Verwaltungsrecht

Zur Post- und Telekommunikation bei Beschränkung auf elektronische Zurverfügungstellung der Behördenakte im asylgerichtlichen Verfahren

Aktenzeichen  M 24 M 17.48674

Datum:
29.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32290
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VV-RVG Nr. 7002
VwGO § 151, § 162 Abs. 2 S. 3, § 165 S. 2
AsylG § 80

 

Leitsatz

1 Die Kostenerinnerung wird nicht von dem in § 80 AsylG vorgesehenen Beschwerdeausschluss erfasst. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen; bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen
II. Die Beklagte und Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Die Beklagte und Erinnerungsführerin wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. September 2017 im Verfahren M 24 K 16.34913.
Mit Urteil vom 19. Juli 2017 im Verfahren M 24 K 16.34913 hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. November 2016 in den Nrn. 3 und 4 aufgehoben und das Verfahren im Übrigen eingestellt. Die Kosten des Verfahrens hat das Gericht dem Kläger zu 3/4 und der Beklagten zu 1/4 auferlegt. Im Klageverfahren hat das Bundesamt lediglich die elektronische Akte übermittelt, sich aber ansonsten – auch auf Aufforderung des Gerichts hin – nicht geäußert.
Mit Schriftsatz vom 25. August 2017 beantragte der Bevollmächtigte der Klagepartei die Kostenfestsetzung. Hierzu wurde die Beklagte mit Schreiben der Kostenbeamten vom 30. August 2017 angehört und gleichzeitig aufgefordert, ihre außergerichtlichen Parteiaufwendungen zum Zwecke des Kostenausgleichs einzureichen.
Mit Schriftsatz vom 11. September 2017 beantragte die Beklagte Postauslagen entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Höhe von 20 € als notwendige Prozessaufwendungen des Bundesamts im Rahmen des Kostenausgleichs gemäß § 106 ZPO zu berücksichtigen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. September 2017 wurden die dem Kläger im Klageverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen antragsgemäß auf 925,23 € festgesetzt und der Beklagten ¼ dieser Kosten, d.h. 231,31 €, auferlegt. Aufwendungen der Beklagten wurde nicht angesetzt. Zur Begründung dazu wurde ausgeführt, in der Gerichtsakte finde sich weder ein Schreiben der Beklagten noch ein Hinweis auf Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Es sei lediglich die Akte auf elektronischem Wege über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übersandt worden, welches kostenfrei zur Verfügung stehe, sodass der Beklagten offensichtlich keine tatsächlichen Kosten, die die Entstehung der Pauschale nach Nr. 7002 RVG rechtfertigen würden, entstanden seien.
Mit Schriftsatz vom 22. September 2017 beantragte die Beklagte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. September 2017 die Entscheidung des Gerichts.
Hinsichtlich der Begründung, dass keine tatsächlichen Kosten entstanden seien, sei zu beachten, dass auch die elektronische Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen Ausgaben bzw. Kosten (Gehalt der Mitarbeiter, technische Ausstattung, Sachausgaben, Miete, Anschaffung, Strom etc.) verursache, die in die Postauslagen entsprechend § 162 Abs. 2 Satz drei VwGO einfließen würden, und dass auch die Übersendung des Prozesskostenausgleichs, der Erinnerung und der Stellungnahme postalisch erfolgten und Portokosten auslösten. Es seien auch in anderen Verfahren diese Aufwendungen anerkannt worden. Einer entsprechenden Kosten Erinnerung in einem anderen Verfahren sei durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 11. Juli 2017 abgeholfen worden.
Die Kostenbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte den Vorgang dem Gericht zur Entscheidung vor. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. November 2017 gegeben. Sie äußerten sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden sowie des Verfahrens M 24 K 16.34913 Bezug genommen.
II.
Die Kostenerinnerung bleibt ohne Erfolg.
1. Zur Entscheidung im vorliegenden Erinnerungsverfahren ist der Einzelrichter berufen. Funktionell zuständig für die in § 165 Satz 2, § 151 Satz 1 VwGO vorgesehene Entscheidung über die Kostenerinnerung ist, wer die zugrundeliegende Kostengrundentscheidung getroffen hat (BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40/95 – NVwZ 1996, 786, juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 03.12.2003 – 1 N 01.1845 – NVwZ-RR 2004, 309, juris Rn. 9-12).
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
2.1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft. Er wird nicht von dem in § 80 Asylgesetz (AsylG) vorgesehenen Beschwerdeausschluss erfasst. Denn es handelt sich bei der vorliegenden Kostenerinnerung schon „nicht um eine “Beschwerde“ im Rechtssinn, weil § 165 Satz 2 VwGO über die Verweisung auf § 151 VwGO und die dort in Satz 1 geregelte Möglichkeit, eine Entscheidung des Gerichts zu beantragen, und die in Satz 3 der vorgenannten Norm angeordnete entsprechende Geltung der für Beschwerden maßgeblichen Bestimmungen §§ 147 bis 149 VwGO nur die analoge Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Beschwerderechts regelt (OVG NRW, B.v. 16.10.2014 – 11 B 789/14.A – NVwZ-RR 2015, 359, juris Rn. 8).
2.2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist gestellt (§§ 165, 151 VwGO).
3. Die Kostenerinnerung ist nicht begründet.
3.1. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß §§ 164, 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO werden auf Antrag durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des ersten Rechtszugs die zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits untereinander zu erstattenden Kosten festgesetzt (§ 164 VwGO). Grundlage hierfür ist die Kostengrundentscheidung im vorangegangenen Urteil.
Die Beklagte und Erinnerungsführerin hat keinen Anspruch auf eine Pauschale für Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG). Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO können Behörden den Höchstsatz der Pauschale nur „an Stelle ihrer tatsächlich notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen“ fordern. Auch nach Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG besteht der Anspruch auf die erhöhte Pauschale nur „an Stelle der tatsächlichen Auslagen nach Nummer 7001“. Der nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. Die Behörde wird lediglich von der Verpflichtung, Einzelnachweise für die jeweiligen Aufwendungen zu erbringen, entbunden (vgl. a. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673 m.w.N.).
Das Bundesamt hatte hier aber mangels Äußerung im Klageverfahren keine Aufwendungen oder Auslagen. Während des Erkenntnisverfahrens erfolgte kein postalischer Schriftverkehr an das Gericht. Die Behördenakte des Bundesamtes wurde nicht mit Hilfe eines Postdienstleisters (unter Entgeltaufwendung) an das Gericht übermittelt. Eine Übersendung der Kostennote im Klageverfahren kann einen Anspruch auf Festsetzung der Pauschale ebenso wenig begründen wie der Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren. Denn gemäß § 162 Abs. 1 VwGO müssen die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein. Die Beschränkung auf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bewirkt, dass die Aufwendungen während des eigentlichen Prozessverfahrens, hier also des Klageverfahrens, angefallen sein müssen (vgl. a. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673). Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten (vgl. VG München, B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 9.1.2018 – M 19 M 17.48581; B.v. 2.1.2018 – M 19 M 17.49875; B.v. 5.1.2018 – M 24 M 17.46144; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673; Schmidt in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 7; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 23. Auflage, Vorb. 7 VV RVG Rn. 10).
Soweit die Beklagte und Erinnerungsführerin auf andere Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Münchens verweist, in denen die Kostenpauschale von 20,00 € im Rahmen des Kostenausgleichs berücksichtigt worden sei, ist schon nicht dargetan, dass es sich dabei nicht etwa – anders als hier – um Fälle handelte, in denen dem Bundesamt nach Aktenlage tatsächlich Kosten entstanden sind, da nachweislich ein postalischer Schriftverkehr stattgefunden hat. Mangels Angabe eines Az. konnte dies seitens des Gerichts auch nicht nachgeprüft werden.
4. Die Beklagte und Erinnerungsführerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 83b AsylG sowie – mangels Listung im Kostenverzeichnis – auch § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Anlage 1 Kostenverzeichnis, dort Teil 5).
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar gemäß § 80 AsylG (vgl. VGHBW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 22.5.2013 – 8 C 13.30078 – juris Rn. 6).


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