Verwaltungsrecht

Zwangsgeldandrohung wegen Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 K 15.3083

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG VwZVG Art. 36 Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig auch im Hinblick auf Ziffer I. des Klageantrags.
Da in Bayern keine ausdrückliche Festsetzung des zuvor angedrohten Zwangsgeldes erfolgt, weil die Zwangsgeldandrohung selbst bereits einen aufschiebend bedingten und vollstreckbaren Leistungsbescheid darstellt (Art. 31 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 VwZVG), kann der Kläger mit Erhalt der Fälligkeitsmitteilung nur mehr eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO dahingehend erheben, dass das betreffende Zwangsgeld nicht fällig geworden sei bzw. keine Zahlungspflicht bestehe, was zwischen den Beteiligten auch – was insoweit ausreichend ist für die Annahme eines Feststellungsinteresses – streitig ist (BayVGH, U.v. 24.10.1974 – Nr. 179 I 73 – BayVBl. 1975, 302; VG München, U.v. 23.06.2008 – M 8 K 07.3070 – juris). Die Anfechtungsklage ist gegen Ziffer I. des angegriffenen Bescheids nicht statthaft, wie auch aus dem Bescheid selbst hervorgeht, der Ziffer I. nicht als Bestandteil eines „regelnden Bescheids“ darstellt, da hiermit keine (neue) Regelung im Sinne von Art. 35 S. 1 BayVwVfG verbunden ist, weswegen die Subsidiaritätsregelung des § 43 Abs. 2 VwGO nicht greift.
II. Die Klage ist unbegründet.
Das mit Ziffer 2. des Bescheids vom … November 2014 angedrohte Zwangsgeld ist, wie aus der Fälligkeitsmitteilung des hiesigen Bescheids (Ziffer I.) hervorgeht, fällig geworden und der Kläger ist somit zur Zahlung verpflichtet (1.). Ziffer II. des Bescheids vom … Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (2.).
1. Der Nichteintritt der Fälligkeit des mit Ziffer 2. des Bescheids vom … November 2014 angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von € 2.500,– hätte vorausgesetzt, dass innerhalb von 6 Monaten ab Zustellung ebendieses Bescheids die Nutzung als Ferienwohnung beendet worden ist, d.h. dass der Kläger sein bisheriges Nutzungskonzept, seinen Untermietern eine flexible, vorübergehende Unterkunft für die Dauer eines medizinischen Aufenthalts zu vermitteln, nachhaltig und endgültig aufgegeben hat, vgl. Art. 31 Abs. 3 S. 3 VwZVG.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass dies im genannten Zeitraum und auch darüber hinaus nicht geschehen ist.
Wenn sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, dass „zum damaligen Zeitpunkt“, womit wohl der Zeitpunkt des Erlasses des zweiten Bescheids, mithin der … Juni 2015 gemeint ist, ein dauerhaftes Wohnraummietverhältnis für die streitgegenständliche Wohnung bestanden habe, weswegen auch keine Zweckentfremdung mehr gegeben gewesen sei, so kann dem nicht beigetreten werden. Wie die Kammer bereits im Urteil vom 29. Juli 2015, S. 13, ausführlich erläutert hat, ändert es am Vorliegen einer Zweckentfremdung nichts, wenn die Wohnung in bestimmten Zeiträumen von einem Mieter auch einmal längerfristig genutzt wird. Wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 07. Dezember 2015, S. 3f., bestätigt hat, kommt es vielmehr tragend auf das vom Kläger verfolgte Nutzungskonzept an.
Dem Kläger ist es nicht gelungen, Umstände darzutun, die eine weitere Nutzung der Wohnung als vorübergehende Herberge für Medizintouristen widerlegen oder auch nur in Frage stellen könnten. Wie aus dem Bescheid vom … Juni 2015 hervorgeht, wurden von November 2014 bis Mai 2015 anhaltende Nutzungen wechselnder Personen belegt, auch ein Reinigungsdienst sei vor und in der Wohnung beobachtet worden. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren dazu nicht geäußert. Im Augenscheintermin und in der sich anschließenden mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2015 hatte sich der Kläger darauf berufen, dass ein angeblich im März 2015 begründetes Mietverhältnis mit seinem damaligen Untermieter, Hr. …, bis mindestens Dezember 2015 andauern würde. Wie er weiter angab, befinde sich Hr. … zu einer medizinischen Behandlung in … Auf Nachfrage der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2016 gab er an, für Juni 2015 keinen Mietvertrag vorlegen zu können. Weiter übergab er ein Dokument, das mit „Renting Contract“ überschrieben ist und ausweislich dessen seit 01. November 2015 ein Mietverhältnis mit Hr. … bestehe. Die Beklagtenvertreter teilten dazu mit, dass ihnen Hr. … bekannt und Ende 2015 bzw. Anfang 2016 in der Wohnung angetroffen worden sei; er habe dabei lediglich ein Visum als Begleitperson für die Dauer einer medizinischen Behandlung einer weiteren Person besessen. Damit hat der Kläger zum einen den Mindestnutzungszeitraum, den er dem Gericht noch im Juli 2015 für das Mietverhältnis mit Hr. … nannte, selbst durch Vorlage des Dokuments vom 29. Oktober 2015 widerlegt – unabhängig davon, dass dessen rechtliche Qualität als Mietvertrag angesichts der Tatsache, dass nicht einmal das Mietobjekt hinreichend spezifiziert ist, nicht zweifelsfrei ist. Weiter steht zur Überzeugung des Gerichts nach Obenstehendem fest, dass der Kläger für den streitigen Zeitraum und darüber hinaus bis heute an seinem ursprünglichen Nutzungskonzept festgehalten hat. Er hat die Wohnung auch den von ihm als langfristige Mieter bezeichneten Personen gerade nicht als Grundlage einer „auf Dauer angelegten Häuslichkeit“ zur Verfügung gestellt, sondern nur vorübergehend für ihre medizinischen Behandlungen. Dass sich dabei einzelne Mietzeiträume länger hinziehen können, liegt in der Natur der Sache, da auch die jeweiligen Behandlungen, derentwegen die Wohnung angemietet wurde, von Fall zu Fall länger andauern können. Deswegen ist auch die unbefristete Ausgestaltung des jetzt vorgelegten Dokuments kein Argument für den Kläger, zeichnen sich doch gerade und ausschließlich unbefristete Mietverhältnisse dadurch aus, dass sie jederzeit kündbar sind, § 542 Abs. 1, 2 BGB. Seiner Mitwirkungspflicht aus Art. 4 S. 1 ZwEWG kam der Kläger bei alledem nicht nach, legte er doch der Beklagten keinen der angeblich oder tatsächlich geschlossenen Mietverträge vor.
2. Ziffer II. des Bescheids vom … Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen waren durchgehend bis zur mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2016 gegeben. Die Grundverfügung vom … November 2014, gerichtet auf Beendigung der zweckentfremdenden Nutzung, war wegen Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 3. ebendieses Bescheids von Beginn an sofort vollziehbar, woran sich auch durch Klageerhebung vom 16. Dezember 2014 nichts änderte. Zwischenzeitlich ist die Grundverfügung mit ablehnendem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 07. Dezember 2015 bestandskräftig geworden.
b) Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
Wenn der Kläger vorträgt, dass sich die Rechtswidrigkeit des Bescheids bereits daraus ergebe, dass die Beklagte selbst ausweislich eines Aktenvermerks davon ausgehe, dass „die Zahlungsaufforderung über die € 5.000,– erst nach der Beitreibung des ersten Zwangsgeldes zugestellt werden darf“, d.h. dass die streitgegenständliche Androhung des erneuten Zwangsgeldes erst nach der Beitreibung des ersten Zwangsgeldes erfolgt sei, so ist dies nicht nachvollziehbar.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der angeführte Aktenvermerk ungeachtet seiner ohnehin allein verwaltungsinternen Wirkung einen anderen Inhalt hat als der Kläger ihm offensichtlich beigeben möchte. Hiernach soll die Zahlungsaufforderung über den Betrag von € 5.000,– erst zugestellt werden, wenn das erste Zwangsgeld beigetrieben ist. Die Zahlungsaufforderung, vgl. Bl. 450 der Behördenakte, ist ein fiskalisches Schreiben ohne Verwaltungsaktqualität, welches einer Mahnung gleichkommt, und hat nichts mit einer Zwangsgeldandrohung in Bescheidform zu tun (VG München, B. v. 16.06.2008 – M 16 S. 08.2080 – juris).
Weiter ist es für eine erneute Zwangsgeldandrohung weder notwendig, dass das erste Zwangsgeld erfolgreich beigetrieben wurde, noch würde eine erfolgreiche Beitreibung des ersten Zwangsgeldes der Behörde die Möglichkeit nehmen, ein erneutes Zwangsgeld anzudrohen. Die Regelungen des Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG und des Art. 37 Abs. 4 S. 1 VwZVG betreffen nur die Erfüllung oder Nichterfüllung der mit der Grundverfügung auferlegten Verpflichtung; die Beitreibung eines verwirkten Zwangsgeldes und/oder die Zahlungspflicht hinsichtlich des verwirkten Zwangsgeldes sind damit nicht angesprochen. Die Erfolglosigkeit einer Androhung ist nicht gleichzusetzen mit der etwaigen Erfolglosigkeit eines Beitreibungsversuchs.
Die Zwangsgeldandrohung vom … November 2014 blieb erfolglos im Sinne des Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG, da der Kläger seiner Verpflichtung, die Kurzzeitnutzung der Wohnung zu beenden, innerhalb der gesetzten 6-Monats-Frist nicht nachgekommen ist. Er hat sowohl gegen den Bescheid vom … November 2014 als auch gegen den Bescheid vom … Juni 2015 nur Klagen erhoben, die keine aufschiebende Wirkung hatten, womit der Nutzungsuntersagung fristgerecht nachzukommen und beim jeweiligen Fristablauf Erfolglosigkeit der jeweiligen Zwangsgeldandrohung eingetreten war (BayVGH, B.v. 19.12.2002 – 25 CS 02.2816 -, juris). Dabei ist im Hinblick auf den Bescheid vom … Juni 2015 die Drei-Monats-Frist des Tenors maßgeblich, die in den Gründen angesprochene 2-Monats-Frist beruht offensichtlich auf einem Schreibversehen.
Damit ist jeweils eine erneute Zwangsgeldandrohung, auch in anderer Höhe, zulässig. Bereits der Gesetzeswortlaut des Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG setzt nur die Erfolglosigkeit der vorausgegangenen Androhung voraus, bevor ein erneutes Zwangsgeld angedroht werden darf (VG München, B.v. 12.08.2005 – M 9 S. 05.2605 -, juris, Rn. 15). Mit Erfolglosigkeit ist hierbei gerade nicht gemeint, dass das Zwangsmittel erfolglos angewendet werden musste; die Vollstreckungsbehörde braucht nicht erst zu vollstrecken, sondern sie kann, auch ohne das angedrohte Zwangsmittel erfolgreich angewendet zu haben, ein (schärferes) Zwangsmittel androhen (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 12.01.2012 – 10 ZB 10.2439 – juris, Rn. 12; OVG Münster, B.v. 23.06.2015 – 7 B 351/15 – juris, Rn. 9ff.). Es soll nicht von der Zahlungsmoral des Pflichtigen abhängen, ob die Behörde ein erneutes Zwangsgeld androhen darf. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass auch die erfolgreiche Beitreibung eines vorausgegangenen Zwangsgeldes eine erneute Androhung eines höheren Zwangsgeldes nicht ausschließt, vgl. auch Art. 37 Abs. 1 S. 2 VwZVG. Die Behörde muss vielmehr gerade weiterhin auf die Erfüllung der Grundverpflichtung drängen können, wenn der Pflichtige der Anordnung anhaltend nicht nachkommt; ansonsten wäre dem Pflichtigen die Möglichkeit eröffnet, sich durch Zahlung des ersten Zwangsgeldes das Recht zu erkaufen, der Grundverfügung auf unabsehbare Zeit nicht nachzukommen. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass hier wohl selbst die Beitreibung eines angedrohten und fällig gestellten, zwischenzeitlich erfolgreichen Zwangsgeldes möglich wäre, da es sich bei der Grundverfügung vom … November 2014 um die Begründung einer Unterlassungsverpflichtung handelt und damit Art. 37 Abs. 4 S. 2 VwZVG zur Anwendung kommt (BayVGH, B.v. 21.01.2015 – 1 CE 14.2460, 1 CE 14.2520 -, juris). Vorliegend blieb die Zwangsgeldandrohung aber gerade erfolglos.
Auch ein Vollstreckungshindernis dergestalt, dass es dem Kläger nicht möglich sei, einen Untermietvertrag im Hinblick auf eine zweckentfremdende Nutzung zu kündigen und damit seiner Verpflichtung gemäß Art. 19 Abs. 2, 31 Abs. 1 VwZVG nachzukommen, bestand und besteht nicht. Der Kläger schloss zum einen seit November 2014 unter Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot mehrere neue Mietverträge, deren angeblich fehlende Kündigungsmöglichkeit er nun für sich in Anspruch nehmen möchte. Zum anderen hat der Hauptmieter eines Objekts, gerade auch dann, wenn der Hauptmietvertrag wie hier eine gewerbliche Untervermietung ausdrücklich untersagt (vgl. Bescheid vom … November 2014, S. 2), jederzeit die Möglichkeit, die Zweckentfremdung durch seinen Untermieter mittels Unterlassungsklage, § 541 BGB, oder Kündigung des Untermietvertrags, der einen echten Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten darstellt (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 535 Rn. 4), zu beenden, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB (Schmidt-Futterer/Blank BGB § 540 Rn. 49 und § 543 Rn. 71).
Für Ermessensfehler im Sinne von § 114 S. 1 VwGO ist nichts ersichtlich, insbesondere ist die Höhe des Zwangsgeldes im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 VwZVG nicht zu beanstanden. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.


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