Arbeitsrecht

Aberkennung des Ruhegehalts eines Kämmerers wegen Vermögensstraftaten zu Lasten des Dienstherrn

Aktenzeichen  AN 13b D 17.01676

Datum:
5.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9912
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 6, Art. 13, Art. 14, Art. 25 Abs. 1, Art. 55, Art. 72 Abs. 1 S. 1
KommHV § 47 Abs. 2
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34, § 35 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 1
StGB § 263, § 266
BayBG Art. 62 Abs. 1 S. 2, Art. 64 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, Art. 84 Abs. 1 S. 1
BBG § 70

 

Leitsatz

1. Der Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung hindert eine disziplinarrechtliche Ahndung des Dienstvergehens nicht. (Rn. 106 – 107) (redaktioneller Leitsatz)
2. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten bis zur Aberkennung des Ruhegehalts. (Rn. 121 – 124) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- und Untreuehandlungen idR anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. (Rn. 125) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die bloße Wiedergutmachungsabsicht vermag eine mildere Beurteilung nicht zu rechtfertigen, da Gelder des Dienstherrn nicht dazu bestimmt sind, dem Kreditbedürfnis der mit der Verwaltung betrauten Beamten zu dienen. (Rn. 134) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 13 Abs. 1 BayDG zur Aberkennung des Ruhegehaltes des Beklagten.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht. Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Er konnte sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern.
II.
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt steht zum einen fest auf Grund der tatsächlichen Feststellungen aus dem rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts … vom 12. Dezember 2016 – …, mit welchem der Beklagte wegen Betrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 27. Dezember 2016 rechtskräftig.
Die strafgerichtlichen Feststellungen sind gemäß Art. 55 BayDG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG für das Disziplinarklageverfahren bindend.
Der Beklagten hat im Übrigen den ihm zur Last gelegten Sachverhalt in seiner Stellungnahme gegenüber der Disziplinarbehörde vom 22. März 2017 eingeräumt. Er hat in diesem Schreiben seinen bisherigen Vortrag aus dem Schreiben vom 15. Februar 2016, er habe den Betrag von 5.000.- EUR von den Pächtern der „…“ als Darlehen erhalten, nicht mehr aufrechterhalten.
III.
Der Beklagte hat durch die Entgegenahme von 5.000.- EUR, die ihm im Jahr 2009 als Kautionszahlung für die Gaststätte „…“ in bar ausgehändigt worden war, und die er anschließend privat verwendet hat, eine Untreue gemäß § 266 StGB zu Lasten der Gemeinde begangen. Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Gemessen daran erfüllt die im Anschuldigungspunkt 1 aufgeführte Vereinnahmung und private Verwendung der Kaution den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris; SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10, juris).
Als Kämmerer der Gemeinde und Leiter der Finanzverwaltung oblag dem Beklagten die Pflicht zur Betreuung des Gemeindevermögens (BGH, B.v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, juris). Die Aufgaben eines Gemeindekämmerers umfassen neben den Haushaltsangelegenheiten die Vermögens- und Schuldenverwaltung und die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel (BGH, B.v. 4.7.1961 – 1 StR 181/61, juris Rn. 10). Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, dass er die Kaution trotz fehlender Ermächtigung nach § 47 Abs. 2 KommHV (siehe § 7 Abs. 1 der Dienstanweisung der Gemeinde …für das Finanz- und Kassenwesen vom 10.5.2001) außerhalb der Kassenräume angenommen und anschließend für private Zwecke verwendet hat.
Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht trat ein Vermögensnachteil bei der Gemeinde ein, da die vereinnahme Kaution vom Beklagten nicht an die Kasse weitergeleitet und deshalb auch nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 KommHV-Kameralistik im Sachbuch für Verwahrgelder erfasst worden ist. Das Vermögen der Gemeinde wurde durch diesen Vorgang und die nachfolgende unberechtigte private Verwendung der Kaution vermindert, ohne dass dem zugleich ein unmittelbarer Vermögensvorteil in entsprechender Höhe gegenüber gestanden wäre. Ein Schaden ist bei der – hier vorliegenden – unberechtigten Nutzung öffentlichen Vermögens für private Zwecke unproblematisch zu bejahen (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 266 Rn. 122). Der Vermögensnachteil liegt bereits in der unberechtigten Vorenthaltung gemeindlicher Gelder (schadensgleiche Vermögensgefährdung, vgl. BGH, U.v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02 – juris Rn. 17). Die behauptete Absicht, die empfangene Kaution zu einem späteren Zeitpunkt dem Gemeindevermögen wieder zuzuführen, steht dem nicht entgegen, da der eingetretene Vermögensnachteil dadurch nicht beseitigt wird (BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 74).
Es liegt zudem eine Untreue in einem besonders schweren Fall (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB) vor, weil der Beklagte seine Befugnisse bzw. seine Stellung als Kämmerer und damit als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB) missbraucht hat.
Hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 2. und 3 (unberechtigter Einzug monatlicher Raten im Zeitraum 14.8.2009 – 05.03.2013) hat der Beklagte sich wegen Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 4 StGB zu Lasten der Pächter der Gaststätte „…“ strafbar gemacht.
Bezüglich des Zeitraums zum 1. Juli 2011 bis zum 5. März 2013 liegt das rechtskräftige Strafurteil des Amtsgerichts … vom 12. Dezember 2016 vor, in welchem der Beklagte wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden ist. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Soweit es den Zeitraum vom 14. August 2009 bis zum 30. Juni 2011 betrifft, wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO (Verfolgungsverjährung für den Zeitraum bis zum 30.12.2010) bzw. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Der Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung hindert jedoch eine disziplinarrechtliche Ahndung des Dienstvergehens nicht.
Hat das Dienstvergehen zu einem endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit geführt (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG), bleiben die Maßnahmen der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts, die nicht dem individuellen Erziehungszweck, sondern dem ungeachtet des Zeitablaufs zu wahrenden Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes dienen, stets zulässig. Ist der Beamte wegen seines Dienstvergehens auf Dauer untragbar geworden, so ändert auch der Zeitablauf hieran nichts (BVerwG, B.v. 20.1.2014 – 2 B 89/13, juris).
Das Amtsgericht … hat im Urteil vom 12. Dezember 2016 zutreffend ausführt, dass der Beklagte durch die Angabe des Verwendungszweck „Mietnebenkosten“ bei den beiden Pächtern der „…“ den Eindruck rechtmäßig entstandener Forderungen erweckt hat, so dass dem Einzug jeweils nicht widersprochen wurde. Tatsächlich bestanden neben den weiteren monatlich eingezogenen Beträgen jedoch keine zusätzlichen „Mietnebenkosten“, vielmehr übertrug der Beklagte die Beträge auf ein Kautionssparbuch der Gemeinde, um die von den Pächtern zu entrichtende Kaution „anzusparen“. Hierdurch entstand den Pächtern ein Schaden in Höhe von insgesamt 2.300.- EUR.
Da der Beklagte hierbei seine Stellung als Amtsträger missbraucht hat, ist der Tatbestand des § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB erfüllt.
Nichts anderes gilt für den vom Strafurteil nicht erfassten Zeitraum vom 14. August 2009 bis zum 30. Juni 2011.
Der Beklagte handelte vorsätzlich im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit sowie im Bewusstsein der Erlangung eines unredlichen Vermögensvorteils zu Lasten der Gemeinde, da er als Kämmerer wusste, dass er die Kautionszahlung an die Kasse hätte weiterleiten und nicht zu privaten Zwecken hätte verwenden dürfen. Selbst wenn der Beklagte von Anfang an beabsichtigt haben sollte, die Kaution nachträglich dem Gemeindevermögen zuzuführen, wäre insoweit bedingter Vorsatz zu bejahen, da der Beklagte einen entsprechenden Nachteil zu Lasten der Gemeinde zumindest billigend in Kauf genommen hat (BayVGH, U.v. 4.6.2014 – 16a D 10.2005, juris, Rn. 38).
Auch hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 2. und 3. handelte der Beklagte vorsätzlich, da ihm bekannt war, dass keine „Mietnebenkosten“ in Höhe des jeweils monatlich abgebuchten Betrages bestanden, er bei den Pächtern jedoch den Irrtum erweckte bzw. aufrecht erhielt, solche würden bestehen.
Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm gegenüber der Gemeinde obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Er hat gegen die Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§§ 266 Abs. 1, 53 StGB, Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), allgemeine Richtlinien zu befolgen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F., § 35 Satz 2 BeamtStG), den Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 34 Satz 1 BeamtStG), das ihm übertragene Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen auszuüben (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 34 Satz 2 BeamtStG) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F., § 34 Satz 3 BeamtStG).
Das Vorgehen des Beklagten war in sein Amt als Kämmerer und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, weil er in dieser Eigenschaft die Kaution entgegennahm und nachfolgend unberechtigte Abbuchungen zu Lasten der Pächter der Gaststätte „…“ vornahm, um das Kautionssparbuch sukzessive wieder „anzusparen“, nachdem er die erhalten Kautionszahlung in Höhe von 5.000.- EUR für private Zwecke verwendet hatte.
Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 BayDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen.
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14, juris Rn. 12).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aufgrund eines solchen Verhaltens aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 13).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 16).
Auf die Einstufung des Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem gleichgestellten Delikt kommt es vorliegend nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 ausdrücklich klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgibt; Hieraus lässt sich schließen, dass sich jede schematische Betrachtung – insbesondere an Hand von Schwellenwerten – verbietet (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2017 – 16a D 15.2758, juris Rn. 46; U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.1777, juris Rn. 31). Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist vielmehr auch bei innerdienstlichen Straftaten auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16, juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 83).
Für Untreue ist gemäß § 266 Abs. 1 StGB ein gesetzlicher Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vorgesehen, vorliegend wegen Erfüllung der Voraussetzungen des § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB sogar von bis zu zehn Jahren. Gleiches gilt für die vom Beklagten begangenen Betrugsdelikte zu Lasten der beiden Pächter der Gaststätte „…“.
Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen bis zu drei Jahren vorsieht – für die vorliegenden Untreuehandlungen zu Lasten des Dienstherrn und die Betrugshandlungen zu Lasten der Pächter sind es sogar bis zu zehn Jahre -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 20; BayVGH, U.v. 28.6.2017, a.a.O., Rn. 83; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540, juris Rn. 70, 72).
Die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.
Wie bereits ausgeführt, ist zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat des Beamten hervorgerufen worden ist, auch bei innerdienstlich verübten Straftaten nunmehr auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen abzustellen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 19). Vorliegend stellt die Untreuehandlung zu Lasten der Gemeinde die schwerste Dienstpflichtverletzung dar, da durch diese das Vermögen der Gemeinde unmittelbar geschädigt wurde.
Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht – hier sind es sogar bis zu zehn Jahre -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20) bzw. bei Ruhestandsbeamten bis zur Aberkennung des Ruhegehalts.
Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen i.d.R. anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14, juris Rn. 11).
Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Auf Grund der Schadenshöhe von 5.000.- EUR, des nachfolgenden Betrugs zu Lasten der Pächter, um die missbräuchliche Verwendung der Kaution zu privaten Zwecken zu vertuschen, sowie der früheren Stellung des Beklagten als Kämmerer ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 85 und U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160, juris Rn. 28).
Die Veruntreuung hat zu einem eklatanten Vertrauensbruch und zu einem erheblichen Schaden geführt. Der Beklagte hat zudem im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt.
Als Kämmerer war dem Beklagten die Verwaltung des Gemeindevermögens anvertraut. Dennoch hat er unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Amtsstellung und seiner Dienstbefugnisse einen erheblichen Geldbetrag in Höhe von 5.000.- EUR veruntreut und zusätzlich die Pächter der Gaststätte „…“ betrügerisch geschädigt, um durch eine Ansparung der veruntreuten Kautionssumme die Untreuehandlung zu vertauschen. Der Beklagte hat sich durch die begangene Untreue aus eigennützigen Motiven einen ungerechtfertigten finanziellen Vorteil in erheblicher Höhe zu verschafft.
Hinzu kommt, dass der Beklagte über einen Zeitraum von fast vier Jahren die Pächter der Gaststätte geschädigt hat, indem er unberechtigt als „Mietnebenforderung“ deklarierte Beträge abgebucht hat, obwohl derartige Forderungen nicht bestanden. Der Beklagte hat hierdurch eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt, um die veruntreute Summe erneut „anzusparen“ und damit letztlich die von ihm begangene Untreue zu Lasten der Gemeinde zu vertuschen.
Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass der Beklagte nach der Entdeckung der im Zusammenhang mit der Einvernahme der Kaution bestehenden Ungereimtheiten nicht etwa „reinen Tisch“ gemacht, sondern zunächst versucht hat, wahrheitswidrig die Einbehaltung der Kaution als Empfang eines privaten Darlehens durch die Pächter der Gaststätte zu deklarieren. Dem Beklagten gelang es sogar, die Pächter wahrheitswidrig zu einer am 5. Januar 2016 erfolgten Unterzeichnung eines Darlehensvertrages über 5.000.- EUR zu bewegen.
Erst in seiner Stellungnahme vom 22. März 2017 räumte der Beklagte dann den wahren Sachverhalt und die private Verwendung der Kaution ein.
Unter den bezeichneten Umständen wäre ein weiterer Verbleib des Beklagten im Dienst der Gemeinde weder dieser noch der Allgemeinheit zuzumuten gewesen, so dass ihm nach Eintritt in den Ruhestand das Ruhegehalt abzuerkennen ist.
Demgegenüber bestehen zu Gunsten des Beklagten keine mildernden Umstände, die für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht hätten, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte.
Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte die veruntreute Summe nur vorübergehend in Anspruch nehmen und zurückzahlen wollte, sich hierzu aber finanziell nicht in der Lage gesehen habe. Ein Beamter ist nicht befugt, Geld des Dienstherrn diesem auch nur vorübergehend vorzuenthalten, um es zunächst für eigene Zwecke einzusetzen. Die bloße Wiedergutmachungsabsicht vermag eine mildere Beurteilung deshalb nicht zu rechtfertigen, da Gelder des Dienstherrn nicht dazu bestimmt sind, dem Kreditbedürfnis der mit der Verwaltung betrauten Beamten zu dienen (BayVGH, U.v. 4.6.2014, a.a.O., Rn. 67 m.w.N.).
Ein Absehen von der Höchstmaßnahme würde allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte – jeweils vor drohender Entdeckung – entweder freiwillig den Schaden wiedergutgemacht oder sein Fehlverhalten offenbart hätte (BayVGH, U.v. 4.6.2014, a.a.O., Rn. 68). Beides ist hier jedoch nicht der Fall.
Sonstige Milderungsgründe, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen würden, liegen ebenfalls nicht vor.
Anhaltspunkte für eine fehlende oder eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten i.S.d. §§ 20, 21 StGB bzw. für eine psychische Ausnahmesituation zum Zeitpunkt der Taten liegen nicht vor.
Auch für eine überwundene negative Lebensphase fehlt es an Anhaltspunkten. Familiäre und finanzielle Schwierigkeiten können grundsätzlich jeden treffen und sind nicht geeignet, eine ausweglose Ausnahmesituation zu begründen. Auch kann nicht von einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage ausgegangen werden, in der der Beklagte keinen anderen Aus Weg gesehen hat, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern, da er sich mit der Finanzierung des Hausbaus u.a. übernommen hat. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte Bezüge nach der BesGr. A 13 erhalten hat.
Angesichts der über Jahre hinweg begangenen Betrugshandlungen, um das Kautionssparbuch nach der Veruntreuung wieder „anzusparen“ uns so die private Verwendung der Kaution zu vertuschen, ist darüber hinaus eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat zu verneinen.
Die Gesichtspunkte „langjährige beanstandungsfreie Dienstausübung“ und „berufliches Engagement“ reichen regelmäßig nicht aus, um von der gebotenen Dienstentfernung oder Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160, juris Rn. 30; U.v. 18.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 91; BVerwG, B.v. 26.8.2009 – 2 B 66/09, juris Rn. 8).
Der nachträgliche Eintritt in den Ruhestand führt weder zur Anwendung anderer Bemessungsmaßstäbe noch stellt er einen mildernden Umstand dar (BVerwG, B.v. 26.8.2009 – 2 B 66/09, juris Rn. 8).
Den gesetzlichen Regelungen liegen zum einen generalpräventive Erwägungen zugrunde. Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung zu führen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Dienstvergehen in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Zum anderen gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass ein Beamter, der in den Ruhestand tritt, nachdem er ein zur Auflösung des Beamtenverhältnisses führendes Dienstvergehen begangen hat, nicht bessergestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (BVerfG, B.v. 22.11.2001 – 2 BvR 2138/00, NVwZ 2002, 467 und vom 9.8.2006 – 2 BvR 1003/05, DVBl 2006, 1372; BVerwG, U.v. 23.11.2006 – 1 D 1.06, Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 Rn. 28 und v. 24.5.2007 – 2 C 25.06, juris Rn. 17; B.v. 26.8.2009 – 2 B 66/09, juris Rn. 10)
Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes. Ihnen ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 92).
Die Kammer verkennt nicht, dass der Beklagte und seine Familie durch die Aberkennung des Ruhegehalts existentiell betroffen werden. Ihm steht deshalb für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu. Auch ist er durch die Gemeinde in der Rentenversicherung nachzuversichern. Im Übrigen ist er auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verweisen (BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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