Verwaltungsrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum – Medizintouristen

Aktenzeichen  M 9 S 18.2157

Datum:
10.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23858
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 36 Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

Es entspricht den Anforderungen ständiger Rechtsprechung, zur Dokumentation und Sicherung der Ermittlungsergebnisse von Ortseinsichten detaillierte, datierte und unterschriebene Ermittlungsberichte, die Inhalte und Umstände des Gesprächs darstellen, direkt nach der Befragung der Bewohner einer Wohnung in Anwesenheit von hinzugezogenen Polizeibeamten zu erstellen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Fälligkeitsmitteilung in Höhe von 15.000,00 Euro wegen Nichterfüllung der Verpflichtung aus der Nutzungsuntersagung in Nr. 1 des Bescheids vom 28. September 2017 und die erneute Zwangsgeldandrohung in Höhe von 30.000,00 Euro für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheids, Fälligkeitsmitteilung und Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. März 2018.
Die Antragstellerin hat die verfahrensgegenständliche Wohnung in der Schwanthalerstr. 97, 6. OG rechts, mit Mietvertrag vom 1. April 2017 zu Wohnzwecken von den Eigentümern angemietet. Ausweislich des Mietvertrags war die Untervermietung für jeweils sechs, in Ausnahmefällen für drei Monate gestattet. Der Mietvertrag wurde von den Eigentümern und deren Bevollmächtigten am 14./15. März 2018 gekündigt. Räumungsklage wurde erhoben (Blatt 171 Behördenakte). Die Wohnung wurde den Eigentümern bisher nicht zurückgegeben.
Ausweislich der Akte hat die Antragstellerin die Wohnung nie selbst bewohnt, sondern möbliert untervermietet. Mit Bescheid vom 28. September 2017 wurde ihr von der Antragsgegnerin aufgegeben, die Nutzung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Nr. 1) und ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 Euro angedroht. Die dagegen erhobene Klage vom 9. November 2017 (M 9 K 17.5295) ist verfristet und ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 15. Dezember 2017 (M 9 S 17.5296), bestätigt durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2018 (12 CS 18.385) als unzulässig abgelehnt. Ausweislich des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurde das Datum des Originalumschlags manipuliert, sodass kein Anlass bestand, dem im Klageverfahren gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nachzugehen.
Mit Fälligkeitsmitteilung/Bescheid vom 5. Februar 2018 wurde das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 Euro für fällig erklärt und ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 Euro angedroht. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 14. August 2018 (M 9 S 18.1201) abgelehnt. Über die Klage wurde noch nicht entschieden.
Grundlage der Untersagung der Nutzung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung sowie der Zwangsgelder waren Ortseinsichten vom 8. Juni 2017, 11. August 2017, 20. September 2017, 21. November 2017, 25. Januar 2018 und 27. März 2018. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Tatbestand des Beschlusses vom 14. August 2018 (M 9 S 18.1201) Bezug genommen.
Aufgrund der letzten Ortsermittlung vom 27. März 2018, wonach dokumentiert durch die Antragsgegnerin in Anwesenheit der Polizei in der Wohnung seit Januar fünf Erwachsene und zwei Kinder aus den Vereinigten Emiraten lebten, die sich zum Zwecke der medizinischen Behandlung eines Familienmitglieds mit entsprechender befristeter Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhielten, behauptete die Antragstellerin, dass sie nichts verstehe und einen Herrn K. als Übersetzer mitgenommen habe; dieser Herr K. teilte den Mitarbeitern der Antragstellerin mit, dass es sich nicht um Medizintouristen, sondern um Verwandte des Mieters handele, die zu Besuch in München seien.
Mit Fälligkeitsmitteilung/Bescheid vom 28. März 2018 wurde das Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 Euro für fällig erklärt und ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 30.000,00 Euro angedroht. Nachdem Ergebnis der Ermittlungen habe die Antragstellerin ihre Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 28. September 2017 wiederum nicht erfüllt. Auch die Fälligerklärung eines Zwangsgelds in Höhe von 7.500,00 Euro und die Androhung eines weiteren Zwangsgelds in Höhe von 15.000,00 Euro seien erfolglos geblieben. Auf die Möglichkeit der Ersatzzwangshaft wurde hingewiesen (Art. 33 VwZVG). Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2018 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage (M 9 K 18.2156) und beantragte gem. § 80 Abs. 5 VwGO:
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. März 2018, der Antragstellerin zugestellt am 4. April 2018, anzuordnen.
Die am 27. März 2018 durchgeführte Ortsermittlung sei anders verlaufen als im Bescheid dargestellt. Beigefügt sei eine Erklärung des Mieters Herrn A.H.M.S. Alblooshi vom 28. März 2018, wonach er für zehn Tage in der Wohnung seines Freundes unentgeltlich gewohnt habe. Herr Alblooshi sei ausweislich der beigefügten Kopie des Passes am 20. März 2018 über den Flughafen München nach Deutschland eingereist. Der im Bescheid dargestellte Sachverhalt werde von der Antragstellerin entschieden zurückgewiesen. Der Bescheid sei auch deshalb fehlerhaft, da die Antragstellerin Herrn K. hinzugezogen habe, weil die Besucher im Gegensatz zu ihr selbst kein Englisch konnten. Es stimme auch nicht, dass ein Mietvertrag in der Landwehrstr. 40 über ein Smartphone vorgelegt worden sein solle, sondern dass diese Adresse die Anschrift der Vermieterin sei. Eine medizinische Behandlung sei nie der Aufenthaltszweck gewesen. Auch der Sachverhalt in den vorherigen Bescheiden vom 5. Februar 2018 (M 9 K 18.1199 und M 9 S 18.1201) seien falsch; die Quittung über 170,00 Euro in der Wohnung habe nicht den täglichen Mietpreis, sondern einen Mietwagen betroffen, wie sich aus der ebenfalls beigefügten Erklärung von Herrn N. Alajmi ergäbe.
Die Antragsgegnerin beantragte,
Antragsablehnung.
Nach ihren Erkenntnissen, insbesondere den Ergebnissen der Ortseinsichten werde das Nutzungskonzept unverändert fortgesetzt. Die Darstellung in der Klagebegründung könne nach dem Eindruck des Augenscheins der Mitarbeiter der Antragstellerin nicht nachvollzogen werden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und die Akten in den Verfahren M 9 K 18.2156, M 9 S 18.1201, M 9 K 18.5295, M 9 S 17.5296 und M 9 K 18.1199 Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Im Hinblick auf die Fälligkeitsmitteilung ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig. Gegen die Fälligkeitsmitteilung ist nur die allgemeine Feststellungsklage statthaft, § 43 Abs. 1 VwGO (VG München, U.v. 18.10.2017, M 9 K 17.1104) mit der Folge, dass wegen Unzulässigkeit der Anfechtungsklage auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig ist. Die Fälligkeitsmitteilung ist kein Verwaltungsakt.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 4. Mai 2018 (M 9 K 18.2156) gegen die Androhung eines erneuten weiteren Zwangsgelds ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Gegen Nr. 2 des Bescheids vom 28. März 2018 bestehen nach dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsrechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine rechtlichen Bedenken.
Die erneute Zwangsgeldandrohung ist nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO summarischen Prüfung der Hauptsache rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 18 f. VwZVG liegen vor. Die Grundverfügung im Bescheid vom 28. September 2017 ist auf eine Nutzungsuntersagung und damit auf ein Unterlassen gerichtet, Art. 18 Abs. 1 VwZVG. Die sofortige Vollziehung ergibt sich bereits aus Art. 3 Abs. 3 Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG). Der Grundbescheid ist darüber hinaus bestandskräftig, da die Klagefrist nicht gewahrt wurde (BayVGH v. 26.2.2018 12 CS 18.385); Wiedereinsetzungsgründe sind insbesondere im Hinblick darauf, dass das Datum im Zustellungsnachweis offensichtlich manipuliert wurde, nicht erkennbar. Darüber hinaus wurde der Sofortvollzug angeordnet. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwZVG sind erfüllt.
Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 31, 36 VwZVG liegen ebenfalls vor. Das Zwangsgeld wurde in einer bestimmten Höhe angedroht, Art. 36 Abs. 5 VwZVG und der Betrag hält den Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG ein. Mit der erneuten Androhung wurde zugewartet, bis feststand, dass die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben war, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG.
Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin hier vorträgt, dass der Sachverhalt im Bescheid falsch sei und dass insbesondere das Ergebnis des Protokolls der letzten Ortsermittlung am 27. März 2018 ausweislich der beigefügten Erklärungen der Mieter falsch sei, überzeugt dies im Hinblick auf die Vorgeschichte und den Vortrag der Antragstellerin auch in anderen Verfahren nicht. Insoweit wird auf den Vortrag und den Beschluss im Verfahren M 9 S 18.1201 Bezug genommen, wonach es sich bei dem jeweils bei den Ortsermittlungen angetroffenen Bewohnern immer um Freunde des Mieters gehandelt habe, obwohl alle Bewohner ein befristetes Visum/Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen gem. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder Duldungen hatten. Bei der hier zuletzt durchgeführten Ortsermittlung vom 27. März 2018 ist es nach Aktenlage und dem dokumentierten Ergebnis der Befragung ebenso. Die später angefertigte Erklärung, dass Herr Alblooshi nicht mit seiner Familie (fünf Erwachsenen, zwei Kindern) zur medizinischen Behandlung in München sei, sondern alleine 10 Tage in der Wohnung seines Freundes unentgeltlich gewohnt habe, sind als Schutzbehauptung zu werten und in Teilen unschlüssig. Insgesamt widerspricht der gesamte Vortrag des Bevollmächtigten dem detaillierten, datierten und unterschriebenen Ermittlungsbericht, der direkt nach der Befragung der Bewohner in Anwesenheit von hinzugezogenen Polizeibeamten erstellt wurde und der die Inhalte und Umstände des Gesprächs darstellt. Diese Form der Dokumentation und Sicherung der Ermittlungsergebnisse entspricht den Anforderungen nach ständiger Rechtsprechung (BayVGH B.v. 12.7.2018 – 12 ZB 18.1213). Danach ist die Antragstellerin der Grundanordnung nicht fristgerecht nachgekommen und die vorausgegangene Androhung im Grundbescheid erfolglos geblieben.
Die Höhe des Zwangsgelds entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin, Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG. Die Verdopplung des Betrags entspricht ebenfalls der ständigen Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin und ist angemessen. Die wiederholte Anwendung erlaubt Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin Mittellosigkeit geltend macht, wird darauf hingewiesen, dass auf die Möglichkeit einer Ersatzzwangshaft im Bescheid hingewiesen wurde.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Streitwert: § 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 GKG i.V.m. Streitwertkatalog.


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