Verwaltungsrecht

Keine vorläufige Zurruhesetzung eines Soldaten

Aktenzeichen  6 CE 18.73

Datum:
12.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2389
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
SKPersStruktAnpG § 2
GG Art. 3

 

Leitsatz

1 Die “vorläufige” Zurruhesetzung eines Soldaten ist mit der Formenstrenge des Beamtenrechts unvereinbar, so dass eine hierauf gerichtete einstweiligen Anordnung unzulässig ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Verpflichtung zur uneingeschränkten Versetzung in den Ruhestand im Wege der einstweilige Anordnung nimmt die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweg, wenn das Begehren keinen Erfolg haben wird, weil in der Verwendungsreihe des Soldaten personelle Unterdeckung besteht. (Rn. 11 und 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 E 17.5665 2017-12-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 22. Dezember 2017 – M 21 E 17.5665 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.993,52 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Berufssoldat (A 9) im Dienst der Antragsgegnerin. Mit Formblatt vom 29. Mai 2017 bekundete er sein Interesse an einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. November 2017 ab, weil seine Weiterverwendung aufgrund des Personalbedarfs in seiner Verwendung im dienstlichen Interesse liege. Der Antragsteller hat hiergegen Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Am 5. Dezember 2017 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn vorläufig vor Ablauf des 31. Dezember 2017 gemäß § 2 SKPersStruktAnpG in den Ruhestand zu versetzen. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht München den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag bereits unzulässig sei, weil er auf ein rechtswidriges Rechtsschutzziel gerichtet sei. Das Gesetz sehe eine vorläufige Versetzung in den Ruhestand nicht vor. Der Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers sei eindeutig und damit nicht auslegungsfähig. Selbst wenn man ihn auf ein gesetzmäßiges Ziel gerichtet, nämlich auf uneingeschränkte Versetzung in den Ruhestand nach § 2 SKPersStruktAmpG, verstehen könnte, müsste er erfolglos bleiben. Für eine „echte“ Vorwegnahme der Hauptsache bestehe kein Grund.
Mit seiner am 3. Januar 2018 eingelegten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter und beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2012 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn gemäß § 2 SKPersStruktAnpG vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen.
Zur Begründung führt der Antragsteller aus, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aus rechtstechnischer Sicht die Möglichkeit bestehe, ihn vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache in den Ruhestand zu versetzen, wenn die maßgebliche Vorschrift für die Ruhestandsversetzung wie hier lediglich bis zu einem gewissen Ablaufdatum anwendbar sei. Sonst würden vollendete Tatsachen geschaffen werden und er könnte sein Begehren nicht mehr erreichen. Die Antragsgegnerin sei auch dafür verantwortlich, dass über seinen Antrag vom 20. Mai 2017 vermutlich aus verfahrenstaktischen Gründen nicht rechtzeitig entschieden worden sei. Er habe zwei konkrete Vergleichsfälle benannt, die ebenfalls gemäß § 2 SKPersStruktAnpG in den Ruhestand versetzt worden seien. Eine ausreichende Begründung, warum dies bei ihm nicht geschehen sei, sei dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht zu entnehmen. Das Vorgehen der Antragsgegnerin sei willkürlich und verletze Art. 3 GG.
Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet. Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern. Der mit der Beschwerde weiter verfolgte und ergänzte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung muss aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen ohne Erfolg bleiben.
1. Soweit der Antragsteller in der Begründung seiner Beschwerde weiterhin die Verpflichtung begehrt, ihn vorläufig in den Ruhestand zu versetzen, verfolgt er ein rechtswidriges Ziel.
Die allgemeinen gesetzlichen Ruhestandsregelungen, wie namentlich auf hier inmitten stehende Vorruhestandsregelung in § 2 SKPersStruktAnpG, sehen eine „vorläufige“ Zurruhesetzung nicht vor. Eine solche wäre mit Blick auf den statusändernden Charakter dieser Maßnahme und die einzelnen Rechtsfolgen mit der Formenstrenge des Beamtenrechts unvereinbar und kann entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht mit Rechtsschutzerwägungen gerechtfertigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 6 CE 16.2584 – juris Rn. 13).
2. Soweit der Antragsteller gemäß seinem Antrag uneingeschränkt in den Ruhestand versetzt werden will, ist dieser Antrag auf ein gesetzmäßiges Ziel gerichtet. Das würde indes zu einer „echten“ Vorwegnahme der Hauptsache führen, weil der Antragsteller bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes endgültig erreichen würde, was Ziel des Hauptsacheverfahrens ist. Dafür besteht kein Grund.
Eine Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) mit einer solchen Zielrichtung kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Sie setzt voraus, dass die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch auf vorzeitige Zurruhesetzung begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 6 CE 16.2584 – juris Rn. 15 m.w.N.). Das ist nicht der Fall.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SKPersStruktAnpG können – bis zu einer bestimmten Anzahl – Berufssoldatinnen und -soldaten bis zum 31. Dezember 2017 in den Ruhestand versetzt werden, wenn dies zur Verringerung der Zahl der Soldatinnen und Soldaten erforderlich ist (Nr. 1), eine zumutbare Weiterverwendung bei einer Bundesbehörde oder bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nicht möglich ist (Nr. 2), sonstige dienstliche Gründe einer Versetzung in den Ruhestand nicht entgegenstehen (Nr. 3) und die Berufssoldatinnen und Berufssoldaten das 40. Lebensjahr vollendet und eine Dienstzeit von mindestens 20 Jahren abgeleistet haben (Nr. 4). Für (u.a.) Berufsunteroffiziere, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass eine Versetzung in den Ruhestand abweichend von Satz 1 Nr. 1 auch zur Verjüngung des Personalkörpers erfolgen kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SKPersStruktAnpG). Das erweitert für diese Personengruppe allerdings lediglich die nach dem Satz 1 bestehenden Voraussetzungen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten (u.a.) durch § 2 SKPersStruktAnpG die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Strukturreform der Bundeswehr und den in deren Rahmen beabsichtigten Umbau des Personalkörpers geschaffen werden, und zwar mit den Zielen Einsatzausrichtung, Effizienzsteigerung sowie Verschlankung und Verjüngung (vgl. die Begründung zum Entwurf des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes, dessen Bestandteil das SKPersStruktAnpG ist, BT-Drs. 17/9340, S. 23 ff., insbesondere 30, 31). Die Entscheidung nach § 2 SKPersStruktAnpG dient daher allein öffentlichen Interessen; sie verlangt lediglich die Zustimmung des Soldaten. Liegt die Zustimmung des Soldaten wie hier vor, hat sich die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessensentscheidung allein an den im Gesetz zum Ausdruck kommenden Belangen der Bundeswehr zu orientieren. Private Interessen der Soldaten, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, sind nicht zu berücksichtigen. Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SKPersStruktAnpG vorgesehene Ermessensausübung kann gerichtlich nur insoweit überprüft werden, als sich das Ermessen auf die subjektive Rechtsstellung des Antragstellers auswirkt. Der Antragsteller kann somit zwar geltend machen, die Antragsgegnerin habe über seinen Antrag unter Verletzung des Gleichheitssatzes nach sachlich unzulässigen, willkürlichen Gesichtspunkten entschieden. Er kann jedoch nicht zur Nachprüfung des Verwaltungsgerichts stellen, ob die Antragsgegnerin die Ziele des jeweils geltenden Personalstrukturmodells mit zutreffenden Mitteln anstrebt, erreicht oder verfehlt hat (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.2004 – 2 C 46.03 – juris Rn. 20, 25;).
Soweit der Antragsteller eine Verletzung des Gleichheitssatzes rügt, hat die Antragsgegnerin bereits vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt, dass im Bereich der Ausbildungs- und Verwendungsreihe des Antragstellers die aktuelle Besetzung bei 307 Soldaten liege und damit unterhalb der geforderten 321 Soldaten. Die Unterdeckung in der Ausbildungs- und Verwendungsreihe des Antragstellers stehe einer Bescheidung zugunsten des Antragstellers entgegen. Die vom Antragsteller namentlich benannten Soldaten seien mit dem Antragsteller nicht vergleichbar. Diese Ausführungen lassen keine Willkür erkennen und werden vom Antragsteller im Übrigen auch nicht substantiiert angegriffen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Eine Halbierung des danach maßgebenden Wertes mit Blick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht angezeigt, weil das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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