Verwaltungsrecht

Zweckentfremdungssatzung, Fehlender Stadtratsbeschluss, Wohnraummangel, Begründungserfordernis

Aktenzeichen  12 N 21.1208

Datum:
3.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14031
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14 Abs. 1 u. 2
VwGO § 47 Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 5
ZwEWG Art. 1 S. 1
BayGO Art. 26 Abs. 2, 51

 

Leitsatz

1. Darf eine Zweckentfremdungssatzung kraft vorrangigen Landesrechts nur eine Geltungsdauer von maximal fünf Jahren aufweisen (Art. 1 Satz 1 ZwEWG), die nach einem gescheiterten Ersterlass durch einen zweiten Vollzugsversuch um rd. 1 ½ Jahre prolongiert werden soll, ist ein erneuter Stadtratsbeschluss erforderlich, da der Normgeber jeweils eine neue Prognoseentscheidung über die weitere (Fort-) Dauer der Wohnraummangellage zu treffen hat und die maximale Geltungsdauer des Zweckentfremdungsverbots dadurch wesentlich in die Zukunft verschoben wird.
2. Zur sachgerechten Wahrnehmung der durch Art. 1 Satz 1 ZwEWG eingeräumten Rechtssetzungskompetenz ist es – jedenfalls bei erstmaliger Ausübung der insoweit eröffneten Befugnis – von Verfassungs wegen geboten, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage bereits zum Zeitpunkt des Satzungserlasses in nachvollziehbarer Weise öffentlich darzulegen und zu begründen.
3. Die Grund- und Wohnungseigentümer, in deren Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung eingegriffen wird, haben Anspruch darauf, die Gründe zu erfahren, die aus der Sicht des Satzungsgebers den Normerlass tragen (sollen); denn nur so sind sie in der Lage, ihre Rechte sach- und interessengerecht wahrzunehmen (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, U.v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 [44] juris, Rn. 41 „Elfes“).
4. Der Normgeber hat sich über die tatsächlichen Grundlagen seines Handelns auf der Basis verlässlicher Quellen ein eigenes Bild zu verschaffen (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1992 – 2 BvR 470/90 u.a. -, BVerfGE 86, 90 [112] juris, Rn. 57). Hierzu muss er den maßgeblichen Sachverhalt ermitteln und hinreichend sichere Feststellungen, insbesondere über Art, Ausmaß und Gewicht des beabsichtigten Eingriffs in die Rechte des Einzelnen einschließlich etwaiger Folgewirkungen treffen, gegebenenfalls auch gegenläufige Interessen mitberücksichtigen, der Betätigung seines Rechtssetzungsermessens zugrunde legen (vgl. BVerfGE, 86, 90 [112] – juris, Rn. 57) und diese Erkenntnisse und Einschätzungen zeitgleich mit dem Normerlass in sinnvollerweise mit dem Normtext verbundener Art und Weise öffentlich allgemein zugänglich machen.
5. Eine bloße (nachträgliche) Begründbarkeit entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer im Lichte des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gebotenen Prozeduralisierung. Nicht die nachgeschobenen Erläuterungen der Verwaltung des Rechtsträgers, sondern ausschließlich die im Zeitpunkt der Rechtssetzung tatsächlich angestellten und zugleich auch dokumentierten Erwägungen des Normgebers, also des Kollegialorgans selbst, tragen den Satzungserlass.
6. Hat der Normgeber es nicht mit einem generellen Wohnraummangel, sondern „lediglich“ mit einem Fehlen besonders günstiger – „bezahlbarer“ – Wohnungen zu tun, so muss er im Lichte der von Verfassungs wegen gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung unter dem Gesichtspunkt der „Geeignetheit“ bereits im Zeitpunkt des Satzungserlasses in der Sache nachvollziehbar aufzeigen und allgemein zugänglich begründen, weshalb durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung gleichwohl ein signifikanter Beitrag zur Verbesserung der Wohnraumsituation im unteren Angebotsbereich zu erwarten ist.

Tenor

I. Die Satzung der Antragsgegnerin über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwES) vom 20. November 2020 wird für unwirksam erklärt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Verfahrenskosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 40.000 € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt, im Wege der Normenkontrolle die Satzung der Antragsgegnerin über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwES) vom 20. November 2020 für unwirksam zu erklären.
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer Immobilien im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182), in seiner Sitzung vom 23. Juli 2019 eine Zweckentfremdungssatzung (ZwES), die im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 14 – 2019 – vom 26. Juli 2019 veröffentlicht wurde.
2. Am 27. Juli 2020 stellte die Antragstellerin gegen diese Satzung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag (Az. 12 N 20.1726). Sie vertrat die Auffassung, dass der Rechtsetzungsakt unwirksam und deshalb die Satzung nichtig sei. Gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayGO seien Satzungen auszufertigen. Zum Zwecke der Ausfertigung habe das dafür zuständige Organ (der Erste Bürgermeister oder der Stellvertreter, Art. 36, 39 BayGO) den beschlossenen Normtext unter Angabe des Datums handschriftlich zu unterschreiben. Die (erste) Satzung vom 26. Juli 2019 erfülle diese Voraussetzung nicht.
3. Unter dem 20. November 2020 fertigte die Antragsgegnerin diese Satzung erneut aus und machte sie am 4. Dezember 2020 (Amtsblatt Nr. 23 – 2020 – vom 4. Dezember 2020) mit dem Geltungsbeginn des auf den Bekanntmachungstag folgenden Tages bekannt. Die Antragsgegnerin vertrat daraufhin im Verfahren vor dem Senat mit dem Aktenzeichen 12 N 20.1726 zur Satzung vom 26. Juli 2019 die Auffassung, mit der rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der alten Satzung erfolgten erneuten Bekanntmachung der Satzung sei zugleich auch die bereits bekannt gemachte (alte) Satzung durch die neue vollständig ersetzt worden, da das neue Recht das ältere überlagere.
4. Der Senat wies mit Urteil vom 27. September 2021 (12 N 20.1726 – juris Rn. 18), mit dem er die Satzung der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2019 für unwirksam erklärte, zugleich darauf hin, dass mit der zweiten Bekanntmachung vom 4. Dezember 2020 eine zweite Satzung mit einer erneut fünfjährigen Geltungsdauer in Kraft gesetzt worden sei, ohne dass die zweite Satzung – mangels entsprechender Anordnung – Rückwirkung entfalte, sodass – bis zur Unwirksamkeitsentscheidung mit Urteil vom 27. September 2021 (a.a.O.) – zwei inhaltlich gleichlautende Satzungen mit unterschiedlichen, sich sogar überschneidenden Laufzeiten bestanden hätten.
5. Mit Schriftsatz vom 23. April 2021 stellte die Antragstellerin Antrag auf Normenkontrolle betreffend die zweite Satzung vom 20. November 2020. Sie vertritt die Auffassung, dass für diese zweite Satzung ein erneuter Stadtratsbeschluss erforderlich gewesen sei, der jedoch nicht vorliege.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Satzung der Antragsgegnerin über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWS), ausgefertigt am 20. November 2020, veröffentlicht im Amtsblatt der Stadt B. Nr. 23 am 4. Dezember 2020, für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine erneute Beschlussfassung über die am 20. November 2020 ausgefertigte und anschließend am 4. Dezember 2020 öffentlich bekanntgemachte Satzung sei zwar nicht erfolgt. Ein entsprechender Beschluss sei jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin überflüssig gewesen, da die am 20. November 2020 ausgefertigte und am 4. Dezember 2020 bekanntgemachte Satzung bereits in der Stadtratssitzung vom 23. Juli 2019 beschlossen worden sei. In den Jahren 2020 und 2021 habe es keinen erneuten Satzungsbeschluss mehr gegeben.
6. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Nach einem Auflagen- und Hinweisbeschluss des Senats vom 30. März 2022 und weiteren Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten vom 1. April, 19. April, 3 Mai und 16. Mai 2022 teilte der Senat den Beteiligten durch Schreiben vom 19. Mai 2022 mit, dass beabsichtigt sei, im Beschlusswege zu entscheiden, worauf beide Beteiligte mit Schriftsätzen vom 20. Mai 2022 antworteten, die Antragsgegnerin dahingehend, dass sie auf einer mündlichen Verhandlung bestehe, wie sie dies bereits mit Schriftsatz vom 2. März 2022 mitgeteilt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie auf die vorgelegten Aufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verfahrens 12 N 20.1726 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Normenkontrollantrag der Antragstellerin, über den der Senat mit dem Einverständnis der Antragstellerin ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss entscheidet (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO), hat Erfolg.
1. Vorliegend konnte im Beschlussverfahren entschieden werden. Für die nach richterlichem Ermessen zu treffende Entscheidung über den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO kommt es zunächst darauf an, dass der Entscheidung ein umfassend aufgeklärter Sachverhalt zugrunde liegt und dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen in den Schriftsätzen der Beteiligten eingehend und ausreichend erörtert worden sind (BayVGH, B.v. 05.03.2020 – 1 N 17.450 – Rn. 13, vgl. auch BVerwG, B.v. 01.12.2020 – 9 BN 6.19 – BeckRS 2020, 37194). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der für die Entscheidung erhebliche Sachverhalt wurde nach einem Aufklärungs- und Hinweisbeschluss des Senats vom 30. März 2022 und einem weiteren Gerichtsschreiben vom 25. April 2022 durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. Mai 2022 umfassend klargestellt.
1.1 Zwar gilt für die vorliegende Fallgestaltung Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, wonach jede Person das Recht hat, dass über Streitigkeiten betreffend ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen in einem Verfahren verhandelt wird. Eine solche Sachlage liegt hier vor, da sich die angegriffene Satzung unmittelbar auf zivilrechtliche Rechte der Antragstellerin auswirkt. Indes besteht vorliegend die Ausnahme, dass die Antragstellerin selbst (um deren geschützten Rechte es in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK geht) auf mündliche Verhandlung durch Prozesserklärung verzichtet hat (Schriftsatz vom 17. Februar 2022; vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9/98 – NVwZ 2000, 810, [813], Posser/Wolf, in BeckOK VwGO, Anm. 73 zu § 47 VwGO, Stand 01.01.2022). Zwingende rechtliche Vorschriften wie insbesondere Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK stehen mithin einer Entscheidung durch Beschluss nicht entgegen. Erachtet zudem – wie im vorliegenden Fall – der erkennende Senat eine umfassende Prüfung des Rechtsbehelfs allein auf der Grundlage des gesamten Akteninhalts für möglich, kann er von einer mündlichen Verhandlung absehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2019 – 1 B 58.19 – juris Rn. 8, EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – C 348/16 – juris Rn. 47). Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Wesentlichen über Rechtsfragen gestritten wird, sich der Sachverhalt aus den Akten ergibt und die gegensätzlichen Rechtsstandpunkte der Beteiligten schriftlich umfassend und ausreichend ausgetauscht worden sind.
1.2 Der Senat sieht deshalb im Rahmen seines Ermessens nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Im vorliegenden Fall geht es nach Ermittlung und Klarstellung des Sachverhaltes durch die Antragsgegnerin ausschließlich um Rechtsfragen. In Bezug auf den für die Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt steht fest, dass die beiden Satzungen vom 26. Juli 2019 und vom 20. November 2020 denselben Wortlaut haben, sowie dass der Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019 Grundlage beider Satzungen war, es also für die Satzung vom 20. November 2020, um die es hier geht, keinen erneuten Stadtratsbeschluss gab. Nach dem Ermessen des Gerichts genügt für die Entscheidung über diesen Fall das Beschlussverfahren.
2. Die Jahresfrist für die Antragstellung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten. Durch die Bekanntmachung vom 4. Dezember 2020 hat die Antragsgegnerin eine neue, ab dem 5. Dezember 2020 geltende Satzung mit einer – erneuten – fünfjährigen Geltungsdauer in Kraft gesetzt, ohne dass sie dieser ausdrücklich Rückwirkung hat zukommen lassen (BayVGH, U.v. 27.09.2021 -12 N 20.1726 – juris Rn. 18). Sie hat die erste Satzung vom 26. Juli 2019 auch nicht aufgehoben, sodass bis zum Zeitpunkt der Unwirksamerklärung durch das Urteil des Senats vom 27. September 2021 zwei inhaltlich gleichlautende Zweckentfremdungssatzungen mit unterschiedlichen, sich überschneidenden Fristen in den Raum gestellt waren. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 18.08.2015 – 4 CN 10.14 – BVerwGE 152, 379, [382]) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 16.06.2017 – 15 N 15.2769 – juris) zufolge beginnt bei einer bloßen Neubekanntmachung einer Satzung die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erneut zu laufen, wenn – wie hier – der Neuerlass bzw. die Neubekanntmachung einer Satzung dazu dient, der Rechtsnorm überhaupt erst Geltung zu verschaffen. Dies war erklärtermaßen die Absicht der Antragsgegnerin.
3. Die Satzung der Antragsgegnerin über die Zweckentfremdung von Wohnraum auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 187), vom Stadtrat der Antragsgegnerin am 23. Juli 2019 beschlossen und im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 23 – 2020 am 4. Dezember 2020 veröffentlicht, ist nicht wirksam, da für sie kein erneuter Stadtratsbeschluss als notwendige Grundlage vorliegt.
3.1 Die von der Antragsgegnerin übersandten Normerlassunterlagen in Verbindung mit ihren Stellungnahmen ergeben exakt einen einzigen Beschluss zur bereits für unwirksam erklärten (ersten) Satzung vom 26. Juli 2019, beratend beschlossen vom Werksenat am 3. Juli 2019 und endgültig beschlossen vom Stadtrat am 23. Juli 2019. Die streitgegenständliche Satzung vom 20. November 2020 ist jedoch nicht vom Beschluss des Stadtrats vom 23. Juli 2019 gedeckt. Zwar wirken Beschlüsse eines Gemeinde- oder Stadtrates grundsätzlich zeitlich nicht beschränkt, gar ggf. über Wahlperioden hinaus, es sei denn die Sachlage hat sich derart geändert, dass der den Beschluss „vollziehende“ Oberbürgermeister nicht mehr davon ausgehen kann, dass der Wille des willensbildenden Organs Stadtrat die Bekanntmachung durch ihn trägt. Letzteres ist hier der Fall. Nach dem Beschluss des Stadtrates vom 23. Juli 2019 hat eine fehlerhafte Bekanntmachung stattgefunden (im Juli 2019), die erst im Dezember 2020 durch erneute Bekanntmachung vermeintlich „behoben“ wurde. Der Stadtrat hat aber nicht den Willen bekundet, dass zwei Satzungen, zumal in diesem zeitlichen Abstand, bekanntgemacht werden. Vor allem ging der objektiv erkennbare Wille des Stadtrates als zuständigem willensbildenden Organ in seiner Sitzung am 23. Juli 2019 nicht dahin, dass rd. 1 ½ Jahre nach der Erstbekanntmachung eine weitere Bekanntmachung mit einer um eineinhalb Jahre in die Zukunft verlängerten Geltungsdauer vorgenommen wird. Vielmehr hätte der Stadtrat insoweit erneut seinen Willen betätigen müssen.
3.2 Die veröffentlichte Satzung vom 20. November 2020 bedurfte damit eines erneuten Stadtratsbeschlusses nach Art. 51 BayGO und sodann, hierauf gründend, der Ausfertigung und Bekanntmachung nach Art. 26 Abs. 2 BayGO (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 12 N 20.1726 – juris, Rn. 16). Die Satzung vom 20. November 2020 ist zwar ausgefertigt und bekanntgemacht worden (Art. 26 Abs. 2 BayGO). Die Ausfertigung ist aber nur der zweite Teil des Rechtssetzungsverfahrens. Der erste Teil des Normerlassverfahrens – der notwendige Stadtratsbeschluss über die Satzung vom 20. November 2020 – fehlt und von dem – einzigen – Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019 wird die streitgegenständliche Satzung vom 20. November 2020 entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht getragen, weil die vom Normgeber zugrunde gelegte Ausschöpfung der maximal möglichen Geltungsdauer von 5 Jahren ab der Veröffentlichung der ersten Satzung vom 26. Juni 2019 und der zweiten Satzung vom 20. November 2020 am 4. Dezember 2020 einander nicht entsprechen. Die am 20. November 2020 ausgefertigte Satzung wäre rd. 1 ½ Jahre länger in Kraft als die vom Stadtrat am 23. Juli 2019 beschlossene und am 26. Juli 2019 bekanntgemachte erste Satzung, ohne dass dem ein dokumentierter Rechtssetzungswille des Stadtrats in der Form einer erneuten Beschlussfassung korrespondieren würde. In der Sitzungsvorlage zur Stadtratssitzung am 23. Juli 2019, Seite 2, ist zwar ausdrücklich erwähnt, dass eine Laufzeitverlängerung der Satzung möglich ist. Dies bedeutet indes nur, dass hierüber der Stadtrat erneut zu befinden hätte.
Eines erneuten Gemeinderatsbeschlusses für einen wiederholten Vollzug bedarf es zwar nicht immer (vgl. auch BVerwG, B.v. 24.05.1989 – 4 NB 10.89 -, juris Rn 5 f., zum BauGB). Geht es „allein um die Inkraftsetzung eines einmal gefassten, unbeeinflusst feststehenden und inhaltlich unveränderten Willensentschlusses der Gemeindevertretung“ (BVerwG, B.v. 24.05.1989 – 4 NB 10.89 -, juris Rn 6), so ist ein erneuter Beschluss grundsätzlich entbehrlich. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, denn die derzeit allein bestehende und streitgegenständliche Satzung der Antragsgegnerin vom 20. November 2020 über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWS), in Kraft getreten am 5. Dezember 2020, ist im Hinblick auf ihre viel weitergehende zeitliche Geltungsdauer eine andere Satzung als die im Juli 2019 beschlossene und bekanntgemachte, zwischenzeitlich mit Urteil des Senats vom 27. September 2021 – 12 N 20.1726 – für unwirksam erklärte (erste) Satzung. Eine lediglich erneute Ausfertigung des Textes der Zweckentfremdungssatzung vom 26. Juli 2019 unter dem 20. November 2020 und die erneute Bekanntmachung im Rathausjournal vom 4. Dezember 2020 waren nicht geeignet, den zwingend erforderlichen (erneuten) Stadtratsbeschluss über die Satzung vom 20. November 2020 überflüssig zu machen (vgl. bereits BayVGH, U.v. 27.09.2021 – 12 N 20.1726 – juris, Rn. 18), da die beiden in den Akten vorliegenden Satzungstexte in ihrer Geltungsdauer (Satzung vom 20. November 2020 mit erneut fünf Jahre währender Geltungsdauer ab 5. Dezember 2020) erheblich differieren. Die Stadtverwaltung selbst besaß insoweit nicht die erforderliche Organkompetenz, da die gemeindliche Rechtssetzung keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung darstellt (Art. 37 Abs. 1 BayGO).
3.3 Ein weiterer maßgeblicher Grund für die Notwendigkeit einer erneuten Beschlussfassung des Stadtrates liegt zudem darin, dass die Satzung kraft vorrangigen Landesrechts nur eine Geltungshöchstdauer von fünf Jahren haben darf (Art. 1 Satz 1 ZwEWG), die aber vorliegend durch die Verzögerung um rd. 1 ½ Jahre im Vergleich zum Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019 massiv prolongiert würde (Geltungsende Dezember 2025 statt Juli 2024). Der Normgeber einer Zweckentfremdungssatzung muss indes stets eine Prognoseentscheidung zur Wohnraummangellage treffen. Er hat also mit anderen Worten nicht nur festzustellen, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Stadtrat eine Wohnraummangellage herrscht, sondern er muss sich zugleich auch im Rahmen der ihm gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, diese für höchstens fünf Jahre festzustellen, dazu verhalten, für wie lange bzw. bis zu welchem Zeitpunkt diese Wohnraummangellage seiner Auffassung nach konkret besteht. Vorliegend indes ist völlig offen, ob der Stadtrat fast 1 ½ Jahre nach dem Beschluss vom 23. Juli 2019 die volle Geltungsdauer von fünf Jahren in Anspruch genommen hätte oder ob sich nicht vielmehr die Prognose im Beschluss vom 23. Juli 2019 – vom Zeitpunkt der Bekanntmachung bzw. des Inkrafttretens im Juli 2019 ab gerechnet fünf Jahre – bestätigt hätte, sodass der Stadtrat vor Erlass der Satzung vom 20. November 2020 für weitere fünf Jahre ab dem 5. Dezember 2020 erneut hätte Beschluss fassen müssen. Insofern ist die Satzung vom 20. November 2020 eine inhaltlich andere – weitergehende – Satzung als diejenige vom 26. Juli 2019, die seitens des Senats bereits aus anderen Gründen für unwirksam erklärt worden ist. Auch dies setzte eine erneute Beschlussfassung des Stadtrats voraus.
3.4 Hinzu kommt, dass der Senat nach der 2. Bekanntmachung (am 4. Dezember 2020) die Unwirksamkeit der 1. Satzung ausgesprochen hat (mit Urteil vom 27. September 2021) und die Unwirksamkeitsfeststellung ex tunc wirkt (vgl. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, Rn 144 zu § 47) mit der Folge, dass der Ausspruch im Verfahren 12 N 20.1726 das gesamte Satzungsfestaufstellungsverfahren bis hin zur Bekanntmachung am 26. Juli 2019 unwirksam macht (BayVGH, U.v. 19.2.2003 – 23 B 02.1109 – juris Rn. 26) und damit auch den Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019, der untrennbar mit dessen misslungenem Vollzug eine Einheit bildet, von Anfang an obsolet werden lässt (fehlerhafter, nicht heilbarer Vollzug, s. BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 12 N 20.1726 – juris Rn. 18). Auch insoweit ist eine erneute Willensbetätigung des Stadtrates erforderlich.
Die Satzung vom 20. November 2020 ist deshalb ausdrücklich für unwirksam zu erklären (§ 47 Abs. 5 Satz 2, 1. Halbs. VwGO).
4. Ungeachtet dessen könnte die streitgegenständliche Norm – ohne dass es hierauf vorliegend allerdings noch entscheidungserheblich ankommt – auch den an eine Zweckentfremdungssatzung zu stellenden Begründungsanforderungen nicht genügen.
4.1 Gemäß Art. 1 Satz 1 ZwEWG können Gemeinden für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, sofern sie dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abhelfen können.
Die grundgesetzlich geschützte Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) setzt insoweit eine sorgsame Prüfung der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe anhand der Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit voraus, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Zur sachgerechten Wahrnehmung der durch Art. 1 Satz 1 ZwEWG eingeräumten Rechtssetzungskompetenz ist es deshalb – jedenfalls bei erstmaliger Ausübung der insoweit eröffneten Befugnis – von Verfassungs wegen geboten, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage bereits zum Zeitpunkt des Satzungserlasses in nachvollziehbarer Weise öffentlich darzulegen und zu begründen.
Dabei sind zugleich auch gegenläufige Interessen zu berücksichtigen und mit den für den Satzungserlass sprechenden Gründen abzuwägen und gegebenenfalls zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu führen. Die Grund- und Wohnungseigentümer, in deren Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung eingegriffen wird, haben Anspruch darauf, die Gründe zu erfahren, die aus der Sicht des Satzungsgebers den Normerlass tragen (sollen); denn nur so sind sie in der Lage, ihre Rechte sach- und interessengerecht wahrzunehmen (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, U.v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 [44] juris, Rn. 41 „Elfes“).
Der Normgeber hat deshalb bereits zum Zeitpunkt des Satzungserlasses allgemein zugänglich und in der Sache nachvollziehbar darzulegen, dass die entsprechende Rechtssetzung aus Gründen des Allgemeinwohls (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) unabweisbar geboten ist. Ob Letzteres der Fall ist, kann nur auf der Grundlage einer von Anfang an begründeten Ausübung des Rechtssetzungsermessens durch den Normgeber selbst, nicht aber anhand lediglich seitens der Verwaltung des Rechtsträgers nachgeschobener Erklärungen beurteilt werden. Die Rechtssetzung ist keine Aufgabe der laufenden Verwaltung, sondern sedes materiae des allein zur Normsetzung berufenen Kollegialorgans. Nicht die nachgeschobenen Erläuterungen der Verwaltung des Rechtsträgers, sondern ausschließlich die im Zeitpunkt der Rechtssetzung tatsächlich angestellten und zugleich auch dokumentierten Erwägungen des Kollegialorgans tragen den Satzungserlass.
Der daraus resultierende Begründungszwang folgt des Weiteren auch aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Der von Verfassungs wegen zu gewährende Schutz gegenüber unberechtigten staatlichen Eingriffen setzt voraus, dass Intention und Zweck aller hoheitlichen Anordnungen klar erkennbar sind, gleichviel ob sie als Verwaltungsakt, Rechtsverordnung oder Satzung ergehen. Die Begründungspflicht untergesetzlicher staatlicher Normen ist damit nicht nur notwendige Konsequenz, sondern zugleich auch denknotwendige Bedingung des grundgesetzlich verbürgten Rechtsschutzes (siehe hierzu näher Ossenbühl NJW 1986, 2805 [2809]; von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 213; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2020, Art. 19 Rn. 254). Damit kommt der Begründungspflicht staatlicher Entscheidungen nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung zu; sie hat vielmehr zugleich auch materiell-rechtlichen Gehalt, indem sie den Satzungsgeber zwingt, eine (vorherige) Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur intern durchzuführen, sondern auch zeitgleich mit dem Normerlass unter Offenlegung der zugrundeliegenden Bewertungsmaßstäbe allgemein zugänglich darzulegen.
Im Lichte der Freiheitsverbürgung des Grundgesetzes ist jegliches staatliches Handeln rechtfertigungs- und damit zugleich auch begründungsbedürftiges Handeln (vgl. Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rn. 253). Staatliche Akte, gleichgültig ob Verwaltungsakt, Rechtsverordnung oder Satzung, die in den Anwendungs- und Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG fallen und damit potentiell zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können, müssen ausnahmslos mit einer Begründung versehen werden, die spätestens mit dem Erlass des betreffenden Rechtsaktes vorliegen und allgemein zugänglich sein muss (vgl. Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rn. 254).
Der Normgeber hat sich deshalb über die tatsächlichen Grundlagen seines Handelns auf der Basis verlässlicher Quellen ein eigenes Bild zu verschaffen (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1992 – 2 BvR 470/90 u.a. -, BVerfGE 86, 90 [112] juris, Rn. 57). Hierzu muss er den maßgeblichen Sachverhalt ermitteln und hinreichend sichere Feststellungen, insbesondere über Art, Ausmaß und Gewicht des beabsichtigten Eingriffs in die Rechte des Einzelnen einschließlich etwaiger Folgewirkungen treffen und der Betätigung seines Rechtssetzungsermessens zugrunde legen (vgl. BVerfGE, 86, 90 [112] – juris, Rn. 57). Darüber hinaus hat er – wie bereits erwähnt – auch gegenläufige Interessen mit zu berücksichtigen und zeitgleich mit dem Normerlass in öffentlich allgemein zugänglicher, sinnvollerweise mit dem Normtext verbundener Art und Weise deutlich zu machen, aufgrund welcher Tatsachen er die Voraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG „ausreichende Versorgung … mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet“ für gegeben erachtet und weshalb „dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abgeholfen werden kann“. Nur die tragfähige Begründung und empirische Darlegung des Vorliegens der Normerlassvoraussetzungen (vgl. insoweit auch BVerfGE 125, 175 [239] Rn. 177) sichert den durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gewährleisteten Freiheitsanspruch des Einzelnen.
Das Begründungserfordernis staatlicher (hoheitlicher) Entscheidungen zwingt den entscheidungsbefugten Rechtsträger darüber hinaus auch zu einer normativen Selbstvergewisserung sowohl über die Intensität der mit der Rechtssetzung verbundenen Eingriffe als auch der rationalen Grundlagen seiner Entschlüsse und gewährleistet damit zugleich Transparenz und Klarheit der allgemein verbindlichen Rechtssetzung, frei jeder vermeidbaren Irrationalität (so zutreffend Ossenbühl NJW 1986, 2805 [2810]).
Der Normgeber ist deshalb gehalten, seiner Begründungspflicht bereits während des Normerlassverfahrens zu genügen. Eine bloße (nachträgliche) Begründbarkeit entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer im Lichte des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gebotenen Prozeduralisierung. Letztere genügt dem verfassungsrechtlichen Effektivitätsgebot nur dann, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und in der Begründung des Rechtssetzungsakts dokumentiert werden, denn die verfassungsrechtlich gebotene Prozeduralisierung zielt auf eine interessengerechte Herstellung von Entscheidungen, nicht lediglich auf ihre nachträgliche Begründbarkeit (vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle [Hrsg.], Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2. Aufl. 2012, § 27 Rn. 61) oder – zufällige – Vertretbarkeit.
4.2 Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Satzung derzeit nicht. Die Antragsgegnerin hat den maßgeblichen Sachverhalt, namentlich die die Tatbestandsmerkmale des Art. 1 Satz 1 ZwEWG ausfüllenden Tatsachen, weder (selbst) ausreichend ermittelt, noch hinreichend sichere Feststellungen, insbesondere über Art, Ausmaß und Gewicht der mit dem Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) der betroffenen Wohnungseigentümer verbundenen Belastungen, einschließlich etwaiger Folgewirkungen getroffen, geschweige denn in der Form einer tragfähigen, evidenzbasierten Begründung für ein nachfolgendes gerichtliches (Normen-)Kontrollverfahren dokumentiert.
Einzig in der öffentlich nicht allgemein zugänglichen Sitzungsvorlage des ursprünglichen Satzungsentwurfs vom 13. Mai 2019 wird ohne nähere Angaben entsprechender Tatsachen die Behauptung aufgestellt, die Situation auf dem B. Wohnungsmarkt sei seit einigen Jahren sehr angespannt; die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum übersteige regelmäßig das auf dem Markt zu findende Angebot. Ursachen hierfür seien u.a. im Wachstum der B. Bevölkerung und der steigenden Zahl der Haushalte zu suchen. Ergänzend wird auf ein vom Freistaat Bayern im Zuge des Neuerlasses der Mieterschutzverordnung beauftragtes Gutachten des Instituts für Wohnen und Umwelt vom Februar 2019 verwiesen, welches für B. ebenfalls einen „angespannten Wohnungsmarkt“ feststelle.
Diese Ausführungen lassen, ungeachtet des Umstandes, dass es an einer allgemein zugänglichen Veröffentlichung dieser Angaben im Zusammenhang mit dem Satzungserlass fehlt, nicht erkennen, dass sich die Antragsgegnerin aufgrund verlässlicher Quellen ein eigenes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen verschafft (vgl. BVerfGE 86, 90 [112] juris, Rn. 57) und die insoweit gewonnenen Erkenntnisse entsprechend den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG mit gegenläufigen Interessen abgewogen und das Abwägungsergebnis zeitgleich mit dem Satzungserlass in nachvollziehbarer Weise öffentlich zugänglich dokumentiert hätte. Es fehlen nachvollziehbare Feststellungen vor allem zum aktuellen Wohnungsbestand, zur Anzahl der Haushalte, zum Leerstand, zur Zahl der als wohnungssuchend Gemeldeten, zum Zubau neuer Wohnungen, zur Nachfrage- und Versorgungssituation im Umland usw. Die Ausführungen besitzen deshalb keine hinreichende Aussagekraft.
Des Weiteren setzt Art. 1 Satz 1 ZwEWG eine „besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Wohnbevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen“ voraus und nicht lediglich einen „angespannten Wohnungsmarkt“, wie im Gutachten des Instituts für Wohnen und Umwelt vom Februar 2019 in anderem Zusammenhang festgestellt. Die Bestimmung der Antragsgegnerin in der Anlage zu § 1 der Mieterschutzverordnung (MiSchuV) vom 14. Dezember 2021 (GVBl., S. 674) als Gebiet, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im Sinne von § 556d Abs. 2 Satz 2, § 558 Abs. 3 Satz 2 oder § 577a Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besonders gefährdet ist, begründet lediglich ein Indiz dafür, dass diese nach Art. 1 Satz 1 ZwEWG auch zum Erlass einer Zweckentfremdungssatzung berechtigt ist (vgl. Bayer. Landtag vom 7. März 2017, LT-Drucks. 17/15781, S. 5), ersetzt jedoch nicht die Feststellung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG. Ebenso wenig steht der Antragsgegnerin bei der Feststellung einer Wohnraummangellage im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG ein „nur sehr eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum“ zu, wie in der Sitzungsvorlage vom 13. Mai 2019 rechtsirrig ausgeführt wird. Das Vorliegen der in Art. 1 Satz 1 ZwEWG aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen unterliegt vielmehr vollständiger verwaltungsgerichtlicher Kontrolle.
Die Antragsgegnerin hat daher nicht nur die Erforderlichkeit eines erneuten Stadtratsbeschlusses, sondern zugleich auch Bedeutung und Tragweite des von Verfassungs wegen – insbesondere bei erstmaligem (wirksamen) Satzungserlass – zu beachtenden Begründungszwangs verkannt. Dies wird bei einem etwaigen erneuten Satzungserlass zu berücksichtigen sein. Dabei wird die Antragsgegnerin zugleich auch zu erwägen haben, dass die sie offenbar leitende Intention, eine hotelähnliche Nutzung von Privatwohnungen als Ferienwohnungen zu unterbinden, selbst dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG nachgewiesen werden sollten, aus Gründen des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG) nur in sehr eingeschränktem Umfang überhaupt zu verwirklichen ist; denn der materielle Regelungszweck des Zweckentfremdungsrechts ist von vornherein nicht berührt, wenn es an einer dauerhaften Umwandlung von eigengenutztem Wohn- und Mietwohnraum in eine gewerbliche Fremdenbeherbergung fehlt. Dem allgemeinen Wohnungsmarkt geht in diesem Fall nämlich kein Wohnraum verloren, der ansonsten zum Dauerwohnen zur Verfügung gestanden hätte (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 -, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 19).
So erweist sich beispielsweise die zeitweise Verlagerung des Wohnsitzes über das Winterhalbjahr in südliche Gefilde und die damit einhergehende tage- oder wochenweise Zwischenvermietung der eigenen, in den Sommermonaten selbstgenutzten Wohnung (auch) über einen Zeitraum von mehr als acht Wochen (vgl. Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG) hinweg als zweckentfremdungsrechtlich vollkommen unbedenklich, weil diese Wohnung dem allgemeinen Wohnungsmarkt niemals zur Verfügung steht; sie stünde allenfalls vorübergehend zeitweise unbewohnt leer und wird dem „Dauerwohnen“ damit nicht entzogen. Infolgedessen besteht kein Grund, sie der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis ihres Eigentümers zu entziehen. Die private Lebensführung in den eigenen vier Wänden ist nicht Gegenstand zweckentfremdungsrechtlicher Anknüpfungen. Das Zweckentfremdungsrecht erlaubt insoweit gerade keine Wohnraumbewirtschaftung (vgl. BayVGH, B.v. 20.01.2021 – 12 N 20.1706 -, BayVBl. 2021, 378 – juris, Rn. 42 m.w.N.).
Nicht anders verhält es sich, wenn etwa eine für den Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit als Wohnraum für Dritte oder für den Besuch der eigenen (erwachsenen) Kinder vorgehaltene, ansonsten als Zweitwohnung mitbenutzte (Einlieger-) Wohnung eines selbstgenutzten Ein- oder Mehrfamilienwohnhauses für mehr als acht Wochen im Jahr zwischenvermietet wird. Auch eine solche Wohnung stünde allenfalls vorübergehend zeitweilig unbewohnt leer; sie wird jedoch dem „Dauerwohnen“ nicht entzogen. In all diesen Fällen ist daher auf Antrag eine entsprechende Zweckentfremdungsgenehmigung zu erteilen (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 -, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 28) mit der Folge, dass die mit dem Erlass einer solchen Satzung verfolgten Ziele letztlich faktisch weithin leerlaufen. Lediglich die völlige Umwandlung von nicht (zumindest auch) selbst genutztem Wohnraum in Ferienwohnraum für einen Zeitraum für mehr als acht Wochen im Jahr lässt sich, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen für den Satzungserlass vorliegen, wirksam unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 -, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 29).
Sollte die Antragsgegnerin es nicht mit einem generellen Wohnraummangel, sondern „lediglich“ mit einem Fehlen besonders günstiger – „bezahlbarer“ – Wohnungen zu tun haben, die der Markt – aus welchen Gründen auch immer – nicht (mehr) bereit ist, zur Verfügung zu stellen, so erhebt sich die von der Antragsgegnerin zu beantwortende weitere Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Zweckentfremdungssatzung im Lichte der von Verfassungs wegen gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung überhaupt geeignet ist, dem spezifischen Wohnraummangel entgegenzuwirken. Eine bestimmte Art von Wohnungen, namentlich solche mit niedrigen Mieten in ausreichender Zahl kann wohl kaum dadurch bereitgestellt werden, dass die Verfügungsbefugnis über Wohnungen, die ihrer Art nach in mehr als ausreichender Anzahl vorhanden sind, aber von der zur versorgenden Klientel gar nicht nachgefragt werden können, Beschränkungen unterworfen wird. Jedenfalls hätte die Antragsgegnerin, sollte sie von ihrer Rechtssetzungsbefugnis erneut Gebrauch machen wollen, bereits im Zeitpunkt des Satzungserlasses in der Sache nachvollziehbar aufzuzeigen und zu begründen, weshalb durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung gleichwohl ein signifikanter Beitrag zur Verbesserung der Wohnraumsituation im unteren Angebotsbereich zu erwarten ist.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG und orientiert sich an den Empfehlungen in Nummer 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Unter Berücksichtigung der dort empfohlenen Werte hält der Senat einen Streitwert in Höhe von 40.000 € für angemessen.
7. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
8. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbs. VwGO hat die Antragsgegnerin die Nummer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses in derselben Weise zu veröffentlichen wie die angefochtene Satzung.


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