Europarecht

Unwirksamkeit einer Abtretungsvereinbarung mit Einziehungsermächtigung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 S. 1 RDG

Aktenzeichen  11 O 6024/15

Datum:
26.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151100
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 315, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 266, § 283
AktG § 1 Abs. 1, § 93 Abs. 2
RDG § 2 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ein fremdes Geschäft im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG liegt auch dann vor, wenn der Zessionar Hauptaktionär und Gläubiger der Zedentin ist (entgegen OLG München BeckRS 2017, 105545). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Stufenklage gemäß § 254 ZPO zulässig.
Zwar soll die Stufenklage einem Kläger nicht die Prozessführung allgemein erleichtern. Vielmehr muss das Unvermögen eines Klägers zu bestimmten Angabe der von ihm in der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er in der ersten Stufe Auskunft begehrt (BGH NJW 2001, 1815, 1816).
Deshalb ist die Stufenklage lediglich ein Hilfsmittel, um die noch fehlende Bestimmtheit des Leistungsantrages herbeizuführen. Hierbei ist es ausreichend, wenn nur ein Teil der für die Bezifferung benötigten Informationen im Wege der Auskunftsklage zu erlangen ist (BGH, Urteil vom 06.04.2016, VIII ZR 143/15, Juris TZ 16). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Soweit dem Kläger einzelne Überweisungen bekannt sind (Klageantrag IV.) hat er keine Kenntnis über das etwaige Vorliegen eines Rechtsgrundes hinsichtlich dieser Überweisungen. Hiervon wiederum ist abhängig, ob eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gegenüber der T. H1. AG wegen pflichtwidriger Mittelverwendung besteht. Näherer Vortrag zu dem Rechtsgrund der einzelnen Zahlungsbewegungen liegt nicht vor.
B.
Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 05.04.2017 und vom 19.04.2017, die zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung berücksichtigt wurden. Ein Fall des § 156 ZPO liegt nicht vor.
I.
Die Abtretungsvereinbarung vom 20.11.2015 (Anlage B1), aufgrund derer der Kläger die streitgegenständliche Forderung geltend macht, verstößt gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG.
Eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung liegt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bei Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretenen Forderungen vor, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird.
1. Der Kläger zieht die streitgegenständliche, an ihn zum Zweck der Forderungseinziehung abgetretene Forderung nach den Inhalt der Abtretungsvereinbarung wirtschaftlich auf Rechnung der Insolvenzverwalterin und damit auf Rechnung der Insolvenzmasse ein. Hierbei handelt es sich um eine „Einziehung auf fremde Rechnung“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG.
1.1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (so auch zu § 1 Abs. 1 RBerG) kommt es für die Frage der Fremdheit bei der Abtretung einer Forderung zu Einziehungszwecken entscheidend darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll. Hierbei ist nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung und die Art des geschlossenen Vertrages, sondern auf die gesamten diesen zu Grunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung abzustellen. Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, d.h. das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (BGH NJW 2013, 59-62 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist die zum Zwecke der Einziehung auf den Kläger übertragene Forderung für ihn wirtschaftlich fremd. Die vorliegende Konstellation weist insbesondere in mehrfacher Hinsicht Parallelen mit der hier zitierten Entscheidung des Bundegerichtshofs vom 30.10.2012 (ebd.), in der das Vorliegen einer erlaubnispflichtigen Inkassotätigkeit und damit ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz bejaht wurde, auf.
Zwar ist – wie auch in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – in dem streitgegenständlichen Vertrag (Anlage B1) weder eine Rückabwicklung des Forderungserwerbs bei Misslingen der prozessualen Geltendmachung noch eine Garantie der Zedentin für die erfolgreiche Beitreibbarkeit der Forderung vorgesehen. Der Erwerb der Forderung ist für den Kläger endgültig. Eine Garantie für das Bestehen der Forderungen oder für die wirtschaftliche Beitreibbarkeit hat die Insolvenzverwalterin ausweislich Ziffer VII des Vertrages gerade nicht übernommen.
Das Fehlen einer Vereinbarung zur Rückabwicklung des Vertrages bei Nichtbeitreibbarkeit der Forderung ist, wie der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall zeigt, für die Annahme eines Verstoßes gegen das RDG jedoch nicht erforderlich, sondern ist nur ein Indiz für eine Abtretung zu Einziehungszwecken.
Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Zedentin die Forderung als Vermögenswert auch nicht „ohne Auflagen weg- und aufgegeben“. Vielmehr verbleibt im streitgegenständlichen Fall – ebenso wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – anders als bei einem echten Forderungserwerb aufgrund der streitgegenständlichen Vereinbarung eine Innenbindung des Klägers an die Zedentin: Die Geltendmachung der von der Vereinbarung umfassten Forderungen steht hier gerade nicht im Belieben des Klägers, sondern der Kläger ist ausweislich Ziffer II des Vertrages „verpflichtet“, die in der Vereinbarung unter Ziffer I genannten, ihm bekannten und der Insolvenzverwalterin anzuzeigenden Ansprüche geltend zu machen.
Ferner liegt – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall – das Ausfallrisiko bei wirtschaftlicher Betrachtung ebenfalls weiterhin bei der Zedentin. Wenngleich der Kläger die in der Vereinbarung genannten Forderungen gemäß Ziffer II der Vereinbarung „auf eigene Kosten und eigenes Risiko“ geltend machen soll, ist die erfolgreiche Geltendmachung für die Zedentin weiterhin von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung: Die Vereinbarung enthält keinen von vornherein festgelegten Kaufpreis für die an den Kläger übertragenen Forderungen. Gemäß Ziffer V.b erhält vielmehr die Zedentin (nach Verrechnung des Erlöses gegen gemäß Ziffer V.a vorrangig zu erstattender Gerichtskosten und außergerichtlicher Kosten) 50% der Erlöse aus Zahlungen, die aus der Geltendmachung der in Ziffer I der Vereinbarung genannten Ansprüche erfolgen. Leisten die Beklagten keine Zahlung – sei es, weil der behauptete Anspruch nicht besteht oder weil sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zur Zahlung in der Lage sind – treffen sowohl das Veritäts- als auch das Bonitätsrisiko hier die Zedentin, die dann wirtschaftlich leer ausgeht. Die Zedentin ist daher anders beim echten Forderungskauf wirtschaftlich weiter an dem Bestand und der Durchsetzbarkeit der zedierten Forderung interessiert, wohingegen der Kläger aufgrund dieser Vereinbarung nur ein Kostenwagnis eingeht.
Hieran ändert sich auch daran nichts, dass der Kläger gemäß Ziffer V.b der Vereinbarung ebenfalls zu 50% des Erlöses partizipieren soll. Die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung für die Inkassotätigkeit ändert nichts an dem Fremdcharakter des Geschäfts (BGH ebd.).
1.2. An der Fremdheit des Geschäfts ändert auch nichts, dass der Kläger Mehrheitsaktionär der Insolvenzschuldnerin ist. Der Kläger ist hier nicht deshalb Rechtsinhaber der Klageforderung. Zwar geht im Falle der Insolvenz das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Gemeinschuldners an den Insolvenzverwalter verloren, der Gemeinschuldner bleibt aber auch während der Insolvenz Rechtsinhaber (BGHZ 100, 217-221).
Die Gemeinschuldnerin ist im vorliegenden Fall – anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.03.1987 (ebd.). – aber die T. H1. AG, damit keine natürliche Person, sondern eine Aktiengesellschaft. Gemäß § 1 Abs. 1 AktG ist eine Aktiengesellschaft eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wobei für Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Hierin findet das im Recht der juristischen Personen verankerte Trennungsprinzip seinen Ausdruck, das eine zuordnungsrechtliche Selbständigkeit juristischer Personen im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern vorsieht. Juristische Personen und Gesellschafter stehen sich, was die Zuordnung ihrer Rechte und Pflichten wie auch ihres Vermögens anbetrifft, indessen grundsätzlich wie Dritte gegenüber gegenüber (MüKo, AktG, 4. Aufl, § 1 Rn 47).
Dass der Kläger als (Haupt-)Aktionär oder Gläubiger der AG mittelbar ein Interesse am Vermögen der Insolvenzschuldnerin hat, ändert rechtlich nichts daran, dass die streitgegenständliche Forderung eine Forderung der T. H1. AG als eigener Rechtspersönlichkeit und nicht eine solche des Klägers ist und damit für den Kläger eine fremde Forderung ist. Die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH NJW 2007, 3570, m.w.N.). Ein lediglich mittelbares Eigeninteresse macht eine fremde Rechtsangelegenheit aber nicht zu einer eigenen (BGH NJW 2007, 3570, m.w.N.; OLG Karlsruhe NJW 2008, 3229; BFH Beck RS 25016612; Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Auflage, § 2 Rn 23). Entscheidend ist, wessen Interesse vorrangig wahrgenommen wird (BGHZ 38, 71; BFH a.a.O., Deckenbrock/Henssler, a.a.O.). Vorrangig werden hier Interessen der in Insolvenz befindlichen AG wahrgenommen, da primär deren Vermögensmasse gemehrt werden soll, an der der Kläger als Aktionär nur mittelbar partizipiert – wie auch die anderen Aktionäre und Gesellschaftgläubiger (a.A. OLG München, 23 U 3159/16).
Auch dass der Kläger Vorstand der Insolvenzschuldnerin ist, macht ihn nicht zum Rechtsinhaber deren Vermögen. Auch wenn man für den Kläger anführen könnte, er hätte, wenn der Beklagte zu 1 für die T. H1. AG nicht die I. AG angemeldet hätte, diese Ansprüche „selbst“ gegen den Beklagten geltend gemacht, ohne dass es einer Abtretung bedurft hätte, wäre dies unzutreffend. Der Kläger hätte ohne Abtretung nur im Namen der AG als deren Vorstand gegen den bzw. die Beklagten vorgehen können, nicht aber im eigenen Namen.
Soweit man für den Kläger in diesem Zusammenhang argumentieren könnte, dass beispielsweise eine Konzernmutter Forderungen ihrer Tochtergesellschaft geltend mach kann, da diese nicht „fremd“ seien, mag dies zutreffend sein. Dies ist aber mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da vorliegender Fall keinen Konzernsachverhalt betrifft – derartige Sachverhalte sind auch klarstellend in § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG unter Verweis auf § 15 AktG ausdrücklich von der Geltung des RDG ausgenommen worden -, sondern die Besorgung einer Rechtsangelegenheit durch einen Aktionär für eine Aktiengesellschaft.
2. Der Kläger betreibt die Forderungseinziehung auch als „eigenständiges Geschäft“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG.
2.1. Ein eigenständiges Geschäft liegt vor, wenn die Forderungseinziehung nicht innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Maßgeblich für die Forderungseinziehung ist, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann (BGH NJW 2013, 59-62 m.w.N.).
Da im vorliegenden Fall eine ständige Haupt- oder nebenberufliche Inkassotätigkeit des Klägers – der Kläger ist unbestritten Immobilienkaufmann – nicht im Raum steht, kommt es allein darauf an, ob die Forderungseinziehung durch den Kläger lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Für die Abgrenzung zu einer Hauptleistung sind auch im Rahmen des eigenständigen Geschäfts nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG die in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kriterien maßgeblich (BGH a.a.O.).
Der Kläger betreibt hier die Einziehung der Forderung auf Rechnung der Zedentin als eigenständiges und damit gem. § 3 RDG erlaubnispflichtiges Geschäft, weil er die Forderung nach den in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kriterien nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit einzieht:
Maßgeblich für die Einordnung der Forderungseinziehung ist, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann. § 5 RDG soll nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung selbst nicht wesentlicher Teil der Hauptleistung ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss – soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt – stets auf nicht rechtlichem Gebiet liegen (BGH a.a.O.). Letzteres ist bei einem Immobilienkaufmann zu bejahen, da der Schwerpunkt dessen Tätigkeit nicht auf rechtlichem Gebiet liegt.
Ferner ist entscheidend ist, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtdienstleistung ein solches Gewicht hat, dass ihre Erbringung die Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erfordert. Hierfür kann die zum RBerG entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herangezogen werden (BGH a.a.O.).
Der Inhalt der rechtsdienstleistenden Tätigkeit wird maßgeblich durch die – objektiv zu beurteilende – Bedeutung der Rechtsfrage für den Rechtsuchenden bestimmt. So wird bei der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen hinsichtlich der Einziehung von Kundenforderungen durch Vermieter von Ersatzfahrzeugen danach differenziert, ob die Schadensersatzforderung dem Grunde oder lediglich der Höhe nach im Streit steht (BGH, WM 2012, 1082 und Urteil vom 11. September 2012 – VI ZR 297/11, juris). Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Regulierung dem Grunde nach streitiger Schadensfälle keine nach § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung der Vermieter von Ersatzfahrzeugen, weil die Klärung der Verschuldensfrage für den Unfallgeschädigten von so essentieller Bedeutung ist, dass sie stets im Vordergrund steht.
Entsprechendes gilt für die Forderungseinziehung durch eine zum Zwecke der Unterstützung und der Interessenbündelung geschädigter Kapitalanleger gegründeten Gesellschaft hinsichtlich dem Grunde nach streitiger Schadensersatzforderungen von Kapitalanlegern wegen angeblicher Pflichtverletzung aus einem Anlageberatungsvertrag. Auch dort ist die Klärung des Bestehens des behaupteten Schadensersatzanspruchs von so essentieller Bedeutung, dass sie nicht nur untergeordneter Bedeutung und damit keine zulässige Nebenleistung ist. Dies soll umso mehr gelten, wenn der Zedent nur bei erfolgreicher Geltendmachung der Forderung am Erlös beteiligt ist (vgl. BGH NJW 2013, 59-62).
Auch im hier gegenständlichen Fall sind die behaupteten Schadensansprüche der Zedentin dem Grunde und der Höhe nach streitig. Die Klärung Bestehens der Schadensersatzansprüche bedarf vertiefter Rechtskenntnis, zumal die Insolvenzverwalterin ausweislich Ziffer VII der Vereinbarung das Bestehen der Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach nicht abschließend geprüft hat. Die Klärung dieser Frage ist für die Zedentin auch essentiell, zumal auch hier die Zedentin nur bei erfolgreicher Geltendmachung der Forderung am Erlös beteiligt wird.
2.2. Das Tatbestandsmerkmal der „Geschäftsmäßigkeit“, welches in Art. 1 § 1 RBerG noch enthalten war, ist in dem Wortlaut der Neuregelung nicht mehr enthalten, vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten (LG Stuttgart, Urteil vom 13.04.2011, 4 S 278/1, juris), wobei die unter lit. aa bereits genannten (und erfüllten) Kriterien heranzuziehen sind (vgl. Deckenbrock/Henssler, a.a.O., Rn 88ff).
Das Kriterium der „Geschäftsmäßigkeit“, wonach diffenziert wurde, ob es sich um eine Tätigkeit mit Wiederholungsabsicht oder einen einheitlichen Lebenssachverhalt bzw. eine „einzige Abtretungsvereinbarung handelt, ist in dem neuen Gesetzeswortlaut des RDG nicht mehr enthalten.
Selbst wenn man aber ein „geschäftsmäßiges Handeln“ im Sinne des RBerG entgegen dem geänderten Wortlaut des RDG weiterhin für die Tatbestandsmäßigkeit des § 2 Abs. 2 RDG für erforderlich hielte, wäre auch dieses im vorliegenden Fall zu bejahen. Ein „geschäftsmäßiges Handeln“ erfordert nach der Rechtsprechung zum RBerG eine selbständige, mit Wiederholungsabsicht erfolgende Tätigkeit, die nicht nur aus besonderen Gründen als Gefälligkeit ausgeübt wird. Die Geschäftsmäßigkeit ist darüber hinaus eine Frage der inneren Einstellung. Geschäftsmäßig handelt, wer beabsichtigt, die Tätigkeit in gleicher Weise zu wiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen, unabhängig davon, ob diese Absicht auch tatsächlich durchführbar ist (vgl. BGH MDR 2011, 1076-1078 m.w.N.).
Bei Abschluss der Vereinbarung war – bereits dem Wortlaut der Vereinbarung nach – der Umfang der Forderungen, die der Kläger einziehen sollte, nicht absehbar. Ausweislich der Vereinbarung sind von der Vereinbarung „sämtliche Ansprüche der Gesellschaft“ gegen die Beklagten „aus Schadensersatz nach Aktiengesetz, Dienstvertrag, Geschäftsordnung (für den Vorstand bzw. Aufsichtsrat) der Gesellschaft, Ansprüche aus unerlaubter Handlung sowie Delikt, gleich ob bekannt oder unbekannt“ umfasst. Zwar mögen die Forderungen insgesamt auf einem Sachverhalt, nämlich der Vorstands- bzw. Aufsichtsratstätigkeit der Beklagten für die T. H1. AG beruhen. Innerhalb dessen war und ist aber nicht absehbar, welche Forderungen vom Kläger geltend gemacht werden sollen. Gemäß Ziffer II der Vereinbarung ist der Kläger „verpflichtet“, „sämtliche Forderungen“ beruhend auf verschiedensten Rechtsgrundlagen „gleich ob bekannt oder unbekannt“ (Ziffer I der Vereinbarung) geltend zu machen, wobei sich die Anzeigefrist gegenüber der Insolvenzverwalterin jeweils verlängert, bis der Kläger die zur Anspruchsprüfung erforderlichen Unterlagen hat. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger die Absicht und die Pflicht hat, bei jeder sich bietenden Gelegenheit bei Bekanntwerden weiterer Ansprüche gegen die Beklagten im Wege der Forderungseinziehung tätig zu werden. Angesichts dessen kann hier nicht von einem Sonderfall, in dem ausnahmsweise eine Forderungseinziehung auf fremde Rechnung vorgenommen wird, ausgegangen werden (vgl. hierzu auch BGH a.a.O., wo der Bundesgerichtshof eine Verstoß gegen das RBerG bei einem nicht hinreichend fest umrissenen und eingrenzbaren Forderungsbestand ebenfalls bejahte)
Aufgrund des Verstoßes gegen das RDG ist die Ermächtigung des Klägers zur Prozessstandschaft nichtig, § 134 BGB.
3. Die streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung verstößt auch gegen § 2 Abs. 1 RDG.
Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales der Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Auch nach der Vorstellung des Klägers macht er Ansprüche aufgrund behaupteter Pflichtverletzung des Beklagten gegenüber der T. H1. AG geltend. Rechtsinhaber dieser Ansprüche war daher unstreitig zunächst diese Aktiengesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit. Das bloß mittelbare wirtschaftliche Interesse des Klägers als Aktionär der T. H1. AG ändert daran nichts. Ansonsten hätte es auch der streitgegenständlichen Abtretungsvereinbarung zwischen der Insolvenzverwalterin der AG und dem Kläger nicht bedurft.
Auch das weitere Tatbestandsmerkmal der Erfordernis einer rechtlichen Prüfung im Einzelfall ist vorliegend gegeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Abtretungsvereinbarung zwischen der Insolvenzverwalterin und dem Kläger vom 20.11.2015 (Anl. B1). Dort erklärt die Insovenzverwalterin ausdrücklich (Ziff. VII), die abgetretenen Ansprüche „nicht abschließend geprüft“ zu haben. Bereits hieraus ergibt sich, dass diese rechtliche Prüfung nach der Vorstellung der Parteien der Abtretungsvereinbarung – und tatsächlich – dem Kläger vorbehalten war.
Nachdem der Kläger unstreitig nicht über eine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen verfügt und diese auch nicht gemäß § 5 RDG als Nebenleistung zum Berufsbild des Klägers als Immobilienkaufmann gehören, kommt das Verbot gemäß § 3 RDG zum Tragen. Auch aus diesem Grund ist die streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung zwischen der Insolvenzverwalterin und dem Kläger gemäß § 134 BGB nichtig.
Im übrigen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
II.
Die Klage wäre weiter im Hinblick auf die Schiedsgutachtenabrede der Parteien gemäß des vor dem Landgericht München II am 27.05.2011 (Anlage B12) geschlossenen Teilvergleiches unbegründet.
Nachdem Wortlaut von Ziffer II. 1. des Vergleiches haben die Parteien die Erholung eines Schiedsgutachtens vereinbart. Der Wirtschaftsprüfer sollte beauftragt werden, zur Frage „ordnungsgemäßer Geschäftsgang durch den Vorstand der T. H1. AG für den Zeitraum ab dem 01.07.2009“ Feststellungen zu treffen.
Gemäß Ziffer II. 2. des Vergleiches sollte das Schiedsgutachten für die Beteiligten verbindlich sein nach § 315 ff. BGB.
Unstreitig wurde ein entsprechendes Schiedsgutachten nicht erholt.
Da er sonst seinen Zweck weitgehend verfehlen würde, enthält ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne in der Regel die stillschweigende Vereinbarung, dass der Gläubiger für die Dauer der Erstattung des Gutachtens aus der Forderung gegen den Schuldner nicht vorgehen werde (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1989 – VII ZR 75/89). | Es handelt sich dabei um eine Abrede, wonach die Feststellung der betroffenen Tatsachen einem Dritten überlassen werden soll, mit der Folge, dass diese Tatsachen einer gerichtlichen Beweisaufnahme (zunächst) unzugänglich sind und die Begleichung der Forderung (zunächst) weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann (BGH NJW-RR 2014, 492, 493 TZ. 28).
Dies ist vorliegend der Fall und führt zur Unbegründetheit der Klage da das zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsgutachten über einzelne Vorfragen nicht eingeholt wurde (BGH NJW-RR 2014, 492, 493 TZ. 28). Denn Sinn und Zweck dieser im Rahmen des güterichterlichen Verfahrens getroffenen Vereinbarung der Parteien sollte es gerade sein, aus objektiver Sicht eine Überprüfung der Vorstandstätigkeit des Beklagten herbeizuführen, um eine Beurteilungsgrundlage für das weitere Vorgehen zu erlangen. Wie eine Auslegung der Vereinbarung – vor dem Hintergrund der schon damals vielfältigen Streitigkeiten der Parteien – ergibt, war die Intention auch darauf gerichtet, einen Weg zu beschreiten, der noch weitere gerichtliche Auseinandersetzungen der Parteien möglichst entbehrlich macht.
Diese Vereinbarung ist insbesondere auch nicht unwirksam gemäß § 93 Abs. 4 Aktiengesetz. Nach § 93 Abs. 4 Satz 3 Aktiengesetz kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen. Ein unter Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 Aktiengesetz abgeschlossener Verzicht oder Vergleich ist unwirksam und bleibt dies auch nach Ablauf der Frist von drei Jahren.
Diese Reglungen sind aber auf den vorliegenden Vergleich nicht anwendbar, da die Vorschrift des § 93 Abs. 4 Aktiengesetz voraussetzt, dass es „die Gesellschaft“ ist, welche auf Ersatzansprüche verzichtet oder sich über diese vergleicht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Gesellschaft als solche, also die T. H1. AG, verzichtet vorliegend weder auf Ersatzansprüche, noch vergleicht sie sich über diese (a.A. OLG München, 23 U 3159/16). Vielmehr ist der Gegenstand der Schiedsgutachtervereinbarung gerade die Vorfrage da, ob ein „ordnungsgemäßer Geschäftsgang“ seitens des Vorstandes der T. H1. AG, mithin für den im Teilvergleich geregelten Zeitraum des hiesigen Beklagten, vorlag.
Nach der erkennbaren Vorstellung der Parteien sollte erst nach Vorliegen der entsprechenden Feststellungen des namentlich bezeichneten Wirtschaftsprüfers darüber entschieden werden, ob derartige Ansprüche bestehen und ob und gegebenenfalls welcher Form sie wem gegenüber geltend gemacht werden.
Auch ein pactum de non petendo oder eine Stundung, welche wirtschaftlich einen Teilverzicht darstellen können, liegt in dem vorliegenden Teilvergleich nicht.
Die im gerichtlichen Teilvergleich getroffene Vereinbarung ist auch von den Parteien nicht wieder aufgehoben oder abgeändert worden. Eine ausdrückliche Abänderung oder Aufhebung der Regelung ist von keiner der Parteien vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auch von einer konkludenten Abänderung kann nicht ausgegangen werden. Bereits aufgrund des Umstandes, dass eine vor Gericht geschlossene Vereinbarung vorliegt, wären insoweit erhöhte Anforderungen zu stellen. Der bloße Umstand, dass die Parteien die Vereinbarung nicht „gelebt“ haben und es zu keiner Beauftragung des Wirtschaftprüfers kam oder dass die Parteien weitere rechtliche Auseinandersetzhungen geführt haben, reicht für die Annahme einer konkludenten Aufhebung oder Abänderung der getroffenen Vereinbarung nicht aus.
Ein Verstoß gegen § 242 BGB ist im Berufen des Beklagten auf den vorliegenden Teilvergleich ebenfalls nicht zu sehen. Denn es wäre dem Kläger während der ganzen Zeit seit Abschluss des Teilvergleiches unproblematisch möglich gewesen, aus dieser Vereinbarung eine Klage auf Erholung des dort vereinbarten Schiedgutachtens zu erheben.
III.
Die Klage wäre darüber hinaus selbst bei Annahme einer wirksamen Abtretung an den Kläger im Zahlungsantrag unbegründet, da der Kläger Klage auf Zahlung des bezifferten Betrages (Klageantrag 2.3.) an sich selbst erhoben hat.
Dies stünde im Widerspruch zu Ziffer II. der Abtretungsvereinbarung – Wirksamkeit unterstellt – der Insolvenzverwalterin Rechtsanwältin B2. B3. und des Klägers vom 20.11.2015 (Anlage B1).
Hiernach können Zahlungen schuldbefreiend ungeachtet der Abtretung nur an die Insolvenzverwalterin geleistet werden. Darüberhinaus ist die genaue Kontoverbindung angegeben.
Eine Aktivlegitimation, Zahlung an sich selbst zu verlangen, hat der Kläger mit dieser Vereinbarung nicht erlangt.
IV.
Da die Abtretung an den Kläger vom 20.11.2015 bereits aus den oben genannten Gründen unwirksam ist, kann dahinstehen, ob diese Vereinbarung darüber hinaus auch wegen Gefährdung von Gläubigerinteressen gemäß § 266 StGB i.V.m. § 134 BGB nichtig ist.
Auch braucht über die vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht entschieden werden.
C.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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