Aktenzeichen 9 N 17.2391
Leitsatz
1 Zwar reicht es für die Antragsbefugnis aus, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zu prüfenden Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Ein verletztes Recht kann auch das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot sein. Abwägungsbeachtlich sind dabei nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Auswirkungen eines Bebauungsplans auf den Verkehrswert können im Einzelfall nur dann zum Abwägungsmaterial gehören, wenn die Festsetzungen das überplante Grundstück selbst betreffen. Nur mittelbare Auswirkungen auf den Verkehrswert stellen dagegen keinen schutzwürdigen Belang dar. Nur mittelbare Auswirkungen auf den Verkehrswert stellen dagegen keinen schutzwürdigen Belang dar. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zwar kann das Interesse eines Grundstücksnachbarn eines planbetroffenen Grundstücks an der Beibehaltung des bisherigen Zustands in die Abwägung einzustellen sein. Abwägungsrelevant ist insoweit jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es lediglich auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig. Dem Antragsteller fehlt bereits die Antragsbefugnis.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und der Betroffene nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen (BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – juris Rn. 6 m.w.N.). Gleiches gilt, soweit sich ein Eigentümer innerhalb des Plangebiets nur gegen Festsetzungen wendet, die ein Nachbargrundstück betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.2005 – 4 BN 46.05 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 27.4.2010 – 1 N 08.2703 – juris Rn. 24).
1. Die Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich hier nicht bereits aus einer möglichen Eigentumsverletzung, da der Änderungsbebauungsplan keine Festsetzungen betreffend das Grundstück des Antragstellers trifft (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 9 N 15.1106 – juris Rn. 15). Unabhängig vom Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans und unabhängig davon, ob der Antragsteller Eigentümer eines Grundstücks im (Änderungs-) Plangebiet ist, wendet er sich vielmehr ausschließlich gegen die Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans betreffend das Grundstück FlNr. … Gemarkung Wiesentheid südlich seines eigenen Wohngrundstücks.
2. Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis auch nicht aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung seiner Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB herleiten.
Zwar reicht es für die Antragsbefugnis aus, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zu prüfenden Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Ein verletztes Recht kann auch das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot sein. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden. Der Antragsteller im Normenkontrollverfahren kann sich deshalb darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot aber nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss ein Antragsteller, der in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Abwägungsbeachtlich sind dabei nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 9 N 15.378 – juris Rn. 29). Abwägungsbeachtliche Belange in diesem Sinn liegen hier nicht vor.
a) Soweit sich der Antragsteller auf eine Verkehrswertminderung seines Grundstücks beruft, kann dies seine Antragsbefugnis nicht begründen. Die Auswirkungen eines Bebauungsplans auf den Verkehrswert können im Einzelfall nur dann zum Abwägungsmaterial gehören, wenn die Festsetzungen das überplante Grundstück selbst betreffen (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.1998 – 1 N 96.497 – juris Rn. 23), was hier nicht der Fall ist. Nur mittelbare Auswirkungen auf den Verkehrswert stellen dagegen keinen schutzwürdigen Belang dar (vgl. BayVGH, U.v. 3.3.2011 – 2 N 09.3058 – juris Rn. 45; HessVGH, U.v. 7.4.2014 – 3 C 914/13.N – juris Rn. 18 m.w.N.).
b) Aus dem Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes ergibt sich hier ebenfalls keine Antragsbefugnis des Antragstellers.
Zwar kann das Interesse eines Grundstücksnachbarn eines planbetroffenen Grundstücks an der Beibehaltung des bisherigen Zustands in die Abwägung einzustellen sein (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2015 – 9 N 12.2592 – juris Rn. 37). Abwägungsrelevant ist insoweit jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es lediglich auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht (BVerwG, B.v. 18.10.2016 – 4 BN 20.06 – juris Rn. 10). Auch in diesem Fall ist die Antragsbefugnis aber beschränkt, wenn die Änderungen objektiv geringfügig sind und/oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (BVerwG, B.v. 20.7.2011 – 4 BN 22.11 – juris Rn. 7). Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller ist hier nur geringfügig betroffen und hat kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Ursprungsbebauungsplans, so dass hier keine abwägungsbeachtlichen Belange, die die Antragsbefugnis begründen könnten, vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 2.8.2007 – 4 BN 29.07 – juris Rn. 6).
Der Änderungsbebauungsplan ändert weder hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … Gemarkung Wiesentheid noch hinsichtlich des Grundstücks des Antragsstellers die Gebietsart i.S.d. § 1 Abs. 2 BauNVO. Die ursprüngliche Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets (§ 1 Abs. 2 Nr. 3, § 4 BauNVO) bleibt vielmehr unverändert, so dass der Antragsteller sich nicht auf einen möglichen Verlust seines Gebietsbewahrungsanspruchs berufen kann (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2015 – 9 N 15.1896 – juris Rn. 38; SächsOVG, U.v. 15.5.2018 – 1 C 13/17 – juris Rn. 33 ff.). Allein der Umstand, dass ein bisher unbebautes Grundstück künftig bebaut werden darf, macht das Interesse des Nachbarn an der Erhaltung des bisherigen Zustands noch nicht zu einem abwägungserheblichen Belang. Eine besonders geschützte Aussichts- oder Ortsrandlage ist weder vorgetragen noch den vorgelegten oder in den Akten befindlichen Bildaufnahmen zu entnehmen. Aus den Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplans lässt sich auch kein schützenswertes Vertrauen auf die Erhaltung einer unverbauten Aussicht entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2011 – 15 N 08.2086 – juris Rn. 21 ff.), zumal das Grundstück FlNr. … Gemarkung Wiesentheid auch im Bereich südlich des klägerischen Grundstücks nach dem Ursprungsbebauungsplan bereits mindestens mit Nebenanlagen gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1, § 14 BauNVO hätte bebaut werden können. Der Antragsteller hat auch sonst keinen voraussetzungslosen Planerhaltungsanspruch auf Fortbestand des zum Zeitpunkt seines Grundstückserwerbs geltenden Bebauungsplans (vgl. VGH BW, U.v. 15.9.2015 – 3 S 975/14 – juris Rn. 43).
c) Der Antragsteller ist auch durch die konkreten Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans nicht mehr als geringfügig betroffen. Zwar kann eine Verletzung des Abwägungsgebots gerügt werden, wenn ein Bebauungsplan Bebauungsmöglichkeiten zulässt, von denen eine erdrückende Wirkung auf Nachbargrundstücke ausgeht (vgl. VGH BW, U.v. 15.9.2015 – 3 S 975/14 – juris Rn. 27). Dies ist hier jedoch offensichtlich nicht der Fall.
Bereits die Zahl der Vollgeschosse unterscheidet sich nicht, auch wenn der Änderungsbebauungsplan diese auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung Wiesentheid im Bereich südlich des Grundstücks des Antragstellers mit „II“ festsetzt, während der Ursprungsbebauungsplan für das Grundstück des Antragstellers „I+D“ festsetzt. Die Bebaubarkeit des künftigen Baufensters sowie des Grundstücks des Antragstellers sind entsprechend den Festsetzungen annähernd gleich, woraus sich unter keinen Umständen eine erdrückende Wirkung ergeben kann (vgl. VGH BW, U.v. 15.9.2015 – 3 S 975/14 – juris Rn. 29). Anhaltspunkte für eine mögliche Rechtsverletzung aufgrund der Größe und der Baumasse ergeben sich angesichts der bestehenden und künftigen Festsetzungen hieraus nicht (vgl. SächsOVG, U.v. 15.5.2018 – 1 C 13/17 – juris Rn. 46).
Die vom Antragsteller geltend gemachten Besonnungsverluste sind angesichts der Festsetzungen des Bebauungsplans ebenfalls nur als geringfügig zu bewerten, da keine topographischen Besonderheiten bestehen und die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften einzuhalten sind (vgl. VGH BW, U.v. 15.9.2015 – 3 S 975/14 – juris Rn. 36 ff.). Soweit der Antragsteller sich auf eine erhöhte Einbruchsgefahr aufgrund der Erschließung des südlich seines Grundstücks auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung Wiesentheid festgesetzten Baufensters mittels einer Zufahrt entlang seiner westlichen Grundstücksgrenze auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung Wiesentheid beruft, geht dies ins Leere, weil der Bebauungsplan zur Erschließung keinerlei Festsetzungen trifft. Abgesehen davon, dass der Schutz vor Einbrechern kein städtebaulicher Belang ist, setzt der Änderungsbebauungsplan weder Zufahrten noch Verkehrswege i.S.d. § 9 Nr. 11 BauGB fest.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).