Kosten- und Gebührenrecht

Streitwertfestsetzung bei Klage auf Räumung und Hilfsantrag auf Feststellung

Aktenzeichen  32 W 1907/18

Datum:
22.1.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 578
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 41 Abs. 1, Abs. 2, § 45 Abs. 1 S. 3, § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 66 Abs. 4 S. 1
BGB § 574

 

Leitsatz

1. Eine Beschwerde gegen eine bereits durch das Landgericht als Berufungsgericht geprüfte und dann abgeänderte Streitwertfestsetzung ist analog § 66 Abs. 4 S. 1 GKG nur zulässig, wenn das Landgericht die weitere Beschwerde zugelassen hat. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Klage auf Räumung zu einem bestimmten Datum und der Hilfsantrag auf Feststellung, dass das Mietverhältnis zu diesem Datum endet und der Mieter eine Fortsetzung nicht verlangen kann, stellen einen Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG dar.  (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 S 1164/18 2018-11-19 Bes LGMUENCHENII AG Starnberg

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 19.11.2018, Az. 7 C 695/17, abgeändert: Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 87.000,00 festgesetzt.
2. Die Beschwerde der Beklagtenvertreter wird verworfen.
3. Die Beklagtenvertreter tragen die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit der Klage vom 07.06.2017 verlangte der Kläger als Eigentümer einer Immobilie in von den Beklagten als Mietern die Rückgabe am 30.06.2017, gestützt auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs vom 19.10.2016.
Der Kläger kündigte erneut mit Datum vom 02.08.2017 zum 30.04.2018, hilfsweise zum 31.12.2019. Der Kläger kündigte erneut mit Datum vom 19.10.2017 zum 31.12.2019.
Zuletzt beantragte der Kläger entsprechend Räumung und Herausgabe zum 30.04.2018, hilfsweise zum 31.12.2019. Hilfsweise beantragte er die Feststellung, dass das Mietverhältnis zum 31.12.2019 endet und der Beklagte zu 1 eine Fortsetzung nicht verlangen kann.
Das Amtsgericht hat mit Endurteil vom 15.03.2018, soweit noch von Interesse, die Beklagten zur Räumung zum 31.12.2019 verurteilt. Zugleich hat es den Streitwert auf € 87.136,12 festgesetzt.
Der Beklagtenvertreter hat gegen die Festsetzung des Streitwerts mit Schriftsatz vom 05.04.2018 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf € 174.272,24 festzusetzen. Das Amtsgericht hat in dem Beschluss vom 09.04.2018 der Beschwerde nicht abgeholfen. Zwischen dem Hauptantrag auf Räumung zum 30.04.2018 und dem Hilfsantrag auf Räumung zum 31.12.2019 bestehe wirtschaftliche Identität.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.04.2018 die Beschwerde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagtenvertreters wurde mit Beschluss vom 21.06.2018, Az. 32 W 722/18, als unzulässig verworfen.
In ihrer Berufung beantragen die Beklagten die Aufhebung des Endurteils des Amtsgerichts, die Abweisung der Räumungsklage als unbegründet und die Abweisung des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags als unzulässig.
Mit Beschluss vom 23.07.2018 hat das Amtsgericht Starnberg auf die Beschwerde des Beklagtenvertreters hin den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts vom 15.03.2018 dahin abgeändert, dass der Streitwert auf € 90.736,12 festgesetzt wird.
In der öffentlichen Sitzung vom 13.11.2018 vor der Berufungskammer hat der Kläger die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Mit Beschluss vom 19.11.2018 hat das Landgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf € 90.736,12 und für das Berufungsverfahren auf € 172.250,00 festgesetzt. Der Streitwert für den Räumungsanspruch betrage gemäß § 41 Abs. 1 und 2 GKG € 87.000,00. Über den Hilfsfeststellungsantrag wäre in der Berufung zu entscheiden gewesen und sei daher zu berücksichtigen. Der Antrag bestehe aus zwei Teilen. Der Streitwert der Feststellung, dass das Mietverhältnis zum 31.12.2019 ende, sei mit der ordentlichen Kündigungsfrist von 9 Monaten zu ermitteln (€ 65.250,00). Die Feststellung, dass keine Verlängerung des Mietverhältnisses verlangt werden könne, sei mit € 20.000,00 zu bewerten.
Mit Schriftsatz vom 30.11.2018 hat die Beklagtenseite Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung für die erste Instanz eingelegt und ohne konkreten Antrag eine Berücksichtigung der verschiedenen Kündigungstermine und des Hilfsantrags verlangt. Der Streitwert des Hilfsantrages sei hinzuzurechnen.
Mit Schriftsatz vom 06.12.2018 legte der Klägervertreter im Namen des Klägers Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes ein und beantragte, auch den Streitwert für das Berufungsverfahren auf € 90.736,12 festzusetzen. Werde der Hauptantrag, so wie hier, zurückgenommen, dürften Haupt- und Hilfsantrag nicht zusammengerechnet werden.
II.
1. Die Beschwerde der Bevollmächtigten der Beklagten ist unzulässig. Wird gegen eine Entscheidung, mit der ein Landgericht im Berufungsverfahren die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG abgeändert hat, ein Rechtsmittel eingelegt, so handelt es sich hierbei um eine weitere Beschwerde, die entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG der Zulassung bedarf. Nach der Systematik der Regelung in § 66 GKG findet eine zweite Überprüfung einer Streitwertfestsetzung nur unter den in Abs. 4 genannten Voraussetzungen statt. Für die Anfechtung einer bereits durch das Landgericht geprüften und dann abgeänderten Entscheidung ist es daher entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG erforderlich, dass das Landgericht ein Rechtsmittel dagegen zulässt (Senat Beschluss vom 12.10.2016 – 32 W 1689/16, BeckRS 2016, 113210, WuM 2017, 238 aA BeckOK KostR/Jäckel, 24. Ed. 1.12.2018, GKG § 63 Rn. 35a). Der Senat hält an seiner Auffassung fest.
Vorliegend wurde die weitere Beschwerde nicht zugelassen. Es kann damit dahinstehen, ob eine Beschwerde deshalb ausscheidet, weil das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts nicht geändert hat.
2. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Hilfsanträge des Klägers führen nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes.
a) Der Wert eines Hilfsantrags ist gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Wert des Hauptantrags zusammenrechnen, wenn nicht beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Im letzteren Falle soll es den Prozessparteien gebührenrechtlich zugutekommen, dass das Gericht zwar über mehrere Anträge entscheiden muss, sich dafür aber im Wesentlichen auf die Beurteilung des gleichen Streitstoffs beschränken kann und dadurch Arbeitsaufwand erspart wird (BGH, Beschluss vom 02. November 2005 – XII ZR 137/05, NZM 2006, 138).
Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist. Wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass – die vom Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht – allen stattgegeben werden könnte, sondern dass die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – I ZR 58/11 -, juris).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen betreffen der Hauptantrag des Klägers auf Räumung und Herausgabe der Mietsache zum 31.12.2019 und der Hilfsantrag auf Feststellung, dass das Mietverhältnis zum 31.12.2019 endet und eine Fortsetzung nicht über den 31.12.2019 seitens des Beklagten zu 1 nicht verlangt werden kann, denselben Gegenstand. Der Feststellungsantrag des Klägers wäre in jedem Fall abzuweisen, wenn eine Verurteilung gemäß dem Hauptantrag erfolgt wäre. Denn der Antrag auf Räumung stellt im Verhältnis zur Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses zu demselben Termin die vorrangige Leistungsklage dar. Der Feststellungsklage fehlt im Falle des Erfolgs der Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis. Es könnte somit nicht Haupt- und Hilfsantrag zugleich stattgegeben werden. Ob dies in Fällen, in denen der Kläger ein besonderes Interesse an der Feststellung der Beendigung darlegt, anders zu beurteilen wäre, kann hier dahinstehen.
c) Es kann damit auch dahinstehen, ob § 47 Abs. 1 GKG der Regelung in § 45 Abs. 1 GKG vorgeht, da in der Berufungsinstanz allein auf das Interesse des Berufungsführers abzustellen wäre, und ob § 47 Abs. 2 GKG zu einer Beschränkung des Streitwertes für die Berufungsinstanz führt. Ebenso kommt es nicht mehr darauf an, ob sich aus § 41 Abs. 3 GKG auch für die vorliegende Konstellation ergibt, dass eine Entscheidung über den Anspruch auf Verlängerung des Mietverhältnisses nach den §§ 574 ff BGB den Streit einer Räumungsklage nicht erhöht.
d) Gemäß § 41 Abs. 2 GKG bemisst sich der Streitwert für die Berufungsinstanz mit der Jahresmiete in Höhe von € 87.000,00.
3. Im Beschwerdeverfahren entstehen Gebühren nur bei einer unzulässigen Beschwerde. Im übrigen findet eine Kostenerstattung für Auslagen nicht statt (§ 68 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG). Die Beklagtenvertreter haben damit die durch die Einlegung der unstatthaften Beschwerde entstandenen Gerichtsgebühren zu tragen.

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