Aktenzeichen M 1 M 16.5983
VwGO VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3, § 151 S. 1, § 165
Leitsatz
Die Festsetzung einer Erledigungsgebühr setzt eine besondere, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat (Anschluss an BVerwG BeckRS 1993, 31236273). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 18. November 2016 hatte das Gericht das Verfahren M 1 K 16.3000, welches mit Kammerbeschluss vom 29. September 2016 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden war, eingestellt und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt, nachdem die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt hatten.
In diesem Verfahren hatte sich der Kläger ursprünglich gegen die Auferlegung von Kosten gewandt, die im Rahmen der Ersatzvornahme bei Durchführung von Kehr- und Überprüfungsarbeiten nach dem Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (SchfHwG) in der in seinem Anwesen F.-gr. 12 in G. befindlichen Feuerstätte entstanden waren. Das Landratsamt Starnberg (Landratsamt) hatte dort nach vorheriger wiederholter, jedoch ergebnisloser Fristsetzung gegenüber dem Kläger am 15. März 2016 durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister im Wege der Ersatzvornahme Kehr- und Überprüfungsarbeiten durchführen lassen und vom Kläger daraufhin mit Bescheid vom 16. Juni 2016 die Bezahlung von 278,15 EUR (Kosten der Ersatzvornahme, Bescheids- und Vollstreckungsgebühr, Auslagen) verlangt. Zur Begründung der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage hatte der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich u. a. eingewandt, dass über das Vermögen des Klägers, also auch über dessen Anwesen, in dem sich die Feuerstätte befinde, schon am …. August 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Deshalb habe nach diesem Zeitpunkt kein Kostenbescheid mehr gegen ihn ergehen dürfen. Das Landratsamt entgegnete hierauf mit Schriftsatz vom 15. November 2016, dass es (nunmehr) ebenfalls davon ausgehe, dass unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Lage der Kostenbescheid nicht gegen den Kläger persönlich hätte ergehen dürfen. Die Behörde sei bereit, auf entsprechende richterliche Hinweise kurzfristig zu reagieren. In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2016 erklärten die Vertreter des Beklagten, dass der Bescheid vom 16. Juni 2016 aufgehoben werde.
Mit Schreiben vom …. November 2016 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Kostenfestsetzung zu diesem Verfahren. Bei einem Streitwert von 287,15 EUR sei neben einer Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 RVG (58,50 EUR) und einer Terminsgebühr gemäß VV 3104 RVG (54,00 EUR) u. a. auch eine Erledigungsgebühr gemäß VV 1003 RVG (45,00 EUR) festzusetzen, insgesamt somit ein Gesamtbetrag von 316,23 EUR.
Der Urkundsbeamte des Gerichts setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Dezember 2016 die dem Kläger in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf insgesamt 157,68 EUR fest und führte in der Begründung u. a. aus, die vom Klägerbevollmächtigten beantragte Erledigungsgebühr habe nicht festgestellt werden können. Es sei nicht zu erkennen, dass der Klägerbevollmächtigte eine besondere, auf die Erledigung ohne Urteil gerichtete Tätigkeit entfaltet habe. Dem Kostenfestsetzungsbeschluss war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach innerhalb von zwei Wochen ab Beschlussbekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden kann.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom …. Dezember 2016 gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss „Beschwerde“ eingelegt. Er trägt vor, der Urkundsbeamte hätte eine Erledigungsgebühr festsetzen müssen, da sich die Rechtssache durch seine anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Die Behörde sei von ihrem ursprünglichen Verwaltungsakt endgültig aufgrund der mündlichen Verhandlung abgerückt und habe aufgrund der Erledigung und der tatsächlichen Rechtslage in einem weiteren Aufhebungsbescheid auf diese mündliche Verhandlung Bezug genommen. Seine anwaltliche Tätigkeit sei deshalb nicht durch die Festsetzung einer Verfahrensgebühr abgegolten. Es sei nicht nachvollziehbar, einerseits zur Reduzierung von Gerichtsgebühren eine Einigung anzunehmen, andererseits dadurch keine Auswirkungen auf die anwaltliche Tätigkeit anzunehmen.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und diese dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligten wurden angehört.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsund Behördenakten Bezug genommen.
II.
Das vom Klägerbevollmächtigten mit „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsmittel, welches entsprechend der dem beanstandeten Kostenfestsetzungsbeschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung als Antrag auf Entscheidung des Gerichts auszulegen war und über das in entsprechender Anwendung des § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO – ebenso wie im vorausgegangenen Einstellungsbeschluss nach Erledigung der Hauptsache – der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (BVerwG, B.v. 13.3.1995 – 4 A 1.92 – NJW 1995, 2179 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v.19.1.2007 – 24 C 06.2426 – NVwZ-RR 2007, 497 – juris Rn. 18; Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 87a Rn. 12), ist zulässig. Diese sog. Erinnerung richtet sich gegen eine Kostenentscheidung eines Urkundsbeamten des Gerichts. Gemäß § 165 i. V. m. § 151 VwGO kann hiergegen die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Die Zwei-Wochen-Frist des § 151 Satz 1 VwGO wurde eingehalten.
Die Erinnerung ist jedoch unbegründet, da für die Festsetzung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1003 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) keine Veranlassung bestanden hat.
Mit der vom Kostenbeamte festgesetzten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV-RVG sind alle Verfahrensbemühungen und -handlungen des Klägerbevollmächtigten im Verfahren M 1 K 16.3000 erfasst, einschließlich der Fertigung des Schriftsatzes zur Klagebegründung vom …. Oktober 2016, in welchem er u. a. auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers am …. August 2015 und auf die sich hieraus für das vorliegende Verfahren ergebenden rechtlichen Folgen hinweist, insbesondere, dass der Bescheid des Landratsamts gegen den Kläger nicht hätte ergehen dürfen und die Klage deshalb begründet sei.
Das Landratsamt hat diesem Vortrag des Klägerbevollmächtigten bereits vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 15. November 2016 Rechnung getragen und ausgeführt, dass es ebenfalls davon ausgehe, dass „mit Blick auf § 80 Insolvenzordnung (…) der Kostenbescheid nicht gegen den Kläger persönlich ergehen durfte“. Es hat vor diesem Hintergrund sich bereit erklärt, „auf entsprechende richterliche Hinweise in der mündlichen Verhandlung kurzfristig zu reagieren“. In der mündlichen Verhandlung hat das Landratsamt nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben werde, und sich ferner im Verfahren mit der Kostenübernahme einverstanden erklärt.
Eine weitere, besonders auf die Erledigung ohne Urteil gerichtete Tätigkeit des Klägerbevollmächtigten über den rechtlichen Vortrag im genannten Schriftsatz hinaus hat nicht stattgefunden. Eine solche wäre jedoch erforderlich gewesen, um die Festsetzung auch einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 und 1003 VV-RVG zu rechtfertigen. Eine Mitwirkung bei der Erledigung im Sinne von Nr. 1002 und 1003 VV-RVG setzt nämlich eine besondere, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat (BVerwG, B.v. 23.4.1993 – 8 C 16.92 – juris Rn. 18; B.v. 28.11.2011 – 6 B 34.11 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 23.1.2009 – 10 C 08.2037 – juris Rn. 16; B.v. 9.7.2009 – 10 C 09.1200 – juris Rn. 16). Der Rechtsanwalt muss die Erledigung dabei nicht überwiegend oder allein herbeigeführt, sondern lediglich einen nicht ganz unerheblichen Beitrag dazu geleistet haben (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris Rn. 36; B.v. 9.7.2009 – 10 C 09.1200 – juris Rn. 16). Er muss in der Weise zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen haben, dass seine Tätigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris Rn. 36; B.v. 14.11.2011 – 2 C 10.2444 – juris Rn. 5; B.v. 20.5.2014 – 10 C 12.1343 – juris Rn. 40; B.v. 31.7.2015 – 10 C 15.1074 – juris Rn. 8). Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung in einer besonderen Tätigkeit des Bevollmächtigten liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht. Eine Tätigkeit eines Bevollmächtigten, die lediglich auf die allgemeine Verfahrensförderung gerichtet ist, reicht nicht (BayVGH, B.v. 2.9.2015 – 10 C 13.2563 – juris Rn. 41; m. w. N.).
Eine nach diesen Maßstäben besondere weitere Mitwirkung des Klägerbevollmächtigten hat im Klageverfahren nicht stattgefunden. Dass die Behörde, wie der Klägerbevollmächtigte vorträgt, in der mündlichen Verhandlung endgültig vom Verwaltungsakt abgerückt ist, reicht hierzu nicht aus, auch nicht die Bezugnahme auf diese mündliche Verhandlung im Aufhebungsbescheid. Die Gerichtsgebühren wurden nicht aufgrund einer Einigung der Parteien reduziert, sondern in voller Höhe angesetzt, so dass sich auch hieraus kein Anhaltspunkt für ein besonderes Tätigwerden des Klägerbevollmächtigten ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren über die Kostenerinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG analog).