Aktenzeichen AN 9 S 20.00187
BauGB § 34, § 35, § 212a Abs. 1
BayWG Art. 20
BayBO Art. 63 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1
Leitsatz
1. Aufgrund der Spezialität und des strengeren Maßstabs des § 78 WHG im Vergleich zum baurechtlichen Rücksichtnahmegebot ist der Hochwasserschutz nur im Rahmen von § 78 WHG zu prüfen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB den Hochwasserschutz als öffentlichen Belang benennt, kann bei einem Außenbereichsvorhaben die Prüfung der Belange des Hochwasserschutzes nicht in einem gegen die Baugenehmigung gerichteten Verfahren im Rahmen des baurechtlichen Rücksichtsnahmegebots erfolgen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Genehmigung nach Art. 20 BayWG hat rein ordnungsrechtliche Funktion und begründet keinen Nachbarschutz. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit zwei Stellplätzen und Geländeaufschüttung mit Stützwand erteilte Baugenehmigung.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, und betreibt auf diesem Grundstück eine denkmalgeschützte Mühle. Der Beigeladene ist Miteigentümer des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, sowie eines Anteils von 1/6 des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung … Das streitgegenständliche Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, befindet sich im Bereich des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebietes der … Mit Antrag vom 1. Februar 2012 beantragte die frühere Grundstückseigentümerin für das Grundstück mit den damaligen FlNrn. …, …, …, …, Gemarkung …, (darin enthalten auch jetzige FlNr. …), einen Vorbescheid für einen „Neubau von 6 Wohngebäuden mit je einer oder zwei Wohnungen (max. 9 Wohneinheiten).“ Als Grundlage des Antrages auf Vorbescheid wurde ein Rahmenplan vorgelegt.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2015 wurde der Vorbescheid für die „Errichtung von 6 Wohnhäusern mit Garagen“ erteilt. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, dass die Zulässigkeit des Vorhabens insbesondere von der Beachtung der in der beiliegenden Zusammenstellung aufgeführten Punkte abhängig sei.
Das Vorhaben liege im Außenbereich, die Beurteilung erfolge anhand von § 35 BauGB. Die verkehrstechnische Erschließung sei über eine neue, private Erschließungsstraße geplant. Für die Niederschlagswasserbeseitigung für das gesamte Gebiet im Rahmenplan liege ein abgestimmtes Entwässerungskonzept vor. Mit einer funktionstüchtigen abwassertechnischen Erschließung könne nicht vor 2017 gerechnet werden. Das Vorhaben befinde sich im Überschwemmungsgebiet der … Daher sei neben der Baugenehmigung eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung notwendig. Voraussetzung für diese Ausnahmegenehmigung sei der Ausgleich des durch das Vorhaben verloren gehenden Retentionsraumes. Dieser Ausgleich solle auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, stattfinden. Bevor das Bauvorhaben realisiert werden könne, müsse der Retentionsraumausgleich allerdings genehmigt, umgesetzt und zugunsten der Antragsgegnerin im Grundbuch dinglich gesichert sein.
Mit Antrag vom 18. Januar 2019 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Baugenehmigung für den „Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport“ auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … Mit Bescheid vom 4. Februar 2019 wurde auf den Antrag vom 20. Juli 2018 hin der Gesellschaft Wohnen in … GbR die Genehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG für die Errichtung einer Zufahrts straße auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, sowie die Genehmigung nach § 78a Abs. 2 WHG für Geländeveränderungen u.a. auf dem Grundstück FlNr …, Gemarkung …, erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller unter dem Aktenzeichen AN 9 K 19.00494 Klage.
Mit Antrag vom 10. Februar 2019 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Carport im Bereich des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebietes der … auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … Diese Genehmigung wurde mit Bescheid vom 16. April 2019 erteilt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der Verlust von Rückhaltevolumen durch die Baumaßnahmen im Überschwemmungsgebiet orts-, funktions- und zeitgleich auszugleichen sei. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen mit Geländeveränderungen im Überschwemmungsgebiet (Ausgleich auf dem Baugrundstück FlNr. … insgesamt 77 m³ wie im Bescheid vom 4. Februar 2019 genehmigt, zusätzlich zum Retentionsbecken auf FlNr. …) seien wie genehmigt auszuführen. Die Auflagen und Hinweise der wasserrechtlichen Genehmigungen vom 14. März 2016 und vom 4. Februar 2019 seien zu beachten. Werde das Bauvorhaben auf Grundlage der mit Bescheid vom 4. Februar 2019 genehmigten Auffüllungen und Abgrabungen errichtet, so gehe durch das Bauvorhaben kein weiterer Retentionsraum verloren, da das Einfamilienhaus und der Carport über der HQ 100-Linie errichtet würden.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2019 wurde für das Vorhaben „Errichtung eines Einfamilienhauses mit 2 Stellplätzen und Geländeaufschüttung mit Stützwand“ auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, die Baugenehmigung erteilt und Abweichungen gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen des Stellplatzes und der dazu erforderlichen Geländeaufschüttung zur FlNr. … sowie wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen des Zwerchgiebels zum Nachbargrundstück FlNr. … zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020, eingegangen bei Gericht am 31. Januar 2020, ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte Klage unter dem Aktenzeichen AN 9 K 20.00179 erheben.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2020 ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen.
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, das streitgegenständliche Grundstück liege in einem Überschwemmungsgebiet. In der streitgegenständlichen Baugenehmigung wie auch in der bereits rechtskräftigen Baugenehmigung zu Gunsten eines benachbarten Grundstückseigentümers sei auf die wasserrechtliche Genehmigung und die Auflagen hingewiesen worden. Der benachbarte Grundstückseigentümer habe auf seinem Grundstück bereits ein Haus errichtet und das Grundstück komplett aufgefüllt einschließlich der vorgesehenen und wasserrechtlich zwingend einzuhaltenden Flutmulde. Auch das Aushubmaterial lagere bereits seit Ende 2019 dort, auch diese Auflage sei unbeachtet geblieben. Die vorzuhaltenden Flutmulden stellten ein in sich geschlossenes System dar. Bereits durch die erfolgte Zuschüttung einer Flutmulde sei das gesamte Ausgleichssystem nicht mehr existent und nicht einsatzfähig, so dass die wasserrechtliche Bedingung, unter der die Baugenehmigungen erteilt wurden, nicht mehr einhaltbar sei. Das hier streitgegenständliche Bauvorhaben erfolge damit unter Verstoß gegen wasserrechtliche Auflagen. Nachdem der benachbarte Grundstückseigentümer bereits nach Erteilung der Baugenehmigung die Bauarbeiten aufgenommen habe und mittlerweile durch Errichtung des Einfamilienhauses auch fertiggestellt habe, sei auch hinsichtlich des Beigeladenen davon auszugehen, dass, sobald es die Witterung zulasse, unmittelbar die Bauarbeiten aufgenommen würden. Die ebenfalls streitgegenständliche Zufahrts straße sei trotz laufenden Rechtsstreits im Hinblick auf die wasserrechtliche Genehmigung bereits errichtet worden. Dies belege die Handlungsweise der Bauherren in diesem Baugebiet.
Bei Gegenüberstellung der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung mit der Baugenehmigung eines benachbarten Grundstückseigentümers falle auf, dass entgegen dessen Baugenehmigung der hier Beigeladene in der Baugenehmigung nicht darauf hingewiesen worden sei, dass sich das geplante Vorhaben im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet befinde und die wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigungen zu beachten seien.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 30. Dezember 2019 auszusetzen, alternativ die aufschiebende Wirkung gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, es sei ermittelt worden, dass der benachbarte Grundstückseigentümer im September 2019 den Baubeginn für das genehmigte Wohnhaus mitgeteilt habe, das Vorhaben aber noch nicht fertig gestellt sei. Es sei zunächst das Grundstück aufgefüllt und mit dem Rohbau begonnen worden. Der benachbarte Grundstückseigentümer habe einen Landschaftsgärtner mit der Ausführung der Retentionsmulden und der Gartengestaltung beauftragt. Es sei einfacher, stabiler und kostengünstiger, wenn zunächst für die Bauphase aufgefüllt werde und im Anschluss nach der Fertigstellung des Hauses die Retentionsmulde hergestellt werde. Nach Fertigstellung erfolge die wasserrechtliche Abnahme durch den privaten Sachverständigen.
Der Gefahr, dass Retentionsräume widerrechtlich aufgefüllt würden, könne mit gewässer-aufsichtlichen Maßnahmen begegnet werden. Die Rechtmäßigkeit der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung bleibe von Auflagenverstößen des Beigeladenen oder Dritter unberührt. Ein Drittrechtsschutz gegen die Errichtung einer baulichen Anlage in einem Überschwemmungsgebiet könne nur dann erfolgreich sein, wenn hierdurch ein spürbarer, nicht unerheblicher Nachteil entstehe, der den Betroffenen nicht mehr zumutbar sei. Entsprechend der Beurteilungen des Wasserwirtschaftsamtes, denen hier besondere Bedeutung zukomme, liege eine unzumutbare Beeinträchtigung des Antragstellers hier keinesfalls vor.
Mit Schriftsatz vom 14. April 2020 teilte die Bevollmächtigte des Antragstellers mit, es werde bestritten, dass der benachbarte Grundstückseigentümer einen Landschaftsgärtner beauftragt habe. Es habe keinerlei Veranlassung bestanden, die Retentionsmulden aufzufüllen. Es sei dem Antragsteller gegenüber geäußert worden, man beabsichtige gerade nicht, die Retentionsmulden aufrecht zu erhalten und sich hierdurch Mückenplagen im eigenen Garten zu schaffen. Die Retentionsmulden seien wesentlicher Bestandteil des von privaten Sachverständigen erstellten Konstruktes zur Sicherstellung der Entwässerung der im Überschwemmungsgebiet erstellten Grundstücke und bebauten Anwesen und damit zum Schutz des Eigentums des Antragstellers. Bereits mit Verfüllung der Retentionsmulde sei es nicht mehr möglich, die wasserrechtlichen Auflagen einzuhalten, da der Bestand der Retentionsmulde wesentlicher Bestandteil der Gesamtkonstruktion aus Verbindungsgräben und Retentionsmulden in dem Überschwemmungsgebiet sei. Selbst wenn die wasserrechtlichen Vorgaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück eingehalten würden, so wären die Maßnahmen nutzlos, da der benachbarte Grundstückseigentümer seine wasserrechtlichen Vorgaben nicht einhalte.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der Gerichtsakten in den Verfahren AN 9 K 18.00596, AN 9 K 19.00494 und AN 9 K 20.00179 sowie der beigezogenen Behördenakten.
II.
1. Streitgegenstand des vorliegenden Antrags ist unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers (§ 88 VwGO) allein die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 30. Dezember 2019 erteilte Baugenehmigung.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin erweist sich bei der gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in nachbarschützenden Rechten.
2.1 In Fällen, in denen die gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie im vorliegenden Fall durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB), kann das Gericht der Hauptsache gem. § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Das Gericht trifft aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 25).
2.2 Nach diesen Grundsätzen bleibt der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolglos. Nach Überzeugung der Kammer hat die gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin erhobene Klage keine so hinreichende Aussicht auf Erfolg, dass das kraft Gesetzes nach § 212a Abs. 1 BauGB bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung ausnahmsweise zurücktreten müsste. Insbesondere ist eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch den Inhalt der Baugenehmigung im Wege einer summarischen Prüfung nicht festzustellen.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt ein Anspruch auf Aufhebung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Baugenehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das ist dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. beispielsweise BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – juris Rn.9). Weiterhin ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren waren (siehe hierzu BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; VG Ansbach, B.v. 19.4. 2018 – AN 3 S 18.00458 – juris Rn. 62). Liegt ein Verstoß gegen eine Vorschrift vor, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, so trifft auch die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und der Nachbar muss den entsprechenden Rechtsschutz gegen das Vorhaben anderweitig suchen (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3).
2.3 Vorliegend sind im Wege summarischer Prüfung keine drittschützenden Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, erkennbar, gegen die verstoßen wurde.
2.3.1 Hinsichtlich der vorgebrachten Bedenken bezüglich der Ausweisung des Baugebietes im Überschwemmungsgebiet, der erfolgten Aufschüttungen sowie der Entwässerung des Niederschlagswassers und der angeführten negativen Wirkungen durch Hochwasser auf das Grundstück des Antragstellers ist auf Folgendes hinzuweisen:
2.3.1.1 Nach früheren Entscheidungen des BayVGH war davon auszugehen, dass ein nach § 34 oder § 35 BauGB zu beurteilendes Bauvorhaben gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verstößt, wenn infolge seiner Umsetzung die Hochwassergefahr für ein benachbartes Grundstück sich unzumutbar erhöht bzw. wenn es am geplanten Standort den Hochwasserabfluss so stark beeinträchtigt, dass ein Nachbargrundstück unzumutbar belastet würde (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 2.5.2003 – 25 CSS 03.32 – juris Rn. 3).
Im Falle eines – wie vorliegend – nach § 35 BauGB zu beurteilenden Außenbereichsvorhabens wurde dies damit begründet, dass der Hochwasserschutz wegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB als möglicher beeinträchtigter oder entgegenstehender Belang gesetzlich verankert sei (siehe hierzu BayVGH, B.v. 24.1.2001 – 1 ZS 00.3650 – juris Rn. 10).
Im Einklang mit dieser Begründung vertrat der 14. Senat des BayVGH mangels gesetzlicher Verankerung für § 34 BauGB die Auffassung, dass Fragen des Hochwasserschutzes im Anwendungsbereich des § 34 BauGB nicht über das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot zu prüfen seien, da Belange des Hochwasserschutzes bei einem Vorhaben nach § 34 BauGB – anders als bei einem Außenbereichsvorhaben (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB) – nicht zu den bauplanungsrechtlich zu berücksichtigenden Kriterien gehörten (BayVGH, B.v. 6.6.2002 – 14 B 99.2545 – juris Rn. 14; VGH Mannheim, B.v. 18.11.2013 – 5 S 2037/13 – juris Rn. 13).
2.3.1.2 In der Rechtsprechung wird zunehmend vertreten, dass der Hochwasserschutz unter Einschluss der Gewährleistung von Retentionsflächen wegen Spezialität der Normen zum wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren gem. § 78 WHG überhaupt nicht vom bau-rechtlichen Rücksichtnahmegebot umfasst sei. Die Anwendung des Rücksichtnahmegebots über bauplanungsrechtliche Normen finde ihre Grenze jedenfalls dort, wo der Gesetzgeber – wie in § 78 WHG – eine spezielle Inhalts- und Schrankenbestimmung des Bodeneigentums getroffen habe und wo ein besonderes Verfahren existiere, in welchem die fraglichen Belange zu prüfen seien. § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG habe das Ziel, jede Verschlechterung der Hochwassersituation zu vermeiden, womit ein strengerer Maßstab gegeben sei als durch das Kriterium der Unzumutbarkeit im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes. Das baurechtliche Rücksichtnahmegebot habe daneben keinen Raum (siehe hier OVG Hamburg, B.v. 28.1.2016 – 2 Bs 254/15 – juris Rn. 22; VG München, B.v. 22.8.2016 – M 1 SN 16.2810 – juris Rn. 23; B.v. 6.12.2017 – M 11 SN 17.4959 – juris; B.v. 15.1.2019 – M 9 SN 18.4926 – juris Rn. 31; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, Stand August 2019, § 78 WHG Rn. 71).
2.3.1.3 Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an, dass aufgrund der Spezialität und aufgrund des strengeren Maßstabes des § 78 WHG im Vergleich zum baurechtlichen Rücksichtnahmegebot der Hochwasserschutz nur im Rahmen von § 78 WHG zu prüfen ist. Hierfür spricht auch die mittlerweile erfolgte Verankerung des wasserrechtlichen Drittschutzes in § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG. Geht man aber von einem Vorrang des § 78 WHG aus, so muss dieser unabhängig von einer Situierung des Vorhabens im Innen- oder Außenbereich gelten. Die Tatsache, dass § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB den Hochwasserschutz als öffentlichen Belang benennt, ändert das soeben dargestellte Spezialitätsverhältnis nicht. Der Vorrang des § 78 WHG bleibt bestehen. Das bedeutet, dass auch bei einem Außenbereichsvorhaben die Prüfung der Belange des Hochwasserschutzes nicht im Rahmen des baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes erfolgen kann (so ausdrücklich VG München B.v. 15.1.2019 – M 9 SN 18.4926 – juris Rn. 31 mit Unterscheidung zwischen bauplanungsrechtlichem und wasserrechtlichem Rücksichtnahmegebot).
2.3.4 Ein Verletzung seiner Rechte aufgrund eines Verstoßes gegen hochwasserschutzrechtliche Bestimmungen kann durch den Antragsteller somit nicht im gegen die Baugenehmigung gerichteten Verfahren geltend gemacht werden, sondern nur in einem Verfahren gegen die Erteilung der Genehmigungen nach § 78 Abs. 5 WHG und § 78a Abs. 2 WHG.
2.3.2 Anhaltspunkt für eine Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2.3.3 Hinsichtlich der erteilten Abweichungen bezüglich der Abstandsflächen ist eine Verletzung von Rechten des Antragstellers weder vorgetragen noch ersichtlich, da keine Abweichung in Richtung Westen zum Grundstück des Antragstellers hin erteilt wurde, sondern nur Abweichungen nach Norden und Süden.
2.3.4 Auch durch die in der Baugenehmigung enthaltene Genehmigung nach Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 BayWG sind bei summarischer Prüfung keine den Antragsteller schützenden Rechte betroffen. Die Genehmigung nach Art. 20 BayWG hat eine rein ordnungsrechtliche Funktion und dient ausschließlich der Verhinderung nachteiliger Wirkungen von Anlagen auf die Strömungs- und Abflussverhältnisse eines oberirdischen Gewässers; ein Nachbarschutz ist somit gerade nicht zu begründen (vgl. hierzu VG München, B.v. 28.12.2016 – M 1 SN 16.5502 – juris Rn. 39; Knopp in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 20 Rn. 22).
2.3.5 Bezüglich der Tatsache, dass in der streitgegenständlichen Baugenehmigung der Hinweis unterblieben ist, dass das streitgegenständliche Grundstück im Überschwemmungsgebiet liege und die wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigungen sowie deren Auflagen und Hinweise zu beachten seien, ist schon nicht erkennbar, welche Drittschutz vermittelnde Norm dadurch verletzt sein sollte.
Jedenfalls sind die Geltung der wasserrechtlichen Genehmigung und die Zugehörigkeit zum Überschwemmungsgebiet aber unabhängig von Hinweisen in einer Baugenehmigung gegeben. Eine Rechtsverletzung durch den unterbliebenen Hinweis scheidet somit aus.
2.3.6 Soweit durch den Antragsteller auf die Auffüllung von Flutmulden oder die Lagerung von Aushubmaterial auf anderen Grundstücken abgestellt wird, ist dies jedenfalls nicht durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung bedingt. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt aus.
Es ist insofern generell zwischen der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Genehmigung und eventuellen Defiziten bei der Umsetzung der dem Antragsteller oder benachbarten Grundstückeigentümern erteilten Genehmigungen zu unterscheiden, die ihrerseits nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungen selbst führen, sondern lediglich dazu, dass beispiels-weise die Einhaltung von Auflagen verlangt werden kann.
3. Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Die Kosten des Verfahrens trägt gem. § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, weil er sich bisher am Verfahren nicht beteiligt hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 9.7.1 und 1. 5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.