Baurecht

Erfolgloser Antrag eines Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Baugenehmigung für ein Wohnbauvorhaben

Aktenzeichen  M 8 SN 18.501

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6633
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1, § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 5
BauGB § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 212a Abs. 1, § 233 Abs. 3
BBauG 1976 § 173  Abs. 3
BauNVO § 15 Abs. 1
BayBO Art. 2 Abs. 4, Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 5, Abs. 8, Art. 59 S. 1, Art. 63 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 75 Abs. 1 S. 1
ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Das Maß der baulichen Nutzung, die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und die Bauweise (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB) sind nicht drittschützend. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Nachbar hat keinen materiellen Anspruch darauf, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht. Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben gesamtverbindlich die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren mit ihrem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 21. Juli 2017 (M 8 K 17.3385) gegen die der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 21. Juni 2017 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 23. August 2017 im Hinblick auf den genehmigten Neubau zweier Mehrfamilienhäuser auf dem streitgegenständlichen Grundstück …straße 78, Fl.Nr. …, Gemarkung … Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks …straße 76, Fl.Nr. …, Gemarkung …, welches im Süden an das streitgegenständliche Grundstück unmittelbar angrenzt. Das Grundstück der Antragsteller ist im vorderen, straßenseitigen Grundstücksbereich mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit ausgebautem Walmdach bebaut, wobei das Walmdach abgekappt ist und auf dem Dach über eine Terrasse verfügt. In der Dachgeschossebene verfügt das Gebäude nach Osten und Westen über einen Dacheinschnitt bzw. eine Dachterrasse. Im hinteren Grundstücksbereich ist das Grundstück mit einem eingeschossigen Gebäude bebaut; zwischen diesem und dem straßenseitigen Hauptgebäude befindet sich ein Pool.
Auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindet sich derzeit ein eingeschossiges Gebäude mit Walmdach und ausgebautem Dachgeschoss.
Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines übergeleiteten Baulinienplans, welcher insbesondere für das streitgegenständliche Grundstück straßenseitig entlang der …straße im Abstand von 5 m zur Grundstücksgrenze eine vordere Baugrenze vorsieht.
Lageplan mit Vorhaben (nach Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu)
Am 31. Mai 2017 (Eingangsdatum), beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit gemeinsamer Tiefgarage auf dem streitgegenständlichen Grundstück.
Das Vorhaben sieht die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern auf dem streitgegenständlichen Grundstück vor. Haus 1 soll im Abstand von 4,995 m zur Grundstücksgrenze entlang der …straße errichtet werden, wohingegen Haus 2 im hinteren Grundstücksbereich errichtet werden soll.
Beide Häuser sollen mit einem Erdgeschoss, einem Obergeschoss und einem zurückgesetzten Dachgeschoss mit Flachdach errichtet werden. Die Grundflächen betragen bei Haus 1 244,80 m² und bei Haus 2 317,20 m². Beide Häuser weisen Erker, vertikale und horizontale Vor- und Rücksprünge, Kamine und jeweils eine Aufzugsüberfahrt auf (vgl. Lageplan).
Die Wandhöhen des Hauses 1 sind: Oberkante Erdgeschoss 3,835 m, Oberkante des Geländers auf dem Erdgeschoss 4,41 m, Oberkante Obergeschoss 7,07 m, Geländer auf dem Obergeschoss 7,82 m, Oberkante zweigeschossiger Erker 6,20 m, Oberkante Dachgeschoss 10,40 m und Oberkante Aufzugsüberfahrt 12,92 m. Die Wandhöhen des Hauses 2 entsprechen denen des Hauses 1. An der nördlichen bzw. nordöstlichen Gebäudeseite des Hauses 1 ist ein Pkw-Aufzug mit einer Länge von 7,45 m, einer Breite von 4,55 m und einer Höhe von 3,00 m vorgesehen, über welchen die Tiefgarage erreicht werden kann. Alle Maße berücksichtigen bereits die Geländeoberkante von – 0,05 m und sind in den Bauvorlagen vermasst.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2017 (Aktenzeichen: …*), den Antragstellern jeweils laut Zustellungsurkunde am 23. Juni 2017 zugestellt, genehmigte die Antragsgegnerin den Bauantrag der Beigeladenen vom 31. Mai 2017 nach Plan-Nr. … mit den Handeintragungen vom 30. Mai 2017 sowie Freiflächengestaltungsplan nach Plan-Nr. … und Baumbestandsplan nach Plan-Nr. … im vereinfachten Genehmigungsverfahren unter aufschiebenden Bedingungen. Neben Auflagen zu den Kfz- und Fahrradstellplätzen sowie zum Naturschutz erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der straßenseitigen Baugrenze durch einen Lichtschacht und Müllboxen. Unter der Nachbarwürdigung führte die Antragsgegnerin aus, dass das Bauvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sein, entspreche.
Am 1. August 2017 (Eingangsdatum) stellte die Beigeladene einen Änderungsantrag zu dem genehmigten Vorhaben. Gegenstand der Tektur sei die interne Treppe in Wohnung 2 von dem Obergeschoss in das Dachgeschoss in Haus 2. Es seien im östlich gelegenen Haus 2 die Kubatur im Dachgeschoss an der Nordfassade angepasst worden, sodass die Abstandsflächen nun vollständig auf dem eigenen Grundstück lägen.
In Hinblick auf die äußere Gestaltung des Hauses 2 wurden nach den Plänen lediglich ein Erker an der nördlichen (bzw. nordöstlichen) Fassade im Dachgeschoss entfernt, ein weiterer Kamin angefügt, die Lage eines Kamins geändert und die Fensteranordnung teilweise geändert.
Mit Bescheid vom 23. August 2017 (Az.: …), den Antragstellern jeweils laut Zustellungsurkunde am 25. August 2017 zugestellt, genehmigte die Antragsgegnerin den Änderungsantrag vom 1. August 2017 nach Plan-Nr. … mit Eintragungen vom 31. Juli 2017 in Abänderung der Baugenehmigung vom 21. Juni 2017 im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Änderungsgenehmigung verlängere die Geltungsdauer des Baugenehmigungsbescheides vom 21. Juni 2017 nicht. Die Auflagen, Bedingungen, Befreiungen, Abweichungen und Ausnahmen des Genehmigungsbescheides vom 21. Juni 2017 sollen nach dem Bescheid weiter gelten. Die Ausführungen zur Nachbarwürdigung wurden wiederholt.
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2017, beim Verwaltungsgericht München am selben Tag eingegangen, erhoben die im Hauptsacheverfahren Bevollmächtigten der Antragsteller Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2017. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen M 8 K 17.3385 beim Verwaltungsgericht München geführt und ist noch nicht entschieden. Mit Schriftsatz vom 25. September 2017, am selben Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangen, erweiterten die Bevollmächtigten der Antragsteller im Hauptsacheverfahren ihren Klageantrag und bezogen auch den Bescheid vom 23. August 2017 in ihre Klage mit ein.
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2018 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers im hiesigen Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage (Aktenzeichen M 8 K 17.3385) gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2017, Az.: …, in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 23. August 2017, Az.: …, bezüglich des Hauses 2 anzuordnen und hilfsweise die Einstellung der mit Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2017, Az.: …, in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 23. August 2017, Az.: …, genehmigten Bauarbeiten bezüglich des Hauses 2 anzuordnen.
Zur Begründung des Antrags führten die Bevollmächtigten des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass die Baugenehmigungen rechtswidrig seien und die Antragsteller in ihren Rechten verletzen würden.
Im Dezember 2017 sei mit Bauvorarbeiten begonnen worden. Es fänden auf dem Baugrundstück Bohrarbeiten und die Niederbringung von Betonbefestigungen in rücksichtsloser Art und Weise und mit großer Lärmentwicklung statt. Der Antragsteller habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23. Januar 2018 zum Tätigwerden hinsichtlich der Einhaltung der Lärmgrenzwerte und zur Aussetzung der Vollziehung in Bezug auf Haus 2 aufgefordert. Die Antragsgegnerin habe dem nicht fristgemäß entsprochen, sodass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz geboten gewesen sei. Das Baugrundstück sei kürzlich real geteilt worden.
Das Bauvorhaben füge sich nicht in die Umgebungsbebauung ein, da auf den benachbarten Grundstücken nur jeweils ein Gebäude vorhanden sei.
Das Haus 2 des Bauvorhabens verstoße gegen Abstandsflächenrecht, da es die Abstandsflächen auf der Südseite zum Grundstück der Antragsteller nicht einhalte. Die Höhe der Geländer für die Dachterrassen des Obergeschosses und Dachgeschosses seien auf allen Seiten nicht bei der für die Abstandsflächentiefe maßgeblichen Gebäudehöhe berücksichtigt worden.
Zudem verletze die beabsichtigte Ausgestaltung des Hauses 2 mit einem zweiten Obergeschoss aufgrund seiner erdrückenden Wirkung das Rücksichtnahmegebot. Es entstünden unzumutbare Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragsteller, insbesondere im Hinblick auf das Schwimmbad der Antragsteller.
Außerdem befürchteten die Antragsteller eine unzumutbare Behinderung bzw. Versperrung und Verschmutzung ihrer Grundstückszufahrt durch Baumaschinen und eine Beeinträchtigung und Beschädigung ihres Grundstücks durch einen Baukran, dessen Aufstellort unklar sei, weshalb die Baugenehmigung unvollständig sei. Es werde um Auskunft gebeten, ob eine Sondernutzungserlaubnis bereits erteilt worden sei.
Hinzu komme, dass das Vorhaben zu einem unzumutbaren und schädigenden Grundwasseraufstau führe, was ausführlich begründet wird.
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass der Antrag keinen Erfolg habe, weil die Baugenehmigung rechtmäßig sei. Sie verletze insbesondere keine nachbarschützenden Rechte. Haus 1 und Haus 2 fügten sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein und seien daher nicht rücksichtslos. Auch früher seien durch das bisherige Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragsteller möglich gewesen.
Die Abstandsflächen gehörten nicht zum Prüfprogramm. Ungeachtet dessen werde 1 H zum antragstellerischen Grundstück eingehalten.
Soweit wasserrechtliche Aspekte angesprochen seien, insbesondere das Umleiten von Grundwasser, seien diese nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens.
Mit Beschluss vom 1. Februar 2018 wurde die Bauherrin und Adressatin der streitgegenständlichen Baugenehmigungen zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2018 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung führten die Bevollmächtigten der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 7. März 2018 im Wesentlichen aus, dass der Antrag bereits unzulässig sei, soweit die Nichteinhaltung von Abstandsflächen gerügt werde, da diese im vereinfachten Verfahren nicht Prüfungsgegenstand seien. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil der Antragsteller bislang keine Baueinstellung wegen Abstandsflächenverstoßes bei der Antragsgegnerin beantragt habe.
Darüber hinaus sei der Antrag unbegründet, da die erteilten Baugenehmigungen nicht gegen Nachbarrechte verstoßen würden.
Ein Abstandsflächenverstoß liege nicht vor. Die Abstandsflächen würden auch unter Berücksichtigung der Balkongeländer zum Grundstück des Antragstellers eingehalten. In den genehmigten Plänen finde sich zwar eine Unrichtigkeit – in der Ansicht West sei bei Haus 2 eine Außenwand dargestellt, die es nicht gebe und die auch nicht in den Grundrissen oder sonstigen Ansichten wiederzufinden sei –, die jedoch Gegenstand einer Rotrevision sei und mit der keine Abstandsflächenfehler zulasten des Antragstellers verbunden seien.
Das Vorhaben habe auch keine erdrückende Wirkung. Insbesondere sei die Einblicksmöglichkeit nicht unüblich und damit zulässig.
Eine Nachbarrechtsverletzung aufgrund des behaupteten Grundwasseraufstaus sei nicht gegeben. Es handele sich zunächst um eine rein zivilrechtliche Thematik, die auch nicht Prüfungsgegenstand im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sei. Die entsprechende wasserrechtliche Erlaubnis sei vom Antragsteller nicht angegriffen worden. Unabhängig davon habe der Antragsteller keinerlei sachverständige Stellungnahmen vorgelegt, aus welcher sich ergebe, dass seine Befürchtungen zutreffend seien. Die Beigeladene habe zwischenzeitlich eine Änderung der Bauausführung beschlossen und eine geänderte wasserrechtliche Erlaubnis beantragt, die seitens der Antragsgegnerin auch demnächst genehmigt werde.
Mit Schriftsatz vom 8. März 2018 übersandten die Bevollmächtigten der Beigeladenen einen weiteren, an die Beigeladene gerichteten wasserrechtlichen Bescheid vom 8. März 2018.
Mit Schriftsatz vom 13. März 2018 teilten die Bevollmächtigten des Antragstellers daraufhin mit, dass die wasserrechtliche Thematik in Folge des neuen wasserrechtlichen Bescheides nicht mehr zum Gegenstand einer Entscheidung im Eilverfahren gemacht werden müsse. Im Übrigen traten sie dem Vortrag der Beigeladenen, insbesondere hinsichtlich des behaupteten fehlenden vorherigen Antrags bei der Antragsgegnerin, entgegen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Gerichts-und Behördenakte in diesem Verfahren und im Hauptsacheverfahren verwiesen.
II.
Die Anträge haben keinen Erfolg.
1. Der Antrag der Antragsteller gemäß § 80a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 21. Juli 2017 (M 8 K 17.3385) gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. Juni 2017 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 23. August 2017 der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1.1 Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.
Im Rahmen des Antrags nach § 80a Abs. 3 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Dabei stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – juris). Hat dagegen die Anfechtungsklage von Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zu Lasten der Antragsteller ausfallenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5.87 – juris; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009, a.a.O. Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 – 4 B 244.96 – juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
1.2 Dies zugrunde gelegt, wird die Klage der Antragstellerin nach summarischer Überprüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben. Sie erweist sich voraussichtlich als zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin verletzt sie nicht in ihren Rechten, so dass ihnen auch kein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, sodass sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 59 BayBO ergibt.
1.2.1 Das Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Normen des Bauplanungsrechts, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfen sind.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 BauGB, da kein Bebauungsplan für das streitgegenständliche Grundstück besteht, sondern nur ein gemäß § 173 Abs. 3 Bundesbaugesetz (BBauG) und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleitetes und fortgeltendes Bauliniengefüge, welches für das streitgegenständliche Grundstück entlang der …straße eine vordere Baugrenze vorsieht, und das streitgegenständliche Grundstück im Übrigen im unbeplanten Innenbereich liegt.
1.2.1.1 Eine Verletzung drittschützender Rechte hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung liegt nicht vor. Unabhängig von der konkreten Bestimmung der maßgeblichen Umgebung fügt sich das Vorhaben bereits objektiv nach summarischer Prüfung nach der Art der baulichen Nutzung jedenfalls nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die nähere Umgebung ein, da nach den Bauvorlagen davon auszugehen ist, dass in den zum streitgegenständlichen Grundstück benachbarten Grundstücken (auch) eine Wohnnutzung – wie sie das Vorhaben vorsieht – vorliegt. Dies wird von den Antragstellern auch nicht bestritten.
1.2.1.2 Das Maß der baulichen Nutzung, die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und die Bauweise (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) sind nicht drittschützend (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1994 – 4 B 53/94 – juris Rn. 4; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.9.2008 – 1 CS 08.2201 – juris Rn. 1; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 3; B.v. 30.9.2014 – 2 ZB 13.2276 – juris Rn. 4; VG München, B.v. 5.42017 – M 8 S7 17.1207 – juris Rn. 22), weshalb sich die Antragsteller auf eine subjektive Rechtsverletzung diesbezüglich nicht berufen können. Die erteilte Befreiung von der Baugrenze gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann die Antragsteller ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzen, da sie nicht an der gemeinsamen Grundstücksgrenze erteilt worden ist, sondern an der nordwestlichen Seite des streitgegenständlichen Grundstücks.
1.2.1.3 Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen das drittschützende, bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
1.2.1.3.1 Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Inhaltich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 6).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 9.2.2015 – 2 CS 15.17 n.v.).
Hinsichtlich etwaiger durch ein Bauvorhaben entstehender Einblicksmöglichkeiten gibt das Rücksichtnahmegebot dem Nachbarn nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2005 – 1 ZB 05.42 – juris Rn. 20; Sächs. OVG B.v. 23.2.2010 – 1 B 581/09 – juris Rn. 5). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im innerstädtischen Bereich unvermeidlich. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt grundsätzlich nicht vor der Möglichkeit, in andere Grundstücke von benachbarten Häusern aus Einsicht nehmen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 13 m.w.N.; VG München, B.v. 16.1.2017 – M 8 SN 16.2877 – juris Rn. 30). Unzumutbarkeit ist allenfalls dann anzunehmen, wenn eine die Privatsphäre besonders beeinträchtigende drangvolle Nähe geschaffen würde, oder die Terrassen bzw. Balkone allein dem Zweck dienten, Einblick in das Grundstück des Nachbarn zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2015 – 1 CS 15.1411 – juris Rn. 4; VG München, U.v. 14.3.2016 – M 8 K 15.335 – juris Rn. 32). Vor Einblicken von Nachbargrundstücken aus sind Hausgärten grundsätzlich nicht geschützt (BayVGH, B.v. 6.11.2007 – 14 CS 07.2343 – juris Rn. 14).
1.2.1.3.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorhaben nicht rücksichtlos. Das Vorhaben, insbesondere Haus 2, und das Gebäude der Antragsteller verfügen beide über zwei Geschosse (E+1) sowie ein drittes Geschoss (ausgebautes Dachgeschoss bzw. zurückgesetztes Terrassengeschoss). Von einem erheblichen Höhenunterschied kann daher – auch unter Berücksichtigung der maximalen Höhenentwicklung bis zu 12,92 m durch die Aufzugsüberfahrt – nicht die Rede sein. Auch eine einmauernde Wirkung kommt angesichts der zentralen Situierung des Gebäudes der Antragsteller auf ihrem Grundstück nicht in Betracht, denn zwischen dem Haus 2 und dem Gebäude des Antragstellers besteht ein Abstand von mindestens zwölf Metern, was angesichts der Belegenheit der Grundstücke im innerstädtischen Bereich keinesfalls zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung führt. Auch der Abstand zu Haus 1 beträgt noch mindestens zehn Meter. Hinzu kommt, dass Haus 1 und Haus 2 nicht aneinander gebaut sind, sondern durchgehend über 9 Meter voneinander entfernt sind. Eine abriegelnde Wirkung ist angesichts dieser nicht bebauten Fläche ausgeschlossen.
Die Einblicksmöglichkeiten durch das Bauvorhaben haben die Antragsteller als zumutbar hinzunehmen. Zunächst ist auf die bereits bisher von Seiten des streitgegenständlichen Grundstücks bestehenden Einblicksmöglichkeiten hinzuweisen. Die (möglicherweise) durch die Vergrößerung und Erhöhung der Bebauung auf dem streitgegenständlichen Grundstück erweiterten Einblicksmöglichkeiten sind nicht unzumutbar, da sich die Grundstücke im innerstädtischen Bereich befinden und Einblicke dort unvermeidbar sind. So kann auch vom Grundstück der Antragsteller in erheblichem Umfang das streitgegenständliche Grundstück, insbesondere die Gartenbereiche, die Terrassenbereiche im Erdgeschoss und die Balkonbereiche im Obergeschoss des Vorhabens, eingesehen werden. Es sei nur auf die Dachterrasse und den Dacheinschnitt an der (süd)östlichen Gebäudeseite verwiesen. Wenn aber den Antragstellern Einblicksmöglichkeiten auf das streitgegenständliche Grundstück möglich sind, entspricht es einer sachgerechten Abwägung auch dem Bauvorhaben gewisse Einblicksmöglichkeiten zuzugestehen. Vergleichbare gegenseitige Einblicksmöglichkeiten sind im vorliegenden dicht bebauten Straßengeviert auch nicht unüblich (vgl. nur die Einblicksmöglichkeiten von dem Grundstück …-Straße 8 auf das streitgegenständliche Grundstück und das Grundstück der Antragsteller). Angesichts der erheblichen Entfernung sowohl der süd(west) lichen Außenwand des eingeschossigen als auch des zweigeschossigen Gebäudeteils des Hauses 2 von über 4 m bzw. über 7 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze sowie einer Entfernung dieser Außenwände zum Schwimmbereich von mindestens 9 m bzw. 12 m (jeweils abgegriffen aus dem Lageplan), ist eine besonders beeinträchtigende drangvolle Nähe nicht gegeben.
Von lediglich geringer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, in welcher Art und Weise die Antragsteller ihr Grundstück, insbesondere den Garten- und Schwimmbereich, nutzen wollen. Wollen die Antragsteller den Schwimmbereich weiterhin leicht bekleidet nutzen, müssen sie die Einblicksmöglichkeiten entweder hinnehmen oder durch natürliche oder künstliche Sichtschutzmaßnahmen (z.B. Bepflanzung oder Sichtschutzzäune) sicherstellen, dass eine Einsicht weitestgehend verhindert werden kann.
1.2.1.3.3 Auch im Hinblick auf den behaupteten Abstandsflächenverstoß kommt – unabhängig von einer konkreten Prüfung des Art. 6 BayBO – ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht in Betracht.
Dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO) kommt für die Beurteilung des bauplanungsrechtlichen (und daher bundesrechtlichen) Rücksichtnahmegebots unter dem Gesichtspunkt vorgetragener Belastungswirkungen aufgrund eines (vermeintlich) zu geringen Abstands eines großen Baukörpers zwar keine rechtliche Bindungswirkung zu. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet unter diesem Gesichtspunkt im Sinne einer Indizwirkung aber in aller Regel aus, wenn – wie hier – die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. Denn in diesem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber die diesbezüglichen nachbarlichen Belange und damit das diesbezügliche Konfliktpotenzial in einen vernünftigen und verträglichen Ausgleich gebracht hat (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.1984 – 4 B 244.84 – NVwZ 1985, 653 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 29 m.w.N.; demgegenüber ist der Umkehrschluss, wonach eine Missachtung der Abstandsflächenvorschriften regelmäßig auch zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots führe, nicht gerechtfertigt: BayVGH, B.v. 13.3.2014 a.a.O. m.w.N.).
Somit hätte selbst ein Abstandsflächenverstoß – der jedoch nicht vorliegt (hierzu sogleich) – keine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens zur Folge.
1.2.2 Ein Verstoß gegen drittschützende Normen des Bauordnungsrecht oder anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die im Prüfprogramm gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO enthalten sind, ist nicht ersichtlich.
Insbesondere wurden keine Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von der Vorschrift des Art. 6 BayBO erteilt, sodass die Abstandsflächen gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nicht Gegenstand der Baugenehmigung sind und daher nicht im Rahmen einer Nachbaranfechtungsklage bzw. eines Antrags nach § 80a Abs. 3 VwGO geltend gemacht werden können.
Gleiches gilt hinsichtlich der wasserrechtlichen und baulogistischen Bedenken der Antragsteller. Die Prüfung der diesbezüglichen Vorschriften – und damit auch etwaige Erlaubnisse – ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung.
2. Der Antrag auf Anordnung der Einstellung der genehmigten Bauarbeiten bezüglich des Hauses 2 ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
2.1 Der Antrag ist zulässig.
2.1.1 Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht in Bezug auf den Streitgegenstand auch schon vor Klageerhebung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei muss der Antragsteller eine Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechtes oder rechtlich geschützten Interesses (Anordnungsanspruch) geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft machen (§ 123 Abs. 2 VwGO, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
2.1.2 Vorliegend ist insbesondere zur Geltendmachung eines möglichen Abstandsflächenverstoßes und des daraus abgeleiteten Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten im Eilverfahren ein solcher Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft.
Da die streitgegenständliche Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt worden ist und auch Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften weder beantragt noch erteilt worden sind, war das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO nicht im Prüfungsumfang des Baugenehmigungsverfahrens enthalten. Da die Baugenehmigung somit keine Feststellungswirkung zu den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Abstandsflächenrechts enthält, konnten und können die Antragsteller ihre diesbezüglichen Bedenken nicht mittels einer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung geltend machen (s.o.). Vielmehr müssen sie einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bei der Antragsgegnerin stellen, was verwaltungsprozessual über eine Verpflichtungsklage verfolgt werden kann, so dass dementsprechend als einstweiliger Rechtsschutz eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist und damit auch nicht der in § 123 Abs. 5 VwGO angeordnete Vorrang eines Verfahrens nach §§ 80, 80a VwGO eingreift. Dagegen kann der Nachbar seinen Antrag nach § 123 VwGO, gerichtet auf Baueinstellung nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO, nicht in zulässiger Weise auf die Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften stützen, die von der Feststellungswirkung der Baugenehmigung erfasst werden, mithin die Normen, die vom Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO umfasst sind (s.o.).
2.1.3 Unschädlich ist, dass die Antragsteller bislang keine auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gerichtete Klage erhoben haben. Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung bereits vor Klageerhebung erlassen (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine solche muss lediglich noch möglich sein, was vorliegend der Fall ist.
Das auch für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Antragsteller haben sich laut unbestritten gebliebenen Vortrags ihrer Bevollmächtigten ohne Erfolg an die Antragsgegnerin mit der Aufforderung, die Vollziehung der Baugenehmigung im Hinblick auf Lärmgrenzwerte auszusetzen, gewandt. Sie haben damit jedenfalls – wenn auch nicht hinsichtlich der Abstandsflächen – ihre Bedenken gegen das Vorhaben gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geäußert. Nachdem die Antragsgegnerin bereits außerhalb des gerichtlichen Verfahrens mit dem Streitgegenstand befasst war und ihre Rechtsauffassung geäußert hatte, bedurfte es eines ausdrücklich auf bauaufsichtliches Einschreiten hinsichtlich der behaupteten Abstandsflächenüberschreitung gerichteten Antrages nicht mehr. Ein solcher wäre offensichtlich aussichtslos gewesen (vgl. VG Ansbach, B.v. 7.9.2017 – AN 3 E 17.01814 – juris Rn. 20 f.; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 123 Rn. 121b). Dies zeigt sich nunmehr auch am Abweisungsantrag der Antragsgegnerin in diesem Verfahren.
2.2 Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht vorliegen.
Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
Einen solchen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO nicht zu prüfen sind (s.o.), liegt nicht vor.
2.2.1 Ein Verstoß gegen die drittschützenden Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO) durch Haus 2 des Vorhabens liegt nicht vor.
Haus 2 hält mit seinen süd(west) lichen Außenwänden die Abstandsflächentiefe von 1 H gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf eigenem Grundstück ein.
Die maßgeblichen Wandhöhen sind: Oberkante Erdgeschoss 3,835 m, Oberkante des Geländers auf dem Erdgeschoss 4,41 m, Oberkante Obergeschoss 7,07 m, Geländer auf dem Obergeschoss 7,82 m, Oberkante zweigeschossiger Erker 6,20 m, Oberkante Dachgeschoss 10,40 m und Oberkante Aufzugsüberfahrt 12,92 m. Der Erker am dreigeschossigen Außenwandteil weist eine Wandhöhe von 9,55 m (abgegriffen) auf.
Die süd(west) liche Grundstücksgrenze ist vom eingeschossigen Außenwandteil 4,145 m (vermasst; 4,745 m von dessen Geländer, abgegriffen) bzw. 6,145 m (vermasst; 6,485 m von dessen Geländer, welches zwar nur unvollständig in dem Abstandsflächenplan eingezeichnet ist, dessen Lage sich aber zweifelfrei aus den Ansichten und Grundrissen sowie der Markierung für den Beginn der Abstandsfläche des Geländers nach (Süd-)Westen ergibt, abgegriffen), vom zweigeschossigen Außenwandteil 7,10 m (7,85 m von dessen Geländer; beides abgegriffen), vom dreigeschossigen Außenwandteil 10,45 m (abgegriffen) und vom Erker am dreigeschossigen Außenwandteil 9,90 m (abgegriffen) entfernt. Folglich liegen alle Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück.
Es kann folglich dahin stehen, ob die Geländer auf dem Erdgeschoss und dem Obergeschoss als abstandsflächenrelevant zu berücksichtigen sind – was jedoch angesichts der Darstellung in den Ansichten als jedenfalls nicht vollständig licht- und luftdurchlässig (zu den Anforderungen vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 29) naheliegt.
Eine Nachbarrechtsverletzung aufgrund der (teilweise) fehlenden Einzeichnung der Abstandsfläche des Geländers entgegen § 7 Abs. 3 Nr. 13 BauVorlV kommt folglich nicht in Betracht. Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht. Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1775 – juris Rn. 11 m.w.N.). Ein solcher Ausschluss einer Nachbarrechtsverletzung ist hier gegeben, denn anhand der Gesamtheit der Bauvorlagen, insbesondere der Grundrisse und Ansichten in denen das Geländer eingezeichnet ist, können die Abstandsflächen, die durch das Vorhaben anfallen, zweifelsfrei ermittelt werden; die Abstandsflächen sind eingehalten.
Die fehlende Darstellung der durch den zurückgesetzten, eingeschossigen Außenwandteil an der südlichen bzw. südwestlichen Außenwand ausgelösten Abstandsfläche in Richtung Süden bzw. Südwesten hat keine Nachbarrechtsverletzung zur Folge, da die Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück (unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 3 Hs. 2 Nr. 1 BayBO) in zulässigerweise zu liegen kommt. Eine Nachbarrechtsverletzung durch die fehlende Darstellung ist daher ausgeschlossen (s.o.). Gleiches gilt für die fehlende Darstellung der süd(west) lichen Abstandsfläche des zweigeschossigen Erkers (samt Geländer) an der süd(öst) lichen Außenwand, der süd(west) lichen Abstandsfläche des dreigeschossigen Erkers und der süd(west) lichen Abstandsfläche des zweigeschossigen Erkers (samt Geländer) an der nördlichen bzw. nordwestlichen Außenwand.
Die Kamine bleiben für die abstandsflächenrechtliche Betrachtung unberücksichtigt, da sie aufgrund ihrer geringen Anzahl und den schmalen Kubaturen das optische Erscheinungsbild des Daches nicht beeinträchtigen und damit untergeordnet sind; eine Anwendung von Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 8 BayBO ausscheiden (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 128. EL Dezember 2017, Art. 6 Rn. 214; VG München, B.v. 8.9.2010 – M 8 SN 10.4252 – juris Rn. 42).
Die Aufzugsüberfahrt, in der Mitte auf dem Dachgeschoss situiert, dürfte zwar angesichts ihrer Breite von jeweils um die 3 m (abgegriffen) und einer Höhe von 2,52 m (vermasst) nicht mehr untergeordnet sein (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 128. EL Dezember 2017, Art. 6 Rn. 216), da sie in ihren Wirkungen einer Außenwand gleichstehen dürfte (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 8 BayBO). Jedoch halten die jeweiligen Außenwände mit einer Wandhöhe von 12,92 m (vermasst; = H) nach (Süd) Osten und Norden (bzw. Nordosten) H/2= 6,46 m und H nach (Nord) Westen und Süden (bzw. Südwesten) ein. Wiederum kommt eine Abstandsflächenverletzung aufgrund der ungenauen Darstellung in den Ansichten – die abgegriffene Wandhöhe stimmt nicht mit der vermassten Wandhöhe überein; allein die vermasste Wandhöhe ist jedoch genehmigt – bzw. die fehlende Darstellung im Abstandsflächenplan in der Folge nicht in Betracht (s.o.).
2.2.2 Eine Abstandsflächenverletzung durch die süd(west) lichen Außenwände des Hauses 1 wurden von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht und ist im Übrigen auch nicht gegeben. Die Abstandsflächen der beiden Häuser in die anderen drei Himmelrichtungen können die Antragsteller nicht mit Erfolg beanstanden, da eine eigene Rechtsverletzung ausgeschlossen ist; diese können nicht auf dem Grundstück der Antragsteller zum Liegen kommen. Im Übrigen hält das Vorhaben alle Abstandsflächen ein, wie sich aus dem Beschluss vom 15. März 2018 (M 8 SN 18.502) ergibt.
2.2.3 Ein Widerspruch gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften ist nicht ersichtlich und nicht glaubhaft gemacht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der baulogistischen Bedenken, da tatsächliche Verstöße der Beigeladenen gegen z.B. straßenrechtliche Vorschriften weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Die Befürchtung von Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften genügt nach dem klaren Wortlaut des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht für die Begründung einer (vorläufigen) Baueinstellung.
Einen Widerspruch zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Wasserrechts vertritt der Antragsteller nach Erlass des jüngsten wasserrechtlichen Bescheides selbst nicht mehr.
3. Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzulehnen. Es entspricht vorliegend der Billigkeit den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Sachantrag gestellt hat und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 52 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.1.4, 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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