Aktenzeichen 25 U 203/17
VVG § 4 Abs. 1
RDG § 2 Abs. 2, § 3
KWG § 32
ALB § 11 Abs. 1
Leitsatz
1. Die Regelung des § 409 BGB ist zwar unanwendbar, wenn der angezeigten Abtretung ein Abtretungsverbot entgegensteht (Anschluss an BGH BeckRS 2012, 16255 Rn. 12). Sie greift hingegen ein, wenn der bisherige Gläubiger verfügungsbefugt war und nur die konkrete Abtretungsvereinbarung und das zugrunde liegende Kausalgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv § 134 BGB nichtig sind (Anschluss an OLG Celle BeckRS 2017, 106955; Abgrenzung zu BGH BeckRS 2017, 100481). (Rn. 2 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf Grund der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins darf der Lebensversicherer die Versicherungsleistung mit befreiender Wirkung auch an den materiell nicht berechtigten Inhaber (wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot) auszahlen (Anschluss an BGH BeckRS 2010, 08770; Bestätigung von OLG München BeckRS 2017, 106231; Abgrenzung zu BGH BeckRS 2017, 100481). (Rn. 15 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
26 O 6952/16 2016-12-16 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2016, Az. 26 O 6952/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Einwendungen der Berufung sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.
I.
Die von der … Sachwert AG ausgesprochene Kündigung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrages ist im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter als wirksam zu behandeln, der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes ist durch die Zahlung an die … Sachwert AG durch Erfüllung erloschen. Damit ist das Feststellungsbegehren der Klägerin unbegründet; es besteht auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dabei kann offen bleiben, ob der Kaufvertrag zwischen der … Sachwert AG und der Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 32 KWG und/ oder §§ 3, 2 Abs. 2 RDG) gemäß § 134 BGB nichtig ist und ob die Nichtigkeit auch die vorliegende Abtretung erfassen würde. Denn die Beklagte kann sich, wie das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat, jedenfalls auf den Schutz des § 409 Abs. 1 BGB berufen. Gegenüber der Beklagten als Schuldnerin galt die … Sachwert AG nach dieser Vorschrift als berechtigt, über die an sie abgetretenen Ansprüche und Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag zu verfügen.
Nach § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Gläubiger, der dem Schuldner anzeigt, dass er die Forderung abgetreten hat, die angezeigte Abtretung – die hier auch das Recht der … Sachwert AG zur Kündigung umfasste, § 413 BGB i.V.m. § 409 Abs. 1 BGB – gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Nach § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB steht der Abtretungsanzeige gleich, wenn der Gläubiger dem neuen Gläubiger eine Urkunde über die Abtretung ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt.
Vorliegend hat die … Sachwert AG der Beklagten mit Schreiben vom 02.10.2009 (Anlage B 2) die von der Klägerin unterschriebene Abtretungsanzeige vom 30.09.2009 (Anlage B 3) übersandt und im Anschluss daran mit Schreiben vom 08.10.2009 (Anlage B 4) die streitgegenständliche Versicherung gekündigt, welche sodann von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2009 (Anlage B 7) abgerechnet und der Rückkaufswert ausbezahlt wurde. Die Abtretungsanzeige vom 30.09.2009 stellt eine im Sinne des § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, die von der … Sachwert AG als Bote überbracht werden konnte (vgl. Roth/ Kieninger in MünchKomm BGB, 7. Aufl., § 409 Rn. 5); zudem erfüllt sie die Voraussetzungen einer Urkunde gemäß § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach ihrem Wortlaut greift die Vorschrift also.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 409 Abs. 1 BGB hier deshalb nicht anwendbar sei, weil die Abtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag nichtig sei, da der der Abtretung zugrundeliegende, zwischen ihr und der … Sachwert AG abgeschlossene Forderungskaufvertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, § 134 BGB. Der Schuldnerschutz des § 409 Abs. 1 BGB besteht auch und gerade in einem solchen Fall. Der Senat hält insoweit an seiner den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten Rechtsauffassung aus dem Urteil vom 07.04.2017 im Verfahren 25 U 4024/16 fest; das veröffentlichte Urteil des OLG Celle vom 06.04.2017 – 8 U 166/16 -, juris, sowie die von der dortigen Beklagten im Parallelverfahren 25 U 168/17 mit der Berufungserwiderung vorgelegten, dem hiesigen Klägervertreter bekannten – Entscheidungen zu vergleichbaren Parallelverfahren des OLG Celle vom 13.04.2017- 8 U 182/16, des Hanseatischen OLG vom 02.03.2017 und 30.03.2017 – 9 U 265/16 – (, des OLG Stuttgart vom 06.04.2017 – 7 U 188/16 – und des OLG Hamm vom 03.05.2017 – I-20 U 175/16 – bestätigen diese Rechtsauffassung des Senats.
Da den Entscheidungen in den zitierten Parallelverfahren offenbar im Wesentlichen eine ähnliche Argumentation der Klageseite zugrunde lag wie hier, wird zunächst auf deren Entscheidungsgründe Bezug genommen; zusammengefasst ist den Kernargumenten der Klägerin entgegenzutreten wie folgt:
„1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 210/11, Rn. 12 bei juris m.w.N.), ist die Regelung des § 409 Abs. 1 ZPO zwar unanwendbar, wenn der angezeigten Abtretung ein Abtretungsverbot entgegensteht. Denn die Vorschrift geht davon aus, dass der Gläubiger, der die Abtretungsanzeige oder Abtretungsurkunde ausstellt, über die Forderung verfügen kann; nur dann ist es nämlich gerechtfertigt, ihn trotz der Unwirksamkeit der angezeigten Abtretung an seiner Erklärung festzuhalten (BGH aaO). Die Erklärung eines nicht verfügungsberechtigten Gläubigers kann diese Wirkung ebenso wenig haben wie eine Erklärung, die ein Nichtgläubiger abgibt. Danach ist § 409 Abs. 1 BGB z.B. nicht anwendbar, wenn der Forderungsgläubiger als Insolvenzschuldner infolge einer Anordnung des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO nicht mehr verfügungsbefugt war. Gleiches gilt grundsätzlich für unpfändbare Forderungen, weil für diese ebenfalls ein gesetzliches Abtretungsverbot besteht (§ 400 ZPO). Der Vertrauensschutz des Schuldners, den die Regelung gewährleisten soll, soll erst dann eingreifen, wenn der bisherige Gläubiger noch Inhaber der Forderung und als solcher befugt war, über die Forderung zu verfügen.“
Ein solcher Fall fehlender Verfügungsberechtigung aufgrund eines Abtretungsverbots liegt hier jedoch nicht vor. An der Verfügungsbefugnis der Klägerin als bisheriger Gläubigerin bestehen keine Zweifel. Gemäß § 13 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Kapitalversicherung (Anlage B 1) war sie ausdrücklich berechtigt, ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag abzutreten oder zu verpfänden. Die hierzu gemäß § 13 Abs. 4 der Bedingungen erforderliche schriftliche Abtretungsanzeige der Klägerin hat die Beklagte erhalten. Für ein etwaiges gesetzliches Abtretungsverbot fehlt es an Vortrag oder sonstigen Anhaltspunkten.
2. Der Fall einer – zugunsten der Klagepartei hier einmal unterstellten – Nichtigkeit der konkreten Abtretungsvereinbarung und des zugrundeliegenden Kausalgeschäftes gemäß § 134 BGB wegen Verstößen gegen die in Rede stehenden Vorschriften des KWG und/ oder des RDG ist damit nicht vergleichbar. Denn es steht einem Abtretungsverbot im eben beschriebenen Sinne nicht gleich, wenn der bisherige Gläubiger verfügungsbefugt war, aber „nur“ das konkrete Kausalgeschäft sowie infolgedessen auch die konkrete Abtretungsvereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB verstießen. Aus dem Verstoß gegen das Verbotsgesetz resultiert zwar die Nichtigkeit zunächst des Kausalgeschäftes und ggf. auch der betroffenen Verfügung, also der Abtretung. Dies führt jedoch nicht zum Verlust der Verfügungsbefugnis des Forderungsinhabers. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die geltend gemachte Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarung nicht mit einem gesetzlichen Abtretungsverbot gleichgesetzt werden.
§ 409 Abs. 1 BGB ist in einem solchen Fall vielmehr sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Regelung anwendbar.
Der Schuldner muss die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, „wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist“. Auch eine nichtige Abtretung ist eine „nicht wirksame“ Abtretung. Die Begriffe der Unwirksamkeit und der Nichtigkeit werden im BGB nicht als Gegensätze, sondern überschneidend, teils auch synonym verwendet (vgl. nur Palandt – Ellenberger, BGB, 76. Aufl., Vor § 104 Rn. 29). Grundsätzlich ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Unwirksamkeit der weitere Begriff, Nichtigkeit ein Unterfall davon. Der Gläubiger hat im Übrigen eine angezeigte Abtretung auch dann gegen sich gelten zu lassen, wenn diese schon von vornherein nicht erfolgt ist – Nichtigkeit bedeutet auch nicht mehr, als dass ein Rechtsgeschäft die nach seinem Inhalt bezweckten Rechtswirkungen von Anfang an nicht hervorbringen kann (Palandt-Ellenberger aaO Rn. 27).
§ 409 Abs. 1 BGB weist dem Schuldner in derartigen Fällen auch nicht etwa die Rechtsmacht zu, die Wirksamkeit eines nichtigen Rechtsgeschäfts herbeizuführen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt in einer Konstellation, in der sich der Schuldner auf die Nichtigkeit berief, BGH, Urteil vom 11.01.2017 – IV ZR 340/13, VersR 2017, 277, Rn. 36). Die Wirkung der Regelung beschränkt sich vielmehr darauf, dass der Schuldner zu seinen Gunsten die mitgeteilte Abtretung als wirksam behandeln kann, auch wenn sie das nicht ist. Er kann also mit befreiender Wirkung an den angezeigten Scheinzessionar leisten (Roth/Kieninger in MünchKomm BGB § 409 Rn. 11-13) bzw. darauf bezogene Gestaltungsrechte wie eine Kündigung ausüben. An der aus dem Verstoß gegen das gesetzliche Verbot folgenden Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ändert das nichts. Der Schuldner, der den zur Unwirksamkeit führenden Sachverhalt regelmäßig nicht kennt bzw. nicht sicher rechtlich zu bewerten vermag, soll sich auf die Richtigkeit der angezeigten Abtretung, für die der verfügungsbefugte bisherige Gläubiger einen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat, verlassen können und an den neuen Gläubiger schuldbefreiend leisten dürfen. Der BGH hat zudem in der zitierten Entscheidung (aaO Rn. 35) hervorgehoben, dass ggf. auch zu berücksichtigen sei, dass das betroffene Verbotsgesetz (§ 2 Abs. 2 RDG) auch dem Schutz des Schuldners diene. Dem Schuldner könne bei der als eigenständiges Geschäft betriebenen Forderungseinziehung auf fremde Rechnung nicht das Risiko aufgebürdet werden, an einen Nichtberechtigten zu leisten und im Ergebnis doppelt zahlen zu müssen. Zu einer solchen ungerechtfertigten Risikoverlagerung würde die von der Klägerin hier vertretene Rechtsauffassung aber gerade führen.
Gerade gegen eine Vergleichbarkeit der hiesigen Konstellation mit der eines Abtretungsverbots für den bisherigen Gläubiger spricht auch die von der Berufungsbegründung (zu Unrecht) für ihre Auffassung herangezogene Entscheidung des BAG vom 06.02.1991 – 4 AZR 348/90 -, NJW 1991, 2038. Dort wurde eine Vergleichbarkeit mit einem gesetzlichen Abtretungsverbot verneint und § 409 Abs. 1 BGB auch in dem Fall für anwendbar erklärt, wenn eine Abtretung sittenwidrig und damit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig sei. Dabei hat das BAG maßgeblich darauf abgestellt, dass für den Schuldner klar ersichtlich sein müsse, dass die Abtretung unwirksam sei, was dann der Fall sei, wenn der Rechtsverstoß klar erkennbar sei. Ob eine Abtretung möglicherweise wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei, könne aber erst nach Feststellung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (BAG aaO Rn. 15 bei juris).
Ähnlich liegt der Fall hier. Schon zur Beurteilung der Frage, ob das Kausalgeschäft zwischen der Klägerin und der … Sachwert AG wegen Verstößen gegen das KWG und/ oder das RDG gemäß § 134 BGB nichtig ist, sind schwierige Rechtsfragen zu beantworten, bei denen es maßgeblich auf eine umfassende Bewertung der konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt; erst recht gilt dies für die sich anschließende Frage, ob sich die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts, die in der Regel die Gültigkeit des Erfüllungsgeschäfts unberührt lässt, ausnahmsweise auch auf dieses – also hier auf die Abtretung – erstreckt. Entgegen der Behauptung der Berufungsbegründung kann daher nicht die Rede davon sein, dass es bei der Nichtigkeit einer Abtretung gemäß § 134 BGB (stets oder in Konstellationen wie vorliegend) an der Schutzbedürftigkeit des Schuldners fehlen würde, weil die fehlende Legitimation des Scheinzessionars offensichtlich wäre und der Schuldner bei einer Verweigerung der Leistung praktisch keinerlei Risiko einginge (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. November 2009 – IV ZR 134/08 -, VersR 2010, 375, Rn. 15 bei juris, zur Anwendbarkeit des § 409 Abs. 1 ZPO bei Unwirksamkeit einer Abtretungsvereinbarung gemäß § 307 BGB).
3. Die Legitimationswirkung der Abtretungsanzeige entfällt vorliegend schließlich nicht wegen einer von der Klägerin behaupteten Prüfpflicht der Beklagten. Dabei kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner den Schutz des § 409 Abs. 1 BGB verlieren kann, wenn er die Unwirksamkeit der Abtretung kennt (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, aaO, § 409 Rn. 5) oder ggf. auch aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht kennt. Denn vorliegend hat die Klägerin, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, schon nicht hinreichend zu einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten vorgetragen. Der Beklagten war unstreitig lediglich die Abtretungsanzeige vom 30.09.2009 bekannt, nicht der dieser zugrundeliegende Forderungskauf- und Abtretungsvertrag zwischen der Klägerin und der … Sachwert AG. Aus der Anzeige war eine etwaige Nichtigkeit des Kausalgeschäfts weder erkennbar noch musste sie sich aufdrängen. Zu einer fehlenden Prüfungspflicht im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil (S.7) Bezug genommen.
II.
Zudem ist die von der … Sachwert AG ausgesprochene Kündigung unter Vorlage des Originalversicherungsscheins wegen der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins gemäß § 808 Abs. 1 S.1. BGB als wirksam zu behandeln mit der Folge, dass das Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter beendet ist.
1. Gemäß § 11 Abs. 1 der AVB der Beklagten (Anlage B 1) sowie § 4 Abs. 1 VVG, ist der Versicherungsschein ein qualifiziertes Legitimationspapier i.S.d. § 808 BGB. Aus der Klausel ergibt sich weiter, dass die Beklagte den Inhaber des Versicherungsscheins auch als berechtigt ansehen kann, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere auch Leistungen in Empfang zu nehmen und somit den Rückkaufswertes zu erlangen. Diese von der Beklagten verwendete Klausel ist wirksam (BGH, Urteil vom 22. 3. 2000 – IV ZR 23/99, r + s 2000, 345). Die von der … Sachwert AG ausgesprochene Kündigung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag ist daher als wirksam zu behandeln. Die Beklagte hat den Rückkaufswert mit leistungsbefreiender Wirkung an diese ausbezahlt (§ 808 Abs. 1 S.1 BGB). Eine befreiende Leistung an den Inhaber des qualifizierten Legitimationspapiers und eine Vertragsbeendigung durch Kündigung ist auch dann möglich, wenn dieser die verbriefte Forderung nicht wirksam erworben hat. Gerade für den Ausnahmefall, in dem der Urkundeninhaber nicht zugleich Inhaber der Forderung ist, kommt der Erweiterung der Leistungsberechtigung Bedeutung zu. Nur für diesen Fall bezweckt und bewirkt die Ausgestaltung des Versicherungsscheins zu einem qualifizierten Legitimationspapier den Schutz des Schuldners, wenn er an den Urkundeninhaber leistet; denn ihm wird das Risiko der Doppelzahlung und der Uneinbringlichkeit seiner Kondiktion gegen den vermeintlichen Gläubiger abgenommen. Für die Wirkung des § 808 Absatz I S. 1 BGB kommt es daher nicht darauf an, ob der Inhaber materiell-rechtlich verfügungsbefugt oder berechtigt ist oder war. Vielmehr fingiert das qualifizierte Legitimationspapier zu Gunsten des Schuldners, dass der Inhaber einziehungsberechtigt ist, und verlangt keine Nachprüfung der tatsächlichen Berechtigung (vgl. BGH, Urteil vom 10. 3. 2010 – Az. IV ZR 207/08, NJW- RR 2010, 904 m.w.N.). Dies gilt auch bei Nichtigkeit einer Abtretung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB.
Eine etwaige Nichtigkeit der Abtretung der Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag führt nicht dazu, dass sich die Beklagte, die die Kündigung als wirksam betrachtet und den Rückkaufwert an den Zessionar ausbezahlt hat, nicht auf § 808 Abs. 1 BGB berufen darf. § 808 BGB i.V.m. § 4 VVG knüpft an den Besitz des Versicherungsscheins und nicht an eine Abtretung an. Auch die Entscheidung des Bundesgerichthofes vom 11.01.2017 im Verfahren IV ZR 340/13 steht einer Anwendung von § 808 BGB nicht entgegen. Der von der Klägerin zitierten Passage aus den dortigen Urteilsgründen, wonach der beklagten Versicherung nicht die Rechtsmacht zukomme, durch die Verweigerung der Bestätigung über die Wirksamkeit der Vereinbarung zu entscheiden lässt sich dies nicht entnehmen. Die Ausführungen des BGH stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob ein besonders gelagerter Ausnahmefall vorliegt, in dem sich die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages als eine unzulässige Rechtsausübung darstellt; das hält der BGH offensichtlich dann für erwägenswert, wenn es der Schuldner aufgrund der vertraglichen Konstellation in der Hand hat, durch die Verweigerung der Bestätigung über die Wirksamkeit der dort streitgegenständlichen Vereinbarung zu entscheiden (im entschiedenen Fall verneint). Die Interessenlage im dort entschiedenen Fall ist der vorliegenden Interessenlage nicht vergleichbar. Die dortige Beklagte hatte nicht in Abrede gestellt, dass die Abtretung auch ihr gegenüber unwirksam sei, sondern sich zur Begründung ihrer Weigerung, den Rückkaufswert an die Zessionarin auszuzahlen, ausdrücklich darauf berufen, dass die Abtretung wegen Verstoßes gegen das RDG nichtig sei. Die Entscheidung des BGH im vorgenannten Verfahren betrifft daher eine nicht vergleichbare Konstellation. Die dortige Beklagte hatte sich gerade nicht auf die Legitimationswirkung des ihr von der dortigen Klagepartei vorgelegten Versicherungsscheins berufen, weshalb sich die Ausführungen des BGH auch nicht auf die Beantwortung der Frage beziehen, ob der dortigen Beklagten dies möglich gewesen wäre und ob sie dazu verpflichtet war.
2. Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, bei unwirksamer Abtretung käme (im Einzelfall) eine befreiende Leistung nach § 808 BGB in Betracht, bei nichtigen Abtretungen aber nicht, verhilft das der Berufung auch nicht zum Erfolg. Die Begriffe der Unwirksamkeit und der Nichtigkeit werden im BGB nicht als Gegensätze, sondern überschneidend, teils auch synonym verwendet (vgl. Palandt – Ellenberger, BGB, 76. Aufl., Vor § 104 Rn. 29). Grundsätzlich ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Unwirksamkeit der weitere Begriff, Nichtigkeit ein Unterfall davon. Nichtigkeit bedeutet auch nicht mehr, als dass ein Rechtsgeschäft die nach seinem Inhalt bezweckten Rechtswirkungen von Anfang an nicht hervorbringen kann (Palandt-Ellenberger aaO Rn. 27). § 808 BGB knüpft – wie dargestellt – überhaupt nicht an eine Abtretung an, sondern lediglich an den Besitz des Versicherungsscheins.
3. Soweit die Berufung geltend macht, die zitierten Entscheidungen des BGH vom 10.03.2010 (IV ZR 207/08), vom 20.05.2009 (IV ZR 16/08), vom 18.11.2009 (IV ZR 134/08 und vom 24.02.199 (IV ZR 122/98) hätten sämtlich nicht die Fallkonstellation der Nichtigkeit der Übertragung der Lebensversicherung betroffen, weshalb diese Frage in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt sei, folgt der Senat dem nicht. Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung diejenigen Fallkonstellationen benannt, in denen die Legitimationswirkung der Urkunde nicht eingreift. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner die mangelnde Verfügungsberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. 3. 2010 – Az. IV ZR 207/08, NJW- RR 2010, 904). Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH, ob die Legitimationswirkung der Urkunde auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Inhabers entfällt, was von der herrschenden Meinung in der Literatur bejaht wird. Die Reichweite des Gutglaubensschutzes entspricht derjenigen bei Inhaberschuldverschreibungen gem § 793 Abs. 1 S. 2 BGB. Demnach wird der gute Glaube an die Gläubigerschaft, die Verfügungs- und die Vertretungsmacht des Inhabers geschützt (vgl. Staudinger/Peter Marburger, 2015, § 808 BGB, Rn. 26). Daher kommt es nicht darauf an, worauf der Mangel beruht. Als weitere vertragliche und gesetzliche Einschränkungen werden in der Literatur legitimationsbeschränkende Abreden z.B. in Form eines Sperrvermerks oder der Vereinbarung, dass der Aussteller nur zur Leistung an einen Inhaber befugt sein solle, der sich zusätzlich ausweise, sowie die Regelung des § 1809 BGB diskutiert, wonach Mündelgeld nur mit der Bestimmung angelegt werden soll, dass zur Erhebung des Geldes die Genehmigung des Gegenvormunds oder des Familiengerichts erforderlich ist. Sei die Anlegung mit einer solchen Bestimmung erfolgt, so werde der Aussteller durch Leistung an den Inhaber nur befreit, wenn die erforderliche Genehmigung beigebracht worden sei (vgl. Staudinger/Peter Marburger, a.a.O., Rn. 27). Auf die Frage, ob die Abtretung wirksam ist und worauf eine eventuelle Unwirksamkeit der Abtretung beruht, kommt es daher nicht an. Diese beruht in der Regel auf Umständen aus der Sphäre des Zedenten bzw. des Zessionars und ist jedenfalls dem gutgläubigen Schulder nicht bekannt. Daher besteht keinerlei Grund, die Legitimationswirkung zu seinen Lasten über die genannten Ausnahmefälle hinaus in Fällen der Nichtigkeit der Abtretung weiter einzuschränken.
4. Die schuldbefreiende Wirkung der an die Fa. … Sachwert AG erbrachten Zahlung ist auch nicht wegen Bösgläubigkeit oder Treuwidrigkeit der Beklagten ausgeschlossen. Der BGH hatwie dargelegt – diejenigen Fallkonstellationen benannt, in denen die Legitimationswirkung der Urkunde nicht eingreift. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner die mangelnde Verfügungsberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat. Ob die befreiende Wirkung auch dann entfällt, wenn der Aussteller des Legitimationspapiers grob fahrlässig keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Inhabers hatte, hat der BGH dahingestellt sein lassen (NJW-RR 2010, 904). Im vorliegenden Fall braucht dies ebensowenig entschieden werden, wie die Frage, ob die Fa. … Sachwert AG die Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag wirksam durch Abtretung erworben hat, denn Voraussetzung für das Entfallen der Legitimationswirkung der Urkunde wäre jedenfalls, dass die Beklagte Kenntnis von dem Geschäftsmodell der Fa … Sachwert AG bzw. dem Kaufvertrag zwischen dieser Firma und der Klägerin gehabt hätte bzw.sich infolge grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis hierüber befunden hätte, was nicht nachvollziehbar dargetan ist, nachdem der Kaufvertrag zwischen der … Sachwert AG und der Klägerin der Beklagten damals nicht vorgelegt wurde. Die Beklagte hat eigene Kenntnis vom Geschäftsmodell der Fa … GmbH und die damalige Vorlage des Kaufvertrages bestritten, die Klägerin hat für ihre diesbezüglichen Behauptungen z.T. keinen hinreichenden Vortrag geleistet, jedenfalls aber keinen geeigneten Beweis angetreten. Es sind auch keine Umstände dargetan, aus denen sich ergeben würde, dass die Beklagte sich einer solchen Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hätte. Eine Verpflichtung, sämtliche im Internet zugänglichen Quellen nach versicherungsrelevanten Veröffentlichungen zu durchforsten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Klägerin hat die Urkunde über die Abtretungsanzeige an die Beklagte am 30.09.2009 unterzeichnet. Daher musste ihr bekannt sein, dass die Abtretungsanzeige am Ende die ausdrückliche Weisung an die Beklagte enthielt, ab sofort sämtliche Erklärungen, Zustellungen und Zahlungen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Versicherung ausschließlich an die Fa. … Sachwert AG zu richten. Die Klägerin muss sich daher die Weisung in der Abtretungsanzeige an die Beklagte, weitere Korrespondenz ausschließlich mit der Fa … Sachwert AG zu führen, zurechnen lassen. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte nicht gehalten, Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen und sich über die Hintergründe der Abtretung unterrichten zu lassen. Zu einer solchen Nachfrage bestand auch kein Anlass. Die Beklagte war über den Kaufvertrag nicht unterrichtet worden. Sie wusste daher nicht, welches Grundgeschäft der Abtretung zugrunde lag. Nicht entscheidend ist die Frage, ob die sofortige Kündigung und Einziehung des Rückkaufswertes nach Abtretung ein Indiz für ein unerlaubtes Bankgeschäft bzw. ein Verstoß gegen das RDG darstellt, denn eine solche Indizwirkung setzt nach dem Vortrag des Klägers voraus, dass es sich bei dem kündigenden Zessionar um einen gewerblichen Aufkäufer von Lebensversicherungspolicen handelt. Dass es sich bei der Fa … Sachwert AG um einen solchen Aufkäufer gehandelt hat, hat die Klägerin zwar vorgetragen, sie hat jedoch nicht aufgezeigt, dass die Beklagte dies wusste bzw. dass sich ihr dies aufdrängen musste. Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Gründen, welche den Zessionar zu einer sofortigen Kündigung veranlassen können.
III.
Sonstige Gründe stehen einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, liegen nicht vor. Insbesondere behauptet die Klägerin zu Unrecht, dass die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 10.02.2010 – IV ZR 53/09 -, und vom 27.02.2007 – XI ZR 195/05 – entschieden hätten, dass der Schuldnerschutz des § 409 BGB bei Nichtigkeit einer Abtretung gemäß § 134 BGB entfalle. Diese Urteile befassen sich zwar mit § 134 BGB, nicht aber mit § 409 BGB. Ebensowenig verhält sich das Urteil des BGH vom 11.01.2017 – IV ZR 340/13 -, das im Übrigen eine gegenläufige Konstellation betrifft – Berufung des Schuldners auf Nichtigkeit -, zur Vorschrift des § 409 BGB. Soweit aus dieser Entscheidung Rückschlüsse für die hiesige gezogen werden könnten, wurde oben dargelegt, dass sich der Senat mit den dortigen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang befindet. Dass eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur hier betroffenen speziellen Problematik bislang nicht vorliegt, rechtfertigt für sich nicht die Zulassung der Revision. Die maßgeblichen rechtlichen Grundsätze, wann und warum ein Abtretungsverbot einer Anwendbarkeit des § 409 BGB entgegensteht, sind höchstrichterlich geklärt, insbesondere durch die Entscheidung des BGH vom 12.07.2012; auf dieser Grundlage lässt sich der hier zur Entscheidung stehende konkrete Einzelfall, wie dargelegt, beurteilen. Von anderen Oberlandesgerichten liegen bislang, soweit dem Senat bekannt (und oben zitiert), nur Entscheidungen vor, die mit der Rechtsauffassung des Senats übereinstimmen, so dass auch keine Divergenzvorlage in Betracht kommt.
IV.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).