Familienrecht

Negativer rechtswegübergreifender Kompetenzkonflikt

Aktenzeichen  L 1 SV 24/20 B

Datum:
14.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14135
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 3 Abs. 2 Anlage 1 – Kostenverzeichnis – Nr. 7504
GVG § 13, § 17, § 17 a, § 17 b
SGB II § 7, § 9
SGG § 172, § 173, § 177, § 183, § 193, § 197 a, § 202, § 51 Abs. 1, § 57, § 66, § 8
UhVorschG § 1, § 7
VwGO § 155, § 40, § 45, § 52
ZPO § 571, § 828, § 850 c, § 850 k

 

Leitsatz

1. Für Streitigkeiten über die Ausstellung von Bescheinigungen nach § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO zur Vorlage bei einem Kreditinstitut bestimmt sich der zulässige Rechtsweg danach, gegenüber welcher Stelle die Ausstellung geltend gemacht wird.
2. Einzelfall der Bestimmung, dass Gebühren für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben sind.

Verfahrensgang

S 37 AS 496/20 ER 2020-05-13 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 08.04.2020 in der Fassung des Beschlusses vom 13.05.2020 bezüglich des zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner zu 1) schwebenden Rechtsstreit aufgehoben. Diesbezüglich ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig. Die Streitsache wird an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Detmold verwiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner zu 2) schwebende Rechtsstreit statt an das Amtsgericht Minden an das sachlich und örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen wird.
III. Der Beschwerdegegner zu 1) trägt bezüglich des zwischen ihm und dem Beschwerdeführer geführten Beschwerdeverfahrens die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.
IV. Die Kosten des zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner zu 2) geführten Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtsgebühren werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen eine Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Minden – Vollstreckungsgericht.
Der am 15.10.1968 geborene Bf. begehrt von den Antrags- und Beschwerdegegnern zu 1) und zu 2) (Bg zu 1) und zu 2)) die Ausstellung einer Bescheinigung im Zusammenhang mit den Pfändungsfreigrenzen nach § 850k Zivilprozessordnung (ZPO). Er ist seit 09.05.2011 geschieden. Nach Aktenlage erhält er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.199,03 Euro (Stand Juli 2019).
Der Bf. stand beim Bg. zu 1) im Zeitraum vom 01.11.2014 bis 11.05.2017 im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Bg. zu 2) hatte in seiner Funktion als Jugendamt für die am 09.05.2004 geborene Tochter des Bf. in den Zeiträumen vom 01.05.2011 bis 01.04.2012 und vom 01.12.2014 bis 08.05.2016 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) gewährt. Für diese und für den am 13.05.2006 geborenen Sohn hat der Bf. soweit ersichtlich in den Jahren 2011, 2012 sowie 2015 bis 2017 mit Unterbrechungen Unterhalt in verschiedener Höhe geleistet, teilweise im Wege der Vollstreckung.
Am 23.03.2020 beantragte der Bf. beim Sozialgericht München die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz (Az.: S 37 AS 496/20 ER). Er beantrage den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Maßgabe, dass die Bg. dem Bf. die Pfändungsfreigrenze laut § 850k Abs. 2 Nr. 1b ZPO auch für seine beiden unterhaltspflichtigen Kinder bescheinigten zur Vorlage bei seiner Hausbank laut deren beigefügtem Vordruck.
Zur Begründung führte der Bf. aus, dass beide Bg. in der Vergangenheit mehrfach gegen ihn gepfändet hätten. Auch werde unter Bezug auf ein Verfahren vor dem Sozialgericht Detmold (S 19 AS 146/19) aktuell gemahnt bzw. eine Pfändung angedroht. Der Bf. habe am 13.01.2020 im Rahmen einer Auslandsreise einen lebensbedrohlichen Unfall gehabt. Gegen ihn sei auch ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden. Der Bf. habe bereits außergerichtlich erfolglos versucht, die gegenständliche Bescheinigung bei den Bg. einzuholen. Seine Hausbank verlange für die Einbuchung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen auf dem Pfändungsschutzkonto eine Bescheinigung über die Unterhaltsverpflichtungen für seine beiden Kinder. Ferner hätten sich weder die Arbeitsagentur noch die Krankenversicherung oder auch die Rentenversicherung oder das örtliche Landratsamt in der Lage gesehen, die Bescheinigung auszustellen.
Mit Schreiben vom 25.03.2020 hörte das Sozialgericht die Beteiligten auf Grund des aktuellen Wohnsitzes des Klägers in A, Nordrhein-Westfalen, zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Detmold an. Hierzu wies der Bg. zu 1) mit Schreiben vom 25.03.2020 unter anderem darauf hin, dass wohl eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bestehe und somit bereits keine sozialrechtliche Streitigkeit vorliege. Der Antrag des Bf. sei auch unbegründet, weil in der begehrten Bescheinigung nur die laufende Gewährung von Leistungen bestätigt werden könnte, der Bf. aber beim Bg. zu 1) derzeit nicht im Leistungsbezug sei. Der Bg. zu 2) erwiderte mit Schreiben vom 30.03.2020, dass der Bf. dort (Sozialamt) bisher weder bekannt sei noch ihm gegenüber Pfändungsmaßnahmen eingeleitet worden seien. Es bestehe lediglich beim Kreisjugendamt eine Beistandschaft für die zwei unterhaltsberechtigten Kinder des Bf. Die Beistandschaft dürfe die begehrte Bescheinigung aber nicht ausstellen. Die Zuständigkeit läge beim Sozialamt am Wohnort des Bf. Der Bf. erklärte sich mit der Verweisung einverstanden.
Mit Beschluss vom 08.04.2020 erklärte sich das Sozialgericht München für sachlich und örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Hagen. Bei der begehrten Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b ZPO handle es sich nicht um eine sozialrechtliche Streitigkeit. Sachlich und örtlich zuständig sei das Zentrale Vollstreckungsgericht für Nordrhein-Westfalen beim Amtsgericht Hagen. Der Beschluss sei nach § 98 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unanfechtbar. Der Beschluss wurde dem Bf. am 11.04.2020 zugestellt.
Das Amtsgericht Hagen sandte die mit dem Verweisungsbeschluss übersandten Akten mit Schreiben vom 04.05.2020 an das Sozialgericht München (Eingang am 08.05.2020) zurück mit dem Vermerk der Rechtspflegerin, dass das Zentrale Vollstreckungsgericht für Nordrhein-Westfalen beim Amtsgericht Hagen sachlich unzuständig sei. Für einen Antrag nach § 850k ZPO sei gemäß § 828 ZPO das Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht am Wohnort des Schuldners zuständig.
Das Sozialgericht änderte daraufhin seinen Verweisungsbeschluss vom 08.04.2020 mit Beschluss vom 13.05.2020 ab und verwies den Rechtsstreit nun an das Amtsgericht Minden (Vollstreckungsgericht). Der Bf. habe seinen Wohnsitz in A, Nordrhein-Westfalen. Bei dem Antrag auf Feststellung einer höheren Pfändungsfreigrenze und auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung nach § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b ZPO handele es sich nicht um eine Streitigkeit nach § 51 SGG. Daher sei das Sozialgericht München nicht nur örtlich, sondern auch sachlich unzuständig. Der Verweisungsbeschluss vom 08.04.2020 sei trotz inhaltlicher Fehlerhaftigkeit zwar bindend. Aufgrund der Vorgehensweise des Amtsgerichts Hagen habe sich das Sozialgericht jedoch ausnahmsweise zu der nun erfolgten Verweisung an das Amtsgericht Minden befugt gehalten, zumal es sich vorliegend um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung handele. Der Beschluss sei nach § 98 Abs. 1 Satz 2 SGG unanfechtbar. Der Bf. führte nach Zustellung des Beschlusses am 16.05.2020 mit Schreiben vom 21.05.2020 aus, dass sich ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz aufdränge. Der Klagegegenstand erscheine nur unzureichend geregelt. Offenkundig solle keine Sozialbehörde zuständig sein. Daher rege er an, sein Rechtsanliegen ggf. dem Bundesverfassungsgericht zur teilweisen Entscheidung bzw. Klärung der Zuständigkeit vorzulegen.
Das Amtsgericht Minden führte zunächst das Verfahren fort (Az.: M 52 M 1538/20). Auf ein Schreiben des Amtsgerichts Minden vom 05.06.2020, dass keine Vorgänge über Kontopfändungen den Bf. betreffend vorlägen, führte der Bf. mit Schreiben vom 08.06.2020 unter anderem aus, dass in der Vergangenheit beide Bg. gegen ihn mehrfach die Vollstreckung betrieben hätten. Derzeit seien ihm aber keine aktuellen Verfahren bekannt. Er sei nachhaltig schwerbehindert und völlig erwerbsunfähig. Dem Bf. gehe es um die vorsorgliche Sicherstellung der Pfändungsfreibeträge, weil er mit neuen Vollstreckungsverfahren rechne. Der Bf. führte abschließend an, dass nach seiner Auffassung das Amtsgericht Minden, Vollstreckungsstelle, für diesen noch nicht näher konkretisierten Fall nicht zuständig sei. Er regte die Rückverweisung an das Sozialgericht München an.
Mit Beschluss vom 10.07.2020 erklärte sich das Amtsgericht Minden für örtlich unzuständig und verwies die Sache gemäß § 828 Abs. 2 ZPO an das Sozialgericht München zurück. Es lägen beim Amtsgericht Minden keine Verfahren über Kontopfändungen vor. Abänderungen gemäß § 850k ZPO könnten nur im jeweiligen Verfahren bearbeitet werden. Dem Beschluss war keine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt.
Am 22.07.2020 sandte das Sozialgericht München die Akten an das Amtsgericht Minden erneut zurück mit dem Hinweis, dass der Verweisungsbeschluss bindend und eine Zurückverweisung an das verweisende Gericht ausgeschlossen sei. Das Amtsgericht Minden setzte das Verfahren sodann zunächst bei sich fort (Az.: 52 M 1538/20).
In einem an das Sozialgericht München gerichtetem Schreiben vom 30.07.2020 hat der Bf. vorgetragen, das Rechtsmittel der Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht zu wählen. Seit Jahren würden Klageverfahren gegen die Bg. geführt. Der Bf. sehe nach seinem Unfall vom 13.01.2020 hohe Forderungen auf sich zukommen. Daher ersuche er um amtliche Bescheinigung für seine Pfändungsfreibeträge.
Das Bayerische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 30.09.2020 festgestellt, dass für den vorliegenden Rechtsstreit durch Verweisung des Sozialgerichts München vom 13.05.2020 das Amtsgericht Minden zuständig geworden sei, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Es handele sich um die Konstellation eines negativen Kompetenzkonflikts. Die gesetzlichen Regelungen zur Lösung eines solchen Kompetenzkonflikts innerhalb eines Rechtswegs seien vorliegend entsprechend anwendbar. Danach sei vorliegend ausnahmsweise sowie aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles und im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Bayerische Landessozialgericht als Beschwerdegericht eröffnet, obwohl der Bf. nach Auslegung seines Begehrens die statthafte Beschwerde nicht habe einlegen wollen. Der Verweisung an das Amtsgericht Minden lägen in Anbetracht der vorliegenden Gemengelage von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Normen keine willkürlichen Erwägungen zugrunde, daher sei das Amtsgericht daran gebunden.
Mit Schreiben vom 15.10.2020 hat der Bf. beim Amtsgericht Minden unter Bezug auf den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.09.2020 auf Grund seiner Beschwerde vom 30.07.2020 die Verweisung an das Bundessozialgericht für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren beantragt.
Das Bundessozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20.11.2020 als unzulässig verworfen (B 11 SF 7/20 S). Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Bundessozialgericht seien nicht gegeben. Zwar sei § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG im Fall eines rechtswegübergreifenden negativen Zuständigkeitskonfliktes grundsätzlich entsprechend anwendbar. Vorliegend hätten sich jedoch nicht, wie erforderlich, zwei Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt. Zumindest die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 08.04.2020 und 13.05.2020 seien noch nicht rechtskräftig. Gegen diese sei die Beschwerde gegeben. Vorliegend sei zur Einlegung die Jahresfrist eröffnet. Rechtskraft sei auch nicht durch den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.09.2020 eingetreten, denn dieser habe ausdrücklich nicht über eine Beschwerde entschieden.
Nach Zustellung des Beschlusses des Bundessozialgerichts hat der Bf. beim Bayerischen Landessozialgericht Verfahrensrüge geltend gemacht und weiter ausgeführt. Er wende sich gegen den Bg. zu 2) als Jugendamt. Bei diesem habe er um Neufestsetzung seines zu leistenden Kinderunterhaltes laut UhVorschG ersucht. Diese Neufestsetzung stehe nun seit über einem Jahr aus.
Mit Verfügung vom 29.04.2021 hat das Bayerische Landessozialgericht die Beteiligten zum Streitgegenstand sowie einer beabsichtigten Verweisung an das Sozialgericht Detmold bzw. das Bayerische Verwaltungsgericht München angehört. Hierauf hat der Bf. mit Schreiben vom 24.04.2021 auf bestehende Rechtsstreitigkeiten hingewiesen. Bis heute habe der Bg. zu 2) die Neufestsetzung der Kinderunterhaltsleistungen nicht vorgenommen. Der Bg. zu 2) hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 12.05.2021 geäußert. Für unterhaltsrechtliche Streitigkeiten sei das Amtsgericht Rosenheim zuständig.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, auf die Akte des Amtsgerichts Minden im Verfahren 52 M 1538/20 und auf die Akten beider Bg. verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), §§ 172, 173 SGG. Im Verfahren vor den Sozialgerichten tritt an die Stelle der in § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG genannten sofortigen Beschwerde die Beschwerde nach § 172 SGG (Bundessozialgericht – BSG, Beschluss vom 12.05.1998, B 11 SF 1/97 R, SozR 3-1500 § 51 Nr. 24, juris).
Die Bestimmungen der §§ 17 bis 17b GVG über das besondere Zwischenverfahren der Rechtswegverweisung finden auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes analoge Anwendung (vgl. nur Flint in: Schlegel/Voelzke, SGG, 1. Auflage 2017, § 51 (Stand 14.05.2021), Rn. 333 ff. m.w.N.).
In dem Vorbringen des Bf. liegt eine Beschwerde im Sinne von § 172 SGG. Der Bf. hat mit seinen an das Sozialgericht München und das Bayerische Landessozialgericht gerichteten Schreiben zum Ausdruck gebracht, mit der Verweisung an das Amtsgericht Minden nicht einverstanden zu sein. Zumindest nach Erlass der Entscheidung durch das Bundessozialgericht vom 20.11.2020 (Az.: B 11 SF 7/20 S) hat der Bf. unter Einbeziehung seiner letzten Schreiben hinreichend deutlich gemacht, vom Bayerischen Landessozialgericht eine Rechtsmittelentscheidung zu begehren.
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden, § 173 SGG. Das Sozialgericht München hat im Beschluss vom 08.04.2020 in der Fassung des Beschlusses vom 13.05.2020 in der Sache den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt, auch wenn es dies im Tenor so nicht ausgesprochen hat (BSG, Beschluss vom 20.11.2020, B 11 SF 7/20 S). Dagegen ist die Beschwerde statthaft, § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG. Das Sozialgericht hat in seinen Beschlüssen nicht über dieses Rechtsmittel belehrt, daher konnte die Beschwerde gemäß § 66 Abs. 1 SGG jedenfalls innerhalb eines Jahres eingelegt werden, was zumindest mit Schreiben vom 06.12.2020 erfolgt ist.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere steht einer Entscheidung hierüber nicht der Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.09.2020 entgegen, weil dieser keine Beschwerde zum Gegenstand hatte.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Beschluss des Sozialgerichts München vom 08.04.2020 in der Fassung des Abänderungsbeschlusses vom 13.05.2020. Diese Beschlüsse sind bezüglich der Verweisung an die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie bezüglich der Verweisung zuletzt an das für sachlich und örtlich zuständig gehaltene Amtsgericht Minden als Einheit zu betrachten.
Das Beschwerdegericht hat die Streitsache umfassend zu würdigen, § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Beschwerdeentscheidung ergeht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht neu auf Grundlage der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage, ohne dabei an die Ausgangsentscheidung gebunden zu sein (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ders., SGG, 13. Auflage 2020, § 176 Rn. 4). Daher hat es im Fall einer zulässigen Rechtswegbeschwerde sowohl über den zulässigen Rechtsweg als auch über das sachlich und örtlich zuständige Gericht zu befinden, sofern es die Sache nicht erforderlichenfalls an das Ausgangsgericht zurückverweist.
Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit zu Unrecht an das Amtsgericht Minden verwiesen.
Bezogen auf den Bg. zu 1) war die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auszusprechen, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG (BSG, Beschluss vom 30.09.2014, B 8 SF 1/14 R, juris). Der Rechtsstreit war an das Sozialgericht Detmold zu verweisen. Bezogen auf den Bg. zu 2) war die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben und der Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht München zu verweisen.
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden unter anderem nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Vor die ordentlichen Gerichte gehören gemäß § 13 GVG die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind, § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn es wie vorliegend an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmSOGB, Beschluss vom 04.06.1974, GmS-OGB 2/73, BSGE 37, 292, juris; GmSOGB, Beschluss vom 10.04.1986, GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312, juris; GmSOGB, Beschluss vom 29.10.1987, GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280, juris; BSG, Beschluss vom 30.03.1993, 3 RK 1/93, BSGE 72, 148, juris; BSG, Beschluss vom 12.05.1998, B 11 SF 1/97 R, SozR 3-1500 § 51 Nr. 24 juris; BGH, Beschluss vom 10.01.1984, VI ZR 297/81, BGHZ 89, 250, juris; BSG, Beschluss vom 30.09.2014, B 8 SF 1/14 R, SozR 4-3500 § 75 Nr. 5, juris). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 40 VwGO und § 51 Abs. 1 SGG. Die Abgrenzung muss von der Sache her getroffen werden. Ausgangspunkt für die Prüfung ist deshalb die Frage, welcher Art das Klage- oder Antragsbegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist. Das bewirkt, dass regelmäßig die Gerichte anzurufen sind und zu entscheiden haben, die durch besondere Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den infrage stehenden Anspruch berufen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.1984, VI ZR 297/81, BGHZ 89, 250, juris; BSG, Beschluss vom 06.09.2007, B 3 SF 1/07 R, SozR 4-1720 § 17a Nr. 3, juris).
Bei der Prüfung der Natur des verfolgten Anspruchs kommt es nicht auf die Rechtsansicht des Klägers oder Antragstellers zur Anspruchsgrundlage an, sondern entscheidend sind regelmäßig der von ihm zur Begründung des Rechtsschutzziels vorgetragene Sachverhalt und die daran anknüpfende objektive Würdigung des Streitgegenstands (GmSOGB, Beschluss vom 10.07.1989, GmS-OGB 1/88, BGHZ 108, 284, juris; BSG, Beschluss vom 03.08.2011, B 11 SF 1/10 R, SozR 4-1500 § 51 Nr. 10, juris; BSG, Beschluss vom 22.04.2009, B 13 SF 1/08 R, BSG SozR 4-1500 § 51 Nr. 5; BSG, Beschluss vom 12.05.1998, B 11 SF 1/97 R, SozR 3-1500 § 51 Nr. 24, juris).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bezogen auf den gegenüber dem Bg. zu 1) geltend gemachten Anspruch um eine Streitigkeit, die den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zuzuordnen ist, § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG.
Der Bf. stützt seinen Anspruch darauf, dass er vom Bg. zu 1) in seiner Funktion als Träger der SGB II-Leistungen die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO begehrt, um diese seiner Hausbank zur Abänderung der Pfändungsfreigrenzen vorlegen zu können. Gemäß § 850k Abs. 5 ZPO ist das Kreditinstitut dem Schuldner zur Leistung aus dem nach § 850k Abs. 1 und 3 ZPO nicht von der Pfändung erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten verpflichtet (Satz 1). Dies gilt für die nach § 850k Abs. 2 ZPO nicht von der Pfändung erfassten Beträge nur insoweit, als der Schuldner durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst ist (Satz 2). Kann der Schuldner den Nachweis nach Satz 2 nicht führen, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Beträge nach § 850k Abs. 2 ZPO zu bestimmen (Satz 4).
Gemäß § 850k Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt die Pfändung des Guthabens im Übrigen als mit der Maßgabe ausgesprochen, dass in Erhöhung des Freibetrages nach § 850k Abs. 1 ZPO folgende Beträge nicht von der Pfändung erfasst sind: 1. die pfändungsfreien Beträge nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 850c Abs. 2a Satz 1 ZPO, wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt (a) oder der Schuldner Geldleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für mit ihm in einer Gemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder der §§ 19, 20, 39 Satz 1 oder 43 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch lebende Personen, denen er nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist, entgegennimmt (b).
Der zwischen dem Bf. und dem Bg. zu 1) zur Entscheidung gestellte Lebenssachverhalt hat seine Grundlage in einem vom Bf. geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung über die Gewährung von Sozialleistungen nach § 850 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a oder 1b ZPO. Der Bf. hat deutlich gemacht, dass es ihm nicht um Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts während laufender Vollstreckungen geht, § 828 ZPO, sondern um die vorsorgliche Erhöhung seiner Pfändungsfreigrenzen durch Vorlage von Bescheinigungen nach § 850 Abs. 5 Satz 2 ZPO. Zu diesem Zweck begehrt der Bf. im vorliegenden Verfahren zunächst die Verpflichtung des Bg. zu 1) zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung, um diese sodann bei seiner Bank vorlegen zu können.
Der vorliegende Sachverhalt ist bezüglich des Bg. zu 1) danach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzuordnen, § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG. Die Ausstellung von Bescheinigungen durch den Träger der SGB II-Leistungen steht im Sachzusammenhang mit der Erbringung der Leistungen. Das sachnähere Gericht ist daher das auch für Rechtsstreitigkeiten über die Erbringung dieser Leistungen zuständige Gericht (ebenso ohne Vertiefung SG Hildesheim, Beschluss vom 19.12.2012, S 26 AS 1917/12 ER, juris). Insbesondere macht der Bf. keinen Lebenssachverhalt geltend, der offensichtlich allein der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zuzuordnen wäre (dazu BSG, Beschluss vom 30.09.2014, B 8 SF 1/14 R, SozR 4-3500 § 75 Nr. 5, juris).
Ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags des Bf. erfüllt sind und ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht, ist für die Bestimmung des Rechtswegs vorliegend nicht entscheidend (BSG, Urteil vom 06.12.2018, B 8 SO 9/18 R, BSGE 127, 92, juris).
Auf die Beschwerde des Bf. war daher der Beschluss des Sozialgerichts insoweit aufzuheben und die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auszusprechen, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG (BSG, Beschluss vom 30.09.2014, B 8 SF 1/14 R, juris). Zugleich war gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts wegen der Rechtsstreit zwischen dem Bf. und dem Bg. zu 1) nach Anhörung der Beteiligten an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Detmold zu verweisen, §§ 8, 51, 57 Abs. 1 Satz 1 SGG (BayLSG, Beschluss vom 10.10.2017, L 1 SV 8/17 B ER, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 02.08.2017, 4 Bs 124/17, juris).
Bezogen auf den gegenüber dem Bg. zu 2) geltend gemachten Anspruch handelt es sich um eine Streitigkeit, die den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuzuordnen ist, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bf. stützt seinen Anspruch gegenüber dem Bg. zu 2) darauf, dass er vom Bg. zu 2) in dessen Funktion als Träger von Leistungen nach dem UhVorschG die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO über die Gewährung von Unterhalt für seine zwei Kinder nach § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a ZPO begehrt, um diese Bescheinigung seiner Hausbank zur Abänderung der Pfändungsfreigrenzen vorlegen zu können. Der Bf. hat sein Begehren von Anfang an gegen den Bg. zu 2) als Träger der Leistungen nach dem UhVorschG gerichtet, dies hat er abschließend im Beschwerdeverfahren verdeutlicht. Rechtsstreitigkeiten auf Grundlage der Zuständigkeiten nach dem UhVorschG sind gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuzuordnen. Sie unterfallen keiner der gemäß § 51 SGG in den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit fallenden Zuständigkeiten. Da der Bf. auch insoweit keine Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts im Zusammenhang mit laufenden Vollstreckungsmaßnahmen begehrt, § 828 ZPO, besteht auch keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Ebenso geht es nicht um unterhaltsrechtliche Streitigkeiten, die ebenfalls in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen, worauf der Bg. zu 2) mit Schriftsatz vom 12.05.2021 hingewiesen hat.
Auf die Beschwerde des Bf. war daher von Amts wegen gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG der Rechtsstreit zwischen dem Bf. und dem Bg. zu 2) nach Anhörung der Beteiligten an das sachlich und örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht München zu verweisen, §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 45, 52 Nr. 5 VwGO (BayLSG, Beschluss vom 10.10.2017, L 1 SV 8/17 B ER, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 02.08.2017, 4 Bs 124/17, juris).
Die Kostenentscheidung beruht bezogen auf das zwischen dem Bf. und dem Bg. zu 1) geführte Beschwerdeverfahren auf §§ 183, 193 SGG. Bezogen auf das zwischen dem Bf. und dem Bg. zu 2) geführte Beschwerdeverfahren beruht sie auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO, weil der Bf. einerseits mit seinem Begehren, den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht zu führen, unterlegen ist und andererseits bezüglich der Verweisung an das Amtsgericht Minden obsiegt hat.
Das Beschwerdegericht hat über die Kosten des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung zu treffen. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, findet unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens keine Anwendung (BSG, Beschluss vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R, SozR 4-1500 § 51 Nr. 6, juris).
Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird vorliegend nicht erhoben. Nach Nr. 7504 des Kostenverzeichnisses – Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – fällt eine Gebühr nur dann an, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder verworfen wird. Wird die Beschwerde nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen, kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist. Die Beschwerde des Bf. im Verhältnis zum Bg. zu 2) war nur teilweise zurückzuweisen. Der Senat bestimmt diesbezüglich, dass eine Gebühr nach billigem Ermessen nicht zu erheben ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Eine weitere Beschwerde zum BSG ist für den Zwischenstreit über den Rechtsweg nach § 17a GVG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft (BSG, Beschluss vom 06.03.2019, B 3 SF 1/18 R, SozR 4-1720 § 17a Nr. 15, juris). Der Senat hat daher keine Entscheidung über deren Zulassung zu treffen. Nur ergänzend wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine Zulassung nicht zu erfolgen hätte, weil weder eine Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung vorliegt noch der Senat von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht, § 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG.


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