Verwaltungsrecht

Zur Mindestpersonalbemessung in Betriebserlaubnis

Aktenzeichen  M 18 K 16.2166

Datum:
31.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII SGB VIII § 45, § 78b Abs. 1, § 78g Abs. 2
GG GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12

 

Leitsatz

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen ist rechtlich zwischen der Ebene der Entgeltverhandlungen für die Kostenübernahme des Personals mit dem zuständigen Jugendhilfeträger und der Ebene der Betriebserlaubnis zu trennen. Dem Inhaber der Betriebserlaubnis steht aus eigenen Rechten keine Rechtsposition zu, im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens eine höhere Mindestpersonalbemessung zu erlangen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

1. Die Klage ist unzulässig.
Dem Kläger fehlt für die Aufhebung und Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 22. Februar 2016 das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzziel des Klägers zielt insbesondere darauf ab, dass wegen der vorhergesehenen Rund-um-die-Uhr-Betreuung sowie einer Rufbereitschaft an 365 Tagen (16 bzw. 24 Stunden) eine höhere Mindestpersonalbemessung als in den streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzt wird. Der Kläger möchte dies erreichen, da nach seinem Vorbringen bei den Entgeltverhandlungen mit dem zuständigen Jugendamt oft auf die Mindestpersonalbemessung im heimaufsichtlichen Bescheid Bezug genommen werde.
Rechtlich hat jedoch wegen der unterschiedlichen Funktionen der heimaufsichtlich geprüften Betriebserlaubnis und der Entgeltverhandlungen für die Kostenübernahme des Personals mit dem zuständigen Jugendamt eine strikte Trennung dieser Ebenen stattzufinden. Die Betriebserlaubnis, die nach § 45 SGB VIII zu erteilen ist, stellt einen Eingriff in die Grundrechte des Klägers aus Art. 12 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 1 GG dar, der aufgrund der Pflicht des Staates zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt ist. Der Kläger ist durch die vorgeschaltete Prüfung und die Festlegung einer personellen Mindestausstattung in seinen Grundrechten beeinträchtigt. Daher ist lediglich die Mindestpersonalbemessung zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl festzusetzen. Je niedriger das Personal bemessen ist, das mindestens vom Kläger eingesetzt werden muss, desto geringer ist auch der Eingriff des Staates in die betroffenen Grundrechte des Klägers (VGH München, B.v. 19.8.2016, Az. 12 CE 16.1172 – juris Rn. 32 f.).
Durch das festgelegte Mindestpersonal ist der Kläger indes nicht gehindert, mehr Personal einzusetzen. Daran hindern ihn die streitgegenständlichen Bescheide nicht (VGH München, B.v. 19.8.2016, Az. 12 CE 16.1172 – juris Rn. 34, 41 f.).
Dem Kläger steht aus eigenen Rechten (Art. 12 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) keine Rechtsposition zu, im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens eine höhere Mindestpersonalbemessung zu erlangen. Die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte, dass die festgesetzte Mindestpersonalbemessung dem Kindeswohl widerspräche, stellt auf die Rechte der betroffenen, in der Einrichtung des Klägers betreuten Kinder ab und kann nicht vom Kläger dargetan werden.
Mithin fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, da er anstelle einer Abwehrfunktion der Grundrechte bezüglich des Eingriffes systemwidrig einen größeren Eingriff durch die so gering wie möglich zu haltende Gefahrenabwehr vom Beklagten fordert (VGH München, B.v. 19.8.2016, Az. 12 CE 16.1172 – juris Rn. 31, 43; vgl. u. a. VG München, Urteil v. 22.02.2017, Az. M 18 K 15.5769).
Soweit vorgetragen wird, dass in den Entgeltverhandlungen mit dem zuständigen Jugendhilfeträger auf die Mindestpersonalbemessung abgestellt werde und dem Kläger deshalb auf Grund einer nach dessen Ansicht zu geringen Festsetzung des Mindestpersonals ein Nachteil drohe, ist festzustellen, dass die Ebene der Entgeltverhandlungen mit den zuständigen Jugendhilfeträgern von der Ebene der Betriebserlaubnis strikt zu trennen ist (BayVGH, B.v. 19.8.2016 – Az. 12 CE 16.1172 – juris Rd. 32). Sollte mit dem zuständigen Jugendhilfeträger keine Einigung über die zu leistende Kostenerstattung für ein über die Mindestpersonalfestsetzung der Betriebserlaubnis hinausgehendes Personal erzielt werden, sieht das Gesetz vor, nach § 78 g Abs. 2 SGB VIII die Schiedsstelle anzurufen. Die Schiedsstellen sind mit besonderer Sachkunde ausgestattet, paritätisch zusammengesetzt und prüfen unter Beachtung der Punkte Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit, wie hoch ein leistungsgerechtes Entgelt für den Betrieb der Einrichtung unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien ausfallen sollte (Wiesner, Kommentar SGB VIII, 4. Auflage, § 78 g, Rd. 17). Die Schiedsstellen wurden außerdem zu dem Zweck eingerichtet, die Verwaltungsgerichte zu entlasten. Dieser Zweck und auch die Einrichtung der Schiedsstellen würde unterlaufen, wenn im Rahmen des systematisch getrennt zu betrachtenden Betriebserlaubnisverfahrens ein individueller Anspruch des Klägers auf die Feststellung einer „richtigen, sachgerechten“ Bemessung des Personals eingeräumt werden würde.
Die Schiedsstellenentscheidungen sind vor den Verwaltungsgerichten überprüfbar, wobei ein eingeschränkter Überprüfungsspielraum besteht. Es werden nur grobe Fehler der Schiedsstelle in der Schlichtungsvereinbarung zu einer Aufhebung der Schlichtungsvereinbarung durch das Verwaltungsgericht führen (Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage, § 78 g, Rd. 18).
Angesichts der paritätischen Besetzung der Schiedsstellen und der Möglichkeit, die Rechtsaufsicht der zuständigen Heimaufsicht nach § 45 SGB VIII einzubinden, stehen dem Kläger im System der Entgeltverhandlungen mehrere Wege offen, wie er Einfluss auf die Kostenerstattungsverhandlungen nehmen kann. Mithin ist der Rechtsschutz, den der Kläger im Rahmen der Betriebserlaubnis durch das Gericht begehrt, als systemwidrig einzustufen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte einwendet, aus der Entscheidung des BayVGH vom 2. Februar 2016, 12 CE 17.71, juris Rn. 27 ergebe sich eine andere Rechtsauffassung, ist dem nicht zu folgen. Die Streitgegenstände in den beiden Verfahren sind nicht miteinander vergleichbar. Während die Klärung der Qualifikationsanforderungen an eine Ferienbetreuungskraft den Mindeststandard der fachlichen Eignung des Personals zur Sicherung des Kindeswohls betrifft, ist der über den Mindeststandard hinausgehende Personalumfang nicht mehr Inhalt der Betriebserlaubnis. Denn dem Inhaber der Betriebserlaubnis bleibt es unbenommen, im Zuge von Leistungsvereinbarungen nach § 78 b Abs. 1 SGB VIII einen höheren als den in der Betriebserlaubnis festgesetzten Personalstandard auszuhandeln. Folglich scheiterte der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis (überflüssiger Rechtsschutz), sondern an fehlendem, besonderem qualifiziertem Rechtsschutzinteresse, welches die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei nach § 188 S. 2 VwGO.


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