Aktenzeichen 11 CS 20.1780
FeV § 11 Abs. 2, Abs. 8, § 46 Abs. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 2, 4, 6.4, 9.6
BayVwVfG Art. 31 Abs. 7, Art. 32
Leitsatz
1. Bedenken gegen die körperliche und geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01, BeckRS 2001, 30191412; BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 11 CS 20.1203, BeckRS 2020, 26736; B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469, BeckRS 2020, 30346). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020 -11 CS 20.1203, BeckRS 2020,26736). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern wie hier der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Den Eignungszweifeln ist in diesem Fall so zeitnah wie möglich nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht (BayVGH, B.v. 11.2.2019 -11 CS 18.1808, BeckRS 2019, 2227). Grundsätzlich hat der Senat eine Beibringungsfrist von zwei Monaten für ausreichend erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1418, BeckRS 2020, 22594). (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Hinblick auf den hohen Rang dieser Rechtsgüter haben das Mobilitätsbedürfnis des Antragstellers und die Bedeutung der Fahrerlaubnis für seine Lebensführung hinter dem Schutz von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer zurückzustehen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 11 CS 19.2220, BeckRS 2020, 2735 ). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 8 S 20.868 2020-06-29 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1935 geborene Antragsteller, der 1957 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) erworben hatte, wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis, die sich nunmehr auf die Klassen A (Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), A1 (Schlüsselzahl 79.05), AM, B, BE, C1 (Schlüsselzahl 171), C1E, CE (Schlüsselzahl 79) und L (Schlüsselzahlen 174 und 175) erstreckt.
Im Juli 2019 ging bei der Fahrerlaubnisbehörde beim Landratsamt F. eine polizeiliche Mitteilung ein, wonach der Antragsteller am 8. Juli 2019 beim Überholen einen LKW touchiert habe und weitergefahren sei, ohne anzuhalten. Er habe angegeben, den Unfall nicht bemerkt zu haben, da er sehr schlecht höre und das Radio während der Fahrt laut aufgedreht habe. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde im September 2019 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ausweislich der Behördenakte hatte sich bereits am 25. November 2016 ein vergleichbarer Vorfall ereignet.
Mit Schreiben vom 27. September 2019 bat das Landratsamt den Antragsteller, zur Aufklärung seiner Fahreignung eine Stellungnahme des behandelnden Arztes zu seinem Hörvermögen und etwaigen weiteren schwerwiegenden Mängeln wie z.B. Sehstörungen oder Gleichgewichtsstörungen sowie ein augenärztliches Gutachten zur Frage der Einschränkung des Sehvermögens oder Gesichtsfeldes vorzulegen.
Der Antragsteller reichte daraufhin eine Stellungnahme des Dr. H. vom 13. Oktober 2019 ein. Dort heißt es, schwerwiegende, massiv die Fahreignung einschränkende Mängel bestünden nach hausärztlicher Einschätzung nicht. Für das Hörvermögen wurde auf einen Bericht des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. T vom 30. Januar 2019 verwiesen. Außerdem war dem Schreiben ein Arztbericht der Kliniken … … … vom 15. Juli 2019 beigefügt. Der Bericht des Dr. T. vom 30. Januar 2019 nennt u.a. die Diagnose Innenohrschwerhörigkeit beidseits. In einem ergänzenden Schreiben des Dr. T an das Landratsamt vom 11. November 2019 heißt es, bei dem Antragsteller bestehe eine beidseitige mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit. Aus dem Tonaudiogramm errechne sich ein Hörverlust rechts von 56% und links von 64%. Der Bericht der Kliniken … … … vom 15. Juli 2019 enthält u.a. die Diagnosen „invasiver Ausschluss einer Progression der koronaren 2-Gefäß-Erkrankung, Atrium-Septum-Aneurysma, Z.n.a.e. TIA Attacke im vertebrobasiliären Stromgebiet DD: arterio-arteriell-emboloscher Genese bei ausgeprägter sklerosierender Makroangiopathie“; zudem ist dort die Rede von einer Neigung zur Bradykardie ohne andere Herzrhythmusstörungen. Beigefügt war dem Bericht ein Medikamentenplan. Ferner legte der Antragsteller ein augenärztliches Gutachten vom 5. November 2019 vor. Danach leidet er an Gesichtsfeldausfällen am linken Auge; das Gesamtgesichtsfeld beider Augen genüge den gesetzlichen Anforderungen.
Mit Schreiben vom 19. November 2019 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, bis zum 18. Januar 2020 ein Gutachten eines Arztes einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu den Fragen beizubringen, ob er trotz des Vorliegens einer Schwerhörigkeit mit Einschränkung des Sehfeldes, einer koronaren 2-Gefäß-Erkrankung, Atrium-Septum-Aneurysma sowie der Bradykardie-Neigung, eines Z.n.a.e. TIA Attacke, DD: arterio-arteriell-embolischer Genese bei ausgeprägter sklerosierender Makroangiopathie und einer Dauermedikation in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrzeuggruppen 1 und 2 gerecht zu werden, ob die erforderliche Compliance vorliege, ob insoweit Auflagen, Beschränkungen oder Nachuntersuchungen erforderlich seien und ob aufgrund der Dauermedikation eine Leistungsüberprüfung in Form einer medizinisch-psychologischen Begutachtung erforderlich sei.
Am 25. November 2019 teilte der Antragsteller dem Landratsamt telefonisch mit, er sei an Borreliose erkrankt, leide an Gefühlsstörungen in den Beinen, könne nur mit Hilfe gehen und fahre kein Auto. Zu einer Begutachtung sei er derzeit nicht im Stande, grundsätzlich bestehe aber Bereitschaft dazu. In dem auf Bitte des Landratsamts vorgelegten ärztlichen Attest vom 26. November 2019 heißt es, der Antragsteller sei aufgrund einer Antibiotika-Therapie wegen Borreliose nicht in der Lage, im Januar 2020 einen Begutachtungstermin wahrzunehmen. In einem weiteren Attest vom selben Tage heißt es, eine Progression der koronaren Herzerkrankung habe mittels Herzkatheter vom 28. Mai 2019 ausgeschlossen werden können; es handle sich um eine stabile koronare Herzerkrankung ohne klinische Symptomatik. Der Verdacht auf eine transitorische ischämische Attacke (TIA) habe bei fehlenden eindeutigen neurologischen Defiziten nicht verifiziert werden können. In den letzten 16 Monaten sei es zu keinem neurologischen Ereignis gekommen, so dass auch hier von einer stabilen Situation auszugehen sei. Beigefügt war dem Attest ein aktueller Medikamentenplan.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 änderte das Landratsamt die Begutachtungsanordnung hinsichtlich der verordneten fahreignungsrelevanten Medikation ab, erläuterte, warum die Fragestellung an den Gutachter trotz der vorgenannten Ausführungen des Hausarztes unverändert aufrechterhalten werde und verlängerte die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 17. Februar 2020.
Am 17. Februar 2020 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte ausführen, Zweifel an der Fahreignung seien durch die vorgelegten Unterlagen ausgeräumt, und bat um Aufhebung der Begutachtungsanordnung. Gleichzeitig wurde höchst vorsorglich die Verlängerung der Beibringungsfrist beantragt. Der Antragsteller sei bislang nicht in der Lage gewesen, ein Gutachten einzuholen. Er habe sich bis zum 15. Januar 2020 im Krankenhaus, anschließend bis zum 15. Februar 2020 auf einer Reha befunden und werde weiter im Krankenhaus behandelt.
Mit Schreiben vom 2. März 2020 teilte das Landratsamt mit, dass es an der Gutachtensanforderung festhalte. Für den Fall, dass der Antragsteller sich noch in stationärer Behandlung befinde, wurde um eine Bestätigung des Krankenhauses gebeten; dann werde man eine Verlängerung der Frist zur Vorlage des Gutachtens prüfen. Im Übrigen bestehe bis zum 13. März 2020 Gelegenheit, sich zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis zu äußern. Die Bevollmächtigte des Antragstellers führte daraufhin am 13. März 2020 aus, dem Antragsteller gehe es derzeit schlecht und er sei auf den Rollstuhl angewiesen. Sie regte an, noch einige Wochen abzuwarten, wie sich der Gesundheitszustand des Antragstellers entwickle. Beigefügt war ein hausärztliches Attest vom 11. März 2020, in dem es heißt, der Antragsteller sei momentan wegen einer akuten, schweren Erkrankung rollstuhlpflichtig und könne sich keiner Fahrtauglichkeitsüberprüfung unterziehen.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 8. April 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des Bescheids abzugeben.
Hiergegen ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg am 15. Mai 2020 Klage erheben, über die noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig stellte er einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung, etwaige Zweifel an der Fahreignung seien durch die vorgelegten Unterlagen ausgeräumt. Zudem sei der Antragsteller gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, sich einer Begutachtung zu unterziehen.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 29. Juni 2020 ab. Der Antrag sei unbegründet, da die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Das Landratsamt habe aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Die faktisch verlängerte Beibringungsfrist sei weder im Hinblick auf die Corona-Pandemie noch auf den aktuellen Gesundheitszustand des Antragstellers zu beanstanden. Bezüglich des Gesundheitszustands sei jedenfalls für die Zeit nach dem 15. Februar 2020 nicht mehr nachgewiesen, dass der Antragsteller nicht in der Lage gewesen wäre, ein Gutachten vorzulegen; dazu hätte jedoch bis zum 13. März 2020 Gelegenheit bestanden. Eine weitere Verlängerung der Frist sei nicht geboten gewesen. Materiellrechtlich bestünden angesichts der attestierten Schwerhörigkeit mit Gesichtsfeldausfällen und Sturzneigung, der Herz- und Gefäßerkrankungen, des Verdachts auf eine transitorische ischämische Attacke und die Einnahme fahreignungsrelevanter Medikamente Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers, die auch durch die hausärztliche Stellungnahme vom 26. November 2019 nicht ausgeräumt würden.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, aufgrund verschiedener stationärer Aufenthalte und eines kritischen Zustandes wegen einer Borreliose habe er keinen Termin zur Begutachtung wahrnehmen können. Doch selbst wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, wäre das Ergebnis aufgrund der akuten Erkrankung nicht geeignet gewesen, um auf die Fahreignung zu schließen. Eine Gefährdung der Allgemeinheit bis zu einer abzuwartenden Normalisierung des Gesundheitszustands sei von dem Antragsteller schon deswegen nicht ausgegangen, weil er im Rollstuhl gesessen habe und am Straßenverkehr nicht habe teilnehmen können. Zudem sei die fristgerechte Vorlage des Gutachtens wegen der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen. Im Übrigen bestünden mit Blick auf die vorgelegten ärztlichen Äußerungen keine Zweifel an der Fahreignung, die die Gutachtensanordnung rechtfertigten. Aus der Stellungnahme des Dr. T. ergebe sich, dass die Fahrtüchtigkeit durch die Schwerhörigkeit nicht beeinträchtigt werde. Wegen der Einschränkung des Sehfeldes wäre der Antragsteller bereit gewesen, Auflagen und Beschränkungen hinzunehmen. Mit Blick auf die weiteren Erkrankungen belegten die vorliegenden Arztgutachten die Fahrtauglichkeit; die Fahreignungsrelevanz der Dauermedikation sei nicht begründet worden und durch die vorgelegten ärztlichen Berichte widerlegt. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen hätte jedenfalls berücksichtigt werden, dass der Antragsteller und seine Ehefrau auf das Auto angewiesen seien, und wären auch Auflagen wie eine Beschränkung der Geschwindigkeit zu prüfen gewesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung sich hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und insoweit den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Selbst wenn man von einer Erfüllung des Darlegungserfordernisses und damit einer zulässigen Beschwerde ausgeht, ist diese nicht begründet. Denn aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl I S. 1416), in Kraft getreten zum 1. Januar 2020, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, unter anderem eines Gutachtens eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19).
Bedenken gegen die körperliche und geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 11 CS 20.1203 – juris Rn. 19; B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – beck-online Rn. 22, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020, a.a.O.)
b) Daran gemessen begegnet die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten ärztlichen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung erweist sich als gerechtfertigt.
aa) Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 18) boten die dem Landratsamt vorliegenden Erkenntnisse zu einer hochgradigen Schwerhörigkeit bei gleichzeitigen Gesichtsfeldausfällen am linken Auge, einer koronaren Zwei-Gefäß-Erkrankung, einem Atrium-Septum-Aneurysma sowie einer Bradykardie-Neigung, zum Verdacht auf Zustand nach einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) sowie zur Dauermedikation des Antragstellers hinreichend Anlass für die Anordnung, ein ärztliches Gutachten nach § 11 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 5 FeV beizubringen. Dabei hat das Landratsamt zu Recht auf die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppen 1 und 2 abgestellt, da sich die Fahrerlaubnis u.a. auf die Klassen C1, C1E und CE erstreckt, die der Gruppe 2 zuzuordnen sind (vgl. Nr. 1.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 – VkBl S. 110 – in der Fassung vom 28.10.2019 – VkBl S. 775).
Das Landratsamt hat zu Recht angenommen, dass mit Blick auf die Unfälle vom 8. Juli 2019 und 25. November 2016 zunächst Fragen zur Schwerhörigkeit und zu sonstigen schweren Mängeln wie Sehstörungen oder Gleichgewichtsstörungen veranlasst waren. Es hat den Antragsteller daher zur weiteren Aufklärung der Art und Schwere der Erkrankung, wie es mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten erschien, um Vorlage von Attesten seiner behandelnden Ärzte gebeten. Diese konnten die Zweifel an der Fahreignung aus der Sicht eines medizinischen Laien jedoch nicht restlos und eindeutig ausräumen. Vielmehr leidet der Antragsteller danach an schweren, komplexen und teilweise medikamentös behandelte Erkrankungen, die Anhaltspunkte dafür begründen, dass eine Ungeeignetheit nicht nur nach Nr. 2, sondern auch nach Nr. 4, Nr. 6.4 sowie Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV vorliegen könnte. Somit erschien die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens notwendig (vgl. dazu BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 11 CS 17.312 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – beck-online Rn. 22 f.).
(1) Bei hochgradiger Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60% und mehr) ein- oder beidseits ist die Fahreignung nach Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV nur gegeben, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen) vorliegen. Grund dafür ist nach den Begutachtungsleitlinien, dass die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr überwiegend über das optische System erfolgt, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt werden und das Gehör als Hilfsmittel im Straßenverkehr weitgehend zurückgetreten ist. Entscheidend bei der Beurteilung der Fahreignung ist demnach vor allem die Frage der möglichen Kompensierbarkeit der beeinträchtigten Hörleistung (vgl. Nr. 3.2 der Begutachtungsleitlinien). Nach dem Attest des Dr. T. vom 30. Januar 2019 sowie der Stellungnahme vom 11. November 2019 leidet der Antragsteller beidseitig an einer mittel- bis hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit und errechnet sich aus dem Tonaudiogramm ein Hörverlust rechts von 56% und links von 64%, so dass zumindest Anhaltspunkte für eine hochgradige Schwerhörigkeit vorliegen. Ferner leidet er nach dem augenärztlichen Gutachten vom 5. November 2019 an Gesichtsfeldausfällen an dem linken Auge. Damit ist auch die Erfassung visueller Signale und folglich die Kompensation der beeinträchtigten Hörleistung in Frage gestellt, so dass sich ein anderweitiger schwerwiegender Mangel aus Sicht des medizinischen Laien nicht ausschließen lässt. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller in diesem Zusammenhang angeführte Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 28. Januar 2016 – 3 L 4/16.NW – ZfSch 2016, 239. In dem dort zugrundeliegenden Fall waren, anders als hier, keine Anzeichen für schwerwiegende Mängel neben der Schwerhörigkeit ersichtlich.
(2) Mit Blick auf Herz- und Gefäßkrankheiten ist in dem Arztbericht vom 15. Juli 2019 die Rede von einer Bradykardie, d.h. einer Herzrhythmusstörung mit niedriger Herzfrequenz von unter 60 Schlägen pro Minute (vgl. Pschyrembel online, Stand April 2016). Bei Herzrhythmusstörungen ist die Fahreignung nach Nr. 4.1.1 der Anlage 4 zur FeV dann nicht gegeben, wenn es zu anfallsweiser Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit kommt. Denn Herzrhythmusstörungen können zu einer wiederholten Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns und damit zu Synkopen führen, also plötzlich eintretender kurzzeitiger Bewusstlosigkeit mit spontaner und vollständiger Erholung (vgl. Begutachtungsleitlinien Nr. 3.4.1; Pschyrembel online, Stand August 2020). Grundlage der Beurteilung sollte nach Nr. 3.4.1 der Begutachtungsleitlinien eine eingehende internistisch-kardiologische Untersuchung einschließlich 24-Stunden-Langzeit-EKG, ggf. unter Einsatz eines Ereignisrekorders sein. In dem Arztbericht heißt es zwar, dass im EKG bei einer Aufzeichnungszeit von 20 Stunden keine relevanten Herzrhythmusstörungen aufgetreten seien und der Antragsteller synkopale Zustände verneine. Gleichzeitig wird jedoch um ein wiederholtes Langzeit-EKG gebeten. Damit ließ sich eine Herzrhythmusstörung mit Synkopen aus Sicht eines medizinischen Laien nicht sicher ausschließen, zumal die Klärung von Synkopen im Einzelfall als sehr schwierig beschrieben wird (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Auflage 2018, S. 134).
Weiterhin spricht der vorgelegte Arztbericht vom 15. Juli 2019 von einem Atrium-Septum-Aneurysma, d.h. einer Ausbuchtung der Herzscheidewand, die den rechten und den linken Vorhof trennt, sowie einer koronaren Zwei-Gefäß-Erkrankung. Diese beiden Mängel werden in der – nicht abschließenden (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 19; BayVGH, B.v. 25.3.2020 – 11 CS 20.203 – juris Rn. 14) – Zusammenstellung der Anlage 4 zur FeV zwar nicht bzw. nicht als Grunderkrankung (vgl. Nr. 4.4) aufgeführt. Aus Sicht des medizinischen Laien lässt sich jedoch zumindest mit Blick auf Wechselwirkungen mit der attestierten Herzrhythmusstörung (vgl. dazu Nr. 2.7 der Begutachtungsleitlinien; BayVGH, B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – beck-online Rn. 27) nicht ausschließen, dass sie sich negativ auf die Fahreignung des Antragstellers auswirken, so dass das Landratsamt die Erkrankungen in die Begutachtungsanordnung aufnehmen durfte.
Soweit der vorbenannte ärztliche Bericht unter den Diagnosen einen Zustand nach „a.e. TIA Attacke“ nennt, handelt es sich um einen Verdacht – die Abkürzung a.e. steht für „am ehesten“ (vgl. www.befunddolmetscher.de) – einer transitorischen ischämischen Attacke, d.h. einer Durchblutungsstörung des Gehirns mit Schlaganfallähnlichen Symptomen (vgl. Pschyrembel online, Stand April 2020). Diese stellt eine kreislaufabhängige Störung der Hirntätigkeit i.S.d. Nr. 6.4 der Anlage 4 zur FeV dar, die zu Funktionsausfällen wie z.B. Lähmungen oder Sehstörungen führen kann (vgl. Begutachtungsleitlinien Nr. 3.9.4; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, S. 179 f.). Nach Nr. 6.4 der Anlage 4 zur FeV ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 im Fall der transitorischen ischämischen Störung nach erfolgreicher Therapie und Abklingen des akuten Ereignisses ohne Rückfallgefahr grundsätzlich gegeben, die Eignung zur Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 hingegen ausgeschlossen (vgl. im Einzelnen Nr. 3.9.4 der Begutachtungsleitlinien). Letzteres wird in den Beurteilungsrichtlinien damit begründet, dass Belastungen, wie sie beim Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 2 entstehen, dem Kranken nicht zugemutet werden könnten, da es sich in jedem Fall von Hirnblutung und Hirndurchblutungsstörungen um ein mit Leistungsausfällen und/oder Rückfallgefahren verbundenes Leiden handle. Weiter heißt es in den Beurteilungsrichtlinien, dass progressive Hirnleistungsstörungen oder der Verdacht auf solche Krankheiten sowie isolierte zerebrale Leistungsmängel, auch unklarer Ursache, eine eingehende Untersuchung erfordern, damit relevante psychophysische Leistungsschwächen oder psychopathologische Erscheinungen ausgeschlossen werden können. Vor diesem Hintergrund durfte das Landratsamt die Begutachtungsanordnung auf die Verdachtsdiagnose erstrecken.
In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass das Landratsamt seine Gutachtensanordnung nicht mit Blick auf das Attest des Dr. H. vom 26. November 2019 aufheben musste, soweit sie die koronare Zwei-Gefäß-Erkrankung und den Verdacht einer transitorischen ischämischen Attacke betrifft. Wenn es in dem Attest heißt, eine Progression der koronaren Herzerkrankung habe durch Herzkatheter ausgeschlossen werden können, besagt das nichts dazu, wie sich die fortbestehende Erkrankung auf die Fahreignung auswirkt. Soweit Dr. H. ausführt, der Verdacht auf eine transitorische ischämische Attacke habe nicht verifiziert werden können, es sei in den letzten 16 Monaten zu keinem neurologischen Ereignis gekommen, so dass von einer stabilen Situation ausgegangen werden müsse, ersetzt das nicht die nach den Begutachtungsleitlinien gebotene eingehende Untersuchung. Damit liegt es hier nicht so, dass die insoweit ursprünglich zu Recht bestehenden Bedenken ohne die Vorlage des geforderten Gutachtens in sonstiger Weise eindeutig ausgeräumt wären (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – BayVBl 2017, 97 = juris Rn. 13).
(3) Schließlich ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Äußerungen, dass der Antragsteller dauerhaft Arzneimittel einnimmt. Im Falle der Dauerbehandlung mit psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln ist die Fahreignung dann nicht gegeben, wenn eine Vergiftung (Nr. 9.6.1 der Anlage 4 zur FeV) oder eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß (Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV) besteht. Entscheidend ist, ob eine Arzneimitteltherapie, insbesondere auch die Dauertherapie, zu schweren und für das Führen von Kraftfahrzeugen wesentlichen Beeinträchtigungen der psycho-physischen Leistungssysteme führt. Medikamentöse Behandlungen, in deren Verlauf erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen wie Verlangsamung und Konzentrationsstörungen auftreten, schließen die Eignung in jedem Fall aus (Begutachtungsleitlinien Nr. 3.14.2).
Aus dem hausärztlichen Attest vom 26. November 2019, an welches das Landratsamt seine Begutachtungsanordnung angepasst hat, ergibt sich, dass der Antragsteller Medikamente mit den Wirkstoffen Tilidin, Bromazepam und Leflunomid einnimmt. Tilidin gehört zur Stoffgruppe der Opioid-Analgetika (vgl. www.rote-liste.de), wird zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt und kann Aufmerksamkeit sowie Reaktionsvermögen beeinträchtigen (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, S. 308; www.gelbe-liste.de). In Einklang damit heißt es in dem Beipackzettel zu dem verordneten Präparat Tilidin 50/4 retard – 1 A Pharma (abrufbar unter www.gelbe-liste.de), ob und unter welchen Voraussetzungen Auto gefahren werden könne, solle mit dem Arzt besprochen werden. Bromazepam gehört zur Stoffgruppe der Tranquilizer bzw. zu den Benzodiazepinen (vgl. www.rote-liste.de; www.gelbe-liste.de). Es wirkt spannungs-, erregungs- und angstdämpfend, also sedierend. Damit kann es das Leistungssowie Reaktionsverhalten und die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O.; www.gelbe-liste.de). Leflunomid gehört zur Gruppe der Immunsuppressiva; nach den im Internet auffindbaren Gebrauchsinformationen zu dem verordneten Präparat Leflon 20 mg Filmtabletten (vgl. www.apotheken-rundschau.de) kann die Einnahme das Reaktionsvermögen beeinträchtigen. Somit durfte das Landratsamt die Dauermedikation des Antragstellers in die Gutachtensanordnung aufnehmen und hat insoweit sachgerecht auch die Frage gestellt, ob mit Blick auf die Medikation noch eine Leistungsüberprüfung in Form einer medizinisch-psychologischen Begutachtung erforderlich ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 22.5.2019 – 11 CS 19.437 – juris Rn. 20; B.v. 25.8.2020 – 11 ZB 20.1137 – juris Rn. 15).
bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellers begegnet die gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV gesetzte Frist zur Beibringung des ärztlichen Gutachtens keinen Bedenken. Maßgeblich ist insoweit die förmlich festgesetzte Frist, die das Landratsamt in der Gutachtensanforderung vom 19. November 2019 zunächst auf den 18. Januar 2020 bestimmt und mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 bis zum 17. Februar 2020 verlängert hat (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2018 – 11 CS 17.1780 – juris Rn. 12). Davon zu trennen ist, dass die gesetzte Frist zur Gutachtensvorlage keine Ausschlussfrist ist und weitere Entwicklungen bis zum Abschluss des Behördenverfahrens berücksichtigt werden müssen (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – beck-online Rn. 35).
Die Frist zur Vorlage des Gutachtens muss nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen angemessen sein. Die Festlegung der Frist hat sich daher an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Einerseits muss es dem Betreffenden grundsätzlich möglich sein, der Aufforderung der Behörde nachzukommen. Andererseits sind für die Fristsetzung nicht die persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers maßgeblich und ist nicht angezeigt, die Frist so zu bemessen, dass das Gutachten den Zweck, die gegenwärtige Fahreignung zu klären, von vornherein verfehlen würde (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2013 – 11 CS 13.219 – juris Rn. 20; B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 11 FeV Rn. 45). Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern wie hier der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Den Eignungszweifeln ist in diesem Fall so zeitnah wie möglich nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht (BayVGH, B.v. 11.2.2019, a.a.O.). Grundsätzlich hat der Senat eine Beibringungsfrist von zwei Monaten für ausreichend erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1418 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Demnach war die ursprünglich gesetzte Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum 18. Januar 2020 hinreichend lang.
Diese Frist hat das Landratsamt auf Antrag bis zum 17. Februar 2020 verlängert. Dass es eine weitergehende Fristverlängerung abgelehnt hat, ist nicht zu beanstanden.
Die Verlängerung behördlicher Fristen steht im Ermessen der Behörde. Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen. Insoweit ist auch zu beachten, dass das Instrument der Fristverlängerung nach Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG für behördliche Fristen dem der Wiedereinsetzung für gesetzliche Fristen nach Art. 32 BayVwVfG entspricht. Für die Verlängerung einer Frist gemäß Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG dürfen daher in aller Regel keine strengeren Anforderungen als für die Wiedereinsetzung gemäß Art. 32 BayVwVfG gelten (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2019 – 11 CS 19.2069 – juris Rn. 23 m.w.N.; Mattis in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 48 f.; Michler in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2020, § 31 Rn. 60).
Nach diesen Maßstäben war eine weitere Verlängerung der Beibringungsfrist bereits deswegen nicht geboten, weil der Antragsteller, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, trotz wiederholter Aufforderung durch das Landratsamt keine Begutachtungsstelle benannt (vgl. dazu § 11 Abs. 6 Satz 3 FeV) und kein Einverständnis mit der Begutachtung erklärt hat. Damit war davon auszugehen, dass er – wie es im Übrigen auch seinem Rechtsstandpunkt entspricht – nicht bereit war, sich der Begutachtung zu unterziehen.
Unabhängig davon war mit Blick auf die Corona-Pandemie eine Fristverlängerung bereits deswegen nicht angezeigt, weil diese erstmals mit Schreiben vom 2. April 2020 eingewandt wurde und bei Ablauf der gesetzten Frist Mitte Februar 2020 erst wenige Infektionen in Bayern aufgetreten waren. Im Übrigen war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, davon auszugehen, dass ein ärztlicher Gutachter geeignete Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos während der Begutachtung treffen werde, so dass ein verbleibendes Restrisiko mit Blick auf das öffentliche Interesse an einer zeitnahen Klärung der Eignungszweifel nicht unzumutbar erschien.
Mit Blick auf die geltend gemachte akute Erkrankung war – unabhängig von der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft – eine Fristverlängerung auch deswegen nicht geboten, weil der Antragsteller in dem maßgeblichen Zeitraum bis zum Bescheiderlass nicht nachgewiesen hat, dass es ihm unmöglich gewesen wäre, sich der Begutachtung zu unterziehen. Auf die Bitte des Landratsamts, eine Bestätigung über die geltend gemachte stationäre Behandlung vorzulegen, wurde allein ein Attest des Hausarztes Dr. H. vom 11. März 2020 eingereicht. Soweit es darin heißt, aufgrund einer akuten, schweren Erkrankung sei der Antragsteller rollstuhlpflichtig und könne sich keiner Begutachtung unterziehen, ist dies ohne nähere Erläuterung und Angabe von Befundtatsachen ebenso wenig nachvollziehbar wie der Einwand der Bevollmächtigten, der Antragsteller habe sich bis zum 7. Januar 2020 im Krankenhaus und danach bis zum 15. Februar 2020 in Reha befunden. Zwingende Gründe, die einer Begutachtung hinsichtlich der Schwerhörigkeit mit Einschränkung des Sehfeldes, der Herz- und Gefäßkrankheiten sowie der Dauermedikation entgegenstehen, sind diesen Äußerungen nicht zu entnehmen. Somit kam es nicht mehr darauf an, ob das Landratsamt einer objektiven, über mehrere Monate andauernden und zeitlich nicht absehbaren Unmöglichkeit, das Gutachten beizubringen, durch weitere Fristverlängerung hätte Rechnung tragen müssen.
Dagegen kann auch nicht ins Feld geführt werden, der Antragsteller habe wegen der akuten Erkrankung ohnehin kein Fahrzeug führen können und damit keine Gefahr für den Straßenverkehr dargestellt. Denn insofern kann es nicht auf die im Einzelfall kaum nachprüfbare Wahrscheinlichkeit ankommen, mit der ein Fahrerlaubnisinhaber von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch macht bzw. etwa wegen Erkrankung oder Auslandsaufenthalts keinen Gebrauch machen kann, sondern auf das rechtliche Dürfen, d.h. die durch die Fahrerlaubnis vermittelte Möglichkeit, hiervon Gebrauch zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26). Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller auf der einen Seite zu erkennen gegeben hat, auf die Fahrerlaubnis dringend angewiesen zu sein und davon alsbald wieder Gebrauch machen zu wollen, und auf der anderen Seite keinerlei zeitliche Perspektive für eine Begutachtung aufgezeigt hat.
cc) Mit den Einwänden, er sei dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen und habe bisher, abgesehen von den genannten Vorfällen, beanstandungsfrei am Verkehr teilgenommen, kann der Antragsteller nicht durchdringen. Da nach § 11 Abs. 8 FeV davon auszugehen ist, dass ihm die Fahreignung fehlt, ist die daran anknüpfende Entziehung der Fahrerlaubnis zum Schutz von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer zwingend und verhältnismäßig. Im Hinblick auf den hohen Rang dieser Rechtsgüter haben das Mobilitätsbedürfnis des Antragstellers und die Bedeutung der Fahrerlaubnis für seine Lebensführung dahinter zurückzustehen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 11 CS 19.2220 – juris Rn. 17).
c) Davon ausgehend bleibt die Klage des Antragstellers voraussichtlich ohne Erfolg und überwiegt somit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Denn bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris Rn. 14; Hoppe in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 46).
2. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht, ausgehend von einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) allein (vgl. Behördenakte Bl. 8, 15) auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3, 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Fahrerlaubnisklassen A, A1 und CE wirken sich nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – juris Rn. 22) nicht streitwerterhöhend aus.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).