Zivil- und Zivilprozessrecht

Behandlungskosten, Zwangsvollstreckung, Bereicherung, ungerechtfertigt, Verkehrsunfall, medizinischen Rehabilitation, Anspruchsübergang

Aktenzeichen  13 S 1917/19

Datum:
18.12.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52976
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 116 Abs. 1
VVG § 86

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 C 23/19 2019-06-14 Endurteil AGLANDSHUT AG Landshut

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Landshut vom 14.06.2019 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.300,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
I. Wie schon das Erstgericht verkennt auch die Kammer nicht, dass der Wortlaut des § 116 Abs. 1 SGB einem Anspruchsübergang nicht zwingend entgegen steht. Auch gilt der Grundsatz, dass der Schädiger nicht durch Leistungen Dritter entlastet werden soll. Darüber hinaus dürfte im vorliegenden Fall die Gefahr der doppelten Leistungserbringung an den Geschädigten nicht bestehen und es gilt der Grundsatz, auf den auch der BGH in der Entscheidung vom 24.04.2012, dort Rand-Nr. 21, verweist, dass der Sozialversicherungsträger ein anerkanntes Interesse an effektiven Rückgriffsmöglichkeiten haben muss. Der BGH führt in diesem Zusammenhang allerdings weiter aus, dass allein dieser Grundsatz es den Gerichten nicht erlaubt, die Gesetzesanwendung nach dem Schutzbedürfnis des Sozialversicherungsträgers auszurichten.
Aus der Entscheidung des BGH ergibt sich nach dem Verständnis des Gerichts eindeutig, dass ein Anspruchsübergang auf eine Sozialversicherung das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses zur Voraussetzung hat. Diese Voraussetzung entfällt nicht dadurch, dass Leistungen für den Geschädigten ernsthaft in Betracht zu ziehen sind oder dass solche Leistungen tatsächlich erbracht worden sind. Der BGH führt unter Rand-Nr. 11 des besagten Urteils aus, dass sich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Sozialleistungen, die nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen, nicht auf Sozialleistungen eines Sozialversicherungsträgers übertragen lassen. Des Weiteren stellt der BGH fest, dass Ansprüche des Vaters der Geschädigten aus der Rentenversicherung kein verbindendes Element für den Forderungsübergang auf die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin bilden.
Die Beklagte hat Leistungen an den Vater der Geschädigten erbracht. Die Tatsache, dass dadurch der Unfallverursacher und seine Haftpflichtversicherung entlastet werden, reicht nach dem Verständnis der Kammer nicht aus, um einen Anspruchsübergang anzunehmen. Der Anspruchsübergang wird durch das Entstehen eines Sozialleistungsanspruchs bewirkt, nicht durch das Erbringen von Leistungen an den Geschädigten (Kasseler Kommentar/Kater SGB X § 116 Rand-Nr. 27).
Für dieses Ergebnis spricht auch die Bestimmung des § 86 VVG. Diese Norm stellt darauf ab, ob Leistungen tatsächlich erbracht worden sind. Die Bestimmungen des § 116 SGB X stellt dem gegenüber auf die tatsächliche Leistungserbringung nicht ab.
Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass es nicht ihr obliegt, ein – möglicherweise zurecht – als unbefriedigend empfundenes Ergebnis im Wege der Gesetzesauslegung zu korrigieren, zumal die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte bietet.
II. Ein Anspruch der Beklagten kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs in Betracht. Die Beklagte sieht dies offensichtlich selbst so.
Im vorliegenden Fall bestehen Ansprüche der Geschädigten gegen die Klägerin und deren Versicherungsnehmer. Des Weiteren bestehen Ansprüche des Vaters der Klägerin gegen die Beklagte. Eine Gesamtschuld liegt somit nicht vor und die Beklagte hat mit Rechtsgrund im Verhältnis zum Vater der Geschädigten geleistet.
Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt der Höhe nach aus dem Gesetz. Verzug ist eingetreten mit Ablauf der vorgerichtlich gesetzten Zahlungsfrist.
Kostenentscheidung: § 97 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Kammer hat die Revision zugelassen, nachdem die Sache offensichtlich überragende praktische Bedeutung hat, wie vom Vertreter der Beklagten im Termin mitgeteilt worden ist. Danach sollen – mit Ausnahme der hiesigen Klägerin – alle Haftpflichtversicherungen trotz des Urteils des BGH aus dem Jahr 2012 tatsächlich erbrachte Leistungen der Beklagten in Fällen wie hier anstandslos erstatten. Zudem entspricht der vorliegende Sachverhalt nicht exakt dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt. Dort ging es um einen Feststellungsantrag, während im vorliegenden Fall tatsächlich erbrachte Leistung gefordert werden.


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