Verwaltungsrecht

Erlaubnis zur Umbettung von Urnen

Aktenzeichen  AN 4 K 18.01516

Datum:
3.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7684
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
GG Art. 1 Abs. 1
BV Art. 100
BayBestG Art. 1 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Da dem Schutz der Totenruhe Vorrang vor dem Recht der Angehörigen zur Totenfürsorge zukommt, kann die Umbettung einer beigesetzten Leiche grundsätzlich nur aus besonderen Gründen beansprucht werden. Die Anforderungen hieran sind in Abhängigkeit zum Ablauf der Ruhezeit zu bestimmen.  (Rn. 32 und 33) (redaktioneller Leitsatz)
2.  Ist der Wille des Verstorbenen nicht aufklärbar, steht die Achtung der Totenruhe dem Verlangen der Angehörigen auf Umbettung einer Urne in der Regel entgegen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Weder die Entfernung zwischen dem Wohnort der Angehörigen und dem Grab noch der Wunsch nach gemeinsamer Bestattung von Eheleuten rechtfertigen die Umbettung einer Urne  (Rn. 41 und 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, weil die Benutzung des gemeindeeigenen Friedhofs als öffentliche Einrichtung (§ 1 Abs. 1 Buchst. a BFS 2020) durch die Bestattungs- und Friedhofssatzung der Beklagten, somit öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist.
Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Insbesondere ist der Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), weil ihm als nächster Angehöriger der Verstorbenen im Rahmen seines durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechts auf Totenfürsorge und Totengedenken (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 CN 1/18 – juris Rn. 32 ff.) grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf die begehrte Erlaubnis zur Umbettung zustehen kann (vgl. Drescher in Klingshirn/Drescher/Thimet, Friedhofs- und Bestattungsrecht in Bayern, EL. 32, Juni 2018, Erl. B 10, Rn. 26). Überdies ist der Kläger auch Inhaber des Grabnutzungsrechts (§ 23 BFS 2020) an der streitgegenständlichen Urnennische. Dementsprechend ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 BFS 2020 der nächststehende Angehörige des Verstorbenen, insb. Verwandte absteigender Linie (Nr. 2), im Übrigen der Inhaber eines Grabnutzungsrechts, antragsberechtigt.
b) Auch besteht weiterhin ein Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil sich der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht infolge des Neuerlasses der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Beklagten mit Wirkung vom 1. Januar 2020 erledigt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verpflichtungsbegehren erledigt i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wenn es nach Klageerhebung aus dem Kläger nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre des Klägers liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. Letzteres ist der Fall, wenn eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zum Erlöschen eines Anspruchs führt (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 30.6.2011 – 4 C 10/10 – NVwZ 2012, 51 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, U.v. 22.10.2008 – 22 BV 06.2701 – NVwZ-RR 2009, 321 – juris Rn. 42; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 131 m.w.N.), etwa wenn die Verdrängung der bisher den Gegenstand des Verfahrens bildenden Rechtsgrundlage durch eine ihr in einzelnen Tatbestandsmerkmalen vielleicht nicht einmal ähnliche neue Rechtsgrundlage bewirkt, dass mit der Aufrechterhaltung des Verpflichtungsantrages sachlich ein neues Verfahren beginnt und alles, was bisher erörtert wurde, die (unmittelbare) Erheblichkeit verloren hat (BVerwG, U.v. 24.10.1980 – 4 C 3/78 – BVerwGE 61, 128 – juris Rn. 25; vgl. auch BayVGH, U.v. 4.10.1985 – 23 B 84 A.28 – NVwZ 1986, 1032/1033).
Gemessen daran ist vorliegend keine Erledigung eingetreten. Mit dem Neuerlass der streitgegenständlichen Bestattungs- und Friedhofssatzung, der vorliegend mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen ist (so i.E. BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – BayVBl 2019, 270 – juris Rn. 11 f.), „erledigt“ sich zwar der Streit zwischen den Beteiligten über die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 BFS 2016. Entgegen der klägerischen Auffassung ergibt sich aus der gemeindlichen Satzungsautonomie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV, Art. 23, 24 GO) das Recht der Beklagten, auch während eines laufenden Klageverfahrens ihre streitgegenständliche Satzung zulasten des Klägers zu ändern (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.2008 – 22 BV 06.2701 – NVwZ-RR 2009, 321 – juris Rn. 23). Die Entscheidungserheblichkeit des übrigen klägerischen Vorbringens, insbesondere zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Umbettung, wird dadurch aber nicht berührt.
2. Die Klage ist aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 29. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil er keinen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis der Beklagten zur Umbettung der Urnen seines verstorbenen Vaters und seiner verstorbenen Großmutter hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Erlaubnis zur Urnenumbettung ist § 14 Abs. 1 Satz 1 BFS 2020. Demnach wird die Erlaubnis zum Umbetten von Urnen während der Ruhefrist nur aus dringenden im öffentlichen Interesse liegenden, außerhalb der Ruhefrist nur aus dringenden Gründen erteilt. Die Ruhefrist nach § 13 Satz 1 BFS 2020 beträgt bei Aschenresten 20 Jahre. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Entgegen der klägerischen Auffassung ist § 14 Abs. 1 BFS 2020 dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nach Satz 1 auch bei der Urnenumbettung zum Zweck der Beisetzung auf einem auswärtigen Friedhof gelten sollen. Die Umbettung einer Urne besteht aus zwei Akten: der Ausgrabung (oder Herausnahme aus einer Ruhestätte) und der Wiederbeisetzung in einer anderen Ruhestätte. Soll die Urne auf demselben Friedhof wiederbeigesetzt werden, entscheidet der Friedhofsträger über beide Akte. Soll die Urne auf einem anderen Friedhof wiederbeigesetzt werden, entsteht eine gespaltene Zuständigkeit, weil jeder Friedhofsträger nur die eigene Einrichtung verwaltet und den sichernden Gewahrsam nur an den in der eigenen Einrichtung beigesetzten Aschenresten ausübt. Daher kann die nach § 14 Abs. 1 Satz 4 BFS 2020 nachzuweisende Zustimmung des auswärtigen Friedhofsträgers sich nur auf den Akt der Wiederbeisetzung beziehen und nicht die Erlaubnis der Beklagten zur Ausgrabung ersetzen oder auch nur vorwegnehmen.
b) Gegen die satzungsrechtlichen Regelungen über die Umbettung von Urnen bestehen angesichts der gemeindlichen Satzungsautonomie – im vorliegenden Fall – keine durchgreifenden Bedenken.
Unbedenklich ist zunächst, dass die Erteilung der Erlaubnis zur Umbettung in jedem Fall das Vorliegen eines „dringenden Grundes“ voraussetzt. Zur Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs kann auf die Rechtsprechungsgrundsätze zu dem Begriff des „wichtigen Grundes“ in den Umbettungsregelungen anderer Friedhofsträger zurückgegriffen werden, welche die Beklagte selbst ihrer Bescheidsbegründung und Klageerwiderung inhaltlich, teilweise auch begrifflich zugrunde gelegt hat. Ein solcher satzungsrechtlicher Erlaubnisvorbehalt trägt der unantastbaren, über dessen Tod hinaus wirkenden Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 100 BV), die eine würdige Bestattung und den Schutz der Totenruhe gebietet, Rechnung. Dieser Schutz genießt angesichts des Art. 79 Abs. 3 GG nicht nur höchsten Verfassungsrang, sondern entspricht darüber hinaus allgemeinem Sittlichkeits- und Pietätsempfinden und den Interessen des öffentlichen Gesundheitsschutzes. In Art. 5 Satz 1 Halbs. 2 BestG, wonach mit Leichen und Aschenresten Verstorbener nur so verfahren werden darf, dass die Würde des Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt werden, hat er zudem seine einfachgesetzliche Ausprägung im Landesrecht erfahren. Gerät er in Konflikt mit dem Recht der Angehörigen des Verstorbenen auf Totenfürsorge, so genießt er regelmäßig den Vorrang. Aufgrund dieses grundsätzlichen Rangverhältnisses zwischen dem Schutz der Totenruhe und dem Recht zur Totenfürsorge kann die Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche grundsätzlich nur aus ganz besonderen Gründen beansprucht werden (vgl. zum Ganzen: OVG NW, U.v. 29.4.2008 – 19 A 2896/07 – NWVBl 2008, 471 – juris Rn. 21 ff. m.w.N.); entsprechendes gilt auch für die Umbettung von Urnen (BayVGH, B.v. 27.7.2005 – 4 ZB 04.2986 – juris Rn. 8 m.w.N.). Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist daher selbst dann erforderlich, wenn der Friedhofsträger überhaupt keine Regelung zur Umbettung getroffen hat (vgl. Drescher in Klingshirn/Drescher/Thimet, a.a.O. Rn. 15).
Unbedenklich ist im Grundsatz auch, dass die Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes in Abhängigkeit vom Ablauf der Ruhezeit bestimmt werden. Der mit der Ruhezeit verfolgte Zweck gebietet es vielmehr, zwischen einem Umbettungsbegehren vor und nach Ablauf der Ruhezeit zu unterscheiden. Die Ruhezeit soll bei Erdbestattungen eine ausreichende Verwesung der Leiche gewährleisten (vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BestG) und sowohl bei Erd- als auch bei Feuerbestattungen eine angemessene Totenehrung ermöglichen. Zum einen dient dies dem aus der Menschenwürde als elementarem Menschenrecht (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 100 BV) folgenden postmortalen Persönlichkeitsschutz; zum anderen geht es maßgeblich um die Wahrung der – im Kern ebenfalls über Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 100 BV geschützten – Totenruhe (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – juris Rn. 12). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die in § 13 Satz 1 BFS 2020 auf 20 Jahre festgesetzte Ruhezeit bei Aschenresten nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte bestimmt als Friedhofsträgerin (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BFS 2020) die Ruhezeiten für die in ihrer Einrichtung beigesetzten Leichen und Aschenreste Verstorbener, wobei die Ruhezeit für Leichen nach Anhörung des Gesundheitsamts unter Berücksichtigung der Verwesungsdauer festzusetzen ist, Art. 10 Abs. 1 BestG. Da Aschenreste grundsätzlich den gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen genießen (BayVGH, U.v. 31.1.2018 – 4 N 17.1197 – BayVBl 2018, 519 – juris Rn. 28), ist die Ruhezeit für Aschenreste in der Regel entsprechend der Ruhezeiten für Erdbestattungen, vorliegend 20 bzw. 25 Jahre für Erwachsenenleichen (§ 13 Satz 1 BFS 2020), vorzusehen (vgl. Anmerkung Nr. 13 der Leitfassung des Deutschen Städtetages für eine Friedhofssatzung, Stand: 01.01.2016 – DST-Leitfassung). Zwar zwingt dies nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei der Bemessung der Mindestruhezeiten nicht zu einer schematischen Gleichbehandlung von Urnen- und Erdbestattungen, da nur für letztere das zusätzliche Erfordernis besteht, eine ausreichende Verwesung zu ermöglichen. Vielmehr ist in der Ermächtigungsnorm des Art. 10 Abs. 1 BestG die Möglichkeit einer Ungleichbehandlung bereits angelegt (BayVGH, a.a.O. Rn. 28). Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Normenkontrollverfahren gegen eine gemeindliche Friedhofssatzung, die eine Ruhezeit von zwölf Jahren bei Erdbestattungen und von zwei Jahren bei Urnenbestattungen vorsah, ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Gewährleistung einer den Pietätsvorstellungen der Gesellschaft angemessenen Bestattung einer Ruhezeit von lediglich zwei Jahren bei Urnenbestattungen nicht entgegensteht (BayVGH, a.a.O. Rn. 17 ff.; so auch nachgehend BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 CN 1/18 – juris Rn. 21 ff.). Allerdings trifft dieses – auch klägerseits angeführte – Urteil keine Aussage zu der streitgegenständlichen Umbettungsregelung der Beklagten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem späteren Beschluss bereits klargestellt, dass sich aus diesem Urteil weder ergibt, dass die Ruhezeit bei Urnenbestattungen regelmäßig oder gar zwingend nach zwei Jahren enden müsste, noch lässt sich daraus die Vermutung ableiten, dass nach Ablauf einer Zweijahresfrist Umbettungsanträge für Urnen positiv zu verbescheiden wären (BayVGH, B.v. 23.7.2018 – 4 C 18.867 – BayVBl 2018, 855 – juris Rn. 6).
Bedenklich ist jedoch die weitere satzungsrechtliche Einschränkung, dass die Erlaubnis zur Umbettung während der – gesamten – Ruhezeit nur aus dringenden, im öffentlichen Interesse liegenden Gründen erteilt wird. Bisher in der Rechtsprechung anerkannt sind etwa Regelungen, wonach Umbettungen in den ersten fünf Jahren nach einer Bestattung nur zugelassen werden können, wenn ein öffentliches Interesse besteht oder die Umbettung zumutbar ist (BayVGH, B.v. 23.7.2018 – 4 C 18.867 – BayVBl 2018, 855 – juris Rn. 6) bzw. wenn ein dringendes öffentliches Interesse vorliegt (VG Dessau, U.v. 15.1.1998 – A 1 K 297/97 – BeckRS 9998, 41454; kritisch: Drescher in Klingshirn/Drescher/Thimet, a.a.O. Rn. 15). Eine vergleichbare Regelung findet sich auch in § 12 Abs. 2 Satz 3 DST-Leitfassung, wonach Umbettungen innerhalb des Stadtgebiets in den ersten … Jahren der Ruhezeit nur bei Vorliegen eines dringenden öffentlichen Interesses zulässig sind. Gerechtfertigt werden solche Einschränkungen damit, dass das Schutzbedürfnis in den ersten Jahren nach der Beisetzung besonders groß ist, weil in dieser Zeit die Öffentlichkeit die stärksten Empfindungen mit dem Tod eines anderen Menschen verbindet. Es entspricht daher allgemeiner Moralauffassung, dass in den ersten Jahren nach dem Tod eines Menschen Umbettungen nur in besonderen Ausnahmefällen und nicht im „privaten Interesse“ eines Einzelnen gestattet werden (VG Dessau a.a.O.). Ob das weitergehende Erfordernis eines öffentlichen Interesses an der Umbettung während der gesamten Ruhezeit mit höherrangigem Recht in Einklang steht, kann aber letztlich offen bleiben. Denn vorliegend sind nicht einmal die allgemeinen Anforderungen an den „wichtigen Grund“ erfüllt.
c) Der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes, der einer vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist im Lichte der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben auszulegen. Demnach ist ein Grund nur dann „wichtig“, wenn das ihn tragende Interesse ausnahmsweise den Schutz der Totenruhe überwiegt, weil die Umbettung die Würde des Verstorbenen besser wahrt und seinem Willen besser Rechnung trägt (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BestG). Dies kann namentlich der Fall sein, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis mit der Umbettung erklärt hat („ausdrücklicher Wille“) bzw. wenn zumindest Umstände gegeben sind, aus denen ein dahingehender Wille des Verstorbenen mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden kann („mutmaßlicher Wille“), oder wenn das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nach allgemeiner Verkehrsauffassung schutzwürdig ist und seine Gründe so gewichtig sind, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten muss. Ein wichtiger Grund kann danach im Einzelfall auch vorliegen, wenn den Angehörigen des Verstorbenen aufgrund zwingender, auf einer atypischen, völlig unvorhersehbaren Entwicklung beruhender Lebensumstände, in denen sich nicht lediglich das allgemeine Lebensrisiko jedes Angehörigen eines Verstorbenen realisiert, von diesem räumlich getrennt zu werden, die Totenfürsorge in unzumutbarer Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht wird (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – BayVBl 2019, 270 – juris Rn. 13, 17 m.w.N.). Gemessen daran hat die Beklagte das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die begehrte Urnenumbettung zu Recht verneint.
aa) Hinsichtlich der Verstorbenen … … ist weder ein ausdrückliches noch ein mutmaßliches Einverständnis mit der Umbettung ihrer Aschenreste feststellbar. Insoweit haben die Beteiligten auch nichts vorgetragen.
Ein ausdrückliches Einverständnis des Verstorbenen … … mit der Umbettung seiner Aschenreste ist ebenfalls nicht feststellbar. Dass er sich zu Lebzeiten in diesem Sinne ausdrücklich geäußert hätte, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch aus dem Gesamtzusammenhang nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht viel dafür, dass der Verstorbene sich zu der Frage, ob im Falle einer Beisetzung seiner Ehefrau in … eine Umbettung seiner Aschenreste in Betracht kommt, keinen Willen gebildet hat. Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags lässt sich dem schon nicht entnehmen, dass Frau … … bereits zu Lebzeiten des Verstorbenen den Wunsch, gemeinsam mit ihm in … beigesetzt zu werden, gehegt hat, erst recht nicht, dass sie diesen Wunsch dem Verstorbenen gegenüber auch zu erkennen gegeben hat. In der Vorstellung des Verstorbenen konnte demnach Bestattungsort nur der Friedhof im Gemeindegebiet der Beklagten sein, wo die Eheleute … – insoweit unstreitig – seit 1970 ihren Lebensmittelpunkt und ihr soziales Umfeld gehabt haben. Dementsprechend hatte er dort eigens eine zweistellige Urnennische erworben, obwohl die totenfürsorgeberechtigten Kinder – insoweit unstreitig – seinerzeit bereits in … bzw. nahe … gelebt haben.
Auch ein mutmaßliches Einverständnis des Verstorbenen … … mit der Umbettung seiner Aschenreste im Falle einer Beisetzung seiner Ehefrau in … ist nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Welche Einstellung der Verstorbene überhaupt zur Frage einer Umbettung hatte, lässt sich aus den vom Kläger angeführten Umständen nicht verlässlich ableiten; entsprechende Tatsachen hat er nicht aufgezeigt. Allein aus dem wohl anzunehmenden Wunsch des Verstorbenen, in einer gemeinsamen Grabstätte mit seiner Ehefrau bestattet zu sein, lässt sich nicht ableiten, dass er im Falle einer nicht vorhergesehenen Bestattung in getrennten Grabstätten auch die Umbettung seiner Aschenreste zum Bestattungsort seiner Ehefrau in Kauf genommen hätte (vgl. OVG NW, U.v. 30.7.2009 – 19 A 957/09 – NVwZ-RR 2010, 281 – juris Rn. 32), zumal er persönlich – insoweit unstreitig – keine besonderen Bindungen zu diesem Ort gehabt hat. Der Wille verstorbener Ehegatten, die letzte Ruhe in einer gemeinsamen Grabstätte zu finden, führt vielmehr nur dann auf einen die Umbettung rechtfertigenden wichtigen Grund, wenn er auch darauf gerichtet war, diese Form der letzten Ruhe durch eine Umbettung herbeizuführen (vgl. OVG NW, a.a.O. Rn. 24). Der Kläger schildert insoweit nur seinen subjektiven Eindruck und seine eigene Einschätzung, legt aber keine konkreten Tatsachen oder Umstände dar, die auf das mutmaßliche Einverständnis des Verstorbenen mit seiner Umbettung schließen lassen könnten. Etwas anderes würde sich auch nicht etwa daraus ergeben, dass die Eheleute … eine langjährige enge Beziehung gehabt hätten oder dass dem Verstorbenen familiärer Kontakt und Nähe auch über den Tod hinaus äußerst wichtig gewesen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – BayVBl 2019, 270 – juris Rn. 16; OVG NW, U.v. 29.4.2008 – 19 A 2896/07 – NWVBl 2008, 471 – juris Rn. 33; U.v. 30.7.2009 – 19 A 957/09 – NVwZ-RR 2010, 281 – juris Rn. 30). Insbesondere ist ein enges Zusammenleben über einen langen Zeitraum nicht als Ausnahmefall anzusehen; darauf ist typischerweise eine eheliche Lebensgemeinschaft angelegt (vgl. OVG NW, U.v. 30.7.2009 – 19 A 957/09 – NVwZ-RR 2010, 281 – juris Rn. 32). Schließlich lässt sich der mutmaßliche Umbettungswille des Verstorbenen auch nicht aus den Umständen der Bestattungsentscheidung seiner Ehefrau im September 2010 herleiten, da diese lediglich auf ihre eigene Motivlage schließen lassen. Es kommt daher nicht darauf an, ob seiner Ehefrau die Folgen ihrer Entscheidung für den Bestattungsort …, nämlich die Gefahr der getrennten Bestattung der Eheleute ohne Umbettungsmöglichkeit, bewusst war (vgl. OVG NW, a.a.O. Rn. 34).
Ist der Wille der Verstorbenen – wie vorliegend – nicht aufklärbar, steht die Achtung der Totenruhe dem Verlangen auf Umbettung in der Regel entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2011 – 4 ZB 11.566 – BayVBl 2012, 279 – juris Rn. 6).
bb) Das in der Totenfürsorge begründete Interesse des Klägers an der Umbettung ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht von derart überragendem Gewicht, dass die Achtung der Totenruhe demgegenüber ausnahmsweise zurücktreten muss.
Dass der Kläger aufgrund der Entfernung zwischen seinem Wohnort und dem Grab seiner verstorbenen Angehörigen (ca. 450 km) das letztere nicht in einer seinen Bedürfnissen und Wünschen entsprechenden Weise besuchen und pflegen kann, stellt einen für ihn gewichtigen und grundsätzlich anerkennenswerten Aspekt dar. Er hat aber nicht substantiiert dargelegt, dass angesichts dieser Entfernung Grabbesuche und Grabpflege – gegebenenfalls unter Einbeziehung professioneller Hilfe Dritter – gänzlich ausgeschlossen oder unter keinen Umständen mehr zumutbar wären (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – BayVBl 2019, 270 – juris Rn. 18; OVG NW, U.v. 29.4.2008 – 19 A 2896/07 – NWVBl 2008, 471 – juris Rn. 38).
Für die Umbettung streitet auch nicht, dass der Kläger den letzten Willen seiner früher totenfürsorgeberechtigten Mutter erfüllen will, gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Mutter in … beigesetzt zu werden. Dem Umbettungsinteresse der Mutter des Klägers kommt bestattungsrechtlich keine den Schutz der Totenruhe ihrer verstorbenen Angehörigen überwiegende Bedeutung zu. Hinsichtlich der Umbettung des Verstorbenen … … ist das Gewicht dieses Interesses zudem als wesentlich gemindert anzusehen, weil damit die von ihr zunächst bewusst getroffene Entscheidung, ihren Ehemann in … zu bestatten, nach ihrem eigenen Ableben korrigiert werden soll. Sinnes- und Meinungsänderungen der Angehörigen stellen grundsätzlich keine unerwarteten Ereignisse dar, die sich gegen die Achtung der Totenruhe durchsetzen können (vgl. zum Ganzen: OVG NW, U.v. 30.7.2009 – 19 A 957/09 – NVwZ-RR 2010, 281 – juris Rn. 36; B.v. 18.10.2019 – 19 A 4135/18 – juris Rn. 7). Von volljährigen Angehörigen kann nämlich erwartet werden, dass sie sich rechtzeitig, d.h. vorher und nicht erst nachträglich, über Art und Ort der Bestattung ein abschließendes Urteil bilden (vgl. NdsOVG, B.v. 15.11.2006 – 8 LA 128/06 – NdsVBl 2007, 108 – juris Rn. 7). Überdies würde die Anerkennung solcher Veränderungen im subjektiven Bereich zur Folge haben, dass der vom Gesetz gewollte Schutz der Totenruhe ins Leere liefe. Denn das Schicksal der sterblichen Überreste unterläge somit der – gewillkürten – Disposition der totenfürsorgeberechtigten Angehörigen. Dies liefe dem Ausnahmecharakter der Umbettung und der dargestellten Bedeutung der Totenruhe zuwider und könnte zu einem – unerwünschten – erheblichen Anstieg der Zahl der Umbettungen führen (vgl. OVG NW, U.v. 30.7.2009 – 19 A 957/09 – NVwZ-RR 2010, 281 – juris Rn. 38). Dem steht auch nicht das sittliche Empfinden der Allgemeinheit entgegen, weil eine in ganz Deutschland herrschende Begräbnissitte, dass Eheleute oder Verwandte gerader Linie gemeinsam zu bestatten sind, nicht existiert (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.1977 – VII B 188.76 – juris Rn. 8). So sieht § 13 Abs. 2 Satz 2 DST-Leitfassung vor, dass kein Anspruch auf Verleihung oder Wiedererwerb von Nutzungsrechten an einer der Lage nach bestimmten Grabstätte, an Wahlgrabstätten, an Urnenwahlgrabstätten, an Ehrengrabstätten oder auf Unveränderlichkeit der Umgebung besteht.
Schließlich wiegt hinsichtlich der Umbettung des Verstorbenen … … die Achtung der Totenruhe angesichts des Zeitablaufs von lediglich neun Jahren sieben Monaten, also weniger als die Hälfte der zu wahrenden Ruhezeit von 20 Jahren, deutlich schwerer als das Umbettungsinteresse des Klägers bzw. seiner verstorbenen Mutter.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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