Arbeitsrecht

Abgeltung von Arbeitszeitguthaben wegen Ruhestandsversetzung

Aktenzeichen  M 5 K 16.991

Datum:
14.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23840
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 80 Abs. 3, Art. 87 Abs. 3
BayAzV § 8b

 

Leitsatz

Die Regelungen des § 8b Abs. 1 und Abs. 2 BayAzV, wonach zum einen bei Lehrkräften in der Ansparphase eine Dienstunfähigkeit bis zu sechs Monaten die Ansparung einer ausgleichspflichtigen Arbeitszeit nicht hindere, andererseits aber Zeiten einer Dienstunfähigkeit bis sechs Monaten in der Ausgleichsphase ebenfalls unberücksichtigt bleiben, ist im Hinblick auf eine pauschalierende Regelung zur Vermeidung eines erheblichen Verwaltungsaufwands nicht zu beanstanden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne weitere mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
2. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Ministeriums vom 12. September 2014 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2016 ist – hinsichtlich der hier nur streitgegenständlichen Abgeltung des Arbeitszeitkontos der Klägerin – rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitergehende Neufestsetzung ihrer Teilzeitbeschäftigung auch für die Zeit vom 1. August 2005 bis 24. Januar 2007 und Abgeltung eines sich hieraus ergebenden Ausgleichsbetrags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) sowie dessen Verzinsung.
Es ist vielmehr rechtlich zutreffend, dass das Ministerium mit dem Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2016 nur noch zusätzlich den Zeitraum vom 25. Januar 2007 bis 11. März 2007 in die Neufestsetzung der Teilzeitbeschäftigung einbezogen hat, so dass insgesamt der Zeitraum vom 25. Januar 2007 bis 31. Juli 2009 von der Neufestsetzung umfasst wird. Die davor liegenden Zeiten seit dem 1. August 2005 hat das Ministerium zu Recht nicht auch miteinbezogen. Das ergibt sich aus Folgendem:
a) Nach Art. 87 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) regelt die Staatsregierung die Arbeitszeit durch Verordnung. Aktuell gilt die Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (Bayerische Arbeitszeitverordnung – BayAZV) vom 25. Juli 1995, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung arbeitszeit- und mutterschutzrechtlicher Bestimmungen vom 28. November 2017.
Zur Bewältigung eines länger andauernden, aber vorübergehenden Personalbedarfs kann nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 BayBG (zuvor Art. 80 Abs. 3 BayBG a.F.) eine ungleichmäßige Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit festgelegt werden. Dies erfolgte für den Schulbereich durch die Verordnung zur Einführung eines verpflichtenden Arbeitszeitkontos vom 20. März 2001, gültig seit 1. August 2001 (nachfolgend: Verordnung). Nach § 3 der Verordnung setzte sich das verpflichtende Arbeitszeitkonto grundsätzlich aus einer fünfjährigen Ansparphase, einer dreijährigen Wartezeit und einer fünfjährigen Ausgleichsphase zusammen (bei der Klägerin kam es zu einer Abweichung mit jeweils vierjähriger Anspar- und Ausgleichsphase und zweijähriger Wartezeit nach § 10 Nr. 1 a), § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 der Verordnung, weil sie vor dem 1.2.2010 das 55. Lebensjahr vollendete). In der Ansparphase ist über die Unterrichtsverpflichtung hinaus wöchentlich eine zusätzliche Unterrichtsstunde zu erteilen, § 4 Abs. 1 der Verordnung. In der Ausgleichsphase ist die angesparte Arbeitszeit in vollem Umfang durch eine entsprechende Anrechnung auf die Unterrichtsverpflichtung auszugleichen durch eine um eine Wochenstunde verringerte Unterrichtsverpflichtung, § 6 Satz 1, 2 der Verordnung. Beginn und Ende der Ansparphase und der Ausgleichsphase werden in den §§ 4 und 7 bis 11 der Verordnung nach bestimmten Schularten differenzierend festgelegt.
Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung erfolgt in den Fällen des § 8b Abs. 1 Satz 1 BayAzV keine Ansparung. Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung verlängert sich die Ansparphase in diesen Fällen abweichend von § 8b Abs. 1 Satz 2 BayAzV nicht.
Aus § 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAzV ergibt sich, dass bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach Art. 87 Abs. 3 BayBG während der Dauer des sechs Monate überschreitenden Zeitraums einer Dienstunfähigkeit eine ausgleichspflichtige Arbeitszeit nicht angespart wird. Nach § 8b Abs. 1 Satz 2 BayAzV verlängert sich die Ansparphase entsprechend, soweit sie nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen oder auf Antrag der Beamten vorzeitig beendet wird. Tritt ein Fall des § 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAzV während der Ausgleichsphase ein, so wird diese um den entsprechenden Zeitraum verlängert, § 8b Abs. 2 BayAzV.
Tritt im Falle einer Teilzeitbeschäftigung eine Beendigung des Beamtenverhältnisses ein, bevor die vorgesehene Ausgleichsphase abgeschlossen ist, und wird dadurch die Abwicklung der vollen oder teilweisen Freistellung unmöglich, so ist ein Widerruf einer Teilzeitbeschäftigung auch mit Wirkung für die Vergangenheit möglich, Art. 87 Abs. 3 Satz 6, Art. 88 Abs. 5 BayBG.
b) Aus diesen Regelungen ergibt sich zum einen, dass auch bei Lehrkräften in der Ansparphase eine Dienstunfähigkeit bis zu sechs Monaten die Ansparung einer ausgleichspflichtigen Arbeitszeit nicht hinderte. Zeiten einer Dienstunfähigkeit über sechs Monate hinaus führten zu keiner Ansparung. Dies ist in § 4 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung ausdrücklich erwähnt, letztlich aber deklaratorisch. Denn diese Regelung ergibt sich unmittelbar aus § 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAzV. Ein konstitutiver Regelungsgehalt kommt demgegenüber jedoch § 4 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung zu, nach der sich die Ansparphase „abweichend von § 8b Abs. 1 Satz 2 AZV“ in diesen Fällen nicht verlängert. Dies trägt schulorganisatorischen Gründen Rechnung, weil sich individuell unterschiedliche Ansparphasen nur schwerlich in einen geordneten Schulbetrieb hätten integrieren lassen. Die Ansparphasen gleicher Lehrkräfte sollten auch gleich beginnen und enden.
Daraus ergibt sich zum anderen aber auch, dass § 8b Abs. 2 BayAzV für die Ausgleichsphase unmittelbar Geltung beansprucht. Das ist schon aus der Bezugnahme auf Art. 87 Abs. 3 BayBG in § 8b Abs. 1 Satz 1 BayAzV ersichtlich. Einer ausdrücklichen Erwähnung in § 6 der Verordnung bedurfte es hierzu nicht. Hier bestand auch kein Bedarf für eine von § 8b Abs. 2 BayAzV abweichende Regelung hinsichtlich einer Verlängerung der Ausgleichsphase. Denn individuell unterschiedlich lange Ausgleichsphasen sind leichter in die Personalorganisation zu integrieren als dies bei den Ansparphasen mit den nachfolgenden Wartezeiten der Fall wäre. Hier ist kein 100%-iger Gleichlauf bei allen Lehrkräften vonnöten.
c) Konkret auf die Klägerin bezogen bedeutet dies einerseits, dass die Zeiten ihrer Dienstunfähigkeit in der Ansparphase, immerhin rund dreieinhalb Monate, für die Ansparung einer ausgleichspflichtigen Arbeitszeit unbeachtlich waren. Bei der durch das Ministerium im Bescheid vom 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2016 nach Art. 87 Abs. 3 Satz 6, Art. 88 Abs. 5 BayBG vorgenommenen Neufestsetzung der Teilzeitbeschäftigung konnten aber andererseits Zeiten einer Dienstunfähigkeit der Klägerin bis sechs Monaten in der Ausgleichsphase ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Diese hinderten weder den Ausgleich der zuvor – auch nicht tatsächlich vollständig – angesparten Arbeitszeit noch führten sie zur Verpflichtung des Beklagten, diese durch Einbeziehung in die Neufestsetzung der Teilzeitbeschäftigung abzugelten.
Letztlich führt dies auch zu einer Gleichbehandlung mit solchen Lehrkräften, die in der Ausgleichsphase mehr als sechs Monate Dienstunfähigkeit aufweisen, jedoch ohne dann wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden zu sein. Auch deren Ausgleichsphase verlängerte sich nur um sechs Monate Dienstunfähigkeit übersteigende Zeiten, in denen sie in den Genuss der Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung kamen. Hinsichtlich der bis sechs Monate dauernden Dienstunfähigkeit gingen sie des tatsächlichen Genusses des Ausgleichs der von ihnen zuvor erarbeiteten Zeiten verlustig.
Ein Widerspruch zum Willen des Normgebers ist bei all dem nicht zu erkennen. Dieser hat mit § 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAzV eine pauschalierende Betrachtungsweise für Fälle der Leistungsstörungen durch Dienstunfähigkeit vorgenommen. Zeiten von sechs Monaten Dienstunfähigkeit in einem Zeitraum von fünf Schuljahren wären überdurchschnittlich hoch, rechnerisch entsprechend im Durchschnitt rund 36 Tage pro Schuljahr. Mit dieser pauschalierenden Regelung konnte verhindert werden, dass sich einzelne Krankheitstage bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit über längere Zeiträume sofort unmittelbar auswirken und erheblichen Verwaltungsaufwand auslösen. Es ist der Klagepartei zwar zuzugeben, dass über die Zeiten der Dienstunfähigkeit ohnehin genau Buch geführt werden muss, um zu ermitteln, ob diese sechs Monate insgesamt übersteigen oder nicht. Die Anzahl der Fälle, in denen diese Art der Leistungsstörung dann jedoch auch tatsächlich zu einer rückwirkenden Änderung von Teilzeitbeschäftigungen führen muss, dürfte durch diese Pauschalierung jedoch erheblich reduziert sein.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO.
4. Die Berufung war nicht – wie von der Klagepartei mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017 ausdrücklich beantragt – zuzulassen, insbesondere liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vor. Beim erkennenden Gericht ist kein einziger vergleichbarer Fall anhängig.


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