IT- und Medienrecht

Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge (hier: Übergangsgebührnisse)

Aktenzeichen  AN 16 K 18.02076

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2378
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 11, § 49, § 53, § 55, § 55a, § 60 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818, § 820 Abs. 1
VwGO § 114 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Rückforderung überzahlter Übergangsgebührnisse beruht hier auf der Änderung der Übergangsgebühren aufgrund einer der Beamtin (wie auch allen anderen bayrischen Beamten) im August 2017 zugeflossenen Einmalzahlung in Höhe von 400 EUR, die zu Recht der Berechung der Rückforderung zugrunde und dabei auf die einzelnen Kalendermonate umgelegt wurde.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da die Festsetzung von Versorgungsbezügen, hier in Form von Übergangsgebührnissen, einem gesetzesimmanenten Änderungsvorbehalt hinsichtlich einer möglichen Ruhensregelung unterliegt, haftet der Empfänger überzahlter Versorgungsbezüge nach den Regelungen des BGB stets verschärft, so dass eine Berufung auf Entreicherung ausscheidet. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von der Rückforderung nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG aus Billigkeitserwägungen mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung ist zu Recht abgesehen worden, wenn den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hinreichend durch Gewährung von Ratenzahlungen Rechnung getragen wurde und seitens des Beamten durch Erfüllung der Anzeigepflicht die Überzahlungen über mehrere Monate hinweg hätte vermieden werden können. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 26. September 2018 über die Rückforderung überzahlter Übergangsgebührnisse in Höhe von insgesamt 1.121,45 EUR rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Rückforderungsentscheidung der Beklagten, der keine formellen Mängel anlasten, ist in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (im Folgenden: BGB) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist das ohne Rechtsgrund Erlangte herauszugeben. Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten – wie vorliegend im Falle erlangten Buchgeldes – nicht möglich, so ist der Wert zu ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB).
a) Die Klägerin erhielt insgesamt Übergangsgebührnisse in Höhe von 1.121, 45 EUR ohne Rechtsgrund.
aa) Dieser Rückforderungsbetrag setzt sich zusammen aus einer Überzahlung von Übergangsgebührnissen in Höhe von 810,81 EUR, welche die Beklagte bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Juni 2017 für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 festgesetzt hat, sowie einer Überzahlung in Höhe von 371,45 EUR, welche die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Dezember 2017 für den Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 festgestellt hat, unter Berücksichtigung einer der Klägerin für den Monat Januar 2018 zustehenden Nachzahlung in Höhe von 60,81 EUR.
bb) Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Dezember 2017 im Kalenderjahr 2016 überzahlte Übergangsgebührnisse in Höhe von 810,81 EUR zurückfordert, handelt es sich vor dem Hintergrund, dass diese Rückforderung bereits den Regelungsgegenstand des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 29. Juni 2017 bildete, sowie aufgrund des klaren Wortlauts des Bescheids vom 11. Dezember 2017, der inhaltlich lediglich für das Kalenderjahr 2017 eine Ruhensberechnung vornimmt, um eine wiederholende Verfügung ohne (neuen) Regelungscharakter. Damit ist dieser Teilbetrag der Rückforderungssumme einer gerichtlichen Überprüfung nicht mehr zugänglich. Der Vortrag der Klägerin in ihrer Widerspruchs- und Klagebegründung, die mit Bescheid vom 29. Juni 2017 vorgenommene Neuberechnung der Übergangsgebührnisse unter Anwendung der Ruhensregelung aus § 53 Abs. 9 SVG für das Kalenderjahr 2016 nebst Rückforderung überzahlter Übergangsgebührnisse in Höhe von 810,81 EUR verstoße aufgrund der Anwendung von § 53 Abs. 5 Satz 4 SVG in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung gegen § 49 Abs. 1 SVG, ist mithin unbehelflich.
cc) Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 die der Klägerin im Zeitraum ab 1. Januar 2017 zustehenden Übergangsgebührnisse in Anwendung der Ruhensregelung nach § 53 Abs. 9 SVG neu ermittelte, begegnet dies weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtlichen Bedenken.
Die Beklagte hat hierbei insbesondere nicht gegen § 49 Abs. 1 SVG verstoßen. Wird ein Versorgungsberechtigter durch eine gesetzliche Änderung seiner Versorgungsbezüge mit rückwirkender Kraft schlechter gestellt, so sind gemäß § 49 Abs. 1 SVG die Unterschiedsbeträge nicht zu erstatten. Eine derartige gesetzliche Änderung liegt der angefochtenen Entscheidung der Beklagten gerade nicht zugrunde. Bereits mit Bescheid vom 30. Juni 2017 hatte die Beklagte für das Kalenderjahr 2017 vorläufig einen monatlichen Ruhensbetrag in Höhe von 472,35 EUR ermittelt unter Zugrundelegung des geschätzten Jahresverwendungseinkommens der Klägerin in 2017 und Anrechnung eines Zwölftel desselben für jeden Monat des Zusammentreffens mit Versorgungsbezügen (§ 53 Abs. 9 i.V.m. § 53 Abs. 5 Satz 4 SVG). Diese Berechnungen der Beklagten können aufgrund der Bestandskraft des Bescheides vom 30. Juni 2017 nicht zum Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens gemacht werden. Auch insoweit gilt, dass der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2017 keinen Zweitbescheid darstellt, der für den Bezugszeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Januar 2017 eine neue Sachprüfung hinsichtlich des Ruhensbetrages und der der Klägerin zustehenden Übergangsgebührnisse beinhaltet. Ausweislich des klaren Wortlautes des angefochtenen Bescheides vom 11. Dezember 2017 erging mit diesem lediglich insoweit eine neue Entscheidung über die Ruhensregelung der Übergangsgebührnisse der Klägerin, als sich das Verwendungseinkommen der Klägerin geändert hat. Diese Änderung basiert ausschließlich auf einer der Klägerin im August 2017 zugeflossenen einmaligen Zahlung in Höhe von 400,00 EUR, die auf Grundlage von Art. 109 BayBesG (eingef. mWv 1.1.2017 durch G.v. 12.7.2017 – GVBl. S. 326) geleistet wurde. Die Beklagte hat ersichtlich eindeutig auch nicht gegen § 49 Abs. 1 SVG verstoßen, soweit sie die im Jahr 2017 erhaltene Einmalzahlung zu je einem Zwölftel auf die Kalendermonate umlegte. Denn der Berechnung der Beklagten liegt schon keine gesetzliche Änderung zugrunde. Es entspricht vielmehr ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Jahressonderzahlungen, die nicht nur für einen bestimmten Monat geleistet werden, stets auf die Kalendermonate umzulegen sind (vgl. etwa BVerwG, U.v. 26.11.2013 – 2 C 17/12). Die vorliegende Einmalzahlung stellt eine solche nicht monatsbezogene Jahressonderzahlung dar. Sie ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht unter § 53 Abs. 9 i.V.m. § 53 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 SVG zu subsumieren, da sie keinen Leistungsbezug im Sinne der Bundesleistungsbesoldungsverordnung darstellt. Im Übrigen wurden Berechnungsfehler weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Für die Einzelheiten der Ermittlung der Ruhensbeträge wird deshalb auf die zutreffenden Darstellungen der Beklagten in der Anlage „Ruhensberechnung laufende Bezüge“ des angefochtenen Bescheides verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
dd) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich abschließend, dass auch der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe mit der angefochtenen Entscheidung die der Klägerin zustehenden Übergangsgebührnisse für den kompletten Bezugszeitraum ab Oktober 2015 nachberechnet, nicht durchgreift. Soweit die Beklagte in der Anlage „SOLL-IST-Rechnung“ Über- bzw. Unterzahlungen für den gesamten Bezugszeitraum der Übergangsgebührnisse auflistet, stellt sie in der Spalte „SOLL-Betrag“ lediglich die sich aus vorangegangenen bestandskräftigen Bescheiden ergebenden Zahlen dar, ohne insoweit für die Kalenderjahre 2015 und 2016 Neuberechnungen vorzunehmen.
b) Die Klägerin kann sich nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen. Da die Festsetzung von Versorgungsbezügen, hier in Form von Übergangsgebührnissen, einem gesetzesimmanenten Änderungsvorbehalt hinsichtlich einer möglichen Ruhensregelung unterliegt, haftet der Empfänger überzahlter Versorgungsbezüge stets verschärft, § 820 Abs. 1 BGB analog, § 818 Abs. 4 BGB (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2016 – 2 C 9.15 – juris Rn. 22).
c) Schließlich erweist sich auch die von der Beklagten nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG getroffene Billigkeitsentscheidung als ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
aa) Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG kann von der Rückforderung mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung aus Billigkeit ganz oder zum Teil abgesehen werden. Diese Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Versorgungsberechtigten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (zu § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG: BVerwG, U.v. 26.04.2012 – 2 C 15.10 – juris Rn. 18). Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Versorgungsberechtigten abzustellen. Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 v. H. des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Versorgungsberechtigten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Billigkeitsentscheidung der Beklagten ermessensfehlerfrei ergangen. Die Beklagte hat den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Klägerin Ratenzahlungen gewährt wurden. Es begründet hingegen keinen Ermessensfehlgebrauch oder sonstigen Ermessensfehler, dass sie auf die Forderung nicht, wie es die Klägerin begehrt, teilweise oder ganz verzichtet hat. Einen derartigen Verzicht müsste die Beklagte allenfalls in Betracht ziehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. Eine solche liegt nicht vor. Die streitgegenständliche Überzahlung beruht vielmehr auf einer erst im Verlauf des Kalenderjahres 2017 eingetretenen Erhöhung des Verwendungseinkommens der Klägerin. Im Übrigen hätte die Klägerin Überzahlungen aufgrund Änderungen ihres Verwendungseinkommens über mehrere Monate hinweg vermeiden können, indem sie ihrer Anzeigepflicht aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 SVG zeitgerecht nachkommt.
2. Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten trifft das Gericht keine Entscheidung, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft nicht vollstreckt.


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