Verwaltungsrecht

Zwangsgeld wegen Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 K 15.4525

Datum:
14.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG VwZVG Art. 31, Art. 36, Art. 37, Art. 38 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels sind nur insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbstständige Rechtsverletzung darstellen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwangsmittel können so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Nach der maßgeblichen Antragstellung am Ende der mündlichen Verhandlung begehrt der Kläger neben der ursprünglich mit der Klageerhebung verfolgten Anfechtung der erneuten Zwangsgeldandrohung auch die Feststellung, dass entgegen der Fälligstellung im Schreiben der Beklagten vom … September 2015 das Zwangsgeld nicht fällig geworden ist.
Die Klage ist in beiden Anträgen zulässig, jedoch sowohl im Feststellungsantrag (nachfolgend unter 1.) als auch im Anfechtungsantrag (nachfolgend unter 2.) unbegründet.
1. Der Kläger kann die begehrte Feststellung nicht verlangen, da die mit Schreiben vom … September 2015 fällig gestellten Zwangsgelder tatsächlich auch fällig geworden sind.
Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckgesetz (VwZVG) wird eine Zwangsgeldforderung fällig, wenn die einem i. S. v. Art. 31 Abs. 1 VwZVG Pflichtigen auferlegte Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht bis zum Ablauf der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zu bestimmenden Frist nicht erfüllt wird. Gemäß Art. 38 Abs. 3 VwZVG sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels nur insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbstständige Rechtsverletzung darstellen.
Die Zwangsgeldandrohung im Ausgangsbescheid vom … April 2015 ist bestandskräftig, da der Kläger hiergegen keinen Rechtsbehelf erhoben hat. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Beklagte zu Recht davon ausgeht, dass der Kläger der bestandskräftigen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG; daneben ist hier auch Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG einschlägig) Verpflichtung aus Nr. 1 des Bescheids vom … April 2015 nicht innerhalb der in der Nr. 2 dieses Bescheids gesetzten Frist von drei Monaten ab Zustellung des Bescheids nachgekommen ist.
Dabei ist es unerheblich, dass die Beklagte im Schreiben bzw. Bescheid vom … September 2015 die Fälligstellung auch auf Umstände stützt, die innerhalb des verfügten Dreimonatszeitraums ab Bescheidzustellung liegen. Das würde das Fälligwerden des Zwangsgeldes nur dann hindern, wenn die nachgewiesenen Verstöße sämtlich innerhalb dieses Zeitraums gewesen wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn jedenfalls die Ortsermittlung vom … August 2015 und deren Ergebnis (vgl. den Vermerk über diese Ortsermittlung vom …08.2015, Bl. 251 der Behördenakten) liegen außerhalb des dreimonatigen Zeitraums ab Bescheidzustellung.
Aus dem Vermerk über diese Ortsermittlung ergibt sich auch ohne weiteres, dass der Kläger gegen Nr. 1 des Bescheids vom … April 2015 verstoßen hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene Klagebegründung diesen Verstoß nicht infrage zu stellen vermag. Denn die in der Klagebegründung vorgebrachten Umstände lassen sich mit dem Inhalt des Ermittlungsberichtes von der Ortsermittlung am … August 2015 in keiner Weise in Einklang bringen. Der in dieser Ortsermittlung in der Wohnung des Klägers angetroffene … gab an, dass er und zwei weitere Erwachsene sowie zwei Kinder in der Wohnung untergebracht seien und sein Sohn medizinische Betreuung benötige. Das heißt, dass der zu behandelnde Patient in diesem Fall ein Kind war. Dagegen ist in der Klagebegründung ausgeführt, dass es sich bei demjenigen, der sich „seit Monaten immer wieder im Klinikum … in Behandlung“ befinde, um einen Nachbarn der Schwester des Klägers handele; aus dem Zusammenhang dieser Angabe geht ohne weiteres hervor, dass es sich dabei nicht um ein Kind, sondern um einen Erwachsenen handeln soll. Außerdem geht aus dem Ermittlungsbericht über die Ortsermittlung am … August 2015 hervor, dass die im Zeitraum vom … Juli 2015 bis voraussichtlich … August 2015 in der Wohnung untergebrachten Personen die Wohnung allein bewohnen und der Kläger gerade nicht in der Wohnung wohnt. Auch insofern erweist sich der Vortrag in der Klagebegründung, in der der Kläger vortragen lässt, er wohne jeweils mit den Gästen in der Wohnung, als unglaubhaft. Schließlich geht aus der im Ermittlungsbericht über die Ortsermittlung am … August 2015 aus dem Zusammenhang der gemachten Angaben eindeutig hervor, dass die in der Wohnung angetroffenen Personen für die Unterbringung etwas bezahlen müssen, lediglich an die Höhe konnte sich der angetroffene Bewohner nicht erinnern.
Weder aus dem Vortrag des Klägers in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung noch sonst lässt sich irgendetwas dafür herleiten, dass bzw. warum die in dem Vermerk über die Ortsermittlung am … August 2015 gemachten Angaben nicht stimmen sollten. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass es sich bei den Angaben in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung um Schutzbehauptungen handelt. Zwar kommt es für die Fälligstellung des Zwangsgeldes lediglich darauf an, dass nach dem Ablauf der in Nr. 2 des Bescheids vom … April 2015 gesetzten Frist ein Verstoß zu verzeichnen ist, was wie oben dargelegt der Fall ist. Darüber hinaus geht jedoch auch aus den vorhergehenden, im Behördenakt vielfältig dokumentierten Ortsermittlungen bzw. Hinweisen aus der Nachbarschaft ohne weiteres hervor, dass entgegen der Argumentation der Klage für die Unterbringung in der klägerischen Wohnung durchgehend Geld verlangt wurde. Auf die entsprechende Dokumentation im Ausgangsbescheid vom … April 2015 wird insoweit Bezug genommen, ebenso auf die Vermerke über die Ortsermittlungen in der Behördenakte.
2. Die Klage hat auch insofern keinen Erfolg, als sich der Kläger gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … September 2015 wendet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am … September 2015 war die Verpflichtung noch nicht erfüllt, wie aus dem oben unter 1. Dargelegten hervorgeht. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf den Bescheid vom … September 2015 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.250,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2013, Beilage 2, dort Nr. 1.7.1 Satz 1 hinsichtlich der Fälligstellung des Zwangsgeldes (2.500,00 Euro)
sowie Nr. 1.7.1 Satz 2 hinsichtlich des angedrohten neuen
Zwangsgelds (5.500,00 Euro : 2 = 2.750,00 Euro)).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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