Arbeitsrecht

5 C 8/19

Aktenzeichen  5 C 8/19

Datum:
5.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:050321U5C8.19.0
Spruchkörper:
5. Senat

Leitsatz

Für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers können neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ nicht zusätzlich auch die Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ abgerechnet werden. Dies gilt ebenfalls für die Nummer 2197 Anlage 1 GOZ.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. November 2018, Az: 1 A 1044/17, Urteilvorgehend VG Köln, 17. März 2017, Az: 19 K 7100/15, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2018 geändert, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über den Umfang von Beihilfeleistungen für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers (Kleberetainers), der nach Abschluss der aktiven Phase einer kieferorthopädischen Behandlung verhindern soll, dass sich die Zähne in ihre ursprüngliche Stellung zurückbewegen.
2
Die Klägerin ist Richterin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen und für ihren Sohn mit einem Bemessungssatz von 80 v. H. beihilfeberechtigt. Dieser befand sich seit dem Jahr 2011 in kieferorthopädischer Behandlung. Bei der Abrechnung von im April 2015 durchgeführten Behandlungsmaßnahmen setzte die behandelnde Kieferorthopädin u.a. für die Eingliederung eines Lingualretainers die Nummern 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets), 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) und 2197 (adhäsive Befestigung) des Gebührenverzeichnisses zusätzlich zu den dortigen Nummern 6030 (Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention, geringer Umfang) und 6070 (Maßnahmen zur Einstellung der Kiefer in den Regelbiss während der Wachstumsphase einschließlich Retention, mittlerer Umfang) an. Die hierfür beantragte Beihilfe lehnte die Beihilfestelle bezogen auf die erstgenannten Gebührennummern ab, da die Gebührenordnung eine Gebühr für die Eingliederung bzw. Entfernung von Retainern nicht vorsehe, und kürzte im Rahmen der Erstattung auch den für den Abrechnungszeitraum angesetzten Abschlag der Nummern 6030 und 6070 des Gebührenverzeichnisses. Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.
3
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen, da die gesonderte Abrechnung eines Lingualretainers durch die Abrechnungsvorschrift zur Nummer 6080 des Gebührenverzeichnisses ausgeschlossen sei. Die Kürzung des Abschlags der Nummern 6030 und 6070 des Gebührenverzeichnisses sei ebenfalls korrekt. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides verpflichtet, der Klägerin zu den Aufwendungen aus der Rechnung der Kieferorthopädin eine weitere Beihilfe in Höhe von 260,35 Euro für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers zu gewähren; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Eine Auslegungsfrage des zahnärztlichen Gebührenrechts sei in einer beihilferechtlichen Streitigkeit von den Verwaltungsgerichten im Rahmen der Angemessenheit selbstständig und voll zu prüfen, wenn es – wie hier – an einer höchstrichterlichen oder einheitlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte fehle und der Dienstherr – im Einzelfall oder in allgemeiner Form – rechtzeitig für Klarheit über die von ihm für richtig befundene Auslegung der streitigen Gebührennummer gesorgt habe. Nach dieser Prüfung seien für die Eingliederung eines Lingualretainers neben den Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses Gebühren entsprechend den Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses anzusetzen, ohne dass es sich dabei um ausgeschlossene Doppelleistungen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ handele. Die Gebührentatbestände der Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses regelten keine Gebühr für eine Komplex- oder Zielleistung, sondern eine pauschale Grundgebühr, welche die (auch intellektuelle) Gesamtleistung des Kieferorthopäden als solche honoriere, aber nicht die kieferorthopädischen Einzelleistungen umfasse. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Analogbewertung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ seien erfüllt. Neben den Gebühren entsprechend den Nummern 6100 und 6140 könne auch die Nummer 2197 des Gebührenverzeichnisses angesetzt werden. Insoweit sei der hierzu vertretenen überwiegenden Auffassung der Zivilgerichte zu folgen. Der sich hieraus ergebende zusätzliche Erstattungsbetrag sei aber mit Blick auf den Ansatz für die Materialkosten des Lingualretainers zu kürzen, da diese in den Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses enthalten seien. Unbegründet sei die Berufung allerdings hinsichtlich des für den Abrechnungszeitraum angesetzten Abschlags der Nummern 6030 und 6070 des Gebührenverzeichnisses.
4
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er rügt eine Verletzung von Bundesrecht, weil schon die analoge Anwendung der Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses auf die Eingliederung eines Kleberetainers unzulässig sei.
5
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts.


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