Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einmaligen Konsums von Metamphetamin -Anforderungen an die zulassungsbegründung

Aktenzeichen  11 ZB 20.1843

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36125
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
StVG § 3 Abs. 1, § 24a
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
FeV Anl, 4 Nr. 9.1
BtMG § 29
OWiG § 43

 

Leitsatz

1. Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet  „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb, dass der Streitstoff unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet wird(stRspr. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 11 ZB 20.304, BeckRS 2020, 20696; B.v. 14.7.2020 – 24 ZB 20.672, BeckRS 2020, 20573). Daraus folgt, dass es weder genügt auszuführen, dass das angefochtene Urteil unhaltbar oder falsch sei, noch das erstinstanzliche Vorbringen unter vollständiger Ausblendung der Urteilsgründe lediglich zu wiederholen (BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231, BeckRS 2020, 14601). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sog. harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahmen solcher Substanzen eingeräumt hat (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2020 – 11 ZB 20.43,BeckRS 2020, 16896), was im Hinblick auf den hohen Rang von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer auch in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2019 -11 CS 19.669, BeckRS 2019, 13762). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 19.739 2020-06-30 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm am 7. Oktober 2011 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.
Im April 2019 wurde dem Landratsamt Bayreuth bekannt, dass die Polizei anlässlich einer Verkehrskontrolle am 7. Februar 2019 um 1:57 Uhr beim Kläger drogentypische Auffälligkeiten festgestellt und dieser auf Frage den Konsum eines halben Joints eingeräumt hatte. Eine um 2:32 Uhr entnommene Blutentnahme ergab nach dem rechtsmedizinischen Gutachten der Universitätsklinik Bonn vom 6. März 2019 positive Werte für Cannabinoide (3,1 ng/ml Tetrahydrocannabinol, 1,1 ng/ml 11-OH-THC, 26,7 ng/ml THC-COOH) sowie für Metamphetamin (20,7 ng/mg). Durch die vorgenommene chemisch-toxikologische Untersuchung sei nachgewiesen, dass der Kläger Cannabisprodukte und Metamphetamin konsumiert habe.
Mit Verfügung vom 8. April 2019 stellte die Staatsanwaltschaft Bayreuth das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens nach § 29 BtMG gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und gab das Verfahren gemäß § 43 OWiG zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörde ab. Nach dem polizeilichen Schlussvermerk vom 9. Juli 2019 konnte ein Nachweis für mögliche Drogengeschäfte des Klägers nicht geführt werden. Dieser habe jedoch angegeben, in sehr unregelmäßigen Abständen Metamphetamin zu konsumieren. Die Ermittlungen ließen die Vermutung zu, dass er am 14. März 2019 eine geringe Menge Amphetamin von einem ehemaligen Arbeitskollegen erworben habe.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Kläger mit Bescheid vom 14. August 2019 gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV, Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein innerhalb von fünf Tagen abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Am 19. August 2019 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erheben, auf deren Begründung Bezug genommen wird, und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen.
Mit Beschluss vom 26. August 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers verwarf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Oktober 2019 (11 CS 19.1837) als unzulässig.
Mit Urteil vom 30. Juni 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Konsum von Metamphetamin sei durch rechtsmedizinisches Gutachten nachgewiesen. Bereits der einmalige Konsum einer harten Droge schließe die Fahreignung aus. Es komme nicht darauf an, ob nach Drogeneinnahme ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt worden sei oder der Betroffene dabei unter der Wirkung des Betäubungsmittels gestanden habe. Erst nach einer mindestens einjährigen nachgewiesenen Abstinenz müsse die Fahrerlaubnisbehörde der Frage der Wiedererlangung der Fahreignung nachgehen und könne sie nicht mehr ohne weiteres von einer nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV feststehenden Nichteignung ausgehen. Es sei nicht entscheidungserheblich, dass die Wohnungsdurchsuchung beim Kläger im Frühjahr 2019 ergebnislos verlaufen sei. Weiter widerlege die Einstellung des Strafverfahrens, auf die die Entziehung der Fahrerlaubnis auch nicht gestützt worden sei, nicht den Konsum von Metamphetamin am 7. Februar 2019. Abgesehen davon, dass kein Grund gegen die Richtigkeit des polizeilichen Schlussvermerks spreche, sei ferner nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger bei der Polizei einen unregelmäßigen Konsum von Metamphetamin eingeräumt habe oder nicht. Die Behauptungen der Bevollmächtigten, dass die Akten etliche Unrichtigkeiten aufwiesen, blieben unsubstantiiert. Ebenso sei unerheblich, ob der Kläger wegen Betäubungsmittelkonsums oder nach § 24a StVG belangt werde oder wegen geringfügigen Konsums straffrei bleiben könnte, da im Bußgeldverfahren die Fahreignung nicht geprüft werde. Bußgeldentscheidungen entfalteten nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StVG für das Entziehungsverfahren nur insoweit Bindungswirkung, als sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage bezögen, nicht hingegen in Bezug auf die Eignungsfrage. Für die Vermutung, die Blutproben seien vertauscht worden, werde nichts Konkretes vorgetragen. Die Kontrollnummer, unter der das Universitätsklinikum Bonn die Blutprobe des Klägers untersucht habe, entspreche dem Vorgangsaktenzeichen der Polizeiinspektion Bayreuth-Stadt und dem ärztlichen Bericht des Dr. T., der die Blutprobe auf Alkohol hin untersucht habe. Die Verwechslung von Blutproben stelle einen hochgradig atypischen Sachverhalt dar, sodass der Beteiligte, der eine Verwechslung behaupte, konkret und nachvollziehbar dartun müsse, warum es in seinem Fall zu einem solchen Ablauf gekommen sein solle. Solange es an einem durch geeignete Nachweise untermauerten Vortrag fehle, bestehe für die Behörde und das Gericht keine Veranlassung, ihrerseits Ermittlungen anzustellen. Mit der bloßen Behauptung, Verwechslungen seien schon vorgekommen, könne das Ergebnis nicht infrage gestellt werden. Die Bevollmächtigte spreche lediglich pauschal von Unrichtigkeiten „in der Akte“, ohne diese hinsichtlich einer angeblichen Verwechslung zu konkretisieren. Den Akten des Bußgeldverfahrens seien keine vom Kläger vorgetragenen substantiierten Anhaltspunkte hierfür zu entnehmen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend und führt dazu aus, der Beklagte beziehe sich auf Verstöße, die nicht einmal rechtskräftig festgestellt seien, und auf Vermutungen und teilweise falsche Zitate aus den Akten des Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Das Bußgeldverfahren befinde sich in der Rechtsbeschwerde. Es stehe nicht fest, ob es überhaupt zu einer Verurteilung in diesem Verfahren kommen werde. Sofern die Beklagte etwas zu drogentypischen Anzeichen beim Kläger ausgeführt habe, habe sich hier nicht wirklich ein Drogendelikt bewahrheitet. Ein strafbarer Besitz von Betäubungsmitteln habe dem Kläger nicht nachgewiesen werden können. Die Wohnungsdurchsuchung sei ergebnislos verlaufen. Es sei auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung vom 8. April 2019 hinzuweisen. Der Konsum sei als Selbstschädigung straflos. Der Kläger sei weder Drogenkonsument noch im Besitz solcher Gegenstände. Auch dies habe die Staatsanwaltschaft zweifelsfrei festgestellt. Die angegriffene Entscheidung allein auf eine -negativ verlaufene – Wohnungsdurchsuchung stützen zu wollen, erfolge in völlig fehlerhafter Art und Weise, insbesondere als das negative Ergebnis in dem angegriffenen Bescheid verschwiegen werde. Unerklärlich sei auch, wie behauptet werden könne, dass der Kläger nach den polizeilichen Ermittlungen am 14. März 2019 vermutlich eine geringe Menge Metamphetamin erworben habe. Hierfür ergäben sich aus der Strafakte nicht die geringsten Erkenntnisse. Im Übrigen werde angezweifelt, dass es sich bei der angeblich untersuchten Probe um die Blutwerte des Klägers handle, nachdem hier in letzter Zeit auch schon Verwechslungen vorgekommen seien. Da auch in der Akte etliche Unrichtigkeiten vorhanden seien, müssten die dortigen Feststellungen massiv angezweifelt werden. Der Kläger sei auf jeden Fall nunmehr seit langer Zeit drogenfrei. Letztlich stehe fest, dass er keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Es sei noch darauf hingewiesen, dass er drei Kinder habe, die abwechselnd zum Kindergarten und zur Schule gebracht werden müssten. Er wohne auf dem Land und arbeite auch Nachtschicht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde hier massivst missachtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 54), ist nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Der Beklagte wendet zu Recht ein, dass die im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Zulassungsbegründung die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO verfehlt, die eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Darlegungen des angefochtenen Urteils verlangen. Auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, das sich mit sämtlichen Einwänden des Klägers befasst hat, geht der Zulassungsantrag nicht ein. Vielmehr wird ausschließlich, in Teilen wortwörtlich, das Vorbringen aus der Klagebegründung wiederholt.
„Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet hingegen „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – Buchholz 310 § 133 [n.F.] VwGO Nr. 11 = juris Rn. 3 m.w.N.). Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung muss der Streitstoff unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 194; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 63; BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 11 ZB 20.304 – juris Rn. 14 f.; B.v. 14.7.2020 – 24 ZB 20.672 – juris Rn. 9 jeweils m.w.N.). Daraus folgt, dass es weder genügt auszuführen, dass das angefochtene Urteil unhaltbar oder falsch sei (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 124a Rn. 100), noch – wie hier -, das erstinstanzliche Vorbringen unter vollständiger Ausblendung der Urteilsgründe lediglich zu wiederholen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 124a Rn. 49 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 14).
Im Übrigen ist auch nichts vorgetragen, was die Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteilsgründe in Zweifel ziehen könnte. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sog. harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahmen solcher Substanzen eingeräumt hat (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2020 – 11 ZB 20.43 – ZfSch 2020, 535 = juris Rn. 14 m.w.N.), was im Hinblick auf den hohen Rang von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer auch in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2019 -11 CS 19.669 – juris Rn. 15). Der Konsum von Metamphetamin, auf den allein – entgegen der Behauptung des Klägers – der angefochtene Entziehungsbescheid gestützt ist, ist gutachtlich nachgewiesen. Die Behauptung einer Blutprobenverwechslung ist nicht substantiiert dargelegt (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 11 CS 18.2613 – juris Rn. 14 m.w.N.). Ob der Betäubungsmittelkonsum einen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht und ob es zu einer gerichtlichen Verurteilung kommt, ist nicht maßgebend. Demgemäß waren auch der etwaige Besitz oder Erwerb von Betäubungsmitteln durch den Kläger für das Landratsamt und das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Die Argumentation des Klägers geht insofern an der Sache vorbei.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs 2013.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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