Zivil- und Zivilprozessrecht

Auslegung einer Einigung nach vollstreckbarem Urteil – Vollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  7 U 1271/18

Datum:
17.10.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25832
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 197 Abs. 1, Abs. 2, § 214 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Einigung der Parteien über die Erledigung der Ansprüche aus der „streitgegenständlichen Vollstreckung“ betrifft nur die Vollstreckung aus dem Urteil und nicht diejenige aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Parteien durften die Erklärung der jeweils anderen Partei über die Abgeltung „aller“ Ansprüche aus dem Gerichtsverfahren nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht dahin verstehen, dass auch die damaligen Gerichtskosten, die gar nicht Gegenstand der Verhandlungen waren, mit abgegolten sein sollten.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Bereicherungsanspruch des Klägers wegen der Vollstreckung verjährter Zinsen besteht nicht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4 Sind verjährte Zinsen vollstreckt worden, können diese unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung selbst dann zurückgefordert werden, wenn im Zeitpunkt der Vollstreckung die Verjährungseinrede nicht erhoben war, sondern die Verjährung erst nachträglich geltend gemacht wird (vgl. BGH BeckRS 9998, 96016).  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 HK O 10460/16 2018-03-29 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.3.2018 (Az.: 12 HK O 10460/16) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Der Kläger macht gegen die Beklagte die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen sowie einen Bereicherungsanspruch geltend.
Mit Urteil vom 9.10.1986 (bei Anlage K 1) hat das Landgericht München I den Kläger im Verfahren 12 HK O 7895/85 zur Zahlung von 64.639,50 DM nebst gestaffelten Zinsen und vorgerichtlichen Kosten an die Beklagte verurteilt. Mit Versäumnisurteil vom 24.6.1987 hat der Senat im Verfahren 7 U 5905/86 die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Betreffend die genannten beiden Verfahren hat das Landgericht München I am 21.11.1986 und 1.9.1987 zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse erlassen (vorgelegt im Anlagenkonvolut K 1). Auf das genannte Urteil konnte die Beklagte am 27.10.2017 im Rechtshilfeweg in der Schweiz 67.700,- Schweizer Franken beitreiben lassen.
Der Kläger ist der Meinung, die vom Beklagten noch betriebene Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen sei unzulässig, weil er sich (vertreten durch Rechtsanwalt K.) mit der Beklagten (vertreten durch Rechtsanwalt M.) darauf geeinigt habe, dass mit der erfolgten Vollstreckung alle Ansprüche aus den genannten Gerichtsverfahren erledigt seien. Im übrigen fordert er einen Teil des vollstreckten Betrages unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurück; es seien bereits verjährte Zinsen mit vollstreckt worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. Die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts München I vom 21.11.1986 und vom 1.9.1987 zu dem Aktenzeichen 12 HK O 7895/85 wird für unzulässig erklärt. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.750,85 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.750,85 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
B.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus den gegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen noch einen Bereicherungsanspruch wegen der Vollstreckung verjährter Zinsen.
I. Von einer Einigung der Parteien dahingehend, dass mit der vollstreckten und bei der Beklagten verbliebenen Summe von 67.700,- SFR auch die Ansprüche aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen abgegolten sein sollen, kann nicht ausgegangen werden.
1. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass sich aus der vorgelegten Korrespondenz zwischen den Rechtsanwälten K. (auf Klägerseite) und M. (auf Beklagtenseite) eine Abgeltung (auch) der titulierten Ansprüche aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen nicht ergibt.
Zunächst hatten sich die Parteien (offenbar fernmündlich) nach vorangegangenen Verhandlungen (vgl. insbesondere erstes Schreiben des Rechtsanwalts M. vom 19.12.2013, bei Anlage K 2) auf Zahlung eines Betrages von 13.500,- € durch den Kläger geeinigt (vgl. zweites Schreiben des Rechtsanwalts M. vom 19.12.2013, bei Anlage K 2). In der Folgezeit kam es zunächst nicht zur Bezahlung dieses Betrages, so dass sich die letztendlich doch erfolgte Zahlung mit der oben genannten Vollstreckung der 67.700 SFR überschnitt. Daraufhin einigten sich die Parteien, wiederum vertreten durch die Rechtsanwälte K. und M., auf die Rückzahlung der bezahlten 13.500,- € und erklärten übereinstimmend, dass „mit der Zahlung die Ansprüche aus der streitgegenständlichen Vollstreckung und dem Vergleich erledigt sind“ (vgl. Schreiben des Beklagtenvertreters vom 26.6.2015 und Schreiben des Klägervertreters vom 2.7.2015, Anlagen K 9, K 10).
Die abschließende Einigung zwischen den Parteien liegt also in den letztgenannten Erklärungen über die Erledigung der Ansprüche aus der „streitgegenständlichen Vollstreckung“ und dem „Vergleich“. Streitgegenständliche Vollstreckung war diejenige des Urteils und nicht diejenige aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen, so dass der Kläger aus dieser Teilpassage nichts herleiten kann. Erledigt sollten aber auch Ansprüche aus dem „Vergleich“ sein. Damit kann nur die Einigung vom 19.12.2013 gemeint sein, die mit dieser Passage bestätigt wurde.
Der Einigung vom 19.12.2013 ging das erste Schreiben des Beklagtenvertreters vom 19.12.2013 voraus, in welchem er ein Angebot des Klägers unbekannter Höhe im Hinblick auf die „weiteren Gerichtskosten“ und „hier angefallenen Kosten“ ablehnte, auf ein früheres eigenes Angebot von 12.500,- € zuzüglich Kosten Bezug nahm und nunmehr 14.000,- € inklusive Kosten vorschlug. Aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens ergibt sich, dass damit nicht die 1986/87 angefallenen Gerichtskosten des streitigen Verfahrens, sondern die nunmehrigen Zwangsvollstreckungskosten gemeint waren. Dem entspricht, dass Gegenstand der Zwangsvollstreckung in der Schweiz, die den Anlass für die Verhandlungen zwischen den Parteien bildete, nur die Ansprüche aus dem Urteil und nicht die (in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen titulierten) früheren Gerichtskosten waren. Der Dokumentenlage lässt sich daher eine Abgeltung auch dieser Kosten durch die Einigung vom 19.12.2013 nicht entnehmen.
2. Im Ergebnis zu Unrecht rügt der Kläger, dass das Landgericht den Zeugen K. nicht zu einer behaupteten Einigung auch über die in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen titulierten Ansprüchen vernommen habe.
Das Beweisthema, zu welchem der Zeuge benannt war (bereits in der Klageschrift, Bl.1 ff. der Akten, dort S. 3), lautete, dass sich der Zeuge mit dem Rechtsanwalt M. auf Seiten der Beklagten dahin geeinigt habe, dass der Kläger an die Beklagte einen Betrag von 13.500,- € Zug um Zug gegen Herausgabe des Urteils und der weiteren Vollstreckungsunterlagen zur Abgeltung aller Ansprüche aus dem Gerichtsverfahren zahlen sollte und mit der Zahlung alle Ansprüche aus dem Gerichtsverfahren erledigt sein sollten.
Dieser Sachverhalt unterstellt der Senat als wahr. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob mit „allen Ansprüchen“ aus dem Gerichtsverfahren auch die Ansprüche aus den streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen gemeint waren. Für diese Auslegung ist entscheidend, dass der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, dass bei den Vertragsverhandlungen nicht über konkrete Kostenfestsetzungsbeschlüsse gesprochen wurde (Schriftsatz vom 3.7.2017, Bl. 148 ff. der Akten, dort S. 2). Auch im übrigen war Anlass der Verhandlungen zwischen den Parteien nur die Vollstreckung des Urteils, worum auch die schriftlichen Erklärungen der Parteien kreisten. Vor diesem Hintergrund durften die Parteien die Erklärung der jeweils anderen über „alle“ Ansprüche aus dem Gerichtsverfahren nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht dahin verstehen, dass auch die damaligen Gerichtskosten, die gar nicht Gegenstand der Verhandlungen waren, mit abgegolten sein sollten. Dass Rechtsanwalt K. die Erklärung möglicherweise anders verstanden hat, ist nach der Lehre vom objektiven Empfängerhorizont irrelevant.
II. Ein Bereicherungsanspruch des Klägers wegen der Vollstreckung verjährter Zinsen besteht nicht.
1. Richtig ist zwar der Ausgangspunkt der Argumentation des Klägers. Auch Zinsen sind „künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen“ im Sinne von § 197 Abs. 2 BGB. Damit unterliegen auch titulierte Zinsen der regelmäßigen Verjährungsfrist (vgl. Palandt / Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 197 Rz. 10 m.w.Nachw.).
Sind hiernach verjährte Zinsen vollstreckt worden, können diese unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden (BGH, Urteil vom 5.10.1993 – XI ZR 180/92, Rz. 25). Dies gilt selbst dann, wenn im Zeitpunkt der Vollstreckung die Verjährungseinrede nicht erhoben war, sondern die Verjährung erst nachträglich geltend gemacht wird (a.a.O. Rz. 36). § 214 Abs. 2 BGB steht der Rückforderung nicht entgegen, da die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck nur freiwillige Zahlungen auf eine verjährte Forderung betrifft (a.a.O. Rz. 37).
2. Die Beklagte hat aber keine Beträge vollstreckt, die am Tag der Vollstreckung bereits verjährt waren.
a) Nicht verjährt, da nach § 197 Abs. 1 ZPO in dreißig Jahren verjährend, waren am 27.10.2014 die titulierte Hauptforderung von 64.639,50 DM = 33.049,65 € sowie die zuerkannten vorgerichtlichen Kosten von 299,14 DM = 152,95 €.
b) Nicht verjährt waren am 27.10.2014 auch die bis zur Rechtskraft des Urteils aufgelaufenen Zinsen. Bis zum Eintritt der Rechtskraft aufgelaufene titulierte Zinsen verjähren mit der titulierten Hauptsache, also in dreißig Jahren (vgl. Palandt / Ellenberger, a.a.O., § 197 Rz. 10). Ausweislich des vorgelegten Kostenfestsetzungsbeschlusses erging das seinerzeitige Versäumnisurteil des Senats am 24.6.1987. Rechtskraft ist mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist hiergegen, also (frühestens) am 8.7.1987 eingetreten.
Das ergibt auf der Basis der seinerzeitigen Zinsstaffel des Landgerichts folgende Berechnung nicht verjährter Zinsen.: 14% aus 32.233,- DM = 16.480,47 € vom 1.10.1984 bis 6.2.1985 = 813,86 €.
14% aus 56.465,76 DM = 23.757,57 € vom 7.2.1985 bis 9.5.1985 = 838,35 €.
14% aus 58.463,58 DM = 29.891,95 € vom 9.5.1985 bis 3.1.1986 = 2.751,70 €.
14% aus 64.489,76 DM = 32.973,09 € vom 3.1.1986 bis 8.7.1987 = 6.981,26 €.
14% aus 152,95 € vom 9.4.1985 bis 8.7.1987 = 48,16 €.
c) Nicht verjährt am 27.10.2014 waren auch die ab dem 1.1.2010 aufgelaufenen Zinsen.
Die Verjährung der im Laufe des Jahres 2010 aufgelaufenen Zinsen begann am 31.12.2010 und hätte daher am 31.12.2013 geendet (§§ 197 Abs. 2, 195, 199 BGB). Durch die Vollstreckungsanträge gegenüber dem Amtsgericht Charlottenburg (Anlage B1) und gegenüber der Beitreibungsstelle Zürich (Anlage B 2) kam es jedoch im Laufe des Jahres 2013 jeweils zu einem Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB; insoweit genügte der Vollstreckungsantrag und kam es nicht auf den Zeitpunkt der Vollstreckung an. Die neu begonnene Verjährungsfrist war daher am 27.10.2014 nicht abgelaufen.
Vorstehendes gilt entsprechend für die in den auf 2010 folgenden Jahren aufgelaufenen Zinsen.
Dies ergibt folgende Berechnung nicht verjährter Zinsen: 14% aus 32.573,09 € vom 1.1.2010 bis 27.10.2014 = 22.259,09 €.
14% aus 152,95 € von 1.1.2010 bis 27.10.2014 = 103,25 €.
d) Damit waren (= Summe der vorstehend fett kursiv gedruckten Beträge) am 27.10.2014 an Hauptforderung und Zinsen nicht verjährt 66.997,87 €. Diese Summe entsprach nach dem mittleren Umrechnungskurs von diesem Tag (1,20605) 80.803,89 SFR. Vollstreckt wurden aber nur 67.700 SFR. Damit wurden keine verjährten Beträge vollstreckt, so dass sich keine Rückzahlungsansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ergeben.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.


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