Familienrecht

Nichtannahmebeschluss: Zweitwohnungssteuer und Residenzpflicht eines Beamten – Keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG wegen Residenzpflicht oder aufgrund eines etwaigen Erhebungsdefizits – Zudem auch keine Verletzung von Art 6 Abs 1 GG

Aktenzeichen  1 BvR 2664/09

Datum:
17.2.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100217.1bvr266409
Normen:
Art 105 Abs 2a GG
Art 3 Abs 1 GG
Art 6 Abs 1 GG
§ 99 Abs 1 S 3 AO 1977
MeldeG BY 1983
Spruchkörper:
1. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend VG München, 5. März 2009, Az: M 10 K 08.1268, Urteil

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zweitwohnungsteuerpflicht eines Beamten mit Residenzpflicht in der Landeshauptstadt
München.
I.
2
Der Beschwerdeführer ist Vollzugsbeamter der Polizei. Er ist ledig und in X. mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet. Dort lebt
er bei seiner Mutter. In München befindet sich die Dienststelle des Beschwerdeführers. Durch Anordnung seines Dienstherrn
wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, im Bereich des Münchner Verkehrsverbundes einen Wohnsitz zu begründen. Seit Dezember
1998 hat der Beschwerdeführer eine Nebenwohnung in München angemeldet.
3
Die Stadt München erließ mit Inkrafttreten zum 1. Februar 2006 eine “Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in
der Landeshauptstadt München (Zweitwohnungsteuersatzung -ZwStS-)”. Diese regelt auszugsweise:
4
§ 1 Steuergegenstand
5
Die Landeshauptstadt München erhebt eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet.
6
§ 2 Begriff der Zweitwohnung
7
(1) Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. (…)
8
(2) Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung ist jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Zweitwohnung ist
weiterhin jede Wohnung im Stadtgebiet der Landeshauptstadt München, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung
hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. (…)
9
(3) Als Zweitwohnungen gelten nicht,
10
(…)
11
3. Wohnungen, die verheiratete und nicht dauernd getrennt lebende Personen aus beruflichen Gründen in der Landeshauptstadt
München innehaben, wenn sich die Hauptwohnung der Eheleute außerhalb der Landeshauptstadt München befindet. (…)
12
§ 8 Anzeigepflicht
13
(1) Wer Inhaber einer Zweitwohnung ist bzw. wird oder eine Zweitwohnung aufgibt, hat dies der Landeshauptstadt München innerhalb
eines Monats schriftlich anzuzeigen. Die Anmeldung oder Abmeldung von Personen nach dem Bayerischen Meldegesetz gilt als Anzeige
im Sinne dieser Vorschrift.
14
(2) Die Inhaber einer Zweitwohnung sind verpflichtet, der Landeshauptstadt München für die Höhe der Steuer maßgebliche Veränderungen
unverzüglich zu melden und über den Umfang dieser Veränderungen auf Verlangen – auch unter Vorlage entsprechender Unterlagen
– Auskunft zu erteilen.
15
(…)
16
§ 10 Mitwirkungspflichten
17
Die Mitwirkungspflichten Dritter, insbesondere desjenigen, der dem Steuerpflichtigen die Wohnung überlassen oder ihm die Nutzung
gestattet hat – z.B. des Vermieters, des Eigentümers des Grundstücks oder der Wohnung oder des Hausverwalters nach §§ 20 ff.
des Wohnungseigentumsgesetzes – ergeben sich aus § 93 AO.
18
Das bayerische Kommunalabgabengesetz (Bay-KAG) bestimmt auszugsweise:
19
Art. 13 Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung
20
(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen
der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:
21
(…)
22
3. aus dem Dritten Teil – Allgemeine Verfahrensvorschriften –
23
a) über die Verfahrensgrundsätze:
24
(…) §§ 85 bis 93, (…) §§ 97, 98, § 99 mit der Maßgabe, dass im Kurbeitragsrecht von einer vorhergehenden Verständigung des
Betroffenen abgesehen werden kann, § 101 Abs. 1, §§ 102 bis 109 (…)
25
Das bayerische Gesetz über das Meldewesen (Meldegesetz vom 8. Dezember 2006, GVBl 2006, S. 990 – Bay-MeldeG -), bestimmt zur
Meldepflicht bei mehreren Wohnungen auszugsweise Folgendes:
26
Art. 15 Mehrere Wohnungen
27
(1) Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland, so ist eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung.
28
(2) Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Hauptwohnung eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft
führenden Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie oder seinem Lebenspartner lebt, ist die vorwiegend benutzte
Wohnung der Familie oder der Lebenspartner. Hauptwohnung eines minderjährigen Einwohners ist die vorwiegend benutzte Wohnung
der Personensorgeberechtigten; leben diese getrennt, ist Hauptwohnung die Wohnung des Personensorgeberechtigten, die von dem
Minderjährigen vorwiegend benutzt wird. Auf Antrag eines Einwohners, der in einer Einrichtung für behinderte Menschen untergebracht
ist, bleibt die Wohnung nach Satz 3 bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres seine Hauptwohnung. In Zweifelsfällen ist die
vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt. Kann der Wohnungsstatus eines
verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners nach den Sätzen 2 und 5 nicht zweifelsfrei bestimmt werden,
ist die Hauptwohnung die Wohnung nach Satz 1.
29
(3) Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung des Einwohners.
30
(4) Der Einwohner hat bei jeder An- oder Abmeldung mitzuteilen, welche weiteren Wohnungen er hat und welche seine Hauptwohnung
ist. Er hat der Meldebehörde der neuen Hauptwohnung jede Änderung der Hauptwohnung mitzuteilen.
31
Art. 28 Datenübermittlungen an andere Behörden oder sonstige öffentliche Stellen
32
(1) Die Meldebehörde darf einer anderen Behörde oder sonstigen öffentlichen Stelle im Inland aus dem Melderegister folgende
Daten von Einwohnern übermitteln, soweit dies zur Erfüllung von in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist:
33
1. Familiennamen,
34
2. frühere Namen,
35
3. Vornamen,
36
(…)
37
10. gegenwärtige und frühere Anschriften, Haupt- und Nebenwohnung, bei Zuzug aus dem Ausland auch die letzte frühere Anschrift
im Inland,
38
11. Tag des Ein- und Auszugs,
39
(…)
40
Die Stadt München setzte mit Bescheid vom 26. Juni 2007 Zweitwohnung-steuer gegen den Beschwerdeführer für 2006 in Höhe von
199 €, für die Folgejahre in Höhe von 282 € fest. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
41
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte die Zulassung der Berufung ab. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils
des Verwaltungsgerichts bestünden nicht. Auf die berufliche Veranlassung dürfe bei der Prüfung der Steuerpflicht nach der
Zweitwohnungsteuer nicht abgestellt werden, deshalb sei es rechtlich unerheblich, ob der Beschwerdeführer durch eine Residenzpflicht
zur Anmietung einer Wohnung in München gezwungen sei. Entscheide der Beschwerdeführer sich, seinen Lebensmittelpunkt an einem
anderen Ort als dem Ort der Dienstpflicht beizubehalten, so entstehe ihm ein Aufwand, der über die Befriedigung des allgemeinen
Lebensbedarfes hinausgehe. Die steuerrechtlichen Konsequenzen aus dieser Entscheidung müsse der Beschwerdeführer dann tragen.
Mangels substantiierter Darlegung der beanstandeten Verwaltungspraxis könne auch das durch den Beschwerdeführer angenommene
Vollzugsdefizit nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten zur Zulassung der Berufung führen.
II.
42
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.
43
Der allgemeine Gleichheitssatz werde durch das bei der Zweitwohnungsteuer der Stadt München bestehende Vollzugsdefizit verletzt.
Die Stadt führe weder bei einer Ummeldung des Nebenwohnsitzes in einen Hauptwohnsitz, noch bei der Abmeldung eines Nebenwohnsitzes
Kontrollen durch. Der Gleichheitssatz werde durch eine Regelung des steuerrechtlichen Erhebungsverfahrens, die die Herstellung
der Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell verfehle, verletzt. Art. 6 Abs. 1 GG werde dadurch verletzt, dass die Zweitwohnungsteuer
festgesetzt werde, obwohl der Beschwerdeführer von seinem Dienstherrn durch Anordnung einer Residenzpflicht gezwungen werde,
die Münchner Wohnung aus dienstlichen Gründen zu halten. Es werde hierdurch das Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt,
mit seiner Mutter – und damit seiner engsten Familie – zusammen zu leben.
III.
44
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für eine Annahme
sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen
Fragen zu den Anforderungen an eine Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der Reichweite des Schutzes der Familie
sowie zu den Voraussetzungen für die Annahme eines strukturellen Defizits bei der Steuererhebung sind geklärt. Die Annahme
der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt.
Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
45
1. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG wegen des Vorliegens eines Erhebungsdefizits bei
der Zweitwohnungsteuer kann nicht festgestellt werden (a). Die Erhebung der Zweitwohnungsteuer verstößt auch nicht deshalb
gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil für den Beschwerdeführer eine Residenzpflicht am Ort der Zweitwohnung besteht (b).
46
a) Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich
und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens
prinzipiell verfehlt, so kann dies die Verfassungswidrigkeit der Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Nach dem Gebot tatsächlich
gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug begründet die in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fallende
strukturell gegenläufige Erhebungsregel im Zusammenwirken mit der zu vollziehenden materiellen Steuernorm deren Verfassungswidrigkeit.
Strukturell gegenläufig wirken sich Erhebungsregelungen gegenüber einem Besteuerungstatbestand aus, wenn sie dazu führen,
dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann. Die Frage, ob der Gesetzgeber von ihm erstrebte Ziele
– im Steuerrecht die Erzielung von Einnahmen, gegebenenfalls auch Lenkung – faktisch erreicht, ist rechtsstaatlich allein
noch nicht entscheidend. Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, führen allein
noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm (vgl. BVerfGE 84, 239 ; 110, 94 ).
47
Einen solchen Widerspruch zwischen dem normativen Befehl, der Zweitwohnungsteuerpflicht bei dem Innehaben einer Zweitwohnung
im Stadtgebiet der Landeshauptstadt München, und den Regeln über die Festsetzung und Erhebung der Steuer hat der Beschwerdeführer
in seiner Beschwerde nicht aufgezeigt. Sollte die Erhebung der Zweitwohnungsteuer, wie er geltend macht, bei einem Notar trotz
Vorliegens der steuerrechtlichen Voraussetzungen unterblieben sein, so kann daraus mangels weitergehender Anhaltspunkte nicht
auf ein strukturell bedingtes Erhebungsdefizit geschlossen werden. Ein Widerspruch zwischen der normierten Steuerpflicht und
den Regeln über die Festsetzung und Erhebung der Zweitwohnungsteuer ergibt sich auch nicht aus den maßgeblichen Rechtsvorschriften.
So sieht die Steuersatzung neben der reinen Deklarationspflicht des Steuerpflichtigen in § 8 ZwStS weitere Möglichkeiten vor,
auch gegen seinen Willen an die erforderlichen Informationen über die Steuerpflicht zu gelangen, und ermöglicht damit Ermittlungs-
und Verifikationsbemühungen des Steuergläubigers. Weiterhin ist die formelle Anknüpfung der Zweitwohnungsteuerpflicht an die
Meldung eines Nebenwohnsitzes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS auch durch die Möglichkeit der Erlangung von Daten der Meldebehörde
abgesichert (vgl. Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Bay-MeldeG). § 10 ZwStS verweist darüber hinaus auf die Mitwirkungspflicht Dritter
im Besteuerungsverfahren nach § 93 AO und die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden nach § 97 AO; darunter kann auch ein
Mietvertrag fallen.
48
Unschädlich in diesem Zusammenhang ist, dass Wohnräume mit Rücksicht auf den Grundrechtsschutz der Wohnung aus Art. 13 GG
nach § 99 Abs. 1 Satz 3 AO gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit
und Ordnung betreten werden dürfen. Für die Ermittlung der Zweitwohnungsteuerpflicht wird diese Möglichkeit der Sachverhaltsermittlung
– wie im Steuerrecht generell – zumeist nicht greifen (vgl. Brockmeyer, in: Klein, AO, 10. Auflage, 2009, § 99 Rn. 7). Diese
Art der Ermittlung vor Ort wäre im Übrigen ohnehin kaum zur Abgrenzung der Hauptwohnung von einer Nebenwohnung geeignet, da
das Überwiegen des Aufenthalts an einer von mehreren Wohnungen in aller Regel durch Inaugenscheinnahme der Wohnungen nicht
festgestellt werden kann. Ein strukturelles Erhebungsdefizit lassen die Reglungen über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer
in der Landeshauptstadt München auch mit Rücksicht hierauf jedenfalls nicht erkennen.
49
b) Die Anordnung einer Residenzpflicht für Beamte begründet für die dadurch betroffenen Zweitwohnungsteuerpflichtigen keine
gleichheitswidrige Belastung gegenüber jenen Steuerpflichtigen, die keiner solchen Pflicht unterliegen, da die Aufwandsteuer
unabhängig von dem Grund und Anlass für den betriebenen Aufwand erhoben wird.
50
Die Aufwandsteuer soll die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen. Angesichts
der Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wäre die Erhebung einer Steuer, die nicht
an die Entstehung des Einkommens, sondern an dessen Verwendung anknüpft, nicht praktikabel, wenn in jedem Fall die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müsste. Ausschlag gebendes Merkmal der Aufwandsteuer ist deshalb
der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne
von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme,
von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel
die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich
(vgl. BVerfGE 65, 325 ; 114, 316 ). Das Innehaben einer Zweitwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung
finanzieller Mittel erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (vgl. BVerfGE 65, 325
; 114, 316 ). Eine solche Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf liegt vor, wenn der Steuerpflichtige
die Zweitwohnung selbst bewohnt. Unerheblich für die Einordnung einer Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art.
105 Abs. 2a GG ist, dass das Innehaben der Zweitwohnung durch eine Berufsausübung veranlasst wurde und nach Maßgabe des Einkommensteuerrechts
als Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen ist (vgl. BVerfGE 114, 316 ).
51
Diese in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärten Grundsätze zum verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff
machen deutlich, dass Belastungsgrund für den steuerbaren Aufwand allein der im Konsum bestimmter Güter zum Ausdruck kommende
äußere Eindruck einer besonderen Leistungsfähigkeit ist, ohne Rücksicht auf den persönlichen Anlass, den Grund oder das Motiv
für den betriebenen Aufwand.
52
2. Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird durch die Residenzpflicht des Beschwerdeführers am Ort der
Zweitwohnung nicht verletzt.
53
a) Art. 6 Abs. 1 GG enthält über die Garantie der Institute von Ehe und Familie hinaus einen besonderen Gleichheitssatz. Er
verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (Diskriminierungsverbot,
vgl. BVerfGE 76, 1 ; 99, 216 ; 114, 316 ).
54
In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) waren kommunale Zweitwohnungsteuersatzungen
wegen einer Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG für nichtig erklärt worden. Gegenstand der Ausgangsverfahren jener Entscheidung
war jeweils die Belastung eines erwerbsbedingt begründeten weiteren Haushalts eines Ehegatten mit Zweitwohnungsteuer. Nach
den dort maßgeblichen melderechtlichen Vorschriften, auf die die jeweiligen Steuersatzungen für die Bestimmung der Zweitwohnung
verwiesen hatten, war zwar generell bei mehreren Wohnungen die vorwiegend bewohnte Wohnung als die Hauptwohnung anzusehen.
Im Fall von – nicht dauernd getrennt lebenden – Ehegatten wurde jedoch abweichend von diesem Grundsatz die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung zur Hauptwohnung bestimmt. Dadurch war es ausgeschlossen, die Wohnung am Ort der Beschäftigung
des Ehegatten trotz deren vorwiegender Nutzung als Hauptwohnsitz zu betrachten und damit der Belastung durch die Zweitwohnungsteuer
am Ort der Beschäftigung zu entgehen. Durch diese Schlechterstellung verheirateter Personen gegenüber nicht verheirateten
wurde das eheliche Zusammenleben in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise belastet (vgl. BVerfGE 114, 316 <335
ff.>).
55
Eine solcherart benachteiligende Wirkung des Melderechts auf die Familie liegt im Streitfall indes nicht vor. Auf den vorwiegend
noch bei seiner Mutter lebenden Beschwerdeführer sind keine anderen Vorschriften über die Bestimmung der Hauptwohnung bei
einem Bewohnen mehrerer Wohnungen anwendbar als dies für andere Personen, die in mehreren Wohnungen wohnen, der Fall ist.
Das durch die Steuersatzung in Bezug genommene Melderecht stellt für volljährige Kinder diskriminierungsfrei darauf ab, welche
Wohnung vorwiegend benutzt wird. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers sieht das Melderecht keine Regelung für den –
unverheirateten – Beschwerdeführer vor, wonach die Hauptwohnung eine andere Wohnung als die vorwiegend benutzte Wohnung sei
(vgl. Art. 15 Bay-MeldeG)
56
b) Die Zweitwohnungsteuer verletzt Art. 6 Abs. 1 GG hier auch nicht, soweit das Grundrecht den Staat als Freiheitsrecht verpflichtet,
Eingriffe in die Familie zu unterlassen.
57
Art. 6 Abs. 1 GG berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht
frei zu gestalten. Die Auswirkungen familiärer Freiheit nach außen, insbesondere auf das Berufsleben, das Schulwesen, die
Eigentumsordnung und das öffentliche Gemeinschaftsleben, müssen aber mit der verfassungsgemäßen Rechtsordnung übereinstimmen
(vgl. BVerfGE 80, 81 ).
58
Einen Eingriff in den Schutzbereich der Familie stellen alle staatlichen Maßnahmen dar, die Ehe und Familie schädigen, stören
oder sonst beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 6, 55 ; 55, 114 ; 81, 1 ). Benachteiligungen, die nur in bestimmten
Fällen als unbeabsichtigte Nebenfolge einer im Übrigen verfassungsgemäßen Regelung vorkommen, kann der Eingriffscharakter
fehlen, solange sich die Maßnahmen nicht als wirtschaftlich einschneidend darstellen (vgl. BVerfGE 6, 55 ; 15, 328 ;
23, 74 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Dezember 1991 – 1 BvR 1477/90 -, NJW 1992, S. 1093).
59
Die Zweitwohnungsteuer greift auch im Fall der Residenzpflicht des Steuerpflichtigen am Ort der Zweitwohnung nicht in den
grundrechtlich geschützten Bereich der Familie ein. Sie belastet zwar den Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend
benutzten Wohnung eines erwerbsbedingt und wegen einer beamtenrechtlichen Residenzpflicht auswärts tätigen Kindes, das vorwiegend
in einer Erstwohnung bei Familienangehörigen wohnt. Diese Besteuerung des für die Zweitwohnung getätigten Aufwands trifft
aber weder typischerweise noch sonst in besonderer Weise Familien, sondern in grundsätzlich gleicher Weise alle Personen,
die mehrere Wohnsitze innehaben, gleich aus welchem Grund sie den Zweitwohnsitz wählen. Die Zweitwohnungsteuer entfaltet auch
keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung der Familie über die Gestaltung ihres Zusammenlebens, sondern vermag lediglich
mittelbar durch die zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben eines auswärtigen Wohnsitzes auf die Entscheidung
der Familienmitglieder über ihr Wohnverhalten Einfluss zu nehmen. Jedenfalls solange die Höhe der Zweitwohnungsteuer – wie
hier – mit neun Prozent der Kaltmiete keine so erhebliche Belastung begründet, dass sie unabhängig vom Einzelfall einen wesentlichen
Einfluss auf die Entscheidung über den vorwiegenden Aufenthalt erwarten lässt, entfaltet sie auch keine eingriffsgleiche Wirkung
in Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2008 – 1 BvR 3269/07 -, NVwZ-RR
2008, S. 723 ).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
61
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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