Verwaltungsrecht

Zurückstellung einer Beförderung wegen Leistungsabfalls ohne Anlassbeurteilung

Aktenzeichen  3 ZB 19.2541

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6113
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
BayBesG Art. 30 Abs. 3, Art. 66
LlbG Art. 62 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Im Beamtenrecht ist kein Anspruch auf Beförderung normiert; ein solcher kann sich nur ergeben, wenn eine freie und besetzbare Planstelle vorhanden und das Beförderungsermessen auf Null reduziert ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beamter kann vom Stufenaufstieg ausgenommen werden, wenn seine Leistung den mit dem Amt verbundenen Mindestanforderungen nicht entspricht, auch wenn diese Leistungsfeststellung regelmäßig mit der periodischen Beurteilung verbunden ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass ein auffallender Leistungsabfall der Beamtin lediglich in dem angefochtenen Beförderungszurückstellungsbescheid und nicht in einer entsprechenden Anlassbeurteilung festgestellt wurde und damit die Beförderungszurückstellung wegen Nichtbeachtung von Verfahrensvorschriften formal rechtswidrig ist, kann keinen Schadensersatz begründen, wenn der durch die unterlassene Beförderung verursachte Schaden auch bei Beachtung der Verfahrensvorschriften, hier Erstellung einer Anlassbeurteilung, eingetreten wäre. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 17.4346 2019-11-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 12.465,81 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen – soweit sie den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wurden – nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin als unzulässig abgewiesen. Die Absicht, wegen der vorläufigen Zurückstellung von der Beförderung, die sich mit dem einheitlichen Verwendungsbeginn der dienstlichen Beurteilung 2017 erledigt habe, einen Amtshaftungsprozess zu führen, begründe kein Feststellungsinteresse. Dieser sei – die Rechtswidrigkeit der Zurückstellung unterstellt – offensichtlich aussichtlos, weil ein dem Dienstherrn zurechenbares Verschulden des handelnden Bediensteten ausscheide. Die jeden Inhaber eines öffentlichen Amtes treffende Verpflichtung, die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Mittel gewissenhaft zu prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung zu bilden, sei vorliegend erfüllt worden. Das Polizeipräsidium habe sich im angefochtenen Bescheid auf Nr. 2.3.1 Abs. 1 BefRPolVS gestützt; schwerwiegende Leistungsmängel, die seit der letzten dienstlichen Beurteilung bekannt geworden seien, lägen nach dem Leistungsbild des zwischenzeitlich unmittelbaren Vorgesetzten vom 21. Februar 2017 vor. Die Einholung von Leistungsbildern vor anstehenden Beförderungsentscheidungen werde als vom Leistungsgrundsatz gebotene Vorgehensweise angesehen und seit Jahren praktiziert, ohne dass gegen diese von Seiten der Personalvertretung Einwände erhoben worden seien oder von Seiten des zuständigen Staatsministeriums eine Beanstandung erfolgt sei. Zur Frage, wie schwerwiegende Leistungsmängel im Sinne der Richtlinie festzustellen seien, gebe es bislang weder in der Kommentarliteratur noch in der Rechtsprechung explizite Rechtsauffassungen.
Die Klägerin rügt, die handelnden Beamten hätten zumindest fahrlässig gehandelt. Sie hätten sich nicht ausführlich und mit vertretbarem Ergebnis mit den zu entscheidenden rechtlichen Fragen auseinandergesetzt, obwohl diese schon durch die Vertrauensperson der Schwerbehinderten im Rahmen des Verfahrens mit E-Mail vom 27. Januar 2017 und in der Widerspruchsbegründung vorgebracht worden seien. Auch das Verwaltungsgericht habe sowohl am Ende seines Urteils als auch in der mündlichen Verhandlung Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zurückstellung geäußert. Es habe festgestellt, dass in den beamtenrechtlichen Gesetzen nirgendwo die Erstellung eines Leistungsbilds oder einer Leistungseinschätzung geregelt sei. Behörden seien jedoch nicht berechtigt, ihre Entscheidungen auf etwas zu stützen, was gesetzlich nicht vorgesehen sei. Mithin sei maßgeblich auf die dienstliche Beurteilung abzustellen gewesen.
Damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Die Behauptung, dass die vom Verwaltungsgericht unterstellte Rechtswidrigkeit der Zurückstellung bei gewissenhafter Prüfung der Rechtslage offenkundig gewesen sei, trifft nicht zu. Sowohl der Verweis auf die nicht entscheidungstragenden abschließenden Bemerkungen des angefochtenen Urteils als auch die Begründung des Zulassungsantrags liefern nur nicht weiter begründete Zweifel. Diese musste der Beklagte indes nicht teilen. Die Beförderungsrichtlinie legt zutreffend zugrunde, dass das Beamtenrecht einen Anspruch auf Beförderung nicht normiert hat (vgl. Nr. 2.1 Satz 3 BefRPolVS). Ein solcher kann sich nur ergeben, wenn eine freie und besetzbare Planstelle vorhanden und das Beförderungsermessen auf Null reduziert ist. Das Beförderungsermessen ist dabei verfassungsrechtlich durch den Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) geprägt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Beförderung zurückgestellt werden darf, wenn im Auswahlzeitpunkt nachvollziehbare und begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten bestehen (BVerwG U. v. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 17.12.2013 – 3 CE 13.2171 – juris Rn. 25; SächsOVG, B.v. 15.3.2010 – 2 B 516/09 – juris Rn. 13). Dass demgegenüber nachvollziehbare und begründete Zweifel an der Leistung keinen Einfluss auf die Ermessensentscheidung haben dürften, lässt sich nicht feststellen. So entspricht es der Rechtslage, einen Beamten vom Stufenaufstieg auszunehmen, wenn seine Leistung den mit dem Amt verbundenen Mindestanforderungen nicht entspricht (Art. 30 Abs. 3 BayBesG), auch wenn Art. 62 Abs. 1 Satz 1 LlbG diese Leistungsfeststellung regelmäßig mit der periodischen Beurteilung verbindet. Ebenso setzt auch die Bewilligung einer Leistungsstufe nach Art. 66 BayBesG eine Leistungsfeststellung voraus. Gegebenenfalls bedarf es bei knappen Vergabemöglichkeiten einer Auswahlentscheidung, bei der ein Leistungsabfall nicht unberücksichtigt bleiben kann. Vor diesem Hintergrund ist – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – ein Verschulden der die Zurückstellung veranlassenden Bediensteten des Beklagten nicht ersichtlich, zumal der Leistungsabfall der Klägerin zur damaligen Zeit durch die bestandskräftige Beurteilung 2017 mit 6 Punkten (vgl. das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 20.7.2020 – M 5 K 18.5152 – juris) zwischen den Beteiligten feststeht.
Die geltend gemachte Verweigerung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) liegt nicht vor. Es ist anerkannt, dass eine Anlassbeurteilung erforderlich werden kann, wenn die Aktualität der Regelbeurteilung bei Vorliegen eines wichtigen bzw. einschneidenden Grunds unterbrochen wird. Ein solcher kann vorliegen, wenn ein auffallender Leistungsabfall während des Regelbeurteilungszeitraums eintritt (Hoffmann in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 92 LBG NRW Anm. 5.2 Rn. 66 m.w.N.). Wäre der auffallende Leistungsabfall der Klägerin mithin nicht nur in dem angefochtenen Beförderungszurückstellungsbescheid vom 22. Februar 2017 (i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 4.8.2017), sondern gleichzeitig in einer entsprechenden Anlassbeurteilung zum 1. Februar 2017 festgestellt worden, wäre offenkundig, dass die vom Verwaltungsgericht für möglich gehaltene Verletzung von Verfahrensvorschriften keinen Schaden verursacht hätte, weil dieser auch bei deren Beachtung eingetreten wäre (Hau/Poseck, BeckOK BGB, § 839 Rn. 42).
2. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Diesem Darlegungsgebot kommt die Klägerin schon deshalb nicht nach, weil sie selbst einräumt, dass es auf die von ihr für klärungsbedürftig gehaltene Frage der Rechtmäßigkeit der in Abschnitt I Ziffer 2.3.1 BefRPolVS getroffenen Regelung für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt, wenn die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung zum Verschulden zutrifft. Dies ist nach den obigen Ausführungen der Fall.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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