezüglich des restlichen Streitgegenstandes, d.h., der Anträge des Klägers im Schriftsatz vom 21. Oktober 2015 unter Ziff. I. Spiegelstriche 2-4 ist die Klage unzulässig. Dem Kläger fehlt für die diesbezüglichen Klageanträge das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzziel des Klägers zielt darauf ab, dass eine höhere Mindestpersonalbemessung als im streitgegenständlichen Bescheid vom 05. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheids vom 05. Juni 2015 festgesetzt wird. Der Kläger möchte dies erreichen, da nach seinem Vorbringen bei den Entgeltverhandlungen mit dem zuständigen Jugendamt oft auf die Mindestpersonalbemessung im heimaufsichtlichen Bescheid Bezug genommen werde.
Rechtlich hat jedoch wegen der unterschiedlichen Funktionen der heimaufsichtlich geprüften Betriebserlaubnis und der Entgeltverhandlungen für die Kostenübernahme des Personals mit dem zuständigen Jugendamt eine strikte Trennung dieser Ebenen stattzufinden. Die Betriebserlaubnis, die nach § 45 SGB VIII zu erteilen ist, stellt einen Eingriff in die Grundrechte des Klägers aus Art. 12 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 1 GG dar, der aufgrund der Pflicht des Staates zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt ist. Der Kläger ist durch die vorgeschaltete Prüfung und die Festlegung einer personellen Mindestausstattung in seinen Grundrechten beeinträchtigt. Daher ist lediglich die Mindestpersonalbemessung zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl festzusetzen. Je niedriger das Personal bemessen ist, das mindestens vom Kläger eingesetzt werden muss, desto geringer ist auch der Eingriff des Staates in die betroffenen Grundrechte des Klägers (VGH München, B.v. 19.8.2016, Az. 12 CE 16.1172 – juris Rn. 32 f.).
Durch das festgelegte Mindestpersonal ist der Kläger indes nicht gehindert, mehr Personal einzusetzen. Daran hindern ihn die streitgegenständlichen Bescheide nicht (VGH München, B.v. 19.8.2016, Az. 12 CE 16.1172 – juris Rn. 34, 41f.).
Dem Kläger steht aus eigenen Rechten (Art. 12 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) keine Rechtsposition zu, im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens eine höhere Mindestpersonalbemessung zu erlangen. Die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte, dass die festgesetzte Mindestpersonalbemessung dem Kindeswohl widerspräche, stellt auf die Rechte der betroffenen, in der Einrichtung des Klägers betreuten Kinder ab und kann nicht vom Kläger dargetan werden.
Mithin fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, da er anstelle einer Abwehrfunktion der Grundrechte bezüglich des Eingriffes systemwidrig einen größeren Eingriff durch die so gering wie möglich zu haltende Gefahrenabwehr vom Beklagten fordert (VGH München, B.v. 19.8.2016, Az. 12 CE 16.1172 – juris Rn. 31, 43).
Soweit vorgetragen wird, dass in den Entgeltverhandlungen mit dem zuständigen Jugendhilfeträger auf die Mindestpersonalbemessung abgestellt werde und dem Kläger deshalb auf Grund einer nach dessen Ansicht zu geringen Festsetzung des Mindestpersonals ein Nachteil drohe, ist festzustellen, dass die Ebene der Entgeltverhandlungen mit den zuständigen Jugendhilfeträgern von der Ebene der Betriebserlaubnis strikt zu trennen ist (BayVGH, B.v. 19.8.2016 – Az. 12 CE 16.1172 -, juris – Rd. 32). Sollte mit dem zuständigen Jugendhilfeträger keine Einigung über die zu leistende Kostenerstattung für ein über die Mindestpersonalfestsetzung der Betriebserlaubnis hinausgehendes Personal erzielt werden, sieht das Gesetz vor, nach § 78 g Abs. 2 SGB VIII die Schiedsstelle anzurufen. Die Schiedsstellen sind mit besonderer Sachkunde ausgestattet, paritätisch zusammengesetzt und prüfen unter Beachtung der Punkte Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit, wie hoch ein leistungsgerechtes Entgelt für den Betrieb der Einrichtung unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien ausfallen sollte (Wiesner, Kommentar SGB VIII, 4. Auflage, § 78 g, Rd. 17). Die Schiedsstellen wurden außerdem zu dem Zweck eingerichtet, die Verwaltungsgerichte zu entlasten. Dieser Zweck und auch die Einrichtung der Schiedsstellen würde unterlaufen, wenn im Rahmen des systematisch getrennt zu betrachtenden Betriebserlaubnisverfahrens ein individueller Anspruch des Klägers auf die Feststellung einer „richtigen, sachgerechten“ Bemessung des Personals eingeräumt werden würde.
Die Schiedsstellenentscheidungen sind vor den Verwaltungsgerichten überprüfbar, wobei ein eingeschränkter Überprüfungsspielraum besteht. Es werden nur grobe Fehler der Schiedsstelle in der Schlichtungsvereinbarung zu einer Aufhebung der Schlichtungsvereinbarung durch das Verwaltungsgericht führen (Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage, § 78 g, Rd. 18).
Angesichts der paritätischen Besetzung der Schiedsstellen und der Möglichkeit, die Rechtsaufsicht der zuständigen Heimaufsicht nach § 45 SGB VIII einzubinden, stehen dem Kläger im System der Entgeltverhandlungen mehrere Wege offen, wie er Einfluss auf die Kostenerstattungsverhandlungen nehmen kann. Mithin ist der Rechtsschutz, den der Kläger im Rahmen der Betriebserlaubnis durch das Gericht begehrt, als systemwidrig einzustufen.
3. Bei der Kostenentscheidung des Verfahrens ist zu trennen zwischen der Kostenentscheidung bezüglich des Verfahrensteiles, der übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, und der Kostenentscheidung, die auf die restlichen drei noch streitgegenständlichen Anträge entfällt. Das erkennende Gericht sieht angesichts der inhaltlichen Ziele der Anträge den Gegenstandswert für den Antrag, der übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, bei 1/10 des gesamten anfänglichen Gegenstandswertes.
Bezüglich des Verfahrensteiles, der übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Streit- und Sachstandes zu treffen. Da es sich vorliegend um eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO handelt und der Beklagte erst am 22. Februar 2017 den streitgegenständlichen Bescheid abänderte und somit eine Hauptsacheerledigung herbeiführte, waren die Kosten des eingestellten Verfahrensteiles nach § 161 Abs. 3 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen.
Bezüglich der Kosten des streitigen Verfahrens muss der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO wegen seines Unterliegens im Rechtsstreit die Kosten des Verfahrens tragen.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger 9/10 der Verfahrenskosten, der Beklagte 1/10 der Verfahrenskosten tragen muss, vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

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